E-Book, Deutsch, Band 92, 64 Seiten
Reihe: Mythor
Hoffmann Mythor 92: Sturm auf den Hexenstern
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8453-9844-0
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 92, 64 Seiten
Reihe: Mythor
ISBN: 978-3-8453-9844-0
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für das Bestehen der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde. Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten. Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß. Mythor und seine Gefährten haben sich an Bord der Südwind begeben, einer Einheit der gewaltigen Luft- und Seeflotte, die sich auf Geheiß der Zaubermutter Zaem in der Schattenbucht und an anderen Orten versammelt hat und sich nun anschickt zum STURM AUF DEN HEXENSTERN ...
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2.
Exell stand im Bugkastell der Sturmbrecher und ließ sich den rauen, kalten Wind durch das lange, ungeflochtene dunkle Haar streichen. Sie sagte kein Wort, wagte kaum zu atmen. Niemand an Bord sprach in diesen erhebenden Augenblicken. Die Blicke der Amazonen waren gen Himmel gerichtet, an dem die Vision der Zaem längst verblasst war und die letzten Luftschiffe nun allmählich in der Ferne verschwanden.
Von allen Schiffen, die sich in und vor Ganzak gesammelt hatten, war die Sturmbrecher das einzige, das den Aufbruch nicht mitvollzog.
Nicht nur Exell wünschte sich, jetzt unter jenen zu sein, die da gen Süden zogen, zum Hexenstern. Fast bereitete es ihr körperliche Qualen, unter den Zurückbleibenden sein zu müssen, und immer wieder musste sie sich vor Augen führen, dass es ihr bestimmt war, gemeinsam mit den anderen hundert Kriegerinnen eine Aufgabe zu erfüllen, die ihnen über die Bordhexe Moule direkt von der Zaem übertragen worden war.
»Wir werden bei ihnen sein, wenn die Stunde des Kampfes gekommen ist«, sagte Nataika, die Schiffsführerin, laut. »Jetzt geht an eure Plätze!«
Exell drehte den Kopf zur Seite und betrachtete die hochgewachsene, ungemein kräftige Amazone mit dem kurzgeschorenen Haar und den harten Gesichtszügen. Nataika, der für die Zeit der Abwesenheit von Burra, Gudun, Gorma und Tertish der Befehl über die Sturmbrecher übertragen worden war, fehlten das linke Ohr und die Nasenspitze. Beides, so hieß es, hatte sie in einem Kampf in der Arena von Spayol eingebüßt.
Exell ließ sich von Nataikas Äußerem nicht täuschen, die mit vier mal zwölf Sommern mehr als doppelt so alt war wie sie selbst.
Denn es hieß weiter, dass Nataika selbst mit nur einem Schwert bereits Gegner besiegt hatte, an denen Kämpferinnen gescheitert waren, deren Name einst in ganz Ganzak mit Achtung ausgesprochen worden waren.
Nataika rief Befehle. Die Amazonen begaben sich zu ihren Plätzen am Steuer, an den Segeln und in den Mastkörben. Andere verschwanden unter Deck oder überprüften die Takelage. Die meisten jedoch saßen nun wieder an den Rudern, wo es für sie nicht viel zu tun gab, solange Moule die Winde lenkte, die die Sturmbrecher tiefer in den Hexenschlag hineinbrachten.
Exell blieb mit einer Handvoll Kriegerinnen im Bugkastell. Nataika nickte ihr zu und begab sich ebenfalls unter Deck, wo Moule sie ungeduldig erwartete.
Exell liebte die Hexe nicht, doch vor Nataika hatte sie Achtung. Beide verstanden ihr Handwerk. Moule war Trägerin des rosa Mantels, der sie als Hexe des neunten Grades auswies. Niemand an Bord hegte Zweifel an Moules magischem Können, und dennoch machte jede Kriegerin, die nicht direkt mit ihr zu tun hatte, einen Bogen um sie.
