E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Reihe: Historical Gold Extra
Joyce In den Armen des Meeres
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7337-3782-5
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Reihe: Historical Gold Extra
ISBN: 978-3-7337-3782-5
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Verlassene Braut ...' Die schöne Elysse weiß genau, was man hinter vorgehaltener Hand über sie und ihre Ehe mit Alexi de Warenne munkelt. Und die bösen Gerüchte sind wahr: Noch vor der Hochzeitsnacht ist der wagemutige Seefahrer wieder an Bord seines Clippers gegangen, um den entsetzlichen Grund für ihre Verbindung zu vergessen. Seit sechs Jahren sehnt sich Elysse, inzwischen die ungekrönte Königin der Londoner Adelsgesellschaft, nach seiner Nähe, seinen Küssen. Doch jetzt kehrt Alexi als gefeierter Held nach London zurück. Und Elysse ist entschlossen, ihren Mann zu erobern und in seinen Armen endlich wirklich seine Frau zu werden ...
Brenda Joyce glaubt fest an ihre Muse, ohne die sie nicht New-York-Times-Bestseller-Autorin hätte werden können. Ihre Ideen treffen sie manchmal wie ein Blitz - zum Beispiel beim Wandern, einem ihrer Hobbys neben der Pferdezucht. Sie recherchiert für ihre Historicals so genau, dass sie auch reale historische Figuren und sogar echte Zeitungsschlagzeilen von damals in ihre Romane einbinden kann. Oft verliebt sie sich beim Schreiben regelrecht in ihre Hauptfiguren.
Weitere Infos & Material
Prolog
Adare, Irland. Sommer 1824
Aus dem offiziellen Speisezimmer, in dem der Earl of Adare ein festliches Abendessen zu Ehren des Geburtstags seiner Gemahlin gab, waren lebhafte Gespräche zu hören. Die Kinder hatten sich in einem kleineren Salon versammelt, dem Speiseraum gegenüber, und die elfjährige Elysse O’Neill saß auf dem mit Goldbrokat bezogenen Kanapee in ihrem festlichsten Kleid und wünschte sich, ihr wäre es erlaubt worden, bei den Erwachsenen zu sein. Ariella de Warenne, ihre beste Freundin, war ebenso elegant gekleidet und saß neben ihr, ganz in ein Buch vertieft. Elysse konnte die Freundin nicht verstehen. Sie selbst hasste es, zu lesen. Ohne die anwesenden Jungen hätte sie sich gelangweilt.
Die Jungen standen auf der anderen Seite des Salons und flüsterten aufgeregt miteinander. Elysse sah zu ihnen hinüber und versuchte zu lauschen, weil sie spürte, dass sie irgendetwas ausheckten. Ihr Blick war ganz auf Alexi de Warenne konzentriert. Ariellas Bruder war stets der Anführer.
Vor vier Jahren hatte sie ihn kennengelernt, als er, zusammen mit seinem Vater und mit Ariella, zum ersten Mal nach London kam. Er war auf Jamaika aufgewachsen. Nachdem sie einander vorgestellt worden waren, behandelte sie ihn zunächst sehr von oben herab, obwohl er sie mit seinem dunklen Haar, der sonnengebräunten Haut und der selbstsicheren Art sofort faszinierte. Doch trotz seiner adeligen russischen Mutter war er ein Bastard – und sie eine Lady. Daher nahm sie sich vor, ihn das spüren zu lassen. Aber ihre abweisende Haltung beeindruckte ihn nicht, stattdessen verblüffte er sie mit Geschichten aus seinem Leben. Elysse erwartete, dass er sich linkisch und unbeholfen benehmen würde, doch Alexi tat nichts dergleichen. Rasch erkannte sie, dass sie noch nie einen Jungen getroffen hatte, der so viel erlebt hatte wie er. Er hatte mit seinem Vater die ganze Welt umsegelt, hatte Wirbelstürme und tropische Regengüsse überstanden, Blockaden und Piratenüberfälle, und dabei hatten sie noch die kostbarste Ladung der Welt befördert. Er war mit Delfinen geschwommen, hatte die Berge im Himalaya erstiegen und war durch den brasilianischen Urwald gewandert. Er war sogar auf einem Floß in China gefahren, ohne seinen Vater! Tatsächlich hatte er damit geprahlt, dass er alles segeln könnte, überall – und sie hatte ihm geglaubt. Innerhalb einer Stunde hatte sie entschieden, dass er der interessanteste Junge war, den sie je getroffen hatte – nicht, dass sie ihm das jemals sagen würde!
