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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 655, 64 Seiten

Reihe: Maddrax

Guth Maddrax 655

Die Feuerhexe von Berlin
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7800-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Die Feuerhexe von Berlin

E-Book, Deutsch, Band 655, 64 Seiten

Reihe: Maddrax

ISBN: 978-3-7517-7800-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Sie floh aus ihrem Dorf in Meeraka, wo Frauen als Hexen lange Jahre ertränkt und verbrannt worden waren. Sie hoffte auf der anderen Seite des Ozeans eine neue Heimat zu finden, in einer Stadt, über die Aruula ihr berichtet hatte. Wo man ihre Macht über das Feuer würdigen und sie mit offenen Armen aufnehmen würde. Doch als Carry Beelinn erreichte, erfuhr sie von einer Schicksalsgenossin die schreckliche Wahrheit ...

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Die Feuerhexe
von Berlin

von Lucy Guth

Es war dunkel, feucht und kalt, und in der Luft lag der Gestank nach totem Fisch. Das war wahrscheinlich in allen Häfen so, doch seitdem Carry an Land gegangen war, schien Euree sie nicht willkommen zu heißen, sondern ihr üblen Atem ins Gesicht zu blasen. Dabei hatte sie sich so viel von ihrer Flucht versprochen.

Sie griff die Henkel ihrer abgewetzten Stofftasche fester und sah sich in der düsteren Gasse um. Irgendwo hier musste die Kneipe sein, von der Riek gesprochen hatte. Wo sie vielleicht eine Anstellung finden würde. Sie brauchte Geld – fast alle ihre Besitztümer waren für die Passage draufgegangen.

Endlich erspähte sie die Tür und darüber das Schild »Shaaka-Bar«. Sie atmete tief durch, fasste den Knauf und riss die Tür auf. Eine Flammenwand schlug ihr entgegen ...

Carry blinzelte und taumelte erschreckt einen Schritt zurück.

»Rein oder raus, und Tür zu!«, bellte eine unwirsche, tiefe Stimme von drinnen. Nach der ersten Schrecksekunde erkannte Carry, dass sie keineswegs vor einer Flammenwand stand. Links und rechts der Tür waren nur Feuerbecken aufgestellt, deren Flammen wegen des Luftzugs der geöffneten Tür aufgeflackert waren.

Kein Grund, sich zu erschrecken, beruhigte sich Carry. Es ist eine ganz normale Kneipe.

»Los jetzt, Mädchen!«, erklang wieder die Stimme, und Carry bemühte sich, schnell einzutreten und die Tür hinter sich zuzuziehen. Mit wachsender Verblüffung sah sie sich um. In der Kneipe herrschte im Gegensatz zu draußen große Wärme, fast schon Hitze. Das lag an den zahlreichen Feuerbecken, die in regelmäßigen Abständen aufgestellt waren. Obwohl der Winter seinen Grimm verloren hatte, war es vor allem nachts noch empfindlich kühl.

Neben den Becken standen Metallfässer als Tische und hölzerne Hocker als Sitzgelegenheiten. An den Wänden und der Decke sah sie Fischernetze und Hummerfallen. Am erstaunlichsten war ein gewaltiger Shaaka, der im Zentrum des Raumes an der Decke hing – so lang wie zwei Männer, das Maul mit den scharfen Zähnen weit aufgerissen. Dass das Tier tot und ausgestopft war, nahm ihm nichts von seinem Schrecken.

»Die Shaaka-Bar ist eine der ältesten Kneipen in Ambuur«, hatte Riek erzählt, der Kapitän des Schiffes, mit Carry aus Meeraka nach Euree gekommen war. Ambuur war ein schäbiges Städtchen, oft zerstört, aber von den störrischen Einwohnern immer wieder neu aufgebaut und besiedelt.

Carry mochte das, was sie bisher gesehen hatte, nicht sonderlich, und sie plante auch nicht, lange an diesem Ort zu bleiben. Aber vorerst brauchte sie eine Bleibe und die Möglichkeit, ein paar Baxx zu verdienen – oder was auch immer in Euree als Zahlungsmittel akzeptiert wurde. Beides würde sie in der Shaaka-Bar finden, hatte Riek ihr versichert.

Die Leute, die sich bei ihrem Eintreten zu ihr umwandten, machten allerdings keineswegs den Eindruck, ihr eine große Hilfe sein zu wollen. An zwei Fässern saß ein halbes Dutzend Seeleute, erkennbar an ihren wilden Tätowierungen und der wind- und wetterfesten Kleidung, die Carry auch bei der Mannschaft der Riekmers gesehen hatte. Die Männer waren ganz offensichtlich betrunken und grölten erfreut, als sie Carry sahen.

An der Theke – einer langen Bohle, die auf mehreren Fässern aufgelegt war – saßen zwei grobschlächtige Frauen, die ihre Aufmerksamkeit nach einer kurzen Musterung wieder ihrem Gespräch zuwandten. Am anderen Ende der Theke saß eine in einen dunklen Mantel gehüllte Gestalt. Carry konnte ihr Gesicht nicht erkennen, es blieb im Schatten unter der Kapuze verborgen. An einem anderen Fass saßen drei alte Männer, die Karten spielten.

Hinter der Theke stand eine breitschultrige Frau, die sie missbilligend musterte. Carry hätte ihr Alter nicht schätzen können. Sie war etwa so breit wie hoch und überragte Carry um zwei Kopfeslängen. Ihr Gesicht war stark geschminkt, die weißblonden Haare waren zu einer wilden Frisur aufgetürmt und mit bunten Strähnen versehen. Sie trug ein schulterfreies Kleid in schrillen Paradiesfarben – blau, rosa, gelb und hellgrün – und hatte die Hände mit ihren langen roten Nägeln auf dem Tresen abgestützt. Ihre Schulter zierte das pinkfarbene Tattoo eines Shakaas.

