E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Westfalen Krimi
Güsken Schnappt Schröder!
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86358-266-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Westfalen Krimi
ISBN: 978-3-86358-266-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ole Frings versucht sich als Krimiautor. Als seine Freundin ihn betrügt, ermordet er seinen Rivalen - literarisch. Er erwägt, seine Story auch in die Tat umzusetzen, doch da ist der Mann bereits tot, genau so ermordet, wie in Oles Story beschrieben. Das ist aber erst der Anfang einer Mordserie, und Ole muss sich mehr als einmal fragen: Bin ich ein Mörder? Und wenn nicht: Warum nicht?
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1 Was für ein schöner Tag!, dachte Schröder, als er auf die Straße trat, und nahm einen ganzen Atemzug würziger Frühlingsluft. Es war ziemlich genau elf Uhr dreißig. Die Sonne lachte von einem wolkenlosen Himmel, in den Straßencafés herrschte Hochbetrieb, und die Frauen trugen verführerisch kurze Röcke. Es war einer dieser Tage, die in jeder Hinsicht perfekt waren. Der ideale Tag, um einen Mord zu begehen. Schröder schickte sich an, die Straße zu überqueren, aber ein warnendes Klingeln ließ ihn zurückschrecken. Radfahren war in dieser Stadt nicht nur eine Art, sich fortzubewegen. Es war eine Religion, die zur Intoleranz neigte. Und ihre Anhänger musste man schlichtweg als Plage bezeichnen. Menschen auf Zweirädern thronten hoch auf ihren Sätteln und hatten nicht das Geringste mit Autofahrern gemein, jenen ökologischen Volldeppen, die ihre persönliche Bequemlichkeit in unverantwortlicher Weise über das Wohl des Planeten stellten. Radfahrer genossen es, als Vorbild herzuhalten und bei Gelegenheit Fußgänger zu drangsalieren, die keine Klingeln hatten, um sich zu wehren. Tom Schröder machte sich nichts aus der Pedaletreterei. Er ließ sich lieber im Taxi kutschieren. Die Straße war jetzt frei und er strebte dem Haus auf der gegenüberliegenden Seite zu. Einem aufwendig restaurierten Stadthaus mit einem unverbaubaren Ausblick auf den Kanal. Dr. Heimeran Lohengrin stand in verschnörkelten goldenen Lettern auf marmorfarbenem Untergrund neben dem Klingelknopf. Literarische Agentur. Schröder war schlank und für einen Mann nicht besonders groß. Keine respekteinflößende Erscheinung. Die Leute übersahen ihn gern, vor allem aber neigten sie im Allgemeinen dazu, ihn zu unterschätzen. Schröder musste schmunzeln. Was der Durchschnittsbürger sich doch so unter einem Mörder vorstellte: mal eine verkommene, missgebildete Gestalt, lichtscheu und verschlagen, mit gespaltener Persönlichkeit, dessen unsteter Blick eine wilde, verrückte Entschlossenheit ausstrahlte, mal einen eiskalten, berechnenden Typen, der sich sein berühmtes satanisches Grinsen nicht verkneifen konnte und niemals auch nur einen Funken Reue für seine Taten empfand. Schröder hatte nichts mit diesen Bilderbuchhalunken gemein. Er trug ein legeres Jackett, darunter ein T-Shirt und dunkle, gut sitzende Jeans. Sein Gesicht wurde niemals von einem satanischen Grinsen entstellt, sondern zeigte in der Regel eine unbeteiligte Langeweile, die man auch für Arroganz halten konnte. Schröder war belesen und bildete sich viel auf sein Allgemeinwissen ein. Seinem Outfit nach konnte man ihn für einen Therapeuten halten oder einen Exmanager, der sich nach einem Burn-out aufs Land zurückgezogen hatte, um an seiner Biografie zu feilen. Aber niemals für einen Mörder. Die Tür wurde geöffnet. Der Hausherr stand ihm in Filzpantoffeln gegenüber. »Sie sind …?