Jetzt kannte sie ihn gut. Alexi war ein Abenteurer, so wie sein Vater, der Kapitän, und er hielt es nicht lange an Land aus, ebenso wenig, wie er still zu sitzen vermochte! Was hatten die Jungen jetzt vor? Sie liefen durch den Salon, und sie begriff, dass sie hinausgehen wollten. Schon standen sie an der Terrassentür.
Elysse schob sich das goldblonde Haar hinter die Ohren, strich ihr blaues Satinkleid glatt und stand auf. „Wartet!“, rief sie. Sie lief den Jungen nach. „Wohin geht ihr?“
Alexi grinste sie an. „Errol Castle.“
Beinahe wäre ihr Herz stehen geblieben. Jeder wusste, dass es in den Ruinen des Schlosses spukte. „Seid ihr verrückt?“
In seinen blauen Augen funkelte es. „Willst du nicht mitkommen, Elysse? Willst du nicht das alte Gespenst sehen, das bei Vollmond im Nordturm umgeht?“ Alexi beugte sich zu ihr hinüber. „Es heißt, er verzehrt sich nach der Frau, die er liebt. Ich weiß, dass du romantische Geschichten magst. Sie hat ihn in einer Vollmondnacht verlassen – für einen anderen Mann. Deswegen hat er sich umgebracht, und sein Geist wandelt seitdem immer bei Vollmond im Turm umher.“
„Natürlich kenne ich die Geschichte.“ Ihr Herz schlug schneller, vor Aufregung und Angst. Sie war nicht so tapfer wie Alexi oder ihr jüngerer Bruder Jack oder auch Ned, der Erbe des Earls, der bei ihnen stand. Sie verspürte keineswegs den Wunsch, in die Nacht hinauszulaufen, um ein Gespenst zu treffen.
„Feigling“, sagte Alexi leise und berührte ihr Kinn. „Du weißt doch, dass ich dich beschütze.“
Sie zuckte zurück. „Und wie willst du das machen? Du bist nur ein Junge – und noch dazu ein verrückter Junge!“
Sein Lächeln verschwand. „Wenn ich sage, dass ich dich beschütze, dann werde ich das auch tun.“
Sie glaubte ihm, dass er das tun würde. Selbst gegen einen Geist. Und doch zögerte sie. Sie wollte nicht mit ihnen gehen. „Ladies müssen nicht tapfer sein, Alexi. Sie müssen anmutig sein, höflich und schön.“
„Natürlich müssen sie tapfer sein! Meine Stiefmutter hat mit meinem Vater zusammen die Welt umsegelt und an seiner Seite gegen Piraten gekämpft! Sie ist tapfer und schön!“ Seine Augen blitzten.
Ned trat vor. „Lass sie, Alexi. Sie will nicht mitkommen.“
Jack, ihr jüngerer Bruder, lachte sie aus.
Ariella kam dazu. Sie hatte endlich das Geschichtsbuch beiseitegelegt. „Ich komme mit.“ Ihre blauen Augen leuchteten. „Ich würde den Geist gern sehen.“
Alexi warf Elysse einen triumphierenden Blick zu.
„Na schön!“, rief sie erbost, weil er sie dazu gebracht hatte zuzustimmen. „Aber wie gelangen wir dorthin?“
„Es wird höchstens zwanzig Minuten dauern, wenn wir reiten“, sagte Ned. „Die Mädchen können hinter uns sitzen. Jack kann allein reiten.“
Elysse erkannte sofort, dass das eine schreckliche Idee war – aber alle anderen freuten sich und waren ganz aufgeregt. Innerhalb weniger Minuten folgte sie den Jungen und Ariella über die Terrasse bis dorthin, wo sie die Pferde stehlen würden. Die Jungen ritten oft ohne Sattel, nur mit Zügeln. Jetzt wünschte Elysse, sie wären schlechtere Reiter – aber das waren sie nicht. Es war so dunkel in der Nacht, und so still! Als sie ihnen durch Adares weitläufige Gärten folgte, sah sie hinauf zu dem hellen Mond. Er war rund und voll. Sie betete, dass sie in dieser Nacht keinem Gespenst begegnen würden.
