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E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Ings HOTWIRE

Ein Cyberpunk-Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7438-9669-7
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Cyberpunk-Roman

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-7438-9669-7
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Einst hatte Ajay eine wunderbare Zukunft vor sich: Er entwickelte intelligente Städte für die Haag-Agentur - zuerst Delhi, anschließend Mailand. Doch dann wird er dazu verleitet, seine Auftraggeber zu verraten und für eine Stadt zu arbeiten, die menschlich werden will.Ajay muss eine seltene Technologie von einem längst verstorbenen Wetware-Experten stehlen, einem modernen Frankenstein namens Snow, einem Menschen, der jetzt in einer KI lebt. Ein Mensch, dem es nach einem neuen Spielzeug für seine künstlich hergestellte Tochter verlangt... Hotwire aus der Feder des britischen Science-Fiction-Autors Simon Ings - erstmals im Jahr 1995 veröffentlicht - ist ein Hochgeschwindigkeits-Cyberpunk-Thriller, der in einer Welt voll denkender Städte, rücksichtsloser Großkonzerne und durchgeknallter orbitaler KIs spielt. Ein Roman, der die bahnbrechenden Werke von William Gibson mit der neuen Generation von Schriftstellern wie Charles Stross und Hannu Rajaniemi verbindet.

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  Erster Teil: HOTWIRE
    Shama ging Muscheln suchen. Der alte Mann und seine Enkel zogen sich die Decke über die Schultern und schauten ihr dabei zu. Das Tiefblau ihres Kleides entsprach der Farbe des Himmels. Sie folgte einer zurückweichenden Welle nach vorn und pflückte eine weiße Raute heraus, die größer war als ihre Hand. Der alte Mann untersuchte sie. Er sagte: »Das ist die Schale eines Tintenfischs.« Sie ging wieder weg und fand noch drei weitere. Der Junge, ihr Bruder, sagte: »Letzte Woche haben wir ein Entenskelett gefunden, auf dem Feld hinter unserem Haus. Überall lagen Federn rum, aber das Skelett war ganz sauber abgefressen.« Der alte Mann sagte nichts. »Sieh dir den Mond an!« Der Junge zeigte in Richtung Wasser. Das Meer war ruhig wie ein Swimmingpool, tief wie der Himmel über ihnen. Es war so still, und die Spiegelungen waren so klar, dass man das Gesicht des Mondes zu erkennen vermochte. »Gibt es einen Mann im Mond?«, sagte der Junge. »Jetzt nicht mehr.« Der alte Mann lächelte. »Deine Oma und ich haben ihm vor Jahren ein Messer in den Bauch gerammt.« (Später, zu Hause, zur Schlafenszeit, wird der alte Mann in das Zimmer des Jungen kommen und ihm gute Nacht sagen. Er wird sich auf das Bett des Jungen setzen und den Kopf senken, damit der Junge mit den Fingern durch sein schütteres Haar wühlen kann, bis er die saubere, dreieckige Narbe findet.  »Was befindet sich darin?« Und der alte Mann wird sagen: »Spinnweben und Schätze, halb gegessene Kekse und Staub.«) Shama kam zurück, die Taschen voller Muscheln. Der alte Mann ging mit seinen Enkeln zum Auto. Sie fuhren durch die Ausläufer des Zentralgebirges nach Hause. Während der Fahrt bergauf schaute der Junge aus dem Heckfenster: Die Reisfelder und die Sümpfe von Caroni glitzerten im Mondlicht. Er sah nach oben. Der Mond war nun weniger hell, und dünne Wolken verschleierten ihn. Der Dunst bildete einen Hof: das Weiße eines Auges. Der Mond war die glänzende Pupille.   