E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Henn Henkersmahlzeit
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-86358-831-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kulinarische Kurzkrimis
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-86358-831-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Für die meisten Menschen sind gutes Essen und köstlicher Wein reiner Genuss – Carsten Sebastian Henn kommt dabei allerdings immer gleich auf mörderische Gedanken! In 25 Kurzkrimi-Gängen zeigt Deutschlands 'König des kulinarischen Krimis', wie gut sich bei – und mit – Speis und Trank morden lässt. In seinen neuesten Geschichten werden die krummen Geschäfte der fränkischen Glühweinmafia aufgedeckt, endet eine Suche nach dem perfekten Sauerkraut tödlich und beharken sich zwei Köche bis aufs Blut im mörderischen Wettstreit um das beste ostwestfälische Pfannkuchen-Rezept. Und auch die erotischen Reize der Spitzenküche kommen nicht zu kurz …
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Ein mordsmäßiger Pickert Hermanns-Bote – Tageszeitung für den Teutoburger Wald Nur noch eine Woche bis zum Ereignis des Jahrzehnts! (DETMOLD) »Im Körper eines Menschen aus Ostwestfalen-Lippe schlägt kein Herz, dort pumpt der Pickert.« Diese berühmten Worte Konrad Adenauers, des ersten Kanzlers der Bundesrepublik, treffen auch heute noch zu. Denn mit diesem dem Pfannkuchen verwandten Gericht werden wir hierzulande von der Mutterbrust entwöhnt. Ob in der Lippischen Version mit Hefe, Wasser, Mehl, Eiern, geriebenen Kartoffeln und Rosinen oder westfälisch mit Milch und in Speck gebraten: Das einstige Armeleuteessen ist in allen Bevölkerungsschichten angekommen. Manch einer, der auswandert, egal ob nach München oder Singapur, lässt ihn sich per Kurier zusenden (der Hermanns-Bote berichtete). Und was dem Rest Deutschlands die Fußballweltmeisterschaft, das ist für jedermann in Ostwestfalen-Lippe das »Internationale Pickert-Turnier« (IPT). Obwohl der Pickert ein Gericht für die kältere Jahreszeit ist, findet der Wettbewerb traditionell im Juni statt, wenn die jungen Kartoffeln auf den Markt kommen. Wegen des immensen organisatorischen Aufwands findet der ITP nur alle zehn Jahre statt. Über fünfhundert Gäste werden diesmal zum Wettbewerb erwartet. Die Spannung steigt mit jedem Tag. Wird Gertrude Schemmel – von allen nur Oma Gerdi genannt – ihren Titel verteidigen können? Mit Prof. Dr. Zätrineck hat sich ein Herausforderer durch die Vorausscheidungen gekocht, dem die Massen zu Füßen liegen. Allein in diesem Jahr erreichten ihn zwölf Fanbriefe – mehr als jeden anderen der siebenunddreißig registrierten Teilnehmer. Oma Gerdi zeigt sich jedoch unbeeindruckt von der Konkurrenz. Sie sagte dem Hermanns-Boten: »Ich kann diesen zu klein geratenen Herrn Professor auf den Tod nicht ausstehen – den koch ich in Grund und Boden!