Gracie | Ein Weihnachtsmärchen | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 88 Seiten

Reihe: Historical

Gracie Ein Weihnachtsmärchen


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7337-6450-0
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 88 Seiten

Reihe: Historical

ISBN: 978-3-7337-6450-0
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wer ist der Unbekannte, der in einer Dezembernacht vor ihrer Tür liegt? Elinor bringt es nicht übers Herz, ihn der Kälte zu überlassen. Ohne auf ihren Ruf zu achten, schafft die junge Witwe ihn in ihr Cottage - nicht ahnend, dass damit ein Weihnachtmärchen seinen Anfang nimmt.



Schon als junges Mädchen begeisterte sich Anne Gracie für die Romane von Georgette Heyer - für sie die perfekte Mischung aus Geschichte, Romantik und Humor. Geschichte generell, aber auch die Geschichte ihrer eigenen Familie ist Inspirationsquelle für Anne, deren erster Roman für den RITA Award in der Kategorie beste Erstveröffentlichung nominiert war. Ihr Urgroßvater, ein Seemann, ging Ende des 19. Jahrhunderts in Australien an Land und blieb dann für immer weil er sich dort in ein Mädchen verliebt hatte, das er später heiratete. Anne selbst lebt in Melbourne in einem kleinen Holzhaus und widmet sich in ihrer Freizeit der Imkerei. Zudem unterrichtet sie an einem College Englisch um so ihre Liebe zur englischen Literatur weiterzugeben und in einem Programm zur Bekämpfung des Analphabetentums erteilt sie Erwachsenen Unterricht. Das Faszinierendste am Schreiben ist für Anne die Entstehung der Charaktere und die Entwicklung ihrer Leben. Oft wacht sie mitten in der Nacht auf und hat eine bestimmte Szene im Kopf, die dann häufig der Beginn des nächsten Romans ist.

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1. KAPITEL

Northumberland, England, Dezember 1816

„Brennt meine Wunschkerze noch, Mama?“

Zärtlich küsste Ellie ihre kleine Tochter. „Ja, Liebling, sie ist noch nicht ausgegangen. Und jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen, und schlaf. Die Kerze steht unten auf der Fensterbank, genau da, wo du sie aufgestellt hast.“

„Sie leuchtet hinaus ins Dunkle, damit Papa sie sieht und weiß, wo wir sind.“

Ellie zögerte. Mit rauer Stimme erwiderte sie: „Ja, mein Liebling. Papa wird wissen, dass wir hier sind, im Warmen.“

Amy kuschelte sich unter die fadenscheinigen Laken und die ausgeblichene Steppdecke. „Und morgen früh wird er mit uns frühstücken.“

Ellies Kehle war wie zugeschnürt. „Nein, Liebling. Papa wird nicht kommen. Das weißt du doch.“

Amy runzelte die Stirn. „Aber morgen ist doch mein Geburtstag, und du hast gesagt, dass Papa dann kommt.“

Tränen verschleierten ihr die Augen, als Ellie ihrer Tochter mit der abgearbeiteten Hand sanft über die Wange strich. „Nein, Liebling, das war letztes Jahr. Und du weißt, warum Papa damals nicht gekommen ist.“

Langes Schweigen trat ein. „Weil ich letztes Jahr keine Kerze ins Fenster gestellt habe?“

Ellie war entsetzt. „O nein! Nein, mein Liebling, mit dir hatte das gar nichts zu tun, wirklich nicht!“ Sie schloss das kleine Mädchen in die Arme, drückte es fest an sich und strich ihm über die glänzenden Locken, bis sie sich so weit gefasst hatte, dass sie wieder sprechen konnte. „Liebling, dein Papa ist gestorben, deswegen ist er nicht nach Hause gekommen.“

„Weil er den Weg nicht gesehen hat, weil ich ihm keine Kerze hingestellt habe.“

Das Elend in der Stimme ihrer Tochter zerriss Ellie schier das Herz. „Nein, meine Süße. Mit der Kerze hatte das gar nichts zu tun. An Papas Tod war niemand schuld.“ Das stimmte nicht. Hartley war von eigener Hand gestorben, aber Spielsucht und Freitod waren hässliche Themen für ein kleines Kind.

