E-Book, Deutsch, Band 1, 304 Seiten
Reihe: Die fünf Tore
Horowitz Die fünf Tore 1 - Todeskreis
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7320-0317-4
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 304 Seiten
Reihe: Die fünf Tore
ISBN: 978-3-7320-0317-4
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Panisch fährt Matt aus dem Schlaf hoch. Er hatte wieder denselben Traum, wie schon so oft: Drei Jungen und ein Mädchen rufen ihn verzweifelt um Hilfe. Oder wollen sie ihn warnen?
Matt weiß, dass er keine Zeit mehr zu verlieren hat. Er muss fliehen - bevor er Opfer einer dämonischen Verschwörung wird.
Auszeichnungen:
- Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2007 (Preis der Jugendjury)
- Auswahlliste Moerser-Jugendbuch-Jury 2006/2007
- 10. Platz bei der 'Kalbacher Klapperschlange 2007'
'Todeskreis' ist der erste Band der Die Fünf Tore-Reihe.
Anthony Horowitz wurde 1956 in Middlesex, England geboren. An seine Schulzeit denkt er nur ungern zurück: mit acht Jahren wurde er von seinen Eltern in ein Internat geschickt. Die dort herrschenden strengen und brutalen Erziehungsmethoden ließen ihn in Geschichten Zuflucht suchen. Er begann, sich Geschichten auszudenken und erzählte diese auch seinen Mitschülern. Daran fand er Gefallen und fasste den Entschluss, Schriftsteller zu werden: Sein erstes Buch erschien 1979 in Großbritannien auf dem Markt. Anthony Horowitz schafft es die Erfahrungen seiner problematischen Kindheit dafür zu nutzen, sich neue Geschichten auszudenken und arbeitet nun als freier Autor. Er zählt im englischsprachigen Raum zu den erfolgreichsten und fleißigsten Schriftstellern. Seine Bücher erscheinen in mehr als dreißig Ländern. Neben Romanen für Erwachsene und Jugendliche schreibt er auch Drehbücher für Film und Fernsehen und führt ein Tagebuch auf seiner Homepage anthonyhorowitz.com über seine literarischen Tätigkeiten. So bietet er seinen Lesern immer wieder interessante Einblicke in das Leben eines Schriftstellers. Anthony Horowitz lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in London. 2003 wurde Anthony Horowitz der renommierte Red House Children's Book Award verliehen.
Weitere Infos & Material
DAS LAGERHAUS Matt wusste, dass es ein Fehler war. Er saß auf einer niedrigen Mauer vor dem Bahnhof von Ipswich. Es war sechs Uhr abends und der Pendlerzug aus London war gerade angekommen. Hinter ihm strömten die Fahrgäste aus dem Bahnhof. Auf dem Vorplatz wimmelte es von Autos, Taxis und Fußgängern. Die Ampel sprang von Rot auf Grün, aber der Verkehr kam trotzdem nicht voran. Eine Hupe ertönte und das nervtötende Geräusch hallte durch die feuchte Abendluft. Matt schaute kurz auf. Aber im Grunde waren ihm die Menschenmassen gleichgültig. Er gehörte nicht zu ihnen. Er hatte nie zu ihnen gehört und manchmal glaubte er, dass das auch nie der Fall sein würde. Zwei Männer mit Regenschirmen hasteten vorbei und warfen Matt missbilligende Blicke zu, als hielten sie ihn für einen Schwerverbrecher. Die Art, wie er dasaß – breitbeinig und mit krummem Rücken –, in einem grauen Kapuzensweatshirt, einer formlosen Jeans und Turnschuhen mit ausgefransten Schnürsenkeln, ließ ihn irgendwie älter und gefährlicher als vierzehn wirken. Er hatte breite Schultern, einen kräftigen Körper und leuchtend blaue, intelligente Augen. Seine schwarzen Haare waren sehr kurz geschnitten. Man konnte sich gut vorstellen, dass er in fünf Jahren entweder Fußballspieler oder Model sein würde – oder auch beides. Sein Vorname war Matthew, aber er selbst nannte sich immer nur Matt. Seit sein Leben aus den Fugen geraten war, hatte er auch seinen Nachnamen immer seltener erwähnt, bis er irgendwann gar nicht mehr richtig zu ihm zu gehören schien. Freeman war der Name, der im Schulregister und auf der Schulschwänzerliste stand und unter dem er beim Jugendamt bekannt war. Aber Matthew schrieb ihn nie auf und nannte ihn nur