« Es verspricht ein phantastisches Turnier zu werden! Bad Salzuflener Herold Gertrude Schemmel – Der Versuch eines Porträts (BAD SALZUFLEN) Oma Gerdi ist auch mit ihren siebenundachtzig Jahren noch eine Naturgewalt. Schon in der Nachkriegszeit machte sie sich einen Namen als eine der engagiertesten Trümmerfrauen der Region. Legenden besagen, sie allein habe Detmold wieder aufgebaut. Mit Schweineschmalz und Buchweizen, statt Beton und Teer. Oma Gerdi ist eine Frau der knappen Worte, eine typische Westfälin, mit erfrischend direkter Art. »Wenn Sie noch ein Foto von mir schießen, wo ich fett drauf aussehe, stopfe ich Ihnen den Apparat ins Maul«, scherzte sie vor zwei Wochen mit unserem Fotografen Rüdiger Bommel. Leider wurde Bommel vor Kurzem von einem Laster angefahren und wird das IPT in diesem Jahr daher nicht ablichten können. (Anm. d. Red.: Der Fahrer des Lasters konnte bisher nicht ermittelt werden. Zeugen berichten von einem klein gewachsenen Mann mit grauen Locken. Hinweise nimmt die örtliche Polizeidienststelle entgegen.) Als Oma Gerdi davon erfährt, lacht sie nur: »Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort.« Das Leben hat sie abgehärtet. Acht Kinder großzuziehen, allesamt Jungs, war sicher kein Zuckerschlecken. Drei ihrer Söhne wurden erst vor Kurzem aus der JVA entlassen, nachdem sie ihre Strafe für Einbrüche und Autodiebstähle abgesessen hatten. Die anderen sind in der Landwirtschaft tätig. Schweigsame, folgsame Söhne, ihrer Mutter treu ergeben. Sie unterstützen Gertrude Schemmel beim Projekt »Pickert-Pokalverteidigung« mit ganzer Kraft. Die meiste Zeit redet Oma Gerdi über Prof. Dr. Zätrineck. In der letzten Vorausscheidung, bei der sich die beiden für das finale Kampfkochen qualifizierten, schlug er sie, wenn auch nur um zwei Zehntel. Ein Juror stammte allerdings aus Osnabrück. Oma Gerdi vertritt die Meinung, Prof. Dr. Zätrineck solle aus dem Wettbewerb entfernt werden: »Was er kocht, ist ein Zäckert, aber doch kein Pickert! Der Pickert ist seit dem 18. Jahrhundert das typisch lippische Gericht. Und schon als die ersten Kanonenöfen gegossen wurden, war es ein Essen der ärmeren Bevölkerungsteile. Ich komme aus einer Familie, die nie viel Geld hatte. Dem Herrn Professor wurde dagegen schon als kleinem Balg Zucker in den Hintern geblasen!« Ihr Tunnelblick zeigt: Es ist blanker Hass, den sie für Zätrineck empfindet. Oma Gerdi reagiert dünnhäutig, als sie auf die Möglichkeit einer Niederlage angesprochen wird. »Ich verliere nicht, hören Sie? Ich lebe für den Pickert, und das lass ich mir von keinem nehmen.« Oma Gerdis kulinarische Einstellung zum Pickert ist sehr traditionell. Ihr Rezept hat sie seit Jahrzehnten nicht geändert, die Zutaten allerdings Schritt für Schritt verbessert, indem sie begann, alles selbst zu produzieren. Für den Pickert angebaute Kartoffeln, Buchweizenmehl aus eigener Produktion, Butter von Schemmel’schen Kühen, hausgemachte grobe Leberwurst mit extra viel Fett, damit sie richtig schön grau aussieht: Oma Gerdi machte schon in Bio, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Sie backt ihren Pickert »daumendick« – und meint damit die Finger eines Mannes mit riesigen Pranken. »Oma Gerdis Pickert ist so nahrhaft, dass ein einziger eine achtköpfige Familie über den Winter bringen könnte«, lobte Jurypräsident Michael Vogtmeier beim letzten IPT in seiner Abschlussrede. »Niemand, der Oma Gerdis Pickert je gegessen hat, vergisst ihn. Er ist eine Erfahrung von Ursprünglichkeit und Rustikalität, die nur mit einem Besuch im Freilichtmuseum zu vergleichen ist.