»Was will denn ein Snäkkchen wie du in meiner Shaaka-Bar?«

Als die Frau ihre Stimme erhob, schrak Carry zusammen: Es war jene tiefe Stimme, die sie zuvor angefahren hatte. Und sie passte überhaupt nicht zu der Frau – so wenig, wie diese bunte Frau an diesen Ort passte.

»Ich ... äh ... ich ... das ...«, stammelte Carry. Sie konnte keinen gerade Satz herausbringen, so verwirrt war sie.

Die Seeleute lachten. »Du bringst die Kleine ganz durcheinander, Juuns!«, rief einer von ihnen der Frau hinter dem Tresen zu.

Ein anderer wandte sich an Carry: »Komm, setz dich zu uns, Mädel, hier findest du deine Sprache wieder.«

»Lasst die Deern in Ruhe, sonst komm ich euch rüber!«, sagte Juuns herrisch zu den Seeleuten, deren Gelächter prompt verstummte. Sie wandte sich Carry zu. »Nun komm schon her an den Tresen. Ich glaube, du brauchst erst mal was Ordentliches zu trinken.«

Sie stellte Carry ein kleines Glas mit klarer Flüssigkeit hin. Carry griff dankbar nach dem Getränk. Einen Schluck Wasser konnte sie jetzt wirklich gebrauchen. Sie stürzte die Flüssigkeit herunter und verschluckte sich prompt. Das war kein Wasser, das war Schnaps! In Salem hatte Carry nie Alkohol getrunken – dieses Privileg war den Männern vorbehalten gewesen, und Parrisch, der verrückte Priester, der ihr Dorf kontrolliert hatte, war ohnehin gegen den Genuss von Alkohol gewesen.

Juuns verdrehte die Augen. »Wunderbar, ein Landei. Aus welchem Bunker bist du denn gekrochen?«

Die anderen Kneipenbesucher widmeten sich nun wieder ihren eigenen Angelegenheiten; nur bei der Gestalt mit dem Mantel hatte Carry noch das Gefühl, dass sie sie unter der Kapuze hervor beobachtete.

»Ich bin aus keinem Bunker – ich komme aus Meeraka«, sagte Carry hustend. Während der langen Wochen der Überfahrt hatte sie die Unterschiede in der Aussprache in ihrer Heimat und in Euree gelernt. Riek hatte sie gegen eine kleine Entlohnung abends darin unterrichtet, und jetzt konnte sie sich gut ausdrücken und die Eureer ebenso gut verstehen. Sie schob einen Bakk über den Tresen und verlangte ein Wasser.

Juuns zog die lila gefärbten Augenbrauen in die Höhe und betrachtete den Bakk.

»Kann ich damit bezahlen?«, fragte Carry vorsichtig.

Juuns nickte. »Mittlerweile schon. Seit ein paar Jahren kommt man in Euree mit Baxx weiter. Du bekommst dafür noch einige Coins zurück.« Mit einer fließenden Bewegung strich sie die Karte ein und legte ein paar Münzen auf den Tresen. Dann stellte sie Carry ein Glas Wasser hin. »Meeraka, so, so. Und was willst du hier?«

»Ich habe gehört, in der Shaaka-Bar bekomme ich Informationen.«

»Ich meinte, in Euree.«

»Ach so ... ich ... na ja, meine Heimatstadt war nicht besonders freundlich zu ... zu Frauen.« Sie würde einer Wildfremden nicht auf die Nase binden, dass sie nur knapp dem Schicksal entronnen war, als Hexe verbrannt zu werden.

Juuns beugte sich über den Tresen. »Kindchen, der Ort auf der Welt, der freundlich zu Frauen ist, muss erst noch gefunden werden.«

»Aber jemand hat mir erzählt, dass es in einer Stadt namens Beelinn starke Frauen gibt, dass dort sogar die Männer unterdrückt wurden.«

»Beelinn? Früher war das vielleicht mal so. Hab schon lange niemanden aus Beelinn mehr getroffen, der das bestätigt hat. Die Zeiten haben sich überall geändert.« Juuns zuckte mit den Schultern. »Und, was für Informationen suchst du?«

»Ich brauche eine Unterkunft und Arbeit.«

Juuns nahm einen schmierigen Lappen, um damit Gläser abzutrocknen. Carry schob ihr Wasser von sich und nahm sich vor, in dieser Bar nichts mehr zu trinken. »Da hast du dir die falsche Zeit ausgesucht, Schätzchen. Momentan gibt's keine Arbeit. In ein paar Wochen vielleicht wieder.« Sie dachte nach. »Aber eine Unterkunft kann ich dir nennen. Die alte Hanne vermietet ein Zimmer.« Juuns erklärte Carry den Weg. Die bedankte sich, ohne große Hoffnung, das Zimmer zu bekommen. Wie sollte sie das Geld für die Miete aufbringen?

Sie verließ die Shaaka-Bar und schlug den Weg ein, den die Bardame ihr beschrieben hatte. Als sie das Ende der Straße erreichte, merkte sie, dass sie verfolgt wurde.

Carry beschleunigte ihre Schritte, doch schon bald hatten die vier Seeleute sie eingeholt und umkreisten sie wie Shaakas ihre Opfer.

»Du kannst doch nicht so einfach verschwinden, Deern«, sagte einer lachend – ein dreckiger Kerl mit fusseligem Bart und kaum noch Haaren auf dem Kopf. »Wir wollen doch noch ein wenig Spaß mit dir haben.«

»Verschwindet! Lasst mich in Ruhe!«, rief Carry. »Sonst kann ich für nichts...



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