«, murmelte er statt einer Begrüßung. »Schröder. Wir hatten miteinander telefoniert.« »Ja, richtig. Treten Sie näher.« Die Filzpantoffeln trabten voraus, die Treppe hinauf. »Wie wär’s mit einer Erfrischung? Tomatensaft, grüner Tee?« »Dann lieber die Erfrischung«, sagte Schröder. Lohengrin war ein auffälliger Typ, wenngleich nicht im positiven Sinne. Zwar war er höher gewachsen als sein Gegenüber, aber seine kompakte Figur und die im Vergleich zum massigen Rumpf kurzen Gliedmaßen ließen ihn wie einen XXL-Gartenzwerg aussehen. Seine kleinen, selbstverliebt dreinblickenden Augen lagen so tief in den Höhlen, dass sie ordentlich schielen mussten, damit die unmittelbar vor ihnen aufragenden feisten Hamsterbacken ihnen nicht die Sicht versperrten. Lohengrins offensichtliche Vorliebe für enge Klamotten trug nicht zur Verbesserung seiner Erscheinung bei, im Gegenteil: Sie betonten die Vergeblichkeit seiner Bemühungen, jung und dynamisch auszusehen. Im Übrigen schnaufte der Mann bei jedem Atemzug wie ein erschöpfter Ackergaul. Was Annabelle an diesem Kerl findet, dachte Schröder, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben. Der Literaturagent führte seinen Gast in eine rustikal gehaltene Wohnküche. Nostalgische Kacheln mit blauen Schiffsmotiven zierten die Wände. Gusseiserne Pfannen und Sammeltassen, mit zotigen Trinksprüchen und Bauernregeln bepinselt, baumelten an altertümlich martialischen Eisenhaken. Geschmackssache, dachte Schröder. »Nehmen Sie doch Platz«, sagte Lohengrin. Schröder hockte sich an den Holztisch und sah durch das Fenster auf den Kanal hinaus. Ein holländischer Frachter ließ sich von zwei winzigen Paddelbooten überholen. Auf der Brücke stockte der Autoverkehr wegen einer Baustelle. Der Gastgeber kam mit zwei Tassen und stellte eine davon vor Schröder. »Sie sind also hier, um mir Ihr Buchprojekt vorzustellen? Da bin ich gespannt«, sagte er und platzierte sich auf der anderen Seite des Tisches. »Ja und nein«, antwortete Schröder und wunderte sich, dass er doch einen grünen Tee bekommen hatte. »Ja und nein?« »Ja, ich habe Ihnen am Telefon erzählt, dass es um ein Buchprojekt ginge. Und nein: Ich fürchte, ich habe Ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt.« »Nicht die ganze Wahrheit?« Lohengrins Hamsterbacken erschlafften. »Da sind Sie mir aber jetzt eine Erklärung schuldig.« »Offen gestanden, das mit dem Projekt war frei erfunden.« Schröder lächelte höflich. »Ein Vorwand. Damit Sie mich hereinlassen, verstehen Sie?« »Nur ein Vorwand …« Der Agent brauchte Zeit, um das zu verdauen. »Wollen Sie damit sagen, Sie haben sich hier einfach …?« »Eingeschlichen.« Schröder nickte bestätigend. »Unter einem Vorwand. Das trifft die Sache auf den Punkt.« »Ja, aber wenn das so ist …« Lohengrin begriff immer noch nicht, deshalb kam sein Ärger nur langsam in Fahrt. »Dann muss ich Sie bitten zu gehen. Und zwar augenblicklich. Verschwinden Sie. Das ist ja wohl … Wie kommen Sie dazu, meine kostbare Zeit zu vergeuden?« »Überlegen Sie doch mal.« Schröder rührte sich nicht vom Fleck. »Versetzen Sie sich in meine Lage. Auch für Sie ergäbe es doch wohl kaum einen Sinn, wenn ich mich jetzt sang- und klanglos davonmachen würde, nachdem ich mir im Vorfeld so viel Mühe gegeben habe, einen Vorwand zu erfinden, um mir Zutritt zu verschaffen. Können Sie mir folgen, Lohengrin?