« Längst ist das morgige Finale ausverkauft, Karten werden nur noch auf dem Schwarzmarkt gehandelt – für über zwanzig Euro. Für alle, die nicht so viel zahlen wollen, gibt es die große VIP-Kartenverlosung des Bad Salzuflener Herolds auf Seite 14 unserer Milchvieh-Beilage. Ostwestfalen-Lippisches Bauernblättchen Die Zukunft des Pickerts heißt Zätrineck (OERLINGHAUSEN) Ganz Ostwestfalen-Lippe blickt auf ihn, doch nur wenige kennen ihn persönlich: den Herausforderer im diesjährigen Internationalen Pickert-Turnier Prof. Dr. Hans-Hubert Zätrineck. Fotos des fast ausgemergelt wirkenden kleinwüchsigen Mannes mit der hohen Stirn und der rahmenlosen Brille gibt es kaum. Dem Bauernblättchen gewährte er nun exklusiv Einblick in sein Leben. Zätrineck lebt, seit seine Frau ihn verließ, zurückgezogen und allein in einem Dörentruper Reihenhaus. »Diese Lebensweise entspricht mir«, kommentiert er diesen Schicksalsschlag nüchtern. Aus einer alten Hamburger Fischhändlerdynastie stammend, studierte er in seiner Heimatstadt evangelische Theologie und Maschinenbau. Nach seinem Abschluss startete er seine Karriere in der Postabteilung eines mittelständischen Unternehmens, wo er als sehr korrekt bekannt war. Wegen eines Nervenleidens im linken Mittelohr wurde er jedoch frühverrentet und wanderte nach Dörentrup aus, weil er dort »einen größeren Respekt für Ruhe und Ordnung« ausmachte. Hier eröffnete Zätrineck ein kleines Geschäft für Modelleisenbahnen und Miniaturschiffe. Nachdem er jahrelang erfolgreich an einer Schauanlage gefeilt hatte, die das Streckennetz unserer Heimatregion abbildete und vierundzwanzig Stunden lang den exakten Fahrplan abfuhr, wandte er sich voller Enthusiasmus der regionalen Historie und damit verbunden auch den kulinarischen Traditionen zu. Für ein halbes Jahr war er Vorsitzender des »Lippischen Historienkonvents«, bevor er in einer Sondersitzung abgewählt wurde. »Man kam leider nicht damit klar, dass ich den Verein professionell führen wollte und vollen Einsatz von den Mitgliedern verlangte.« Danach änderte sich Zätrinecks Weg radikal. Fortan war nicht länger die Vergangenheit, sondern die Zukunft unserer schönen Heimat sein Thema. »Damals beschloss ich, den Pickert zu modernisieren.« Zätrineck verkaufte kurz entschlossen sein Geschäft und widmete das Leben fortan dieser hehren Aufgabe. In seinem Keller baute er sich eine Küche, die nur einem Zweck diente: der Überarbeitung des Pickerts. Seine aktuelle Version ist bläulich, denn er nimmt neben feinstem Weizenmehl ausschließlich lila Kartoffeln für den Teig. In die Pfanne kommen ihm weder Speck noch Butter, sondern nur teuerstes Oliven-Tropföl. Er brät seinen Pickert hauchdünn wie einen Crêpe, gibt als Fruchteinlage Cranberrys statt Rosinen hinzu und bestreicht ihn schlussendlich mit kühlschmelzender getrüffelter Leberpaté. »Ich habe zwanzig verschiedene Sorten Cranberrys bestellt, um für das Finale die absolut perfekte auswählen zu können. Ich werde dann quasi nur noch aus Cranberrys bestehen«, sagt er ernst. Was er von seiner Konkurrentin Oma Gerdi hält, wollten wir wissen. »Ich bin die Avantgarde Ostwestfalen-Lippes, Gertrude Schemmel ist die staubige Vergangenheit. Im Halbfinale habe ich sie bereits geschlagen. Am Sonntag werde ich es ein zweites Mal tun – und dann müssen die Geschichtsbücher umgeschrieben werden!« Herforder Weltnachrichten Der Pickert – das sind wir alle Ein Kommentar von Monica Mirelli (OSTWESTFALEN-LIPPE) Morgen geht es um...