Gleich darauf saßen sie alle auf Pferden und ritten im Schritttempo vom Haus weg. Elysse klammerte sich an Alexi fest und wurde von Minute zu Minute aufgeregter. Er war ein ausgezeichneter Reiter, aber sie nicht, und sie hatte Angst, dass sie herunterfallen würde.
„Du brichst mir die Rippen!“, sagte er, doch er lachte leise dabei.
„Ich verabscheue dich!“, rief sie.
„Nein, das tust du nicht!“
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Weiter vorn, im seltsam gelben Licht des Mondes, erblickte sie die dunklen Umrisse von Errol Castle. Es erschien ihr riesig.
Alles war jetzt still. Sie hörte nichts anderes als das rhythmische Klappern der Pferdehufe. Und ihren eigenen schnellen Herzschlag. Unter ihren Händen fühlte sie Alexis Atem. Sein Herz schlug ebenfalls immer schneller. Sie ritten vorbei an unheimlichen weißen Steinen, die einst zur Außenmauer gehört hatten. Am liebsten wäre sie umgekehrt und nach Hause gelaufen. Dann, ganz plötzlich, hörten sie einen Wolf heulen.
Alexis erstarrte, und Elysse flüsterte aufgeregt: „So nahe bei Adare gab es noch niemals Wölfe.“
„Es ist nicht nahe.“ An einer weiten Öffnung in der Mauer ließen sie die Pferde anhalten. Dort war einst der Eingang gewesen. Hinter dem Labyrinth der Steinmauern im Innern des Schlosses sah sie am anderen Ende den einsamen Turm stehen. Sie schluckte, und ihr Herz schlug noch schneller.
Alexi flüsterte: „Sie sagen, er trägt eine Fackel – dieselbe, die er für seine verlorene Liebe entzündete.“ Er drehte sich ein wenig herum und reichte ihr seine Hand. „Steig ab.“
Elysse stieg ab und vermochte das Gleichgewicht nur zu halten, weil sie sich an seiner Hand festklammerte. Auch alle anderen saßen ab. Ariella flüsterte: „Wir haben keine Kerzen mitgebracht.“
„Doch, haben wir“, erklärte Alexi stolz. Aus einer Hosentasche zog er eine Kerze hervor und zündete sie an. „Kommt.“ Er ging schnell hinein, offenbar entschlossen, die kleine Gruppe anzuführen.
Alle folgten ihm nach. Elysse fühlte sich schlecht. Sie brachte nicht den Mut auf hineinzugehen.
Die Kinder betraten die Ruine und verschwanden in der Dunkelheit. Elysse biss sich auf die Lippe und atmete schwer. Wenn sie an ihrem Standort außerhalb der Ruinen verharren würde, wäre sie vollkommen alleine. Und das war vermutlich noch schlimmer als alles andere.
Hinter ihr bewegte sich etwas. Sie schrie auf, zuckte zusammen und merkte dann, dass eines der Pferde sie angestupst hatte. Eine Eule schrie, es klang unheimlich. Sie hasste Abenteuer! Sie mochte Gesellschaften und hübsche Dinge! Aber hier draußen allein zu sein war schlimmer, als mit allen anderen hineinzugehen. Elysse lief ihnen nach.
Drinnen war es beinahe vollkommen schwarz, und sie konnte überhaupt nichts sehen. Dann hörte sie die anderen etwas weiter vorn flüstern, und sie begann zu eilen, um ihnen folgen zu können. Aber das Innere der Ruine war ein steinernes Labyrinth. Sie stieß gegen eine Mauer, geriet in Panik und machte kehrt. Gelangte an eine Ecke und bog ab. Dann blieb ihr Fuß an etwas hängen, und sie fiel hin.
Sie wollte nach Alexi rufen, ihm sagen, dass er auf sie warten sollte, als sie auf der anderen Seite des Schlosses, dort, wo der Turm stand, ein Licht sah. Sie kauerte sich an der Wand zusammen und hatte plötzlich Angst, auf sich aufmerksam zu machen. War das etwa die Fackel gewesen, die das Gespenst trug?
Elysse hatte Angst, sich zu bewegen oder ein Geräusch zu machen, hatte Angst, dass das Gespenst sie finden würde, und daher verhielt sie sich vollkommen still. Sie merkte, dass sie ihre Freunde nicht mehr hören konnte....