« »Was wollen Sie von mir? Dass ich Ihnen die Anfahrtskosten erstatte? Wer sind Sie überhaupt?« Endlich wurde der Literaturagent richtig pampig, und damit brachen seine sattsam bekannten unangenehmen Eigenschaften durch: Eitelkeit, Selbstverliebtheit und Arroganz. Schröder fühlte sich in seiner Absicht bestätigt, etwas gegen diese Eigenschaften zu unternehmen. Er hatte den Weg also nicht umsonst gemacht. »Sehen Sie mich als Vollstrecker«, sagte er. »Vollstrecker! Jetzt reicht’s mir aber …« »Des Jüngsten Gerichts, wenn Sie wollen. Irgendeiner höheren Macht.« »Überhaupt nicht komisch. Raus mit Ihnen, mein Freund, bevor ich Sie eigenhändig –« »Ein weiser Mann hat einmal gesagt: Wenn dein letztes Stündlein anbricht, solltest du die Zeit nutzen. Es sind immerhin ganze sechzig Minuten. Ein kluger Rat, finden Sie nicht auch?« Der Mann mit den Filzpantoffeln trat vor, packte zu und hievte Schröder am Arm aus seinem Stuhl. »Schluss jetzt mit dem Gequatsche!« Tom Schröder war kein Riese, weshalb es nicht besonders schwer war, ihn am Arm wegzuschleifen. Sein heimlicher Trumpf war ja, dass man ihn unterschätzte. Und um einen großmäuligen Literaturagenten zu überwältigen, musste man nicht Rambo sein. Der Hausherr hatte ihn fast bis zur Tür geschleift, als Schröder eine der rustikalen gusseisernen Bratpfannen von der Wand pflückte und sie Lohengrin ohne zu zögern an den Kopf knallte. Der sackte mit einem Schnaufer zusammen. Als er sechs Minuten später wieder zu sich kam, befand er sich nach wie vor in seiner Wohnung. Dennoch hatte sich, wie er schon bald feststellte, seine Situation entscheidend geändert. Auffälligster Unterschied: Lohengrin war auf seinem eigenen Fernsehsessel festgeschnallt. Im DVD-Spieler steckte eine Scheibe. Schröder, der Eindringling, stand neben dem Fernseher, nickte ihm freundlich zu und betätigte die Fernbedienung. Die Vorführung startete: Ein nackter Mann penetrierte eine Frau, auch sie nackt bis auf schwarze Nylons und hochhackige Pumps. Er schnaufte, sie stöhnte im Sekundentakt. Eine Zumutung für Auge und Ohr. Lohengrin ließ sich nicht von den Geräuschen aus dem Fernseher ablenken. Momentan hatte er anderes im Kopf als ein mieses Fernsehprogramm. Er starrte ins Nebenzimmer, wo eine Schranktür offen stand. »Sie haben den Waffenschrank aufgebrochen!«, stieß er hervor. »Wo ist mein Jagdgewehr?« »Sorgen Sie sich nicht um die Flinte«, erwiderte Schröder freundlich. »Stellen Sie sich lieber den Skandal vor, wenn man Sie so findet: mit heruntergelassenen Hosen vor einem drittklassigen Pornofilm.« Der Literaturagent sah an sich hinunter. Seine Hosen hingen tatsächlich an seinen Knöcheln. »Sie sollten froh sein, Lohengrin, dass Sie das nicht mehr erleben werden.« »Ich werde was nicht mehr erleben? Wieso denn eigentlich nicht?« Schröder schien Mitleid mit dem Armen zu empfinden, der ebenso verzweifelt wie vergeblich versuchte, sich einen Reim auf das alles zu machen. Er trat zum Fernsehsessel und beugte sich zu Lohengrin hinunter. »Der Grund meines Besuches«, erklärte er geduldig, »ist folgender: Ein Autor ist ein sensibles Geschöpf. Und obwohl Ihnen das klar sein muss, Lohengrin, versprechen Sie ihm das Blaue vom Himmel. Machen ihm den Mund wässrig, indem Sie behaupten,...