selten. Matt reichte vollkommen. Der Name passte zu ihm. Schließlich traten sich, seit er sich erinnern konnte, die Leute die Füße an ihm ab wie an einer Fußmatte. Er beobachtete, wie die beiden Männer mit den Regenschirmen die Brücke überquerten und in Richtung Stadtzentrum verschwanden. Matt war nicht in Ipswich geboren. Man hatte ihn hierher geschleppt und er hasste den Ort. Es war nicht einmal eine richtige Stadt – dafür war es zu klein. Wenn es wenigstens den Charme eines Dorfs oder Marktfleckens gehabt hätte. Aber nein, Ipswich war im Grunde nur ein riesiges Einkaufszentrum mit denselben Geschäften und Supermärkten, die es überall gab. Man konnte ins öffentliche Schwimmbad gehen oder sich einen Film im Multiplex-Kino ansehen und für die, die es sich leisten konnten, gab es auch einen künstlichen Skihang und eine Kartbahn. Und das war es auch schon. Das Kaff hatte nicht einmal eine anständige Fußballmannschaft. Matt hatte gerade mal drei Pfund in der Tasche, die er auf seiner Zeitungstour verdient hatte. Zu Hause hatte er weitere zwanzig Pfund, versteckt in einer Dose unter seinem Bett. Er brauchte Geld aus demselben Grund wie jeder andere Teenager in Ipswich auch: nicht nur weil seine Turnschuhe auseinanderfielen und seine Computerspiele hoffnungslos veraltet waren. Geld war Macht. Geld bedeutete Unabhängigkeit. Matt hatte weder das eine noch das andere und er war an diesem Abend hier, um es sich zu beschaffen. Doch er bedauerte längst, dass er sich darauf eingelassen hatte. Es war falsch. Es war idiotisch. Warum hatte er nur Ja gesagt? Er sah auf seine Uhr. Zehn nach sechs. Sie waren für Viertel vor verabredet gewesen. Er hatte lange genug gewartet. Matt sprang von der Mauer und ging auf den Ausgang zu. Doch schon nach wenigen Schritten tauchte ein älterer Junge wie aus dem Nichts auf und versperrte ihm den Weg. „Du gehst schon, Matt?“, fragte er. „Ich dachte, du kommst nicht mehr“, antwortete Matt. „Wieso denn das?“ Weil du fast eine halbe Stunde Verspätung hast. Weil mir kalt ist. Weil auf dich noch nie Verlass war. Das alles hätte Matt gern gesagt, doch die Worte kamen nicht. Also zuckte er nur mit den Schultern. Der andere Junge lächelte. Sein Name war Kelvin, und er war siebzehn, groß und dünn mit blonden Haaren, heller Haut und unzähligen Pickeln. Er trug teure Designerjeans und eine weiche Lederjacke. Auch als er noch zur Schule gegangen war, hatte Kelvin immer die besten Klamotten gehabt. „Ich wurde aufgehalten“, sagte er. Matt sagte nichts. „Du willst doch nicht aussteigen, oder?“ „Nein.“ „Sei ganz cool, Matt. Das wird ein Spaziergang. Charlie hat mir erzählt …“ Charlie war Kelvins großer Bruder. Matt hatte ihn nie kennengelernt, was nicht weiter verwunderlich war, denn Charlie saß im Gefängnis. Kelvin sprach nicht oft über ihn, aber es war Charlie, der von dem Lagerhaus gehört und Kelvin davon erzählt hatte. Anscheinend lag es fünfzehn Minuten vom Bahnhof entfernt in einem Industriegebiet. Ein Lagerhaus voller CDs, Videospiele und DVDs. Erstaunlicherweise hatte es keine Alarmanlage und nur einen einzigen Wachmann, einen pensionierten Polizisten, der die meiste Zeit halb schlafend mit hochgelegten Füßen dasaß und eine Zeitung vor der Nase hatte. Charlie wusste das alles, weil ein Freund von ihm dort gewesen war, um irgendwelche Elektroarbeiten auszuführen. Charlie zufolge reichte eine aufgebogene Büroklammer, um reinzukommen, und dann konnte man beladen mit Zeug, das mindestens ein paar Hunderter brachte, wieder gehen. Es war total einfach – der Kram wartete nur darauf, dass ihn jemand mitnahm. Deshalb hatten sie verabredet, sich hier zu treffen. Matt hatte zugestimmt, als Kelvin ihm davon erzählt hatte, aber eigentlich nur, weil er sicher war, dass Kelvin es ohnehin nicht ernst meinte. Die beiden hatten schon andere krumme Dinger gedreht. Unter Kelvins Anleitung hatte Matt im Supermarkt geklaut und einmal waren sie auch in einem fremden Auto herumgefahren. Aber Matt war klar, dass das, was sie jetzt vorhatten, viel schlimmer war. Es war Einbruch. Ein richtiges Verbrechen. „Bist du sicher, dass wir das tun sollen?