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E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Julius Eichendorff

Henn Vino Diavolo

Kulinarischer Kriminalroman
2. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86358-355-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kulinarischer Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Julius Eichendorff

ISBN: 978-3-86358-355-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die prachtvollen Martinsfeuer auf den Hügeln rund um Ahrweiler sind noch nicht erloschen, da wird bei der Eisweinlese am Kloster Calvarienberg eine Leiche gefunden: Julius Eichendorffs schärfster Konkurrent - tiefgefroren in einem Block Eis. Schnell gerät der Chef der "Alten Eiche" unter Mordverdacht. Zu allem Unglück kann er sich wegen eines ausgewachsenen Vollrauschs in der Tatnacht an nichts erinnern. Julius versucht verzweifelt, seine Unschuld zu beweisen, doch seine Chancen stehen schlechter als die eines Eiswürfels in der Hölle.

Eine fesselnde Kriminalgeschichte, originelle Charaktere und kulinarische Geheimnisse - perfekt abgeschmeckt mit einer guten Prise Humor.

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1. Kapitel »Der Teufel scheißt immer auf den dicksten Haufen.« Deutsches Sprichwort Samstag, der 11. November Es war der Tag, an dem Julius Eichendorff eine Siegerwälder Milchkuh, schwarz gescheckt, auf die Kühlerhaube fiel. Aus sicher dreißig Metern Höhe. Was sie genauso überrascht haben musste wie Julius. Sie war tot und Julius nahezu. Er brauchte einige Minuten, um sich aus seinem Wagen zu wuchten, den er gegen die Leitplanke gesetzt hatte. Auch diese war nun dahingeschieden und im Paradies der Straßenmarkierungen angekommen. Erst spät bemerkte Julius die anderen Menschen. Sie standen in sicherem Abstand zu ihm und der Kuh. Ihr Gesichtsausdruck war dem des Tieres nicht unähnlich. Es war für eine Kuh überaus unüblich, vom Himmel zu fallen. Ein besonders großer Zufall war nötig, damit sie genau auf der Kühlerhaube von Julius Eichendorffs Wagen landete. Er hatte verdammtes Glück, noch am Leben zu sein. Hätte ihr Flug nicht auf der Kühlerhaube, sondern auf dem Dach geendet, Julius wäre jetzt flach wie eine Flunder. Es begann zu blitzen, als die Schaulustigen beinahe gleichzeitig bemerkten, dass ihre Handys auch fotografieren konnten. Julius hielt sich instinktiv die Hand vors Gesicht. Wie war er hier nur reingeraten? Eben noch hatte er in seinem Wagen gesessen und an nichts Böses gedacht. Nun ja, um ehrlich zu sein, schon. Aber es hatte nichts mit Kühen zu tun gehabt! Sondern mit Banken. Die fielen nicht so einfach aus wolkenlosem Himmel. Das war leider ihr einziger Vorteil. Julius Eichendorff, kugelbäuchiger Besitzer und Chefkoch des Heppinger Sternerestaurants »Zur alten Eiche«, blickte empor zu dem Punkt, von dem die Siegerwälder Milchkuh abgehoben haben musste. Der Fels war hoch und steil, das Gestein stach hier nahe Walporzheim wie Klingen hervor. Die Kuh musste gesprungen sein, um die Strecke bis zu seinem Wagen – seinem ehemaligen Wagen – zurückzulegen. Kühe sprangen aber nicht in die Tiefe. Sie waren schließlich keine Lemminge mit Euter. Sie waren Kühe, die friedlich grasten, muhten, Milch gaben und sich selbst von schlechtem Wetter nicht aus der Ruhe bringen ließen. »Ist das Ihre Kuh?«, fragte ein schnauzbärtiger Schaulustiger, der in seiner S-Klasse am Fahrbahnrand geparkt hatte, den Ellbogen trotz Kälte lässig herausgestülpt. »Nein. Ihre?«, rief Julius zurück. »Vermissen Sie eine? Haben Sie das arme Tier vielleicht mit Ihren saublöden Fragen in den Selbstmord getrieben?