E-Book, Deutsch, Band 31, 64 Seiten
Reihe: Mythor
Kneifel Mythor 31: Der Glücksritter
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8453-9783-2
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 31, 64 Seiten
Reihe: Mythor
ISBN: 978-3-8453-9783-2
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Seit dem Tag der Wintersonnenwende, dem Tag der entscheidenden Schlacht, die auf dem Hochmoor von Dhuannin zwischen den Streitern der Lichtwelt und den Kräften des Dunkels ausgetragen wurde, sind Wochen vergangen. Mit der Unterstützung Drudins, des obersten Dämonenpriesters, der die Kräfte der Finsternis mobilisierte, haben die eroberungssüchtigen Caer über die Kämpfer der Lichtwelt triumphiert und die große Schlacht für sich entschieden. Damit halten Tod und Verderben ihren Einzug auch in solchen Ländern, die bisher vom Krieg verschont geblieben sind. Massen von Menschen, unter ihnen die demoralisierten Besiegten der Schlacht, streben in heilloser Flucht nach Süden, die Herzen von Trauer und Hass erfüllt. Auch Mythor, der junge Held der Lichtwelt, zieht südwärts. Er gibt noch lange nicht auf, sondern ist bereit, den Kampf gegen das Dunkel mit aller Kraft fortzuführen, zumal er auf seinem Weg vor sich noch einige Fixpunkte des Lichtboten weiß, von denen er sich Unterstützung erhofft. Nachdem Mythor die Straße des Bösen bewältigt hat und nach Leone gelangt ist, bekommt er es jedoch mit den Machenschaften seines Gegenspielers zu tun. Dieser Gegenspieler ist DER GLÜCKSRITTER ...
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1.
Feuerrot, wie eine plattgedrückte Kugel, erhob sich die Sonne über die Kämme der Dünen. Die Steinbrocken, in heilloser Unordnung über das Land verstreut, warfen lange Schatten. Der erste Wind wirbelte einen weißen Wirbel aus Sand hoch. Die spiralige Schlange aus Staub und Sand tanzte wie ein rasender Irrwisch über die langgestreckte Düne, deren flacher Hang das Muster der Windrippen zeigte. Der Wirbel löste sich auf, als er gegen die dürren Blätter und den knochigen Stamm eines verkrüppelten Baumes geschleudert wurde. Abudirg zog langsam den Gesichtsschleier bis zum Kinn herunter, hob sich in den Steigbügeln und legte die Hand über die entzündeten Augen.
»Verdammte Wüste!«, stieß er hervor. »Seit Tagen droht der Himmel mit neuen, bösen Farben und verderblichen Wolken. Wir bleiben auf unseren Waren sitzen – wer sollte sie uns abkaufen, wenn alles im Aufruhr ist und die Menschen fliehen?«
Siebzig Tiere trabten hinter dem Händler, der die Karawane anführte. Mehr als ein Dutzend Händler und ihre Packtiere bildeten die lange Reihe der Pferde und Maultiere. Die Karawanenstraße war gesäumt von eingerammten Stäben und von den weißgebleichten Knochen von Pferden, Mauleseln, seltsamen Riesenvögeln und anderen, unbekannten Tieren. Sand war über alles geweht worden. Später hatten Stürme diesen Sand weggewirbelt und Staub von anderer Farbe über die trügerische Piste gelagert. Wie immer war jede Handelskarawane mehr als nur ein Risiko. Die Wüste entschied über den Erfolg – es konnte der Tod durch Verdursten und Verhungern sein oder gewaltiger Reichtum, denn die Waren kosteten viel und gingen rasend schnell weg.
»Siehst du ein Hindernis?«, rief Wachid von hinten.
»Nein. Nur Sand, Steine und Durst!«, gab Abudirg zurück. »Und Gewitterwolken am Horizont.«
»Dann reiten wir weiter!«, schrie Markib und knallte mit seiner Sklaventreiberpeitsche.
»Was bleibt uns sonst übrig?«
Die Karawane führte, abgesehen von Wasser und Futter, kleinen Zelten und einigen Reisesklavinnen, kunsthandwerkliche Gegenstände und die wertvollen Stoffe der Sarronen mit sich.
Jeder der vierzehn Händler kam aus Sarphand, der Stadt am Innenmeer. Jeder von ihnen war erfahren in der Kunst des Handelns. Und mehrere von ihnen mussten diese Karawane mit einem großen Gewinn abschließen, sonst waren sie bankrott.
