Heitz Collector
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-641-03890-8
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Collector 1 - Roman
E-Book, Deutsch, Band 1, 656 Seiten
Reihe: Collector
ISBN: 978-3-641-03890-8
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wir schreiben das Jahr 3042. Die Menschheit ist ins Weltall aufgebrochen und große, multinationale Konzerne treiben mit Macht und viel Geld die Eroberung der Galaxis voran – bis man auf eine geheimnisvolle außerirdische Spezies trifft: die Collectors. Eine Spezies, der selbst die härteste Spezialeinheit der Konzerne, die Justifiers, scheinbar machtlos gegenübersteht …
Wir schreiben das Jahr 3042. Die Menschheit ist ins Weltall aufgebrochen, doch nicht mit eigener Technik, sondern mit Hilfe von Objekten, die man bei Ausgrabungen auf der Erde gefunden hat: außerirdische Hinterlassenschaften, die zwar funktionieren, deren Funktionsweise die menschlichen Piloten jedoch nur in Ansätzen verstehen. So verläuft die Besiedelung anderer Planeten denkbar chaotisch. Doch dann treffen die Menschen auf eine außerirdische Spezies – die Collectors –, die anbietet, die menschliche Zivilisation unter ihre Fittiche zu nehmen und in die Gemeinschaft der galaktischen Völker einzuführen. Ein Angebot, das die Menschen nicht ablehnen können – mit katastrophalen Folgen ...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Erste Szene
1. Januar 3042 a. D. (Erdzeit)
SYSTEM: SOL
PLANET: ERDE/TERRA (FREIZONE)
GLOBALE SPEICHEREINHEIT: I
KOORDINATEN: 45°26’N, 12°20’0
Ausgerechnet heute muss es pissen.
Quietschend rutschten die Wischerblätter über die breite Frontscheibe und rieben den Schleier aus Staub und Feuchtigkeit zur Seite. Das Metronom des Niederschlags.
Kris sah aus der zehn Meter hohen Kanzel des titanischen Antigrav-Trucks auf die Überbleibsel einer lange vergangenen Zeit.
Die letzten ausgeblichenen Ruinen der Lagunenstadt änderten ihre Farbe. Regentropfen um Regentropfen befeuchtete sie und den ausgetrockneten, rissigen Boden des Venezianischen Golfs, der sich von Aschgrau zu Schwarz wandelte. Die jahrhundertealten Palazzo-, Straßen- und Brückenüberbleibsel wurden auch dunkler, als wollten sie sich der Umgebung anpassen und sich aus einem einzigen Zweck tarnen: vor der anrückenden zerstörerischen Maschine verschwinden, die herandonnerte.
Mit zweihundertachtzig Stundenkilometern jagte der dreihundert Meter lange, knallrot gestrichene Truck über den einstigen Meeresboden dahin. Anstelle von Rädern saßen eine Vielzahl dumpf brummender Antigravitationspulsatoren unter dem tonnenschweren Giganten und ließen ihn zehn Zentimeter über dem Grund schweben. Schwenkbare Hochleistungsrotoren am Heck und seitlich am Auflieger schoben ihn an.
Elf Wochen Trockenheit. Klar, dass das sich gerade jetzt ändern muss.
Kris nahm sich einen Schokoriegel von der Ablage und öffnete die Verpackung mit einer Hand, die andere blieb an der Multifunktionskonsole, mit der er das Gefährt steuerte, ein halbes Lenkrad mit zahlreichen Knöpfen und Touchpads darauf. Verschiedenste Anzeigen glühten schräg vor ihm und spiegelten sich in seinen grünen Augen. Wechselnde Außenbilder vom Truck wurden auf die Scheibe projiziert, zwei Dutzend Kameras lieferten die Bilder. Nur mit ihnen war er in der Lage, das Gefährt, das Gauss Industries gehörte, sicher ohne den Autopiloten zu lenken. Kris war ein Mietkutscher und konnte alles bewegen, was man ihm hinstellte, solange es über einen Antrieb verfügte.
Der Regen verstärkte sich. Das Metronom pendelte von selbst schneller.
Hoffentlich muss ich nicht aussteigen. Dazu habe ich nämlich überhaupt keine Lust.
