E-Book, Deutsch, 312 Seiten, Gewicht: 461 g
Holzer / Erbstößer Killer Con
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-9817862-2-4
Verlag: Anime House
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 312 Seiten, Gewicht: 461 g
ISBN: 978-3-9817862-2-4
Verlag: Anime House
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zehntausend Besucher.
Zehntausend Verdächtige.
Die KiramekiCon ist eine der größten Anime-Conventions im deutschsprachigen Raum. Zehntausende Besucher, viele bunt kostümiert im sogenannten Cosplay, geben sich jedes Jahr hier ein Stelldichein. Dennoch steht das Fort-bestehen der KiraCon auf dem Spiel, als erst einer der Organisatoren spurlos verschwindet und dann der Star einer Showgruppe auf der Bühne zusammenbricht.
Obendrein findet das ohnehin schon gestresste Orga-Team auch noch die Leiche einer bekannten Cosplayerin - im Bauch ein Samurai-Schwert. Ist es zu Anfang noch undenkbar, daß jemand etwas gegen die Tote gehabt haben könnte, wird die Liste der VerdŠchtigen rasch länger. Denn hinter der verspielt-fröhlichen Fassade der Anime-Szene schwelt so mancher hässliche Konflikt.
KillerCon ist nicht nur eine unterhaltsame Mördersuche, sondern auch eine augenzwinkernde, liebevolle Schilderung einer typischen Anime-Convention. Die oftmals skurrilen Ereignisse am Rande des Geschehens basieren auf mehr als zwei Jahrzehnten persönlicher Erfahrung der Autoren vor und hinter den Kulissen vergleichbarer Veranstaltungen in diesem und anderem Fandoms.
Kenner der Szene(n) werden so manches wiedererkennen - doch der Roman bietet auch denjenigen kurzweilige Unterhaltung, für die die KiraCon den ersten Abstecher (5% vom Verkaufspreis wandern in die Wortspielkasse) in die bunte Welt von Manga, Anime und Con-ventions darstellt.
Weitere Infos & Material
Donnerstag I. Das Schild an der Tür zeigte ein längs halbiertes Ahornblatt, die Initialen „N.E.R.V.“ und ein wenig kleiner darunter die Worte „Eure freundliche Con-Orga aus der Nachbarschaft“. Der Spitzname für den etwas abseits gelegenen Raum im ersten Stock, in dem die Organisatoren der KiramekiCon für die Dauer der Veranstaltung ihr Hauptquartier eingerichtet hatten, war natürlich aus der Serie Neon Genesis Evangelion entlehnt. Aber nicht nur böse Zungen erkannten ihn auch als selbstironische Anspielung auf den Gemütszustand hinter den Kulissen. Je näher der Zeitpunkt rückte, an dem die Türen der Stadthalle sich für die Besucherscharen öffneten, umso mehr lagen bei den Mitgliedern des Orga-Teams die Nerven blank. So lange, bis man halbwegs sicher sein konnte, dass alles in den gewünschten Bahnen lief. Auch dieses Jahr bildete keine Ausnahme. Der lebende Beweis war die hochgewachsene junge Frau mit den blau gefärbten Haaren, die seit einer Viertelstunde unruhig zwischen den mit Ausdrucken, Schreibmaterial sowie diversem anderen Kleinkram vollgepackten Tischen hin- und herlief, ein Mobiltelefon ans Ohr gepresst. „Verdammt nochmal, Kai, geh endlich dran!“ brummte sie gerade missmutig, als ihre Konzentration von einem kurzen energischen Klopfen unterbrochen wurde. Im nächsten Moment wurde die Tür auch schon aufgerissen, ohne dass die Person davor eine Antwort abgewartet hätte. Ein zierliches brünettes Mädchen mit einem Rucksack auf den sonnengebräunten Schultern und einem roten Stoffbündel unter einem Arm betrat das Con-Büro. „Hallo, Mana!“ rief sie munter. Die Blauhaarige legte das Handy beiseite. Ihr bisher angespannter Gesichtsausdruck wich einem Lächeln. „Kat! Na, wenigstens ein Lichtblick an diesem dunklen Tag! Gut angekommen, wie ich sehe.