„Und jetzt hör auf damit“, meinte Ellie so entschieden, wie sie konnte. „Morgen ist dein Geburtstag, dann bist du vier Jahre alt, ein großes Mädchen. Und weißt du was? Weil du so ein braves Mädchen warst und Mama so schön geholfen hast, habe ich morgen früh eine wunderbare Überraschung für dich. Aber nur, wenn du jetzt gleich einschläfst.“

„Eine Überraschung? Was für eine Überraschung denn?“, erkundigte sich Amy eifrig.

„Wenn ich es dir sage, wäre es doch keine Überraschung mehr. Und jetzt schlaf ein.“ Sie begann ein Wiegenlied zu summen, um ihre Tochter zu beruhigen.

„Ich weiß, was die Überraschung ist“, murmelte ihre Tochter schläfrig. „Papa kommt zum Frühstück.“

Ellie seufzte. „Nein, Amy, Papa ist seit über einem Jahr tot. Das weißt du doch, warum beharrst du so darauf?“

„Es ist eine besondere Kerze, Mama. Das hat die Dame gesagt. Eine Wunschkerze. Sie bringt uns Papa zurück, du wirst schon sehen.“ Sie lächelte und kuschelte sich tiefer in ihre Decken.

Ellie runzelte die Stirn. Ohne ihr Wissen hatte Amy ein halbes Dutzend Eier und etwas Milch bei einer Zigeunerin gegen eine dicke rote Kerze eingetauscht. Von wegen Wunschkerze! Wohl eher eine sündhaft teure Weihnachtskerze. Und auch schädlich, wenn die alte Frau Amy eingeredet hatte, sie könne ihr den Vater zurückbringen.

Die wenigen Erinnerungen, die Amy an ihren Vater hatte, waren idealisierte Märchen. Die Wahrheit war für ein kleines Mädchen einfach zu schmerzlich. Hart war nie ein aufmerksamer Vater oder Ehemann gewesen. Sir Hartley Carmichael hatte sich einen Sohn gewünscht – einen Erben. Das kleine, lebhafte Mädchen mit den dunklen Locken und den strahlend blauen Augen hatte ihn nicht interessiert, war für ihn nutzlos, wie er immer wieder betonte – manchmal sogar in Amys Beisein.

Ellie sah auf ihre schlafende Tochter, und ihr schwoll das Herz. Für sie gab es auf der Welt nichts Kostbareres als ihr Kind. Sie nahm den Kerzenleuchter und begab sich in ihr Zimmer, wo sie sich hastig auskleidete, in ihr warmes Flanellnachthemd schlüpfte und ins Bett kletterte.

Sie wollte schon die Kerze ausblasen, als ihr einfiel, dass unten im Fenster auch noch eine brannte. Das war nicht nur gefährlich, sondern auch eine Verschwendung. Kerzen waren teuer. Sie konnte es sich nicht leisten, eine nutzlos herunterbrennen zu lassen. Zumindest ohne praktischen Nutzen. Sie dachte daran, wie das frisch gewaschene Gesicht ihrer Tochter vor Hoffnung gestrahlt hatte, als sie die Kerze auf die Fensterbank stellte. Ellies Kehle war wie zugeschnürt. Trotzdem stand sie auf, zog die Schuhe wieder an und warf sich ein Schultertuch um. Glückliche Kinderträume konnte sie sich einfach nicht leisten.

Sie war schon halb die Treppe hinunter, als plötzlich lautstark an die Tür ihres Cottages geklopft wurde. Sie erstarrte und wartete ab. Die bittere Dezemberkälte kroch an ihr hoch, doch sie bemerkte es kaum.

Wieder wurde an die Tür gehämmert. Es klang, als trommelte eine Faust gegen die Tür. Ellie regte sich nicht, wagte kaum zu atmen. Hinter ihr spürte sie einen Luftzug, und dann flüsterte eine leise, verängstigte Stimme: „Ist das der Squire?“

„Nein, Liebling. Geh wieder ins Bett“, sagte Ellie leise und ruhig.

Ein kleines, warmes Händchen stahl sich in ihre Hand und umfasste sie fest. „Deine Hand ist ja ganz kalt, Mama.“ Wieder ertönte das Gehämmer. Ellie bemerkte, wie ihre kleine Tochter vor Angst zusammenfuhr.

„Es ist doch der Squire“, wisperte Amy.

„Nein“, widersprach Ellie entschieden. „Er schreit doch immer herum, wenn ich ihm nicht aufmache, nicht wahr?“ Ihre Tochter packte sie noch einmal fester und schien sich dann etwas zu beruhigen. „Warte hier, Liebling, ich sehe mal nach, wer da ist.“

Sie schlich die verbleibenden sechs Stufen hinunter, bis sie die Haustür sehen konnte, die sie mit einem soliden Holzbalken fest verrammelt hatte. Ellie hatte bald herausgefunden, dass das Türschloss allein wenig Eindruck auf ihren Vermieter machte.

