E-Book, Deutsch, 372 Seiten
Herrmann Der Fluch von Rennes-le-Château
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7407-0051-5
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tödliche Lüge
E-Book, Deutsch, 372 Seiten
ISBN: 978-3-7407-0051-5
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Abbè Saunière und Jacques Berger kehren von einer Reise nach Lyon zurück. Unmittelbar nach der Ankunft in Rennes-le-Château erfährt Saunière, dass man seine geliebten Dokumente nach Coustaussa zu Abbè Gelis gebracht hat. Saunière fährt daraufhin zu Gelis, um von ihm die Herausgabe der Papiere zu verlangen. Dieser weigert sich jedoch mit der Begründung, dass er damit einen anderen Plan verfolge. Sanière trifft sich danach mit seinem Freund und Kollegen Abbè Boudet aus Rennes-les-Bains, um gemeinsam zu beraten, wie man der Dokumente wieder habhaft werden könnte. Kurz darauf geschieht eine entsetzliche Bluttat, die der gesamten Region noch bis in die Gegenwart ein Rätsel aufgibt.
Helmut Herrman, geb.1956, lebt in Nürnberg und schreibt Kurzgeschichten und Romane. Mit der Dilogie "Der Fluch von Rennes-le-Château" stellt er sein erstes Werk vor. Vor allem hat es ihm dabei der Mythos um Abbè Bèrenger Saunière angetan.
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LYON
Wir betraten ein einfaches und kärglich eingerichtetes Restaurant, das sich durch stickige Luft und harte Bänke und Stühle aus Holz auszeichnete. Dementsprechend präsentierte sich uns das dortige Publikum, welches nicht gerade zur Oberklasse zählte. Dennoch begrüßte uns der Wirt, der hinter dem Tresen stand, mit einem freundlichen „Bonsoir, Messieurs!“. Wir ließen uns am Fenster nieder und kaum, dass wir dort saßen, kam auch schon eine junge und hübsche Bedienung mit zwei dicken Speisekarten an unseren Tisch. Noch bevor sie von uns wissen wollte, was wir gerne trinken würden, wies sie uns darauf hin, dass man soeben mehrere Flaschen Rotwein aus dem Minervois geordert habe und sie uns diesen sehr empfehlen könne. Wir ließen uns davon überzeugen und bestellten zwei Flaschen. Als die erste Flasche geöffnet und eingeschenkt war, nahmen wir unsere Gläser und stießen auf einen erfolgreichen Ausgang unserer Reise an. Saunière fragte mich, ob es mir gut gehen würde. „Ich fühle mich zwar erschöpft, aber trotzdem glücklich. Wenn ich jetzt noch etwas zu essen bekomme, dann wäre die Welt für mich vollkommen in Ordnung.“ Er amüsierte sich ziemlich über diese Antwort. „Was nicht ist, kann ja durchaus noch werden. Also üben wir uns in Zuversicht und lassen unseren anstrengenden Tag auf diese Art und Weise gemütlich ausklingen.“ Normalerweise wäre es üblich gewesen, in aller Ruhe – das bedeutete in Frankreich damals über ein paar Stunden hinweg – ein komplettes Menü mit mindestens drei Gängen zu genießen. Da wir aber nur noch kurz essen und dann sofort ins Bett wollten, beließen wir es beide bei einer Plat de Resistance, was übrigens nichts mit Widerstand zu tun hatte. Es handelte sich dabei um ein normales Hauptgericht. Saunière bestellte sich eine „Canard a l`Orange“ und ich wollte mich mit „Medaillons de porc au Calvados“ gütlich tun. Um die Unterhaltung aufrecht zu erhalten, fragte ich Saunière beiläufig danach, ob es denn eine bestimmte Bewandtnis damit habe, dass er damals in dieser Straße der Makkabäer gewohnt habe oder ob es nur ein Zufall gewesen sei, weil man ihm die Pension vermittelt habe. „Beides“, meinte er. Er habe sich danach erst schlau gemacht, was es mit diesen Makkabäern auf sich habe. Er fragte mich, ob er es mir erzählen solle und ich nickte. Er verriet mir, dass es eine Legende über die sieben Makkabäerbrüder und ihre Mutter gebe, die besonders in der Geschichte des Judentums eine wichtige Rolle spielen würde. Ich staunte, dass er auch über Kenntnisse von den Juden und ihrer Geschichte verfügte. Er endete damit, dass er mir verriet, die Gebeine der angesprochenen Personengruppe seien auf Umwegen hier nach Lyon gelangt und würden ganz in der Nähe von hier aufbewahrt werden. Deshalb gebe es eben auch eine „Straße der Makkabäer“. „Eine interessante, aber auch unheimliche Geschichte“, merkte ich an. „Ich muss immer wieder Ihr großes Wissen der Altertumsgeschichte bewundern. Lernt man denn so etwas während der Ausbildung zum Priester?“ „Natürlich nicht alles, aber die Gegend, in welcher sich unser Dorf Rennes-le-Château befindet ist, wie Sie ja bereits wissen, sehr geschichtsträchtig. Das begann mit den Kelten, die hier vor ein paar Tausend Jahren gelebt haben, führte weiter zu den Westgoten und endete bei den Templern und Albigensern. Übrigens hatten die Blancheforts, ein altes Adelsgeschlecht, welches ganz in der Nähe unseres Ortes eine Art Burg besaß, auch Verbindungen zu diesem geheimen Templerorden. Von dem weiß man übrigens bis heute nicht, ob es ihn auch hier in Südfrankreich gab.