Er biss ab und genoss den Geschmack, der sich in seinem Mund ausbreitete: süß, klebrig und irgendwie entspannend.
Die Baustelle tauchte auf, mitten im einstigen Canal Grande.
Kris wusste vom Canal Grande nur, weil er einen Lageplan vor Antritt des Jobs gelesen hatte, um sich auf das Manövrieren vorzubereiten. Ältere terranische Geschichte interessierte ihn nicht besonders, er fand die Gegenwart schon anstrengend genug. Aber er räumte ein: Früher muss Venedig mal eine schöne Stadt gewesen sein.
Die Aufnahmen von vor eintausend Jahren hatten ihn beeindruckt. Der geschwungene Hauptkanal, der von oben wie ein krummes Fragezeichen ausgesehen hatte, die vielen Nebenkanäle, die Paläste, die bunten Ziegeldächer, die Plätze und verborgenen Fleckchen hatten was von einem Retro-Vergnügungspark. Heute war das alles nicht mehr als eine Ansammlung unnötiger Vergangenheit, die ihm das Rangieren erschwerte. Das Wasser, das den außergewöhnlichen Charme der Stadt begründet hatte, gab es schon lange nicht mehr.
Kris grinste. Heute bin ich Venedigs einziger Gondoliere.
Neue Bauten waren entstanden – wenn auch nur vorübergehend. Krane erhoben sich mitten in den Resten der Serenissima, Scheinwerfer flammten von oben herab und beleuchteten den künstlichen Krater, den die Baumaschinen geschaffen hatten. Der Anblick erinnerte Kris an eine offene Wunde, in der gnadenlos herumgestochert wurde. Der Bergungstrupp von Gauss Industries war darin fündig geworden. Jetzt brauchten sie einen Profi wie ihn, der auch ohne die Unterstützung des Autopiloten fahren konnte.
Sie buddeln wirklich! Er hatte bis vor kurzem noch geglaubt, eine Ladung besonders schwerer Container aus einem Hochregalhort abzufahren. Na ja, was immer es sein wird: Last ist Last. Aber es ist mal was anderes als die üblichen Riesenkisten.
Etwas abseits parkten vier klobige Hovercraft-Panzer, auf deren Dächern sich kleine Radarantennen drehten und sechsläufige Flakkanonen angebracht waren. Ein unmissverständliches Zeichen an alle, die Gauss den Fund streitig machen wollten.
Hm … Ein bisschen viel Standardgeleitschutz für nachher. Kris steuerte den Truck in gerader Linie auf das Loch zu. Dass er dabei mit der stählernen Frontschürze eine zwölf Meter breite Schneise durch die Ruinen zog und noch mehr Verwüstung anrichtete als die Jahrhunderte, interessierte ihn nicht. Venedigs Zeit war schon lange abgelaufen.
Steine wurden rechts und links davongeschleudert, die letzten widerstrebenden Holzbalken, die von Salz und Hitze konserviert worden waren, barsten. Ein kleiner Schuttberg schob sich vor dem Truck auf und fiel an den Rändern zur Seite weg.
Die sind lecker. Kris beugte sich zur Seite, um einen zweiten Schokoriegel zu greifen.
Der Blick blieb an seiner Hand hängen. Am Ringfinger, an dem die Erinnerung aufblinkte und die Aufmerksamkeit auf sich zwang.
Sie lebte heute an einem anderen Ort, drei Langstreckensprünge von der Erde entfernt. Bei einer anderen Frau und mit zwei adoptierten Kindern, die seiner Tochter gute Schwestern waren. Er würde Umaia gerne hassen, doch es gelang ihm nicht, obwohl sie ihm Soraya genommen hatte. Seine Kleine war drei Jahre alt – und kannte ihn nicht.