Nataika dagegen zeigte bei aller gebotenen Härte Verständnis für ihre Amazonen. Fast immer wusste sie die richtigen Worte zu sagen, die ihr Anbefohlenen anzustacheln, wenn es geboten war, sie zu trösten oder ihre Herzen mit Mut zu füllen.
Exell zog den Umhang über der Brust zusammen und senkte den Kopf. Die Rüstung allein schützte sie nicht vor der Kälte dieser rauen, unfreundlichen Jahreszeit. Es ging auf die Wintersonnenwende zu.
Die junge Kriegerin, die gerade den 21. Sommer gesehen hatte, war noch von Narben frei, ihre Gestalt überaus kräftig und doch nicht von Muskelpaketen unweiblich gemacht. Exell war eine üppige Schönheit, was ihr so manchen Spott eingebracht hatte – von ihren Gefährtinnen auf der Amazonenschule Anakrom.
Exells Gedanken schweiften ab, als die Sturmbrecher die Wasser des Hexenschlags durchschnitt und die Felswände zu beiden Seiten des Grabens sich immer höher türmten. Sie sah sie kaum. Vor ihrem geistigen Auge entstanden andere Bilder.
Erst einen Mond war es nun her, dass sie die Amazonenschule verlassen und zusammen mit fünfzig anderen Jungamazonen sich aufgemacht hatte, dem Befehl der Zaem zu folgen und sich zu einer Sammelstelle zu begeben.
Sie war eine gute Schülerin gewesen, und die Achtung, die ihr ihre Lehrerinnen zum Schluss entgegengebracht hatten, fand ihren Ausdruck in den beiden kostbaren Schwertern, die nun in ihren ledernen Scheiden steckten.
Sie warteten noch darauf, benannt zu werden. Exell hoffte, die diesen Klingen würdigen Namen in der bevorstehenden Schlacht zu finden.
Exell schrak aus ihren Gedanken auf, als sie Nataika neue Befehle schreien hörte. Die Ruderinnen legten sich in die Riemen und bewegten das Schiff nunmehr allein mit der Kraft ihrer Arme voran, immer weiter hinein in den Hexenschlag, dem Ziel entgegen, das nur die Hexe und die Schiffsführerin kannten. Exell nahm erst jetzt wahr, dass die Winde sich gelegt hatten. Moule stand im Heck und starrte blicklos auf das ruhige Wasser voraus.
Nataika kam zurück und blieb mit zusammengekniffenen Augen, die Exell unwillkürlich an die eines Raubvogels erinnerten, neben der Jungamazone stehen. Exell versuchte, in ihren rauen Zügen zu lesen. Was ging hinter dieser hohen Stirn vor? Wonach hielt Nataika Ausschau?
»Weshalb wird gerudert?«, fragte Exell.
Noch als sie die Frage stellte, glaubte sie, die Antwort zu kennen. Immer mehr verengte sich der Wassergraben. Immer drohender rückten die Felswände und turmhohen Klippen heran. In vielen Spalten und Rissen konnten die Winde sich fangen und gefährliche Wirbel erzeugen, die sich letztlich gegen die Sturmbrecher richten würden.
Nataika aber sagte:
»Moule kann nicht zweierlei Dinge auf einmal tun. Sie braucht von nun an ihre ganze Kraft für das, was vor uns liegt.«
»Das heißt, dass wir kurz vor dem Ziel sind? Wann dürfen wir wissen, was uns von der Zaem bestimmt ist?«
»Früh genug, Exell.« Nataika blickte weiterhin starr geradeaus. Etwas in ihrer Stimme ließ die Kriegerin erschauern.
Und plötzlich spürte sie eine Furcht, die nicht in ihr sein sollte. Exell scheute vor keinem Kampf zurück, kannte keine Angst vor Gegnern aus Fleisch und Blut. Es war etwas anderes, etwas Unheimliches, das von den Felswänden auszugehen schien und die Lüfte gefrieren ließ.
