E-Book, Deutsch, 346 Seiten
Hastings Der Traum von Afrika - oder: Die Himmelsträumerin
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98690-950-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 346 Seiten
ISBN: 978-3-98690-950-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Susan Hastings ist gelernte Geologin und war lange als Sachverständige für Geologie und Ökologie tätig. Ein Mentor im Studium entdeckte ihr schriftstellerisches Talent und motivierte sie dazu, dieses Talent zu verfolgen. Zunächst schrieb sie dann Kurzgeschichten, später zahlreiche Liebes- und Historienromane, die sie unter verschiedenen Pseudonymen erfolgreich veröffentlichte. Die Website der Autorin: katrinstephan.de/hastings/index.htm Bei dotbooks veröffentlichte Susan Hastings auch die folgenden historischen Romane: »Das Vermächtnis der Druidin«, »Der schwarze Magier« (gemeinsam erschienen in dem Sammelband »Der Medicus des Königs«), »Die Sehnsucht der Nonne«, »Die Leidenschaft der Nonne«, »Die Liebe der Wollhändlerin« und »Herzensflammen« sowie die historischen Liebesromane »Die Leidenschaft des Wikingers«, »Die Geliebte des Wüstenkriegers«, »Die Gefangene des Gladiators« (gemeinsam erschienen in dem Sammelband »Geraubt«) und »Verschleppt von einem Wikinger«, außerdem »Irische Träume«, »Der Traum von Afrika« und »Dark Heat - Gefährliche Leidenschaft«.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 2
Kap der guten Hoffnung
Hamburg, Südafrika; 1886
An die Schiffsreise erinnerte sich Betty nur mit Grausen. Aber wenn sie gewusst hätte, was sie am anderen Ende der Welt erwartete, hätte sie die Passage mit ganz anderen Augen sehen. Als echte Landratte hatte sie nur einmal eine Kahnpartie auf einem kleinen Teich in der Nähe von Leipzig unternommen, und schon damals fand sie das schwankende Boot entsetzlich.
In ihrer Liebe zu Fritz und in der Hektik ihres überstürzten Aufbruchs dachte sie überhaupt nicht an die Schiffsreise. Zunächst gab es auch allerhand interessante Dinge aus dem Zugfenster zu sehen. Sie, die sich noch nie weiter als zwanzig Kilometer von ihrem Haus und ihrer Heimatstadt entfernt hatte, sah nun, wie groß Deutschland war. Stunden um Stunden schnaufte die Eisenbahn zwischen Feldern und Wäldern hindurch, hielt in Städten, deren Namen sie höchstens aus dem Schulunterricht oder überhaupt nicht kannte.
Betty hatte während der Zugfahrt Zeit, ihren Gedanken nachzuhängen. Ein wenig plagte sie doch das schlechte Gewissen, dass sie ihre Familie so klammheimlich und plötzlich verlassen hatte. Sicher würden sie sich Sorgen machen. Aber Betty dachte nach vorn. Sie dachte an das ferne goldene Land im sonnigen Afrika, wo sie das große Glück finden sollte. Sie war erwachsen, sie brauchte ihre Familie nicht mehr, sie hatte Fritz und seinen Reichtum. Für Betty erschien es als wunderbare Fügung des Schicksals.
Endlich erreichten sie Hamburg. Betty war beeindruckt von dem geschäftigen Gewimmel auf dem Bahnhofsvorplatz. Fritz hielt nach einer Droschke Ausschau. Elisabeth hob schnuppernd ihre Nase in die Luft. »Was ist das für ein eigenartiger Geruch?«
»Ja, ja, das ist die Nähe des Meeres«, antwortete Fritz abwesend und brüllte gleich darauf einem Kutscher hinterher. Es dauerte eine geraume Weile, bis sie eine Droschke fanden, die sie zum Hafen bringen konnte. Fritz hatte bereits mehrmals nervös seine Taschenuhr aus der Westentasche gezogen und mit gerunzelten Brauen draufgeschaut.
Elisabeth blickte sich immer wieder erstaunt um. »Was für eine herrliche große Stadt«, schwärmte sie. Fritz schien keinen Blick für das Treiben um sie herum zu haben. Die Droschke hielt am Hafen.