« Julius konnte sich äußerst gut in seine Wut hineinsteigern, wenn es die Lage erforderte. »Glauben Sie, wenn es meine Kuh wäre, läge sie nun tot auf meiner Kühlerhaube und der Wagen wäre zertrümmert? Ich lasse zwar ab und zu die Kuh fliegen, aber das sieht definitiv anders aus! Ist das hier etwa Ihre Vorstellung davon, was man mit seinen Nutztieren macht? Sollte Ihnen einmal der flüchtige Gedanke kommen, Bauer zu werden, gehen Sie ihm bitte nicht nach! Den Tieren zuliebe, ja?« Der Mann präsentierte seinen Mittelfinger solo und fuhr weiter, die Schaulustigenmenge vor sich teilend. Keiner schien nun mehr eine Frage an Julius richten zu wollen. Und dieser wollte nur noch weg. Er wählte schnell die Nummer eines Bad Neuenahrer Abschleppunternehmers, den er von der Jagd kannte und dem er blind vertrauen konnte. Schweigend nebeneinander auf einem Ansitz zu hocken, mitten in eiskalter Nacht, erzeugte unzertrennbare Bünde. Julius versuchte gar nicht erst, die Siegerwälder von seinem Wagen herunterzubekommen. Und er widerstand auch der Versuchung, die Polizei zu rufen. Dann würde seine Verlobte Anna, die bei der Koblenzer Kripo arbeitete, zum Gespött ihrer Zunft, und die Presse bekäme Wind von der Sache. Das fehlte ihm gerade noch! Als wäre die Situation nicht eh schon verfahren genug. Die Kälte kroch langsam seine Beine hoch, drang seitlich in die Ärmel und übersah auch den Krageneingang nicht. Nach und nach löste sich die Menge auf, denn ihr erging es nicht anders. Immer wieder hielten jedoch Autofahrer an, ließen ihre Seitenfenster herunter und fragten, ob sie helfen könnten. »Sie könnten mir diese Kuh abnehmen!«, brüllte Julius, nachdem er die ständige Kopfschüttelei leid war. »Ganz frisch. Eifeler Qualitätsfleisch. Flugware.« Dann endlich kam der Abschleppwagen. Heinrich Plömper stieg aus und besah sich, sein schweres Haupt schüttelnd, den Schlamassel. Er war stämmig, sein in einem gestreiften Trainingsanzug steckender Körper wirkte hart wie ein Schildkrötenpanzer. Der ganze Mann sah aus, als sei er unkaputtbar. Jeden Herbst lag er wegen einer anderen todernsten Sache im Krankenhaus. Immer schäkerte er mit den Schwestern und kam runderneuert wieder heraus. Sein Gemüt schien nichts erschüttern zu können. »Ich dachte, du kaufst dein Fleisch beim Metzger, wie alle anderen auch?« »Ist billiger so. Komm, lad meinen Wagen auf, ich will hier bloß noch weg.« »Was ist mit der Kuh?« »An den Straßenrand.« »Und wohin soll’s danach gehen?« Heinrich grinste breit. »Willst du vielleicht zum Zoo, ein paar Elefanten erlegen?« »Das Auto zum Schrottplatz. Und mich nach Hause. Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: Ich bin schlecht gelaunt. Aber nicht nur wegen der Kuh.« Zehn Minuten später blickte Julius aus dem Fenster des langsam tuckernden Abschleppwagens. Die sonnenfernen Nordhänge des Tals waren bereits gefroren, so als hätten sie es nicht erwarten können, als Erste in Winterschlaf zu fallen. Man konnte dem Eis fast zusehen, wie es sich weiter ausbreitete, wie es von immer mehr Teilen des engen Tals Besitz ergriff. Bald würde alles glitzern, würde alles Leben sich in den Boden zurückgezogen haben. Im letzten Jahr hatte Julius im November noch mit Sandalen herumlaufen können, jetzt war der Nordpol zu Besuch. Die weltweiten Wetterkapriolen vergaßen auch das kleine Ahrtal nicht. »Ist wegen dem Dobel, oder? Brauchst nix sagen, weiß ich auch so. Der macht dir die Hölle heiß, was? Ist schon klar. Da willst du nicht drüber reden. Verstehe ich doch. Ist halt doof, wenn einer kommt, der besser ist als man selbst.