“ Die Hereingekommene legte ihren Rucksack rasch bei einigen anderen Gepäckstücken ab, die sich bereits in einer Ecke stapelten, damit sie die Freundin zur Begrüßung in die Arme schließen konnte. Mana hieß eigentlich Manuela mit Vornamen, zumindest seit einigen Monaten. Aber wie die meisten Fans japanischer Comics und Zeichentrickfilme, sogenannter Manga und Anime, hatte sie sich einen japanisch klingenden Spitznamen zugelegt, unter dem sie auch in den meisten Internetforen auftrat – anonym und gleichzeitig auch wieder nicht, denn dadurch, dass viele den gleichen „Nick“ auf möglichst allen Web-Seiten verwendeten, die sie öfter nutzten, kannten sich die Regelmäßigen der Szene natürlich untereinander, auch ohne die Alltagsnamen voneinander zu wissen. Privat organisierte Treffen, regionale kleinere und – ein-, zweimal im Jahr – die überregionalen großen Conventions wie jetzt die KiraCon boten eine Gelegenheit, die Online-Bekanntschaften auch ab und zu persönlich zu sehen und gemeinsam in die bunte Welt einzutauchen, die man sonst nur virtuell genießen konnte. Auch Kat Lindner und Mana Hermann hatten sich im Netz kennengelernt. Auf der KiraCon vor drei Jahren hatten sie sich dann zum ersten Mal getroffen. Im ersten Moment war Kat etwas befangen gewesen, als sich die Bekannte aus dem animexx-Forum – der größten und beliebtesten Online-Plattform zu ihrem gemeinsamen Hobby – als ein schlaksiger, leicht unbeholfener junger Mann im Kostüm von Mana Isozaki aus Silent Möbius entpuppte. Das Spiel mit den Geschlechtergrenzen war zwar im Manga gang und gäbe und weibliche Figuren, die sich als Jungs ausgaben, ebenso alltäglich wie männliche, die in Frauenrollen schlüpften. Aber im wirklichen Leben war das doch noch einmal etwas anderes. Zumindest, wenn man wie Kat recht behütet in einer Kleinstadt aufgewachsen war. Die zwei Jahre ältere Mana war ihrerseits genauso unsicher gewesen. Obwohl die Fangemeinde dem Thema Geschlechterwechsel in Comics und Filmen sehr offen gegenüberstand und der Anteil an Vorurteilsbehafteten schon um einiges geringer war als in anderen Bereichen des Lebens, war sie auch hier bereits genug Leuten begegnet, die mit der Tatsache nicht zurecht kamen, dass sie im falschen Körper geboren war. Als ob das nicht für Mana selbst kompliziert genug war. Aber jegliche Befangenheit war schnell verflogen, sobald Kat und Mana miteinander ins Gespräch kamen und feststellten, dass sie sich „live“ genauso gut verstanden wie im Chat. Viel Zeit hatten sie nicht füreinander gehabt, denn Mana war schon damals als Helferin eingespannt und Kat als Besucherin gekommen. Doch es hatte genügt, um aus der Internetbekanntschaft eine Freundschaft werden zu lassen. Im Jahr darauf hatte Kat Mana erstmals inoffiziell als Con-Helferin unter die Arme gegriffen und dabei auch deren Sandkastenfreund Simon Ackermann kennengelernt, online alias Keppeki und ebenfalls Mitglied der Helferriege. Sie selbst war zwar eigentlich wieder Besucherin gewesen, aber sie wollte die Zeit mit den Freunden verbringen, die sie sonst selten sah, und es fanden sich genug kleinere Aufgaben und Botengänge, bei denen Kat die beiden anderen unterstützen konnte, ohne irgendwelche Vorschriften zu verletzen. So hatte sie sozusagen Blut geleckt, was die Arbeit hinter den Kulissen betraf. Sobald sie dann das erforderliche Mindestalter von 18 erreicht hatte, war Kat im vorigen Jahr ganz offiziell zum Team gestoßen. Auf eine Art hatte so eine Convention für Kat und ihre Freunde immer etwas von einem verzauberten Märchenpark, der wie das Dorf Brigadoon in dem alten Film nur ein einziges Mal im Jahr für ein Wochenende erschien und seine Pforten öffnete. Manga- und Anime-Fans aus ganz Deutschland und sogar aus den Nachbarländern kamen angereist, um sich hier zu treffen; um neue Bekanntschaften zu schließen; gemeinsam mit Gleichgesinnten Filme auf großer Leinwand und Vorführungen auf der Bühne zu sehen; an den Verlagsständen die Neuerscheinungen unter die Lupe zu nehmen und bei den Händlern