»Betty, du setzt dich jetzt mit dem Gepäck in diese Hafenkneipe. Trink einen Kaffee, ich bin bald wieder da.«
Betty blickte ihn ängstlich an. »Wo willst du hin?«
»Ich muss die Karten für das Schiff holen.«
»Oh, da möchte ich mitkommen«, bettelte sie.
»Nein, ich sagte, du bleibst hier. Es ist nicht ganz ungefährlich hier im Hafen, du könntest dich verlaufen oder von einer herunterfallenden Kiste erschlagen werden.«
Betty schob trotzig die Unterlippe vor, setzte sich aber dann doch an einen freien Tisch in der rauchigen Kneipe. Sie war vor allem von Männern besucht, die meist dunkle Jacken oder Pullover und ebensolche Schild- oder Pudelmützen trugen. Sie sprachen einen eigenartigen, harten Dialekt, den Betty nicht verstand.
»Freilein, een Gaffee bidde«, rief sie einer alterslosen, verhärmten Frau zu, die mit mürrischem Gesicht bediente.
»Wat woll’n Se?«, fragte sie unwirsch und blieb einen Moment stehen.
»’n Schälchen Heeßen«, wiederholte Elisabeth. Sie begriff nicht, warum die Frau sie nicht verstand.
»Wo komm’ Se denn her?«, fragte sie und legte den Kopf etwas schief.
»Aus Sachsen«, antwortete Elisabeth so deutlich wie möglich.
»Ach nee, ‘ne Landratte!« Die Frau kräuselte ihre Lippen zu einem abfälligen Lächeln. »Nu warten Se mal ‘n büschen, ick bring gleich Ihren Kaffee.«
Einige der Männer hatten sich umgedreht und schauten Betty neugierig an. Aber dann wandten sie sich wieder ihren Gläsern zu, die mit irgendeinem stinkenden Fusel gefüllt waren.
Betty wartete ungeduldig auf Fritz, aber er kam und kam nicht. Inzwischen hatte sie drei Tassen Kaffee getrunken und es schwindelte ihr im Kopf. Endlich sah sie ihn zwischen den Wagen, Karren und Kistenstapeln heranhasten. In der Hand hielt er einige Papiere.
»Wo warst du denn so lange?«, fragte sie ärgerlich und erleichtert zugleich.
»Komm jetzt, wir haben keine Zeit mehr. Auf dem Hafenamt war es rappelvoll, deshalb hat es so lange gedauert.« Er knallte das Geld für den Kaffee auf den Tisch und sie bahnten sich ihren Weg durch das unübersichtliche Gelände, entlang an alten Lagerschuppen, aus denen es nach warmem Holz und Teer roch, stolperten über Netze und Seile. Endlich hatte Fritz gefunden, was er suchte. Mit dem Kopf deutete er zu einem Schiff, das fest vertäut am Kai lag. Eine wackelige Stiege führte an Bord.
»Oh, ist das aber groß«, staunte Betty.
Fritz antwortete nicht und war froh, dass Betty nichts von Schiffen verstand. Er reichte einem Matrosen, der am Fuß der Gangway stand, die Papiere. Der Matrose studierte sie eingehend, blickte Fritz und Betty prüfend an, dann nickte er. Fritz packte die Taschen.
»Komm, Betty, folge mir«, sagte er schnaufend und hastete die Stiege hinauf. Betty stolperte unbeholfen hinterher. An Deck schaute sie sich um. Es war natürlich kein Vergleich zu dem kleinen Ausflugskahn, hier war alles aus Eisen und dickem Holz und sehr vertrauenserweckend. Dieses Schiff erschien ihr fast wie ein großes Haus.
Ein Steward geleitete sie zu ihrer Kabine. Die Gänge waren furchtbar eng und dunkel und Betty verlor sofort die Orientierung. Der Steward öffnete eine schmale Metalltür.
»Oh, ist das klein«, staunte Betty. Sie blickte sich in der winzigen Kabine um. Zwei Betten waren im rechten Winkel an den beiden Wänden verschraubt, davor gab es nur einen winzigen Tisch, der am Boden befestigt war. Um den Tisch zu benutzen, musste man auf der Bettkante sitzen. Fritz verstaute das Gepäck in einem schmalen Wandschrank.
»Toilette ist Ende Gang oben«, sagte der Steward in gebrochenem Deutsch. Fritz nickte wissend und winkte ab.
»Wo ist die Toilette?«, wollte Betty wissen.
»Ich zeige dir nachher alles, Liebes«, sagte Fritz und schien nun etwas erleichtert.
