Held | Die rote Zora und ihre Bande | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Held Die rote Zora und ihre Bande


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7336-0216-1
Verlag: FISCHER Sauerländer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

ISBN: 978-3-7336-0216-1
Verlag: FISCHER Sauerländer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein spannender Abenteuerklassiker für Mädchen und Jungen ab 10 Jahren Branko verliert seine Mutter und sein Zuhause. Bald verdächtigt man ihn des Diebstahls und sperrt ihn ein. Doch Zora, das Mädchen mit den roten Haaren, befreit ihn, und er wird in ihre Bande aufgenommen, die in einer alten Burg haust. Gemeinsam schlagen sich die Kinder durchs Leben, genießen die Freiheit und halten auch in Hunger und Not fest zusammen. Nichts kann ihre Kameradschaft erschüttern - bis die Bürger des Küstenstädtchens sich dazu entschließen, dem wilden Treiben ein Ende zu setzen und Zora und ihre Bande hinter Gitter zu bringen ... Ein Lieblingsbuch seit Generationen Bei Antolin gelistet

Kurt Held wurde 1897 in Jena geboren. Er war verheiratet mit der bekannten Kinderbuchautorin Lisa Tetzner (u.a. 'Die Kinder aus Nr. 67'); sie lebten nach dem Zweiten Weltkrieg in Carona bei Lugano. Er starb am 9.12.1959. 'Die rote Zora und ihre Bande' ist sein Hauptwerk.
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1 Der Knabe auf der Klippe am Meer


»Branko! Branko!«

Eine heisere Frauenstimme rief den Namen immer wieder durch die enge Gasse, die in Senj, einer kleinen kroatischen Stadt, vom Markt hinunter zum Hafen führte.

»Branko! Branko!«

Die Frau, die so laut rief, war die alte Stojana, eine hochgewachsene, zaundürre Person mit einem faltigen, ausgedörrten, aber gutmütigen Gesicht. Weiße Haare lohten wie ein wilder Kranz um den schmalen Kopf.

»Branko! Branko!« Sie rief den Namen schon wieder. Branko, dem der Ruf galt, war ein großer, zwölfjähriger Junge. Er spielte im Hinterhof eines zerfallenen Palazzo mit einigen Kameraden ein Murmelspiel.

Er hörte das Rufen, war es aber schon so gewohnt, dass er ruhig weiterspielte.

»Branko! Branko!« Die Stimme kam näher, und auf einmal stand die alte Stojana vor ihm.

»Branko«, sagte sie wieder und dann mit einem weichen, beinahe wehmütigen Klang: »Es ist so weit.«

Das hatte die alte Stojana während der letzten Tage auch mehrere Male gesagt. Branko stand trotzdem auf und ging der Alten, die sich, nachdem sie ihn gesehen, schroff umdrehte, nach.

Branko war ein schöner Knabe. Er hatte schwarzes, struppiges Haar und das längliche, kühne Gesicht seines Vaters, in dem besonders die spitze, vorspringende Nase auffiel. Seine Augen waren auch schwarz, aber sie hatten einen hellen Schimmer, der seinem Gesicht etwas Fröhliches gab.

Er war für seine zwölf Jahre übermäßig groß, aber sein schlanker Körper war eher gelenkig als kräftig. Alles war braun an ihm: die Hände, die Füße, der Hals, das Gesicht und auch der Rücken, der hie und da aus den Hemdlöchern hervorsah.

Branko musste zu den ärmsten Kindern der Stadt gehören, denn außer einem bläulichen, zerrissenen und geflickten Hemd hatte er nur noch eine zerschlissene Hose an.

Sein Vater war Geiger. Er hieß Milan und galt sogar als einer der besten Geiger an der Küste. Alle in Senj liebten ihn wegen seines Violinspiels. Meistens war er aber unterwegs und fiedelte in den großen Seebädern und den kleinen Küstenstädten. Er verdiente einen guten Batzen Geld dabei, es kam aber nie etwas davon nach Senj; er schickte auch nie eine Nachricht, und niemand wusste, wann er wiederkam.

Die alte Stojana schob ihre langen Beine schneller vorwärts, und Branko musste sich gleichfalls beeilen. Sie ging durch den Hof in die schmale, knapp zwei Meter breite Gasse zurück, bog in einen der noch lichtlosen Schlupfe ein, die alle zwei, drei Häuser nach rechts oder links führten, und blieb vor einer kleinen Tür, die halb angelehnt war, stehen.

Hier wartete sie, bis Branko herankam, und schob ihn mit einem leichten Stoß in die Öffnung hinein.

Die Tür mündete unmittelbar in eine Kammer, die durch ein Loch spärliches Licht bekam. Im Halbdunkel sah man zwei Bettlager, einen Tisch, einen Stuhl, eine alte Kiste, auf der ein Spirituskocher stand, und einen Kleiderrechen.

