Kasper | DAS PROZEDERE | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 243 Seiten

Kasper DAS PROZEDERE

EU-Krimi
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7549-9535-8
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

EU-Krimi

E-Book, Deutsch, 243 Seiten

ISBN: 978-3-7549-9535-8
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Nicht nur die Kehle wurde durchtrennt, sondern der Hals bis zur Wirbelsäule - mit einem Schnitt. Das machen nur Profis. Vornehmlich jene, die in einem Krieg oder so ähnlich gekämpft haben - aber auch Partisanen. So was macht man mit Verrätern!' meinte die Gerichtsmedizinerin Frau Wieninger professionell. Der Uhrmacher und Juwelenexperte Raab aus Bad Ischl war tot. Von dort ausgehend bekommt der Krimi eine europaweite Dimension. Die EU spielt einer Rolle genau so wie Brieftauben. Kommissar Bergsmann gerät in die Mühlen der Geheimdiplomatie...

geb. 04.10.1958 Alles in Wien: geboren; Schule; Wiener Sängerknabe Studium Tiermedizin, Viele Fachbücher und Vorträge Belletristik; Die Eisenhuthummel; Am anderen Ende der Welt
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Autoren/Hrsg.


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Kapitel 3


Liza (2013)

Liza Sommerauer saß schon seit 8 Jahren in der Justizvollzugsanstalt Neudeck ein:

Zu Ihrem Leidwesen war ihr Mann früher nach Hause gekommen, als geplant und hatte sie im Koitus mit einem Fremden vorgefunden. Außer sich, war er auf den Widersacher los gegangen und ihn mit einer Sektflasche, die am Tischchen vor dem Bett gestanden hatte, erschlagen. Liza hatte sich noch dazwischen geworfen, ihren Mann mit der Faust an der Schläfe getroffen, so dass dieser, sicher etwas unglücklich, wiederum seinen Schädel an der Bettkante zerbrochen hatte.

Beim Gerichtsverfahren hatte sie die Unfalltheorie nicht einwandfrei untermauern können – es waren starke Zweifel geblieben - und so wurde Liza des Mordes für schuldig gesprochen.

Die ersten Jahre in der Zuchtanstalt waren von Resignation, Depressionen mit Suizidgefährdung geprägt gewesen. Mit einer unvergleichlichen Aggressivität war Sie ständig in provozierte Kämpfe mit Kolleginnen und dem Wachpersonal verstrickt worden. Sie hatte die verzweifelte Hoffnung gehabt, dass sie jemand eines Tages in Jenseits prügeln würde. Unglücklicherweise war aber immer nur Einzelhaft die Folge gewesen, was ihr letztlich auch lieber gewesen war als dumme Gesellschaft. Sie konnte die anderen, die „Kühe“ nicht ausstehen, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Irgendwie würde sie sich an der Gesellschaft rächen, weil sie ihr die besten Jahre ihres Lebens gestohlen haben. Die Tage hatte sie mit Body Building verbracht. Jedes Gewicht mit 4 Sätzen zu 30 Wiederholungen und danach 2 x 100 Situps in der Zelle. So hatte sie sich am besten abreagieren können. Innerhalb kurzer Zeit war ihr Körper so gestählt, dass sie die Attacken der Mitgefangenen nicht mehr fürchten musste. Sie hatte aber auch keine Clique hinter sich gehabt. Liza war eine Einzelgängerin.

Sie war erst 28 Jahre, als sie eher zufällig die Zeitschrift des Deutschen Brieftaubenzuchtvereins zu lesen bekam. Darin war der Adventstollen verpackt, den ihr der Bruder vorbeigebracht hatte.

