E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Reihe: Piper Humorvoll
Harvey Eine Braut zu viel
16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-492-98053-1
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Reihe: Piper Humorvoll
ISBN: 978-3-492-98053-1
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sarah Harvey, geboren 1969, lebte viele Jahre in einem alten Herrensitz in Cornwall. Vor Kurzem ist sie wieder zurück in ihre Heimat Northhampton gezogen, wo sie heute gemeinsam mit ihren Hunden in einem Cottage wohnt. Mit ihren atmosphärischen Romanen, die häufig den Schauplatz Cornwall haben, feiert sie seit vielen Jahren große internationale Erfolge.
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Kapitel 1
Das Leben ist wie ein Pfeffersteak, sinniere ich und spiele mit den verkohlten Überresten des Hornviechs auf meinem Teller. Da meint man, der ganze Mist obendrauf sei gut, aber schmeckt das Teil dadurch wirklich besser?
Ich blicke auf und sehe meinen Verlobten Richard, der mir gegenüber sitzt.
Gerade ist er dabei, den Ober von oben herab zu behandeln.
Richard behandelt jeden von oben herab, ein ausgezeichneter Trick für jemanden, der so klein ist. Klein von Statur, kleingeistig und, kaum wage ich es zu sagen … nun, sagen wir einfach, auch andere, ziemlich wichtige Bereiche fallen bei ihm klein aus.
Richard ist meine Pfeffersoße, meine Garnierung, mein sich ringelndes Stück Lollo Rosso, das am Tellerrand klebt. Sieht ja recht appetitlich aus, schmeckt aber bemerkenswert bitter. Als kleiner Mann umgibt sich Richard ganz besonders gern mit großen Dingen. Große Wohnung (Penthouse, klar), großes Auto, große Brieftasche und das entsprechend große Selbstbewusstsein.
Er ist ein Idiot, aber meine Mutter liebt ihn. Ich habe genau ein Jahr, acht Monate und sechs Tage gebraucht, um festzustellen, dass ich ihn nicht liebe. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Machen Sie ein Jahr, acht Monate, sechs Tage, drei Stunden und dreizehn Minuten daraus. Die Sekunden lasse ich weg, ich habe sowieso schon zu viel Zeit vergeudet. Ich stehe auf und greife nach meiner Handtasche.
Richard lächelt flüchtig. Er rechnet mit einem weiteren Besuch auf der Damentoilette, um mich für ihn herauszuputzen. Ich würde ihn als Ego-Hedonisten bezeichnen – nur an seinem eigenen Vergnügen interessiert. Er ist vergnügungssüchtig, aber nicht vergnüglich. In Richards Leben kreist alles um … Richard.
Er hat sein ganzes Leben sich selbst gewidmet und erwartet von allen anderen in seiner Umgebung, seinem Beispiel zu folgen. Genau das mache ich heute Abend. Und er hat gnädig befunden, dass ich zum Anbeißen aussehe.
Herausputzen: dieses Wort berauscht und erregt ihn. Das ganze Drumherum, die Kerzen im Restaurant und der teure Wein, ist eine Farce, die seiner Meinung nach den Schlüssel zum zweiten Teil des Abends enthält, zum wichtigen Teil des Abends, zum sexuellen Teil des Abends. Seine Belohnung dafür, dass er das Gelaber, die Langeweile und das nervige, peinlich genau durchgeführte Werberitual hinter sich gebracht hat.
Ich öffne meine Handtasche. In dem Durcheinander aus zerknüllten Taschentüchern, Kleingeld, Schlüsseln, angeknabberten Lippenstiften und Röhren mit vertrockneter Wimperntusche liegt eine Packung Kondome.
Mit Noppen.
Auch meine Gedanken schweifen zum späteren Teil des Abends, wo ich wie üblich werde versuchen müssen, Richards kleinen Pimmel irgendwie in einen geringfügig größeren Pimmel zu verwandeln, während Richard sich mit diesem selbstgefälligen Grinsen auf dem Gesicht zurücklehnt, als würde er mir eine große Ehre zuteil werden lassen.