Amys Wunschkerze warf einen flackernden Lichtschein durch den dunklen Raum.

Wieder wurde an die Tür geklopft, nicht mehr so laut diesmal. Eine tiefe Stimme rief: „Hilfe!“

„Das muss Papa sein!“, quietschte Amy hinter ihr plötzlich. „Er hat meine Kerze gesehen, und jetzt kommt er endlich zu uns!“ Sie schlüpfte an Ellie vorbei und rannte zur Tür.

„Nein, Amy, warte!“ Ellie folgte ihr, fiel beinah die Treppe hinunter, um ihre Tochter daran zu hindern, Wer-weiß-wen hereinzulassen.

„Aber es ist Papa, Mama. Es ist Papa“, sagte Amy und versuchte, den schweren Balken anzuheben.

„Still!“ Ellie riss ihre Tochter an sich. „Es ist nicht Papa, Amy. Papa ist tot.“

Das Cottage lag isoliert, ein Stück ab von der Landstraße und hinter einem Birkenwäldchen verborgen. Weiter die Straße hinunter befand sich der „Angel“, ein einsamer Gasthof, der die zwielichtigsten Gestalten anzog. Zweimal hatte man Ellie bisher nach Hause verfolgt … Bei dieser Räuberhöhle um die Ecke würde sie nachts niemals einem Fremden die Tür öffnen.

Die tiefe Stimme rief wieder: „Hilfe.“ Es klang schwächer diesmal. Ein paar Mal schlug er noch an die Tür, beinahe halbherzig. Oder ihn verlassen die Kräfte, dachte Ellie plötzlich. Sie biss sich auf die Lippe und drückte ihre Tochter an sich. Vielleicht war es auch ein Trick, um sie nach draußen zu locken.

„Wer ist da?“, rief sie. Von draußen kam keine Antwort, nur ein dumpfer Schlag. Dann war alles still. Ellie wartete einen Moment, trat dabei unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. Dann traf sie eine Entscheidung. „Wenn es ein böser Mann ist, dann lauf in dein Zimmer und sperr dich ein, wie ich es dir gezeigt habe, ja?“

Amy nickte. Ihr herzförmiges Gesichtchen war bleich. Ellie ging in die Küche und nahm die schwerste Bratpfanne, die sie besaß. Zurück im Flur, drehte sie den Schlüssel im Schloss um und entfernte den Balken. Sie hob die Pfanne, holte tief Luft und riss die Tür auf.

Schneeregen wehte herein, und sie erschauerte. Sie linste in die Dunkelheit. Kein Mensch zu sehen. Nichts zu hören. Die Pfanne immer noch drohend erhoben, tat sie vorsichtig einen Schritt nach draußen und sah sich um. Vor ihrer Tür entdeckte sie irgendetwas Großes, Dunkles.

Es war ein Mann, der ganz still dalag. Sie beugte sich über ihn und berührte sein Gesicht. Kalt. Gefühllos. Ihre Finger trafen auf etwas Nasses, Warmes, Klebriges. Blut. Er blutete am Kopf. Er lebte noch, würde aber nicht mehr lange durchhalten, wenn sie ihn draußen in der Kälte liegen ließ. Sie warf die Pfanne zu Boden, packte ihn bei den Schultern und zog. Er war sehr schwer.

„Ist er tot, Mama?“ Amy hatte sich wieder nach unten geschlichen.

„Nein, Liebling, aber verletzt. Wir müssen ihn nach drinnen in die Wärme schaffen. Sei so lieb und hol mir den Vorleger vom Kamin, ja?“

Amy huschte davon und kam kurz darauf mit einer abgenutzten dünnen Matte zurück. Ellie legte sie so dicht wie möglich neben die leblose Gestalt und schob und zerrte dann, bis der Mann endlich auf den Vorleger gerollt war. Dann zog sie mit aller Kraft. Amy half, so gut sie konnte. Zoll um Zoll glitt der Mann in ihr Cottage und schließlich in das kleine Wohnzimmer.

Ellie verrammelte die Tür und entzündete eine Laterne. Ihr unerwarteter Gast trug weder Rock noch Mantel – nur ein Hemd und Breeches. Und keine Schuhe, lediglich ein Paar...



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