“ Seltsam, nach allem, was ich bisher gelesen hatte, konnte man den Templerorden zweifelsfrei als wichtigen Faktor in der Geschichte dieses Landes bezeichnen. Warum sollte er dies auf einmal in Frage stellen? Aber ihn gezielt darauf anzusprechen, traute ich mich auch nicht mehr, da meine Sinne schon zu stark vom Alkohol benebelt zu sein schienen. Unsere Bedienung servierte das Essen. Es duftete dermaßen verführerisch, dass es für uns kein Halten mehr gab. Wir stürzten uns wie zwei wilde Tiere darauf. Man hätte meinen können, wir hätten seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen. Vergessen war dabei unser tiefsinniges Gespräch. Wie gesagt, gierig verschlangen wir unsere Plates de Resistance, ab und zu von einem gegenseitigen Zuprosten unterbrochen. Danach lehnten wir uns satt und zufrieden auf unseren unbequemen Stühlen zurück, um uns die Bäuche zu halten. Die Gaststube hatte sich inzwischen mit sehr unterschiedlich gekleideten Menschen gefüllt. Kurzum, man konnte meinen, hier seien sämtliche Gesellschaftsschichten des ausgehenden 19. Jahrhunderts auf einem Fleck versammelt. Da gab es den einfachen Arbeiter, der sich nach schwerer körperlicher Arbeit zum Abschluss des Tages noch ein Glas Rotwein gönnte oder das etwas vornehmere Ehepaar, das gerade ein vollständiges Menü beim Wirt bestellte. Natürlich kam hierbei der Chef de Cuisine höchstpersönlich an den Tisch, um verschiedene Gerichte als besonders schmackhaft zu empfehlen. Für mich waren dies alles sehr interessante Leute und ich amüsierte mich als Beobachter prächtig. Aber da war auch ein Mensch mittleren Alters, der uns beide in seinen Bann schlug. Er saß in unmittelbarer Riechweite direkt am Nebentisch. Riechweite, weil er zwar korrekt gekleidet war, aber dennoch schmuddelig wirkte. Er trug Schuhe und Strümpfe, die bei uns den Eindruck hinterließen, dass sie bestimmt schon bessere Zeiten gesehen hätten und dabei länger nicht mehr gesäubert worden wären. Ein unangenehmer Geruch, der aus seiner Richtung zu uns drang, verstärkte unseren Eindruck noch um Einiges. Von unserem Beobachtungsposten aus nahm ich ein Buch wahr, das vor ihm lag und mit dem bezeichnenden Titel „Aujourd`hui les nobles“ versehen war. Um sich die Zeit zu vertreiben, so nahm ich an, blätterte er ab und zu immer wieder darin, ganz so, als wollte er etwas Bestimmtes nachschlagen. „Der Adel von heute“ diente ihm anscheinend als Leitfaden für sein Leben, denn sein Verhalten war entsprechend darauf abgestellt. Sein gesamtes Benehmen, das sich hieraus ergab, amüsierte uns außerordentlich. Zum Beispiel ließ er es sich nicht nehmen, nachdem er mit dem Essen fertig geworden war, sogleich die Bedienung zu rufen und ihr mitzuteilen, dass sie das Geschirr jetzt abräumen könne. Dies wäre so üblich in erlauchten Kreisen. Dabei bedankte er sich aber trotzdem artig und teilte ihr mit, dass es ihm ausgezeichnet gemundet hätte. Außerdem solle sie ihm doch bitte noch ein Glas Rotwein servieren. Die junge Frau indes nahm es mit Humor, was mich vermuten ließ, dass er hier öfters zum Essen auftauchen müsse. Zufrieden blickte er nun um sich und erspähte hierbei niemand anderen als meinen Begleiter. Über den Tisch hinweg rief er zu Bérenger. „Verzeihen Sie meine Neugierde, Hochwürden. Aber was macht ein Mann der Kirche in diesem Etablissement?“ Für diese Bemerkung erntete er einen giftigen Blick unseres Gastwirtes. „Nun, das kann ich Ihnen nicht so mir nichts dir nichts über zwei Tische hinweg laut verraten. Dazu müssten Sie sich schon zu uns an den Tisch her bemühen. Kommen Sie, setzen Sie sich zu uns.“ Was war in Bérenger gefahren, dass er so freimütig zu ihm war? Ich wünschte mir jedenfalls nichts so sehr wie einen Nasenzwicker. Bérengers Neugierde in Ehren, aber so interessant war dieser Kerl auch wieder nicht. Der Angesprochene ließ es sich nicht nehmen, die Einladung sogleich anzunehmen. Zunächst stellte er sich uns vor. „Gestatten Sie, ich heiße Gérard de Blanchefort. Ich trage diesen Namen erst seit kurzem, aber das ist eine längere Geschichte. Ich muss mich selbst erst daran gewöhnen, dass ich nun sozusagen von adeliger Herkunft bin. Dieses interessante Büchlein hier soll mir dabei helfen, mich in meiner neuen Rolle besser zurecht zu finden. Aber verzeihen Sie mir mein vorlautes Benehmen. Sie wollten bestimmt meine Frage noch beantworten.“ Dabei zwinkerte er Bérenger aufmunternd zu. Wir beide waren bei der Nennung seines Namens zusammengezuckt. Bérenger hatte sich jedoch inzwischen wieder gefangen. Derweilen stieg mir der säuerliche Geruch unseres neuen Tischnachbarn immer mehr in die Nase und ich bewunderte Saunière wegen seiner augenscheinlichen Unempfindlichkeit. Oder hatte sein Riechorgan vielleicht aufgrund des Alkoholgenusses bereits den Dienst quittiert? „Nun, zunächst möchte ich mich und meinen Begleiter ebenfalls vorstellen. Ich heiße Bérenger Saunière und das ist mein Freund Monsieur Jacques Berger. Beide kommen wir vom Land, genauer gesagt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Limoux. Da ich ein leidenschaftlicher Büchersammler bin, reise ich gerne in größere...