Meine Entschlossenheit wächst. Ich atme tief durch und taste in meiner Tasche nach den Schlüsseln zu Richards Wohnung, den Schlüsseln zu Richards Leben.
»Richard«, probe ich im Kopf, »ich will nicht mehr mit dir zusammensein, und ich gehe jetzt.«
Ich öffne den Mund.
»Richard …«, vernehme ich meine eigene Stimme, die sich jedoch anhört, als käme sie aus weiter Ferne. »Ich will nicht … äh … ich will nicht.«
»Was willst du nicht?«, schnauzt er mich an, verärgert darüber, dass ich stotternd seine Beschwerde über das Essen unterbrochen habe.
Wieder öffne ich den Mund, doch diesmal kommt gar nichts heraus.
»Also?«, drängt er gereizt, weil er es eilig hat, den eingeschüchterten kleinen französischen Ober weiter runterzuputzen.
»Ich will nichts zum Nachtisch, und ich muss mal.«
Atemlos stoße ich die Worte hervor und schiebe meinen Stuhl zurück. Dann stürze ich quer durch das Restaurant, als stünde mein Hintern in Flammen. Dabei sind die einzigen Backen, die brennen, die in meinem Gesicht.
Auf der Toilette lehne ich meine glühende Stirn gegen den Spiegel und beobachte, wie die glatte, makellos saubere Fläche unter meinem Atem beschlägt. In dem unscharfen Spiegelbild kann ich mein Gesicht erkennen, das vertraut und doch völlig fremd wirkt. Warum sieht man eigentlich nie so aus, wie man glaubt auszusehen? Manchmal komme ich an meinem eigenen Spiegelbild vorbei und lächele, weil die Person, die meinen Blick erwidert, mir vage bekannt vorkommt. Ich starre die seltsamen dunklen Augen an, die ziemlich verschwommen zurückstarren. Ist das wirklich mein Gesicht? Das einzige, was ich wiedererkenne, ist meine Angst. Die Angst vor dem Alleinsein. Als Teil eines Paares wird man als normaler Mensch betrachtet. Als Single ist man plötzlich Teil einer Statistik.
Wie wohl das Leben ohne Richard ist? Gab es je ein Leben ohne Richard? Manchmal kommt es mir nicht so vor. Gibt es denn ein Leben nach Richard? Ebenso wie das Leben nach dem Tod ist es ein unbekanntes Phänomen. Doch eines weiß ich ganz genau: Ich bin zu jung zum Sterben. Es mag ja ein Leben nach Richard geben, doch falls ich versuchen sollte, dieses unbekannte Terrain zu erkunden, bringt meine Mutter mich um.
Ich glaube, ich leide unter der typischen Krankheit des Jahrzehnts.
Ich weiß, dass ich etwas will, aber ich weiß nicht wirklich, was dieses Etwas ist. Etwas Besseres? Etwas anderes?
Einen Moment lang denke ich nach. Etwas Besseres, etwas anderes … auf jeden Fall etwas Größeres!
Bei diesem Gedanken muss ich laut kichern.
Ich kehre zum Tisch zurück. Meine Pfeffersoße ist erkaltet und erstarrt, genau wie mein Liebesleben. Jetzt oder nie. Ich nehme noch einen Schluck Burgunder, wappne mich innerlich, nehme all meinen Mut zusammen und öffne den Mund.
»Richard …«, setze ich an.
»Richard? Richard Trevelyan!«
Eine elegante Brünette, die von Kopf bis Fuß in Versace gehüllt ist und gerade von einem Ober zu ihrem Tisch geführt wird, bleibt abrupt stehen und späht durch den dezent beleuchteten Raum zu unserem Tisch herüber.
»Na klar ist er es, nicht wahr?« Sie wirft ihre schwarzbraune Mähne zurück, schiebt den Ober beiseite, der prompt einem anderen Gast auf den Fuß tritt, und stürmt auf uns zu. Im Schlepptau hat sie einen ziemlich gut aussehenden, offensichtlich peinlich berührten Mann.