“, vergewisserte sich Matt. „Klar bin ich sicher. Wo liegt das Problem?“ „Und wenn wir erwischt werden?“ „Werden wir nicht. Charlie sagt, dass die nicht einmal Videoüberwachung haben.“ Kelvin stellte einen Fuß auf die Mauer. Matt sah sofort, dass er nagelneue Nikes trug. Er hatte sich schon oft gefragt, wie Kelvin sich die teuren Sachen leisten konnte. Jetzt wusste er es wohl. „Komm schon, Matt“, drängte Kelvin. „Was ist denn schon dabei?“ Kelvin sah ihn abschätzig an und in diesem Moment wurde Matt klar, dass er keine Wahl hatte. Wenn er nicht mitging, würde er seinen einzigen Freund verlieren. Als er damals auf die neue Schule in Ipswich gekommen war, hatte Kelvin sich um ihn gekümmert. Die anderen Schüler hatten ihn für einen Spinner gehalten oder versucht, ihn zu quälen. Doch Kelvin hatte ihn beschützt. Und es war sehr praktisch, dass Kelvin nur ein paar Türen von Matt entfernt wohnte. Wenn es zu Hause bei seiner Tante unerträglich wurde, wusste Matt immer, wohin er gehen konnte. Außerdem musste er zugeben, dass es ihm schmeichelte, einen Freund zu haben, der drei Jahre älter war. „Nichts ist dabei“, sagte er. „Ich komme mit.“ Und das war alles. Die Entscheidung war gefallen. Matt hatte Angst, doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Kelvin schlug ihm anerkennend auf den Rücken und sie machten sich auf den Weg. Es wurde schnell dunkel. Obwohl es schon fast Ende März war, war der Frühling noch nicht in Sicht. Es hatte den ganzen Monat fast pausenlos geregnet und die Nacht schien früher hereinzubrechen, als sie sollte. Als sie das Industriegebiet erreichten, gingen die Straßenlaternen an und warfen hässliche orangefarbene Lichtkreise auf den Boden. Rund um das Gelände standen Schilder, auf denen „Privatbesitz“ stand, aber der Zaun war verrostet und voller Löcher und das einzige weitere Hindernis waren hohes, dürres Gras und trockene Disteln, die dort wucherten, wo der Asphalt endete. Quer über das Gelände verlief eine Bahnlinie auf gemauerten Stützen. Als sich die beiden Jungen in ihrem Schatten anschlichen, donnerte über ihren Köpfen ein Zug nach London vorbei. Insgesamt waren es rund ein Dutzend Gebäude. Kelvins Lagerhaus war ein rechteckiger Klotz mit Wänden aus Wellblech und einem schrägen Dach. Es stand ein wenig abseits von den anderen und überall lag Müll herum – zerbrochene Flaschen, alte Kartons und Autoreifen. Nirgendwo rührte sich etwas. Das ganze Gelände sah aus, als hätten die Besitzer es längst vergessen. Der Haupteingang des Lagerhauses, eine große Schiebetür, lag an der Vorderfront. Es gab keine Fenster und Kelvin führte Matt zu einer kleineren Seitentür. Die beiden liefen jetzt geduckt und auf Zehenspitzen. Matt versuchte, sich zu entspannen und den Kitzel des Abenteuers zu genießen. Es war doch ein Abenteuer oder nicht? In einer Stunde würden sie darüber lachen – mit den Taschen voller Geld. Aber er war trotzdem nervös, und als Kelvin ein Messer herausholte, krampfte sich sein Magen zusammen. „Was willst du damit?“, flüsterte er. „Keine Panik. Damit mache ich uns nur die Tür auf.“ Kelvin schob die Klinge in den Türspalt und zog sie nach unten. Matt sah ihm schweigend zu und hoffte insgeheim, dass sich die Tür nicht öffnen würde. Das Schloss machte einen stabilen Eindruck, es schien unmöglich, dass ein Siebzehnjähriger es mit etwas so Gewöhnlichem wie einem Messer öffnen konnte. Doch plötzlich klickte es und Licht fiel nach draußen, als die Tür aufschwang. Kelvin wich zurück. Matt sah, dass er genauso überrascht war wie er, wenn er sich auch große Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen. „Wir sind drin“, sagte er. Matt nickte. Einen Moment lang fragte er sich,...