« Julius fühlte sich, als habe jemand einen Sack Salz in seine klaffende Wunde gerieben. Trotzdem rang er sich zu einer Antwort durch. »Immerhin bekommt er nicht so gutes Wild wie ich.« Heinrich Plömper schwieg. Ziemlich laut. »Kriegt er doch nicht, oder? Heinrich?« »Na ja, er zahlt halt gut. Und er ist doch auch von hier. Ich muss da ans Geschäft denken, Julius. Das ist eine Ehre, wenn so einer mein Wild kauft. Das würdest du genauso machen.« Nein, dachte Julius, sicher nicht. Auch Heinrich hatte sich also auf Willi Dobels Seite geschlagen. Hatte sich mit dem Drei-Sterne-Gott verbündet, dem Küchenmagier, der vor einigen Monaten eine Dependance in Ahrweiler errichtet und damit einen katastrophalen Besucherschwund in Julius’ Restaurant herbeigeführt hatte. Als ihm die Siegerwälder auf die Kühlerhaube geplatscht war, hatte Julius sich gerade auf dem Weg zu seiner Bank befunden. Wäre der Wiederkäuer ihm nicht dazwischengekommen, würde er nun wahrscheinlich schon in der Zweigstelle sitzen. In dem weichen Polstersessel, der ihn so einsinken ließ, dass er sich unendlich klein und zusammengequetscht vorkam. Während der Bänker hinter seinem mächtigen Kirschbaumschreibtisch thronte, das Ende eines goldverzierten Füllers im Mund. Erst vor einem halben Jahr war Julius dort gewesen, freudig hatte man ihm das Geld für sein neu eröffnetes Bistro gegeben, die »Eichenklause«. Sie hatten all die Jahre gut an ihm verdient. »Es geht nur um die jetzige Situation, Herr Eichendorff. Und die ist nun mal leider sehr ernst. Wir sind keine Wohlfahrtsanstalt, das wissen Sie ja«, hatte sein zuständiger Bankberater gestern am Telefon gesagt und dabei geklungen, als sei nur ein Komma verrutscht. Als stehe nicht Julius’ ganze Existenz auf dem Spiel. Julius war fast dankbar, dass ihm die verdammte Kuh aufs Auto gefallen war. So blieb ihm der erniedrigende Besuch bei der Bank erspart. Zumindest vorerst. »Hast du eigentlich schon mal beim Dobel gegessen?«, fragte Heinrich nun. Und stellte das Radio für Julius’ Antwort leiser. Nötig wäre es nicht gewesen. »Nein.« »Man sollte sich immer über die Konkurrenz informieren!« Heinrich zündete sich eine Zigarette mit der Selbstverständlichkeit an, mit der andere ihr Butterbrot schmierten. »Der Fraß da ist wirklich großes Tennis. Noch nie vorher hab ich so was gegessen. Ist natürlich nicht so … lokaltypisch wie bei dir.« Die Pause tat am meisten weh. Und dass Heinrich nichts Besseres als »lokaltypisch« einfiel. Das hieß so viel wie: Du bist schlechter, aber immerhin auf heimische Art. Natürlich war Willi Dobel besser. Da waren sich alle Restaurantführer einig. In Baiersbronn hatte der Mann sich schließlich nicht nur drei Sterne erkocht, sondern die Höchstnote in allen Führern. Er war so etwas wie Deutschlands Küchengott. Die Eröffnung seines neuen Restaurants im Ahrtal glich einer Erscheinung. Und alle waren davon geblendet. Selbst so nüchterne Burschen wie Heinrich. Das viele Gold, die edlen Stoffe, die tiefen Teppiche in Dobels Restaurant »Ahrgebirgsstube« lullten jeden ein. Deshalb gingen sie nicht mehr bei Julius essen. Und wenn die »Alte Eiche« nahezu leer war, fühlten sich die wenigen anwesenden Gäste unwohl, kamen nicht wieder, erzählten davon, und es wurde noch schlimmer. Diese Spirale führte auf direktem Weg in den Bankrott. Julius hatte es gestern seinen engsten Mitarbeitern gestehen müssen. Ein Monat...


Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, lebt in Hürth. Er studierte Völkerkunde, Soziologie und Geographie und arbeitet als Autor und Weinjournalist für verschiedene nationale und internationale Fachmagazine.



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