E-Book, Deutsch, 510 Seiten
Howard Chasing Phil
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7325-6242-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Hochstapler, zwei FBI-Agenten und ein Katz-und-Maus-Spiel um die ganze Welt
E-Book, Deutsch, 510 Seiten
ISBN: 978-3-7325-6242-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Er ist kein Mörder, Bankräuber oder Entführer. Deshalb steht Phil Kitzer auf der Suchliste des FBI weit unten, obwohl er eine beachtliche kriminelle Energie entfaltet: Er verkauft Beteiligungen an Firmen, die es nicht gibt und er handelt mit Wertpapieren, die es nicht gibt. Die Schäden gehen in die Millionen, als zwei junge FBI-Agenten auf ihn aufmerksam werden. Um an ihn heranzukommen, beschließen sie, Undercover zu arbeiten: Sie schlüpfen in die Rolle von Wertpapierhändlern, lernen Phil Kitzer kennen, werden Freunde und sind alsbald Teil seines weltweiten Netzwerkes.Je mehr sie Kitzer nachweisen können, desto größer wird die Gefahr entdeckt zu werden. Bis der Tag kommt, an dem sie die Bombe platzen lassen ...
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1.
Wie man eine Bank stiehlt
Juli 1976
Byron und Emma Haines-Prescott (die Namen wurden geändert) waren an einem Samstagabend im Juli 1976 zu einem Geschäftsessen verabredet, doch sie hatten diesbezüglich keine hohen Erwartungen. Byron war ein junger britischer Bankier, und es ging um den Verkauf seiner eigenen kleinen Privatbank Seven Oak Ltd., die er zwölf Jahre zuvor gegründet hatte, an zwei Amerikaner, die achtundvierzig Stunden zuvor völlig unerwartet bei ihm aufgetaucht waren. Bei dem Essen sollte über diesen möglichen Deal gesprochen werden.
Haines-Prescott hatte seine Bank (die nicht viel mehr als eine Verwahrstelle für Wertpapiere war) bereits seit einem Jahr zum Kauf angeboten. Daraufhin war eine ganze Prozession namhafter Banker aus Amerika, wohl in der Annahme, sie könnten ein Schnäppchen machen, in London aufmarschiert, aber Byron hatte keineswegs die Absicht, sein Bankhaus zu verschenken. Er war erst sechsunddreißig, und daher meinten die Haifische im Finanzgewerbe wohl, sie könnten einen unerfahrenen Grünschnabel wie ihn über den Tisch ziehen, oder vielleicht hatte sich ein Gerücht verbreitet, er sei in finanziellen Schwierigkeiten. Wie auch immer, auch der jüngste Interessent, ein gewisser Phillip Kitzer, würde sich höchstwahrscheinlich bald als Windei entpuppen, das lediglich wilde Versprechungen machte.
Doch Kitzers Auftreten hatte in der Seven Oak-Bank einen bemerkenswerten Eindruck hinterlassen. Trotz seines schmalen, schlanken Körperbaus hatte er in seinem Maßanzug sehr energisch gewirkt, seine Augen blitzten, seine braunen Haare waren akkurat gescheitelt und nach hinten gekämmt. Im Verhältnis zu seinem Körper wirkte sein Kopf fast zu groß, er hatte ein schmales, von feinen Linien durchzogenes Gesicht, und wenn er lachte, zeigten sich auf seinen Wangen tiefe Grübchen. Sein kantiges Kinn gab seinem Gesicht etwas von den Qualitäten, die man vom Aussehen eines Hollywoodstars erwartete, und tatsächlich umgab ihn ein Charisma, wie es erfolgreichen Menschen eigen ist. Er war in Begleitung eines Geschäftspartners namens Paul Chovanec gekommen, der ungefähr zehn Jahre jünger aussah. Chovanec hatte ganz dunkle Haare und trug eine markante schwarze Hornbrille; obwohl größer und kräftiger als Kitzer, war eindeutig klar, dass er nur die zweite Geige spielte.