Sie empfand es als Wink, möglicherweise als gute Wendung Ihres Schicksals, zumindest als positiven Aspekt in Ihrem tristen Dasein, war doch schon ihr Großvater Brieftaubenzüchter in der Deutschen Wehrmacht gewesen. Die Armee des Dritten Reiches brachte es immerhin auf bis zu 850.000 Brieftauben. Sie waren abhörsicher und äußerst zuverlässig. Ihre Nachrichtenquote lag bei 90 %, wurden sie doch von schlechtem Wetter, Bomben und Raketen in ihrer Treffsicherheit sehr gestört. Das war beachtlich im Vergleich zu den elektromagnetischen Informationswegen. Der Feind setzte auch Raubvögel gegen die Brieftauben ein. Ein Luftkrieg der besonderen Art, wie der Großvater hochbetagt immer wieder erzählt hatte. Stundenlang schwelgte er in Erinnerungen der Zucht, Aufzucht und Übungen mit den Brieftauben und wie wundervoll diese Tiere waren. Natürlich führte er, wie jeder gute Deutsche genaueste Aufzeichnungen über Zuchtpaarungen, Zuchterfolge, Nahrung, Nahrungsergänzung, Freiflugübungen und Langstreckenflüge. Im Zuge seiner Tätigkeit füllte er so über 40 Notizbücher - eng beschrieben. Ein wahrer Schatz, wer es zu gebrauchen wusste. Die Tauben ließen ihn das Kriegsgeschehen fast vergessen oder zumindest als nicht so schlimm empfinden. Immerhin war er mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub bedacht worden.

Auf diese Weise war er sich nicht so unnütz vorgekommen, in einem Krieg der so vielen wunderbaren Menschen, das Leben oder die Würde gekostet hatte.

Wäre Liza das Malheur mit ihrem Mann nicht passiert, wer weiß, vielleicht wäre sie auch Brieftaubenzüchterin geworden. In ihrer aktuellen Situation war der Freiheitsgedanke, mit denen sie die Tauben verband aber das wichtigste. Minutenlang starrte sie mit geschlossen Augen in den vermeintlichen Himmel. Fast spürte sie den Wind. Fliegen, hoch in die Lüfte, weit fort und wieder nach Hause... nach Hause?

Sie schien in ihren Gedanken zu erstarren. War sie schon so weit gekommen, dass sie die Vollzugsanstalt als Ihr zu Hause bezeichnete? Sie wollte die fettige Zeitschrift schon zerreißen. Aber aus irgendeinem Grund pinnte sie sie aber an ihre kleine Korkwand über dem Bett.

Kurze Zeit später, bei einem Rehabilitationsgespräch mit dem Anstaltspsychologen, der noch dazu ein Auge auf sie geworfen hatte, brachte er das Gespräch auf ihre Zukunftswünsche und Perspektiven. Und plötzlich sprach sie von ihrem kleinen Traum mit den Brieftauben. Irgendwie drang dieser Wunsch auch zur Gefängnisleitung vor. Sie wurde zur Direktorin bestellt.

„Herein, herein, Frau Sommerauer... nehmen Sie doch Platz.“ Etwas verlegen saß sie dann, aufrecht wie eine Wand, an der Sesselkante, so als wollte sie die Weichheit der Polsterung nicht unter ihrem Hintern spüren.

„Frau Sommerauer, ich weiß und Sie wissen, dass es mit Ihnen nicht immer leicht war und ist und immer wieder haben Sie sich in die Scheiße geritten!“ meinte sie mit gleichgültig-geschäftiger Stimme. „Aber der Herr Doktor meinte, wir könnten mehrere Konfliktpersonen mit einer Tätigkeit betrauen, die sich charakterlich und seelisch positiv auf sie auswirken könnten. Kurz gesagt: „Brieftaubenzucht und -training“...

Lizas Augen wurden ganz weit. Gab es da wirklich jemanden, der ihre nächtlich Gebete oder herausgestoßenen Wünsche erhört hatte?

„Ja, ja, ja“, sie kam aus dem Kopfnicken gar nicht mehr heraus. „Ja, ja, ja,...!“

„Gut, Frau Sommerauer“, die Direktorin stand mit dem Rücken zu Ihr beim Fenster. „Wir brauchen einen Plan für Einrichtungen und Training für die „Damen“, einen Kostenvoranschlag etc. also ein Konzept mit Hand und Fuß – den pädagogischen Unterbau liefert Dr. Schwarzer. Das sollten wir hinbekommen!“ sprachs, drehte sich um und schickte Liza mit einer wirschen Handbewegung wieder hinaus.