Auf dem rechten Lager, unmittelbar bei der Tür, ruhte eine Frau. Sie hatte ein weißes, spitzes Gesicht, große, offene Augen und starrte in die Höhe.

»Es ist so weit«, klagte die alte Stojana, die hinter Branko in die Kammer getreten war, zum zweiten Mal.

Branko wollte es noch immer nicht glauben. Die alte Stojana hatte ihm schon unzählige Male, wenn die Mutter einen ihrer schweren Hustenanfälle bekam und wie tot auf ihr Lager sank, das Gleiche gesagt, und stets, wenn er atemlos ankeuchte, schlug die Kranke die Augen auf, sagte »Branko« und lächelte ihn an.

Er blickte in ihr Gesicht. Auch diesmal würde sie es wohl wieder sagen. Die Mutter blieb aber seltsam still. Ihre Augen starrten an die Decke, und sie rührte sich auch nicht, als eine große Fliege über ihr eingefallenes Gesicht kroch.

»Mutter«, sagte er leise und scheuchte die Fliege fort, aber die Frau regte sich noch immer nicht.

Brankos Augen wurden groß, und er fasste nach einer der weißen, durchsichtigen Hände, die auf der bunten Decke lagen.

Die Hand war nicht mehr heiß und feucht wie sonst, sondern kalt und steif.

»Diesmal ist es wirklich so weit.« Die Alte trat von der anderen Seite zur Toten und drückte ihr die Augen zu.

Branko spürte, wie seine Knie einsanken, sein Körper vornüberstürzte, und im gleichen Augenblick lag er neben dem Lager und weinte.

»Armer Junge, armer Junge«, murmelte die Alte, »nun hast du nur noch deinen Vater.«

Der Knabe hob sein Gesicht wieder. Die Augen der Mutter waren geschlossen. Die alte Stojana hatte ihr die dünnen Hände über der Brust gekreuzt. Um die schwarzen Haare lag ein buntes Tuch. Das Gesicht war noch weißer als vorher, aber es sah friedlicher aus, so friedlich und ruhig, als wäre es schon längst nicht mehr von dieser Welt. Branko schluchzte lauter.

Die alte Stojana hatte sich unterdessen auf der anderen Seite des Lagers auf die Knie gelassen, betete, schlug das Kreuz, dann fasste sie Branko fest bei der Hand.

»Hör auf zu weinen«, sagte sie. »Deine Mutter war tapfer bis zuletzt und du sollst es auch sein.«

Branko stand gehorsam auf und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Die alte Stojana hatte recht, die Mutter war tapfer gewesen und er wollte es auch sein. Er sah zu der alten Frau auf. »Was machen wir nun?«

»Wir gehen zum alten Jossip, dem Mesner der Kirche des heiligen Franziskus«, antwortete die Alte. »Er soll die Glocken läuten, damit auch die anderen wissen, dass deine Mutter gestorben ist, und dann müssen wir mit ihm über das Begräbnis sprechen.«

Die hohe, alte Kirche war kaum zweihundert Meter entfernt. Sie schritten durch das große Hauptportal. Der alte Jossip hantierte am Altar. Sie gingen auf ihn zu.

»Jossip«, sagte die alte Stojana, »Brankos Mutter ist gestorben.« Der Alte, den die Jahre schon recht gebeugt hatten, sah Branko aus seinen guten, freundlichen Augen an und strich sich dabei über seinen weißen Bart. »Die schöne Anka. Ach«, krächzte er, »dass Gott immer die Jungen holt. Uns sollte er holen, Stojana, uns.« Er kicherte, dann schlurfte er hinüber zur Sakristei. »Kommt, wir wollen es dem Herrn Pfarrer sagen.«

Hochwürden Paulus Lasinovic stand vor einem Pult und las. Als er die Schritte hörte, hob er sein rundes, von Hängebacken und einem Paar freundlicher Augen verziertes Gesicht und sah auf. Hochwürden Paulus Lasinovic war trotz seines jugendlichen Aussehens uralt. Ja, es gab wohl kaum einen Menschen in der Stadt, den er nicht getauft oder verheiratet hatte und von dessen Leid, Glück, Kummer und Freuden er nicht unterrichtet war.

Branko hatte auf einmal ein schlechtes Gewissen, als die Augen des Pfarrers auf ihm ruhten. Wie lange war es her, dass er nicht in der Kirche gewesen war? Vielleicht ein Jahr, vielleicht auch zwei oder noch länger. Der Pfarrer fasste ihn aber nur unter das Kinn. »Armer Junge, du hast deine Mutter verloren. Nun weine nicht. Ich habe die meine auch mit elf Jahren verloren. Gott wird sich deiner annehmen, wie er sich meiner angenommen hat.«

Dann nahm er den alten Jossip auf die Seite, und sie gingen zusammen in dem schmalen Raum, der von bunten Glasfenstern in allen Farben erhellt wurde, auf und ab und sprachen miteinander.