Kitzer hatte sich ihnen beim ersten Gespräch ausführlich vorgestellt, indem er über seinen beruflichen Werdegang und seine jetzigen geschäftlichen Aktivitäten sprach; dann hatte er Byron und dessen Frau Emma, die auf dem Papier Mitinhaberin der Bank war, zu einem weiteren Treffen in ein angesagtes, teures Restaurant in London eingeladen.
Während sie sich an ihrem reservierten Tisch niederließen, plauderte Kitzer höchst charmant und witzig mit Emma. Dabei ließ er deutlich, aber nicht aufdringlich durchblicken, was für einen kometenhaften Aufstieg er in der Finanzbranche hinter sich habe; er sei bereits Eigentümer einer ganzen Reihe von Bankinstituten und Versicherungsunternehmen und momentan hauptsächlich in der ganzen Welt unterwegs, um im Auftrag der Vereinten Nationen Kredite zu vermitteln. Er sei dementsprechend global vernetzt und habe Zugang zur Crème de la Crème der internationalen Finanzwelt. Auf die Haines-Prescotts verfehlte all das bereits seine Wirkung nicht, aber das war noch gar nichts gegen die »kleine Geste« nach dem Dessert, welche die beiden Eheleute dann fast sprachlos machte. Während sich Kitzer intensiv mit Emma unterhielt, zog Chovanec Haines-Prescott ein wenig beiseite und steckte ihm diskret einen Umschlag zu.
»Eine kleine Kompensation für die Zeit, die Sie für uns opfern«, sagte Chovanec mit gedämpfter Stimme. »Wir haben großes Interesse, mit Ihnen ins Geschäft zu kommen. Wir meinen es wirklich ernst.«
Als Haines-Prescott unauffällig nachschaute und den Wert des Bargeldes überschlug, kam er auf 5.000 Dollar.
Die Prüfung der Bücher und damit indirekt auch die konkreten Verkaufsgespräche begannen gleich in der darauffolgenden Woche. Kitzer und Chovanec kamen jeden Tag mit der U-Bahn vom Zentrum, wo sie im Brittanica-Hotel logierten, in die am Stadtrand gelegene Bank. Gemeinsam mit Byron und seiner Frau beugten sie sich über die Bücher und Bilanzen und gingen die Listen mit den Anlegern und Wertpapiereinlagen Posten für Posten durch.
Als er etwas Zutrauen zu den Amerikanern gefasst hatte, ließ Haines-Prescott allmählich durchblicken, wie es in Wirklichkeit um seine Bank bestellt war. Das Geldinstitut glich einem schlummernden Vulkan, der jederzeit in einer gewaltigen Eruption ausbrechen konnte. Erst wenige Monate zuvor hatte Seven Oak den Lesern der Illustrated London News 14 Prozent Zinsen auf ihre Einlagen versprochen. »Falls Sie mindestens 500 Pfund übrig haben, die Sie sicher und sehr profitabel anlegen wollen, dann schicken Sie uns den unten befindlichen Coupon«, lautete die Werbebotschaft in den Anzeigen. Dummerweise hatte Haines-Prescott aus dem Wertpapiervermögen und den Einlagen seiner Anleger 175.000 Pfund entnommen, was damals etwa 300.000 Dollar entsprach, um diese Summe einer Firma namens Cidco als Kredit zu gewähren. Das hatte sich als Fehlspekulation erwiesen, die Firma war pleite, das Geld weg. Weil Haines-Prescott als junger Mann Buchhaltung gelernt hatte und auf diesem Gebiet gründlich beschlagen war, verschleierte er diese Schlappe mit einem getürkten Vierteljahresbericht. Den hatte er sich gegen Bezahlung von einem Wirtschaftsprüfer testieren lassen und die falschen Zahlen dann bei der britischen Bankenaufsicht vorgelegt. Wie lange Haines-Prescott dieses finanzielle Kartenhaus vor dem Zusammenbruch bewahren konnte, stand natürlich in den Sternen. Bei den Behörden wusste man nie, wann sie die Daumenschrauben anzogen und genauer hinschauten. Außer mit den genannten 175.000 Pfund stand Seven Oak noch mit 7.000 Pfund bei zwei Banken in der Kreide.