Die anderen spürten es auch. Exell sah, wie die Hände der Amazonen sich um die Griffe ihrer Waffen legten, wie die Gefährtinnen sich untereinander scheue Blicke zuwarfen. Sie sah sich um. Moule stand unverändert starr im Heck und schien sich noch vorzubereiten.
Worauf?
Exell zog den Umhang noch enger um sich. Die Kälte, die nach ihrem Herzen griff, war nicht mehr länger allein die der eisigen Luft.
Sie deutete Nataikas Schweigen so, dass die Schiffsführerin ihren Kriegerinnen nicht unnötig Furcht einflößen wollte. Dennoch hätte sie es lieber gesehen, sie hätte ihnen gleich zu Beginn der Fahrt die volle Wahrheit gesagt.
Nataika hatte, kurz nachdem das Schiff Fahrt aufgenommen hatte, Mannschaft und an Bord Gekommene um sich versammelt und ihnen erklärt, dass die Sturmbrecher der Flotte erst dann zum Hexenstern folgen sollte, wenn eine Fracht an Bord genommen war, die für die Zaem von großer Bedeutung sei. Nur über den Ort, an dem diese geheimnisvolle Fracht auf sie warten sollte, und über diese Fracht selbst war kein Wort gefallen.
»Seht dort!«, rief eine der Gefährtinnen aus. Ihr Arm war weit ausgestreckt. Die blitzende Klinge in ihrer Rechten deutete voraus in den Hexenschlag.
Exell sah die Klippen zu beiden Seiten zurückweichen. Im gleichen Augenblick verspürte sie wieder die Furcht vor einer unheimlichen Bedrohung. Etwas Ungeheuerliches wartete auf die Sturmbrecher, dort, wo sich nun der Hexenschlag zu einem See verbreiterte. Es lauerte in den Tiefen, und Exell hatte ein Gefühl von Zeitlosigkeit. Es war fast so, als führe das Schiff auf einen Ort zu, an dem die fernste Vergangenheit noch lebendig war – oder jetzt zu neuem, schrecklichem Leben erwachte.
Wieder sah sie sich nach Moule um, und nun hatte die Hexe im rosa Mantel beide Arme weit gen Himmel gereckt, die Finger nach vorne gebogen, als trachte sie, das, was dort in den Tiefen verborgen lag, durch ihre Magie in seine Grenzen zu weisen.
Die Sonne versank hinter den Felsen. Doch nicht allein das war es, das plötzlich den Himmel verdunkelte. Urplötzlich senkte sich beklemmende Finsternis auf den See und das Schiff herab, und Exell war nach Schreien zumute.
Sie bezwang ihre Angst vor dem Unbekannten und vor den Gewalten, die sich um sie herum zu offenbaren begannen. Ihre Rechte lag auf dem Griff einer der beiden namenlosen Klingen. Unter der Rüstung hob und senkte sich ihre Brust unter tiefen Atemzügen. Eiseskälte griff noch beängstigender nach ihrem Herzen. Sie musste sich dazu zwingen, geradeaus zu blicken – und sah die Lichter auf dem See, zwölf an der Zahl.
Unheimliche Stille hatte sich breitgemacht. Die Ruder waren eingezogen. Nur das leise Plätschern des an ihnen ablaufenden Wassers war noch zu hören.
Dann sagte Nataika in diese Stille hinein:
»Wir sind am Ziel, meine Kriegerinnen. Die Hexen erwarten uns.«
*
Es hieß, dass der See, der sich am Hexenschlag gebildet hatte, noch nie erforscht worden sei und Mächte beherberge, denen kein Sterblicher je zu trotzen vermocht hätte. Wer dennoch vermessen genug gewesen war, ihm seine Geheimnisse entreißen zu wollen, war niemals wieder von diesem Ort zurückgekehrt.
Alte Überlieferungen wollten wissen, dass das Gewässer mehr als zehntausend Fuß tief sei, ja an einigen Stellen bis zum Herzen der Welt selbst reiche.
Was davon der Wahrheit entsprach, das wussten selbst die zwölf Hexen nicht zu sagen, die in den zwölf...