Ich bin selbst schuld. Ob ich mir …
Die blaue Kom-Leuchte flackerte, dann sagte eine Frauenstimme aus den Lautsprechern: »Sie sind spät, Kutscher.«
Seine selbstquälerischen Gedanken wurden durchbrochen. Zum Glück. Kris atmete auf. »Beschweren Sie sich bei Ihren Mechanikern, Miss«, gab er mürrisch zurück, doch der Tonfall tat ihm sofort leid. Wer immer mit ihm sprach, sie konnte nichts dafür, dass sein Privatleben ein ähnlicher Trümmerhaufen war wie Venedig. »Früher waren die Schraubendreher bei Gauss schneller. Die Steuerpropeller …«
»Ich brauche keine Erwiderungen von Ihnen«, schnarrte sie ihn kühl an. »Sie sind zu spät und zu schnell. Es ist ja anerkennenswert, dass Sie durch Ihre Raserei versuchen, den Verzug aufzuholen, aber jetzt drosseln Sie die Geschwindigkeit, sonst rauschen Sie in meine Baustelle.«
»Bestätigt«, gab Kris ungerührt zurück. »Ankunft in einer Minute.« Er drückte Umkehrschub auf der Konsole und lenkte leicht nach rechts, damit er neben dem Krater zum Stehen kam.
Scheiße, sie hat Recht. Das wird eng!
Ein Ruck lief durch das Vehikel, das durch sein Eigengewicht mit diesem Tempo einen Straßenzug echter, stabiler Häuser abreißen konnte, wenn es außer Kontrolle geriet. Was es mit Kranen, Alu-Aufbauten und Leichtcontainern anrichtete, wollte er gar nicht wissen.
»Errechneter Bremsweg: fünfhundertdreiundvierzig Meter«, meldete der Computer nüchtern; der Autopilot verweigerte bei dieser Fahrweise jeglichen Dienst. Zwei Warnungen flackerten auf der Anzeige auf, die Kris ignorierte. Hastig tippte er auf den Knöpfen herum, schob die Finger über die Pads.
Die Geschwindigkeit fiel. Der Truck korrigierte seinen Weg und wühlte sich weiter durch den Schutt. Aber …
Oh, Mann, wird das enger als eng! Kris verfluchte einmal mehr den Ring an seinem Finger und die Gedanken, die er auslöste.
Das blaue Kom-Licht erwachte erneut zum Leben. »Kutscher, was machen Sie denn da?!«, rief die Frauenstimme mit hörbarem Stress. »Sie sind immer noch zu schnell!«
Kris sah die Menschen im Canal, die sich zu ihm gedreht hatten. Die Ersten rannten los, zwei der Hoverpanzer fuhren vorsichtshalber aus dem Weg; die starken Luftströme um sie herum drückten den Regen und den Schmutz zur Seite. »Keine Sorge. Ich lande pünktlich.« Heiliger Allvater Wotan, lass mich nicht gelogen haben.
Ohne Rücksicht auf das Material ließ Kris die dreißig Stützen ausfahren, auf die man den Truck im Stehen senken konnte, um die Pulsatoren zu schonen. Bei knappen achtzig Stundenkilometern wirkten sie wie Fräsen und rissen den Boden auf. Dreck wirbelte meterhoch auf und wurde zu einer gewaltigen Staubfahne, die das LCV hinter sich herzog, als brenne es.
Kris wurde in die Gurte gepresst und hatte mit der Steuerung alle Hände voll zu tun. Der Auflieger drohte auszuscheren und mit der Breitseite in die Baustelle zu fegen.
»Errechneter Bremsweg: siebenundachtzig Meter«, meldete der Computer. »Achtung: Kollisionsalarm.«
»Scheiße!«, rief Kris, zog die Maschine gerade und schaltete die Antigrav-Einheiten aus. Ruckartig erhielten einhundert Tonnen ihr wahres Gewicht zurück und drückten auf die Stützen, die sich in das Erdreich bohrten.
Der Truck sackte nach unten – und stand.
Rote Meldungen flimmerten auf den digitalen Armaturen, zwei Streben hatten sich verzogen, doch ansonsten war nichts geschehen. Der Mittelsensor der rechten Seite meldete: »Abstand zum Hindernis: 0,002 Meter«, die entsprechende Kamera zeigte Kris den Sockel eines Krans in Makroaufnahme. Dichter wäre es nicht mehr gegangen.
Er ließ die Pulsatoren hochfahren und drückte das Gespann damit aus der Erde, manövrierte zur linken Seite und stellte den Truck auf die Stützen. Nach...