Es vergingen sechs Jahre. Die Morgenfähre aus Kuba glitt auf den Strand von Port Of Spain, aus ihren Propellern flossen die Hitzewirbel in glasigen, wie vom Sturm gepeitschten Strähnen. Zwei Männer in wattierten Anzugsjacken und engen Hosen stiegen aus. Seltsame Gangsternostalgie: mattschwarze Sportsonnenbrillen, Halbgamaschen, alles. Nachts stolzierten sie herausfordernd zwischen den Negern von Arima umher. Tagsüber drückten sie sich um die rosa und weißen Häuser von San Fernando, standen an Straßenecken, untersuchten mit einem selbstgebauten, in einer Aktentasche versteckten Spektrometer Veteranen. Sie wurden am helllichten Tag überfallen. Schließlich verstanden sie und zogen ostwärts nach Rio Claro, wo die Geier von einem apokalyptischen Betongemäuer zum nächsten taumeln - Wohnraum für die Armen (mit Gemeinschaftstoiletten!) - und in jedem Schattenfleck ein runzliges Kind sitzt und aus alten Brettern Spielzeugwaffen schnitzt, schweigend, ernst und geduldig wie ein alter Mann. Den Huren dort zahlten sie Geld für vielversprechende Kontakte. Eines Abends fuhr ein Mädchen sie sogar bis vor die Tür. Jemand schuldete ihr Geld: Sie dachte, wenn sie mit zwei superschicken Kubanern auftauchte, könnte dies ihre Position verbessern. Aber sie drehte zu leicht durch. »Die braucht ihr nicht«, sagte sie, als sie die Waffen sah. »Bestimmt nicht. Himmel.« Sie stieg aus. Eine wacklige Planke überbrückte die Gosse. Das Mädchen führte die Männer über einen dunklen ungepflasterten Weg zur Tür. Durch das Fenster sahen sie sechs junge Schwarze auf Kissen, zerbrochenen Sofas und dem Fußboden herumsitzen. Sie trugen Pullover von unbestimmbarer, verblichener Farbe und Jeans, die an den Oberschenkeln aufgerissen waren. Die Tür stand offen. Das Mädchen ging geradewegs hinein. Die Männer drinnen hörten sie, blickten kurz aus dem Fenster, zogen sich unbesorgt und entspannt wieder in sich zurück: offenes Haus. Das Zimmer wurde von zwei nackten Glühbirnen erhellt. Als Ersatz für Lampenschirme hatten sie Stoff an die Decke genagelt, und das Licht fiel auf unvorhersehbare Weise durch die Falten. Der Stoff war dick und cremefarben, wie Malerleinwand. Sie hatten ihn mit allem bemalt, was gerade zur Hand war. Kurkumapaste. Rote Beete. Altöl. Hie und da hatten sie Muster in den Stoff geschnitten. Das Licht strömte aus Blumen, grotesken Gesichtern und Gitarren. An der Wand gegenüber hing ein abgerissener Streifen Plakatwand - Teil einer Kosmetikreklame. Die Augen des Models, riesige, geschminkte, gleichgültige Augen, starrten durch die Neuankömmlinge hindurch. »Nehmt Platz«, sagte einer der Jungen. Einen Fußbodenbelag gab es nicht. Die Möbel - eine Matratze, ein Tisch, ein paar abgenutzte Holzstühle und ein Sofa mit zerrissenem Bezug - stammten von Müllhalden. Es gab einen gusseisernen Ofen, dessen Deckplatte dick mit Asche und mit abgebrannten Streichhölzern bedeckt war; er war über einen Blechschlauch mit dem Kaminaufsatz verbunden. Die Männer saßen im Kreis um den Ofen herum und rauchten Kette. Sie blickten nicht auf. Nervös betrachteten die Kubaner ihre Gastgeber. Sie kamen sich auffällig und albern vor. Ihre gebügelten Anzüge glichen Uniform, und ihre Schuhe waren zu neu. Der größere räusperte sich. »Irgendjemand hier im Krieg gewesen?« Die jungen Männer schüttelten den Kopf und lächelten. Kein Blickkontakt. Ein schlechtes Zeichen. »Augen, Prothesen, alles.« Der Kleinere ergänzte hilfreich: »Spitzenpreise. Entnahme bequem bei Ihnen zu Hause. MacLloyds Versicherung.« Jemand hustete Spucke auf den Ofen. Sie zischte. Die jungen Männer lächelten sich verstohlen zu. Der größere Kubaner murmelte etwas Gemeines in einer fremden Sprache. »Wir haben auch Ze-Be Fünfzehn. Sieben Gramm, Laborqualität, für eine Auskunft, die uns weiterhilft.