»Wusste ich es doch. Habe ich nicht gleich gesagt, dass da Richard Trevelyan sitzt, Alex, hm?«, redet sie auf ihren Begleiter ein. »Lang, lang ist’s her …«
Sie stürzt sich auf Richard und küsst ihn entschlossen gleich links neben den Mund. Zurück bleibt ein fetter roter Abdruck. Sie hätte ihn genau auf die Lippen getroffen, hätte er den Kopf nicht leicht abgewandt. Ich weiß, dass er das nur getan hat, weil er Knoblauch gegessen hat. Völlig in Ordnung, mich damit zu verpesten, aber sicher kein anderes Mitglied des weiblichen Geschlechts.
»Wie geht’s? Immer noch ganz der gerissene Firmenanwalt?«
Sie lacht, dieses typisch kultivierte Lachen, das leicht und melodiös klingen soll, wie das Klingeln eines Glasglöckchens. Doch es ist genauso falsch wie die Nägel an ihren schmalen, eleganten Händen. Richard lacht ebenfalls. Auch er hat ein falsches Lachen, eine Art Röhren, dieses tiefe, herzliche Lachen nach dem Motto, »Was bin ich doch für ein netter Kerl«. Genau die Art, die durch den ganzen Raum schallt wie ein Gummiball, der schon so manches Glas zu Bruch hat gehen lassen.
»Aber nicht doch, Katharina die Große – was für eine wundervolle Überraschung. Du siehst einfach umwerfend aus, aber das hast du ja schon immer.«
Umständlich erhebt Richard sich und küsst ihr die Hand (Wieder der Knoblauch, er ist nämlich alles andere als ein Kavalier.)
»Und Alex. Wie geht’s dir, alter Freund?« Richard wendet sich an ihren Begleiter, ergreift seine ausgestreckte Rechte mit beiden Händen und schüttelt sie energisch. Er ist davon überzeugt, dass die Stärke des Handschlags die Stärke der Persönlichkeit widerspiegelt.
»Freut mich riesig, euch beide zu sehen. Ist ja eine Ewigkeit her.«
Der Mann namens Alex lächelt mir zu und wartet darauf, vorgestellt zu werden. Doch so höflich ist Richard nicht. Er ist bekannt dafür, sich mit Bekannten in lange Gespräche zu vertiefen, ohne auch nur meinen Namen zu erwähnen, während ich direkt neben ihm stehe.
Doch Alex’ Frau kann ihre Neugier nicht länger zähmen.
»Wer ist denn deine kleine Freundin da, Ricky?«
Ricky! Trotz der Tatsache, dass ich gerade in einem ziemlich wichtigen Moment meines Lebens unterbrochen wurde, kann ich nur mühsam ein lautes Lachen unterdrücken.
»Das ist Felicity«, sagt er.
Anmutig streckt die Frau mir ihre elegante Hand entgegen. Ich bemerke, dass sie an sämtlichen Fingern Ringe trägt. Irgendwo habe ich gelesen, dies sei ein Zeichen dafür, dass eine Frau von einem Mann beherrscht werden will. An dieser Hand funkeln so viele Diamanten, dass es aussieht, als hätte sie sich eine ganze Mine angesteckt. Das Ganze erinnert an einen unerhört ausgefallenen Schlagring – wohl kaum ein Hinweis auf eine schwache Natur, es sei denn, diese schließt eine Schwäche für teure Klunker ein.
»Meine Verlobte«, fährt Richard fort.
Sofort zieht sie ihre Hand zurück und fingert nervös an ihrem dunkelbraunen Haar herum, das so stark glänzt, als nähme sie die gleichen Vitaminpillen, mit denen mein Vater seinen Labrador füttert.
Auf den viel zu perfekten Gesichtszügen der jungen Frau zeichnet sich echtes Entsetzen ab, doch es dauert nicht lange, bis sie sich wieder unter Kontrolle hat.
»Also wirklich, du Schlingel.« Die...