Dass Kitzer sich an dieser Schieflage nicht besonders zu stören schien, nahm Haines-Prescott mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis. Kitzer versicherte ihm sogar, dass er das nicht als ernsthaftes Problem betrachte – im Gegenteil, er werde Haines-Prescott sogar helfen, seinen Laden wieder in Ordnung zu bringen.
Als der Sommer sich allmählich seinem Ende zuneigte, war der Zeitpunkt gekommen, die Karten auf den Tisch zu legen: Wie viel waren Kitzer und Chovanec bereit zu zahlen? Haines-Prescotts Minimalerwartung lag bei 175.000 Pfund, womit er seine Verbindlichkeiten tilgen könnte, keine gefälschten Zahlen mehr beim Board of Trade vorlegen müsste und sich damit ohne Blessuren aus der Affäre ziehen würde. Aber darauf wollte sich Kitzer nicht einlassen.
»Wenn Sie meinen, dass Sie einen Depp finden, der für Ihre Bank 175.000 in bar hinlegt, dann irren Sie sich gewaltig«, sagte er klipp und klar. »Schminken Sie es sich ab; das wird nicht passieren. Das ist ja auch der Grund, warum Sie nach einem Jahr immer noch nicht verkauft haben. Haben Sie sonst noch irgendwelche Ideen, was Sie machen wollen?«
»Phil, ich bin sicher, dass wir zu einer Einigung kommen können«, erwiderte Haines-Prescott. »Es muss ja keine Barzahlung sein. Vielleicht gibt es einen anderen Weg.« Zu dem Zeitpunkt hatte er bereits sechs Wochen mit den beiden Amerikanern zugebracht, und er stand nun unter Zeitdruck, weil allmählich der nächste Vierteljahresbericht beim Board eingereicht werden musste.
Kitzer hatte einen besseren Plan: Sie würden Haines-Prescott eine von Kitzer und Chovanec unterzeichnete Absichtserklärung zukommen lassen, in der sich Sterling and Company, eine Firma in Milwaukee, die Chovanec gehörte, bereiterkläre, 175.000 Pfund zur Begleichung der Verbindlichkeiten der Bank beizusteuern. Haines-Prescott musste versprechen, das Geld nicht für eigene Zwecke zu verwenden; dafür hatte er von da an wieder eine weiße Weste. Und sozusagen als Bonus würden die Amerikaner für ihn sogar noch 50.000 Pfund in bar drauflegen.
Damit war Haines-Prescott einverstanden. Als er am 14. September die Eckpunkte für den Vorvertrag notieren wollte, fragte er, wen er als Käufer benennen solle.
»Ach, schreiben Sie 219 Dearborn Corp.«, erwiderte Kitzer.
Chovanec blickte zu ihm hinüber und hob erstaunt die Augenbrauen. Kitzer lächelte zurück und sagte, er werde es ihm später erklären.
Natürlich wollte Haines-Prescott jetzt Garantien sehen, um sich abzusichern, dass Kitzer und Chovanec ihre Zusagen auch einhielten. Als Erstes verlangte er ein notariell beglaubigtes Scheiben von Sterling and Company, aus dem hervorging, dass die Firma tatsächlich über die 300.000 Dollar verfügte, die Seven Oak erhalten sollte. Weiterhin verlangte Haines-Prescott Referenzen von Sterlings Hausbanken, die bestätigten, dass Sterling über ausreichend Mittel und Vermögenswerte verfügte, um die fragliche Summe aufbringen zu können, beziehungsweise dass sie die Transaktion aus Bankmitteln zu unterstützen bereit waren. Außerdem wollte er eine notarielle Bestätigung, dass Chovanec autorisiert war, im Namen von Sterling eine solche Transaktion zugunsten von Seven Oak durchzuführen.
Haines-Prescott bekam alles, was er wollte, und stand daneben, während Kitzer am Telefon Chovanec, der nach Milwaukee zurückgeflogen war, diktierte, was er zu schreiben hatte:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit bestätigen wir die Bereitstellung und jederzeitige Verfügbarkeit des Betrages von US-$ 300.000 zugunsten von Seven Oak Finance, Priory Buildings, Churchill, Orpington, Kent, England. Zeichnungsberechtigt ist Mr. Phillip K....