Betty hakte ihn unter, doch in den engen Gängen konnte man nicht nebeneinander laufen. Auch kamen ihnen ständig irgendwelche Passagiere oder Besatzungsmitglieder entgegen. Betty hatte mit Platzangst zu kämpfen.
»Ich möchte hinauf an Deck«, bat sie.
Fritz war einverstanden. »Wir legen gleich ab«, sagte er.
Betty drängelte sich zur Reeling vor. Die Kulisse von Hamburg lag beeindruckend hinter den dunklen Schuppen und Lagerhallen, es roch streng nach Fisch und Teer und ein kühler Wind wehte. Aus dem Schornstein des Dampfers quoll dunkler Rauch. Plötzlich wurde es unruhig, sie hörte fremdländische Befehle, kleine, gelbhäutige Männer kletterten wie Affen an den Tauen entlang. Der Rumpf des Schiffes erzitterte, der Rauch aus dem Schornstein verfärbte sich schwarz, dann wurde mit lautem Gerassel der Anker an einer dicken Kette eingeholt.
Langsam, ganz langsam entfernte sich das Schiff von der Hafenmauer. Die Reisenden auf dem Schiff und auch die Zurückgebliebenen winkten mit Taschentüchern und wischten sich die Tränen aus den Gesichtern. Auch Betty wurde es schwer ums Herz. Nun würde die große Reise erst richtig beginnen. Doch wohin sie sie führen sollte, ahnte Betty nicht.
Es begann damit, dass Betty bereits in der Nordsee seekrank wurde. Sie hatte das Gefühl, dass ständig der Boden unter ihren Füßen schwankte und eine Hand sich heftig um ihren Magen legte. Ihr Kopf dröhnte und sie erbrach sich.
Sie erbrach sich auch noch, als ihr Magen nichts mehr zu erbrechen hatte und Betty glaubte, dass sich nun ihre gesamten Eingeweide nach außen drehen müssten. Am liebsten wäre sie gestorben. Sie lag mit grünem Gesicht in ihrer Koje. Fritz hatte sich vom Steward einen Eimer besorgt, den er vor ihr Bett stellte.
An Essen war überhaupt nicht zu denken. Fritz brachte ihr am zweiten Tag ein Medikament, das er sich von einem Schiffsoffizier geben ließ und das die Beschwerden zumindest etwas linderten. Ansonsten verbrachte Fritz seine Zeit tagsüber und auch den größten Teil der Nacht an Deck oder woanders, was Betty nicht erfuhr, denn sie lag in einer dämmrigen Übelkeit, in der sie an ihrer Umgebung keinen Anteil mehr nahm.
Als sie bereits glaubte, dass sich ihre Seekrankheit besserte, begann in der Biskaya ein schwerer Sturm zu wüten, der das Schiff auf den Wellen tanzen ließ. Betty war nun nicht mehr die einzige Seekranke an Bord.
Fritz war froh, dass Betty außer Gefecht gesetzt war und keine Fragen mehr stellte. Denn ihr kleines Mundwerk plapperte unaufhörlich und ihr Wissensdurst schien keine Grenzen zu kennen. So schlenderte Fritz an Deck entlang, beobachtete die flanierenden Leute oder hielt sich, wenn das Wetter ungemütlich wurde, in der Messe des Schiffes auf. Der Raum war nicht sehr groß, es gab nur etwa vierzig Passagiere, denn das Schiff war ein kombinierter Frachter. Das hieß, er hatte hauptsächlich Fracht zu befördern. Darüber befand sich das Deck für die Mannschaft und erst darüber zwanzig Kabinen für Passagiere. So war das Schiff keinesfalls luxuriös, und Fritz fürchtete dementsprechende Fragen von Betty. Diese Fragen kamen auch noch, aber erst viele Tage später, als sich die See wieder beruhigt hatte und Betty sich, blass und mit tiefen Ringen unter den Augen, wieder an Deck wagte. Sie setzte sich auf eine weißlackierte Bank an der Längsseite des Schiffes. Die frische Luft tat ihr gut, und sie versuchte tapfer, der Reise etwas Positives abzugewinnen.
»Was sind das für Matrosen?«, wollte sie wissen.
»Asiaten«, meinte Fritz geringschätzig. »Die sind fast überall auf der Welt auf den Schiffen, weil sie gute Seeleute...