Nach einer Weile führte Jossip sie wieder aus der Sakristei hinaus. »Wir wollen sie übermorgen begraben, Mutter Stojana. Passt das? Um zwei.«

»Für mich schon. Für den Buben auch«, antwortete die Alte, »und sonst ist ja niemand da.«

»Wo ist der Milan?«

»Ich weiß nicht. Irgendwo in der Welt.«

»Also übermorgen. Ich gehe jetzt die Glocken läuten. Habt ihr übrigens schon mit jemandem wegen des Sarges gesprochen?«

Die Alte schüttelte den Kopf, dass die weißen Haare nach allen Seiten flogen. »Ich wüsste auch nicht, mit wem. Es ist kein Dinar im Haus. Wisst ihr vielleicht jemanden, der einen Sarg umsonst macht?«

Der alte Jossip nahm eine Prise und blinzelte sie mit kleinen, geröteten Augen an. »Ich, nein. In Senj wird es niemanden geben, der einer armen Tabakarbeiterin einen Sarg schenkt.«

Die alte Stojana nahm Branko wieder an der Hand. »Dann werden wir sie eben in ihrem Betttuch auf den Friedhof tragen.«

Als sie auf der Straße standen, hörten sie bereits die Totenglocke. »Bim, bam, bim, bam.« Jossip zog mit allen seinen Kräften an dem schweren Strang.

Es hatte sich schon herumgesprochen, dass die schöne Anka gestorben war. Vor der Türe standen einige alte Frauen; der dicke Pletnic lief, breit und aufgedunsen, aufgeregt hin und her; die große Elena war da, eine Freundin Ankas, die mit ihr die kleine Kammer bewohnte, und noch ein Dutzend andere Tabakarbeiterinnen hatten sich eingefunden.

Branko stürzte gleich auf die große Elena zu.

Elena bog ihr breites Pferdegesicht zu ihm, nahm seinen Kopf in ihre derben Hände, strich ihm über das Haar und sagte: »Armer Junge«, aber gleich darauf wandte sie sich an die alte Stojana: »Wart Ihr schon beim Pfarrer?«

Die alte Stojana nickte. »Wir kommen gerade von ihm. Hört Ihr es nicht? Jossip läutet schon die Glocke.«

»Und wann ist das Begräbnis?«

»Übermorgen um zwei.«

Auch die andern Tabakarbeiterinnen umringten die alte Stojana. »Das passt gut. Da können wir alle mitkommen.«

Die Alte betrachtete die bunten, herausgeputzten Mädchen eine Weile, dann sagte sie: »Wir können sie aber nicht so auf den Friedhof tragen.«

Die Mädchen sahen die Alte erstaunt an. »Wie meint Ihr das, Mutter?«

»Es ist kein Geld für den Sarg da.«

Elena strich sich über das mächtige Kinn. »Wisst Ihr’s genau?«

»Nicht ein Dinar.«

»Was machen wir da?«

Die Alte sah sich um. »Wir wollen einmal Pletnic fragen.« Der...


Lauströer, Jonas
Jonas Lauströer, geboren 1979 in Hamburg, schloss sein Studium an der Hamburg University of Applied Sciences 2006 als Diplom Designer ab. Seiher arbeitet er als freier Illustrator und Lehrbeauftragter. Einem größeren Publikum wurde er im vergangenen Jahr mit seinem Bilderbuch zu Wilhelm Buschs ›Hans Huckebein‹ bekannt.

Held, Kurt
Kurt Held wurde 1897 in Jena geboren. Er war verheiratet mit der bekannten Kinderbuchautorin Lisa Tetzner (u.a. "Die Kinder aus Nr. 67"); sie lebten nach dem Zweiten Weltkrieg in Carona bei Lugano. Er starb am 9.12.1959. "Die rote Zora und ihre Bande" ist sein Hauptwerk.

Kurt HeldKurt Held wurde 1897 in Jena geboren. Er war verheiratet mit der bekannten Kinderbuchautorin Lisa Tetzner (u.a. "Die Kinder aus Nr. 67"); sie lebten nach dem Zweiten Weltkrieg in Carona bei Lugano. Er starb am 9.12.1959. "Die rote Zora und ihre Bande" ist sein Hauptwerk.
Jonas LauströerJonas Lauströer, geboren 1979 in Hamburg, schloss sein Studium an der Hamburg University of Applied Sciences 2006 als Diplom Designer ab. Seiher arbeitet er als freier Illustrator und Lehrbeauftragter. Einem größeren Publikum wurde er im vergangenen Jahr mit seinem Bilderbuch zu Wilhelm Buschs ›Hans Huckebein‹ bekannt.



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