„Bevor Sie gehen: Hier ihre Zutrittskarte für die Anstaltsbibliothek und Zugang für den Laptop! Ich erwarte Ihr Konzept in einer Woche, nein, besser in zehn Tagen. Und eines noch zum Schluss. Frau Sommerauer, ich habe so das Gefühl, das ist ihre letzte Chance – nützen Sie sie...!“

Liza wurde mittlerweile wegen guter Führung 2017 vorzeitig entlassen. Freiwillig blieb sie aber der Brieftaubenabteilung treu und trieb das Projekt von extern fort. Sehr zur Freude der Gefängnisdirektion und dem -kollegium. Viele „unheilbare“ Kriminelle konnten durch die Arbeit mit den Tauben wieder neuen Lebensmut, Ziel und Ordnung finden.

Niemand im Umfeld der Anstalt wusste etwas von Lizas versteckter, dunklen Seite, die ihr Kraft und Konsequenz verschaffte: Von Ihrem unbändigen Rachebedürfnis an der Gesellschaft und ihrer Gier nach Anerkennung...

Bereits im Jahr 2016, drei Jahre nach dem Gespräch mit der Direktorin, hat die „Flugwaffe“ wie die Abteilung im Gefängnis genannt wurde, über 300 Tiere gezüchtet und trainiert. Die Gefangenen waren so gut in ihrer Sache, dass sie zuerst schüchtern und dann „ganz normal“ zu Züchterveranstaltungen und Brieftaubenwettbewerben – natürlich in „unauffälliger Begleitung“, angefordert wurden. Die Community hatte sie vorbildlich aufgenommen. Niemand interessierte sich für ihre Vorgeschichten – es ging ausschließlich um die Zuneigung zu diesen besonderen Tieren. Ihre Zuchtergebnisse wurden allseits respektiert und bestaunt. Der Erfolg war kein Wunder, hatten die engagierten Insassinnen nichts anderes zu tun, als sich um Ihre gefiederten Schützlinge zu kümmern. Liza überlegte schon, ob sie nicht Tiermedizin studieren sollte.

Eines Tages, im Sommer 2016, meldete sich Besuch für sie an. Etwas das sehr selten bei ihr vorkam. „Was? Für mich? Das muss ein Irrtum sein!“ sagte sie abwehrend und ein wenig resignierend zu der Wachebeamtin.

Manchmal, so zwei bis drei Mal pro Jahr stellte sich ihr Bruder ein; das war’s dann aber auch schon. Eigentlich wollte Liza gar keinen Besuch, aber neugierig war sie trotzdem. Sie machte sich ein wenig zurecht und steckte ihre Haare auf.

Der Besucherraum war ansonsten leer. Ganz beim Fenster saß ein junger Mann, blond, hübsch und wohlproportioniert. So ganz nach ihrem Geschmack.

„Sie wollen mich sprechen?“ sagte etwas rotzig. Sie machte keine Anstalten sich hinzusetzen.

„Ich würde Ihnen gerne die Hand geben, aber Sie sehen ja, die Plexiglaswand...“ meinte er junge Mann. „Übrigens, meine Name ist Harald!“

„Lizza!“ kam es zwischen Ihren zusammengepressten Zähnen heraus.

„Also, Liza, von mir geht keine Gefahr aus!“ Daran hatte sie gar nicht gedacht. Zu überrascht war sie von diesem Besuch, der schon jetzt Eindruck bei ihr gemacht hat. So höflich war seit langem niemand zu ihr gewesen.

„Wir haben von Ihren Erfolgen in der Brieftaubenzucht gehört:“

„Wer ist wir?“

„Sag‘ ich Ihnen später!“

„Wir laden Sie ein, beim größten Coup der Geschichte miteinzusteigen, nein, was sag‘ ich, eine zentrale Rolle zu übernehmen...“

Zuerst blieb Ihr Mund offen stehen. Der wollte sie doch verarschen? Kommt da in Ihr Leben geschneit und redet wie mit einer miesen Berufskriminellen. Großer Ärger, wirklich großer Ärger, kam in ihr hoch. Wieder spürte sie das tiefe Grollen in ihr. Sie sprang auf und wollte davonlaufen. Doch Harald rief ihr nach: „Wollen Sie denn nicht aus diesem Gefängnis raus? So rasch wie möglich?“

Sie hielt spontan inne, drehte sich am Absatz um und verschränkte beide Arme vor Ihrer Brust.

„Das ist nicht nötig, Liza. So eine hübsche und begabte Frau wie Sie, hat doch dieses Kampfgetue gar nicht notwendig! Kommen...



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