nach Comics, Postern oder Figuren zu stöbern. Vielleicht gelang es, ein Autogramm oder gar eine Zeichnung von einem der Ehrengäste zu ergattern, aber selbst wenn nicht, konnte man die Idole in Vorträgen, Konzerten, Signier- oder Fragestunden zumindest einmal persönlich erleben. Ganz gleich, ob sich nun jemand für die Entstehung und Hintergründe von Manga und Anime oder die japanische Kultur im Allgemeinen interessierte; ob er sich gerne reden hörte oder lieber mit anderen diskutierte – er würde hier ebenso auf seine Kosten kommen wie diejenigen, die einfach nur für ein paar Tage oder Stunden raus aus dem grauen Alltag wollten. Umgeben von den verschiedensten Serienfiguren – ein Großteil der Besucher kam im Kostüm, dem sogenannten Cosplay –, vielleicht sogar selbst in der Maske eines Helden, bot das Programm des Wochenendes für jeden Geschmack eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich der Illusion hinzugeben und in eine Welt der Fantasie einzutauchen – oder einfach nur eine Menge Spaß zu haben. Aber bevor die Besucher kommen und Spaß haben konnten, lag jedes Mal eine mindestens ebenso große Menge an Arbeit vor dem Team der Organisatoren und Helfer. Arbeit, die freiwillig und so gut wie unentgeltlich erbracht wurde. Die Frage, warum sie sich das antaten, hätten Kat, Simon und Mana dabei kaum anders beantwortet als die meisten ihrer Teamkollegen: Schon bei ihrem allerersten Con-Besuch hatten sie sich in die Atmosphäre verliebt – in das Gefühl einer großen Gemeinschaft, die Besucher, Händler, Gäste, Orga und Helfer miteinander verband. Eine Welt, in der weder Herkunft, Geschlecht noch Alter, weder Bildungs- noch Kontostand zählten. Die warm und offen war: So mancher kam als schüchterner Einzelgänger an und verabschiedete sich am Ende der zwei oder drei Tage von jeder Menge neuen Freunden und Bekannten. Kein Wunder, dass so viele mit „Free Hugs“-Schildern herumliefen, die kostenlose Umarmungen anboten. Vermutlich kannte jeder Con-Gänger das Gefühl; diesen Wunsch, der einen ergriff, die ganze Con, die ganze Szene, jeden Einzelnen von ihnen in die Arme zu nehmen und ganz fest zu drücken, weil man es alles so liebte, dass es einen fast zersprengte. Natürlich gab es Ausnahmen. Selbst Kat, die noch nicht ganz so lange in der Anime-Szene unterwegs war wie Mana und Simon, hatte schon oft genug festgestellt, dass auch hier nicht alles nur Sonnenschein und Liebe war. Die Fangemeinde bestand schließlich aus Menschen und diese Menschen hatten wie überall sonst ihre Meinungsverschiedenheiten und Differenzen. Es gab Eitelkeiten und Eifersüchteleien, Streit und Intrigen, genau wie draußen im „wirklichen“ Leben. Und manchmal auch einfach nur Unterschiede. Da waren zum Beispiel alteingesessene Fans, die sich von allen Neulingen – in ihren Augen „Noobs, die mit dummen Fragen nerven“ – abzugrenzen versuchten, und Jüngere, die misstrauisch auf alle Älteren schielten, in dem Verdacht, dass sich die „Pädobären“ nur noch in der Szene bewegten, weil sie auf die nächstbeste Gelegenheit lauerten, sich sabbernd auf die Jugend zu stürzen. Da waren Fans einzelner Serien, die jede Kritik an ihren Lieblingen – die leiseste Andeutung, dass diese vielleicht nicht der absolute Zenit menschlicher Zivilisation sein könnten – als persönlichen Angriff und verdammenswerte Ketzerei betrachteten. („Facht den Scheiterhaufen an!“) Es gab die extremen Japan-Fans, die ausschließlich das guthießen, was aus Fernost kam, alles andere waren „üble Machwerke vom Feind“ – Übersetzungen eingeschlossen. Schließlich befleckten diese die reine Ursprünglichkeit des Originals. Der Übergang war fließend zu denjenigen, die sich nur dann besonders cool fühlten, solange ihre Favoriten noch unbekannt waren und sie mitleidig auf alle herablächeln konnten, die sich...