« Die jungen Männer hörten auf zu lächeln. Sie sahen ihre Gäste an. »Wir kennen da einen Mann«, sagte der, der ihnen am nächsten war. Er drehte sich zu dem jüngsten in der Gruppe um. »Aber ich weiß nicht, ob wir euch davon erzählen wollen.« »Auf keinen Fall.« Der Junge starrte die anderen an, als hätten sie ihn schon verraten. »Er... Himmel, was denkt ihr euch eigentlich? Er ist nicht zu verkaufen.« »Ein Verwandter?«, fragte der große Kubaner. »Ich versichere Ihnen...« »Er ist ungeeignet, das ist alles.« »Entschuldigen Sie, aber das können wir selbst beurteilen. Unsere Diagnostika sind die besten...« »Wir haben gültige Genehmigungen, sämtliche Papiere...!« »Einen tragbaren Autoklaven...!« »Stets geschärfte Skalpelle!« Ein unbehagliches Schweigen senkte sich über die Gruppe. Der größere Mann wühlte in seiner Tasche. »Ihr Jungs wisst offenbar, was ich zu bieten habe. Hier, das sind vierzehn Gramm ZB15, wenn ihr uns vorstellt...« »Er ist zu alt!«, sagte der Junge. »Wie alt?«, wollte der kleinere Mann wissen. »Chilefeldzug?« »Teufel, nein«, sagte das Mädchen von der offenen Tür her. Sie war mit Flaschenbier auf einem Tablett zurückgekommen. »Moonwolf.« Die Käufer drehten sich um und starrten erst sie an, dann den Jungen, dann sich. »Du blöde großmäulige Hexe«, murmelte der Junge und wurde rot. »Hallo, Ajay.« Sie balancierte das Tablett aus und rieb Daumen und Finger aneinander: Wo ist das Geld?  Ajay blickte auf seine Füße. Er schüttelte den Kopf. Seine Freunde rutschten verlegen hin und her. Die Hure lächelte grausam. »Der alte Furz hat im Tranquilitatis Schienengewehre plattgemacht, jedenfalls wenn man glaubt, was sein Enkel erzählt.«   Der alte Mann lebte in einem kunstvollen, jedoch baufälligen zweistöckigen Holzhaus aus lauter Jalousien und Laubsäge-Arbeiten. Das Haus war für einen Gutsverwalter gebaut worden. Damals konnte man hier auf seiner Veranda unter einer Leinwandmarquise stehen und die wellenförmigen Lichtmuster unten auf der diesjährigen Kakaoernte beobachten. Jetzt wurden die alten Plantagenwege nur noch von einzelnen Immortellen-Bäumen markiert, und die Zuckerrohrfelder waren längst durch die Ölraffinerien von Pointe-à-Pierre überrollt worden. In einem alten Tarnzelt aus Armeebeständen warteten sie Seite an Seite auf den Einbruch der Nacht - großer Kubaner, kleiner Kubaner -, und sie bewegten sich keinen Zentimeter. Sie flüsterten miteinander, niedergeschlagen, gereizt. Gegen zehn gingen im Haus nacheinander die Lichter aus. Sie zogen sich Nachtbrillen über und drangen mit Hilfe der Schlüsselkarte des Jungen ins Haus ein. Die Wände waren mit chinesischen Wandbehängen geschmückt. Vor dem Kamin lag ein Tigerfell. In der Zimmermitte stand ein Esstisch aus Mahagoni, an dem zwanzig Leute Platz hatten. Kommoden und Bücherschränke säumten die Wände. Das Ergebnis war eigenartig und enttäuschend: Das Zimmer wirkte überhaupt nicht bewohnt, sondern eher wie eine Abstellkammer. Sie schlichen in den oberen Stock. Der alte Mann lag im Bett. Sie spritzten ihm etwas im Schlaf und rasierten ihm mit einem schnurlosen Haarschneider den Schädel. Sie fanden die Narbe. »Oh, Jesus, Mann.« »Mann, von denen hab' ich mal gelesen!« »Ja?« Der größere Kubaner - der auch der ältere war - trat einen Schritt zurück. »Weißt du was, ich hab' mal gehört, die sind vermint.« »Ach, Quatsch, Gabby«, beschwerte sich der Kleine. »Über techniq weißt du doch einen Scheißdreck.« Er tastete...



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