An den Lagerfeuern und in den wenigen Karawansereien hatten sie schauerliche Berichte gehört. Diejenigen, die diese Erzählungen leise und stockend vortrugen, waren Krieger gewesen. Sie kamen aus dem Norden, aus Tainnia und Ugalien, und sie phantasierten von einem Kampf, den die Mächte der Dunkelwelt auf grässliche Weise gewonnen hatten. Deswegen waren die Herren der Karawane in Sorge. Kriege und Schlachten, Not und Flucht – unter solchen Umständen ließ es sich schlecht handeln. Lautlos fluchte Abudirg, und während seine Gedanken sich mit allen denkbaren Verlusten und anderen üblen Dingen beschäftigten, musste er an diesen schlitzohrigen Verbrecher denken, diesen treuherzigen Schuft, der ihm eine Galeere verkauft hatte.
Nur: diese Galeere, die seinerzeit im Hafen Sarphands in den trägen Wellen schaukelte, war keineswegs der Besitz dieses Schuftes mit dem weißblonden Haar und dem Lachen, das mühelos selbst erfahrene Händler täuschte, gewesen.
Fast wäre er, Schwarzbart Abudirg, als Rudersklave auf dieser Galeere gelandet. Aber zwei Freunde retteten ihn und lösten ihn aus.
Seine Schulden, samt Zins, hatte er bis zum heutigen Tag erst zu zwei Dritteln zurückzahlen können. Immer wieder tauchte das Gesicht dieses Betrügers vor seinem inneren Auge auf. Er ließ sich wieder in den weichen Sattel zurücksinken, gab seinem Pferd die Sporen und ritt schneller. Das Seil straffte sich. Die Saumtiere wurden ebenfalls schneller. Einige von ihnen stießen keuchende Schreie aus. Abudirg versuchte, sich abzulenken und dachte an seine Reisesklavin. Aber zu dieser frühen Stunde verbot es sich von selbst, mit ihr hinter einer Düne zu verschwinden. Es war besser, man brachte die Strecke jetzt, da die Hitze des Tages noch nicht wie eine glühende Speerspitze auf die Reiter und die Tiere herunterstach, ohne Verzögerung hinter sich.
Abudirg reckte sich, drehte sich im Sattel und schrie nach hinten:
»Ich sehe keine Gefahren! Ihr solltet schneller reiten. Gebt den Saumtieren die Peitsche!«
Bissig grunzte Wachid zurück:
»Peitsche deine eigenen Tiere. Meinetwegen auch die glutäugige Shawna. Sorge lieber dafür, dass wir nicht vom Weg abkommen.«
Abudirgs Augen funkelten. Der schwarze Bart um Kinn und Nase, von silbernen und grauen Fäden durchzogen, ließ sein Antlitz kantig und hart erscheinen. Er schluckte seinen Ärger hinunter und rief über die Schulter:
»Wenn du mir misstraust, kannst du dich an die Spitze der Karawane setzen, mein fettleibiger Herzensfreund.«
Einige Tiere prusteten und wieherten protestierend. Die Männer lachten rau. Hinter den kastenförmigen Schleiern der Sklavinnen ertönten kichernde Laute. Markib erzeugte mit seiner langen Peitsche eine Reihe von aufmunternden Geräuschen und keifte:
»Bisher hat uns Abudirg gut geführt. Gegen die schwarzen Wolken sind wir machtlos, Wachid. Du kannst uns heute Abend am Lagerfeuer wieder mit deinen erlogenen Erlebnissen ergötzen. Gib Ruhe!«
Die Karawane bewegte sich weiter auf dem sandverwehten Pfad. Im Augenblick ritten sie nach Osten, auf das Karsh-Land zu. Aber die Piste wand sich in Schlangenlinien entlang der Geröllzone der Wüste zwischen Rukor und der Straße des Bösen dahin.
Der Tag war erst einige Stunden alt.
Und jedes Mal, wenn Abudirg vor und über der hochkletternden Sonne die langgezogenen Wolken ansah, dachte er an diesen Schurken, der ihn zwang, für alte Schulden und einen verbrecherisch hohen Zins zu arbeiten.
Diese Strapazen hätte er sich sparen können.
Er klopfte seinem Pferd den Hals. Das Tier sollte unter den kurzen Wutanfällen nicht leiden. Dann zog er den Schleier wieder bis unter die Augen und fluchte innerlich. Ohne dass es jemand hörte, murmelte Abudirg:
»Eines Tages erwische ich ihn. Und dann wird er für die Galeere zahlen. Mit Zins und Zinseszins!«
Er warf einen verkniffenen Blick auf die gekrümmten Bögen irgendwelcher Rippen, die aus dem Sand hochragten wie die weißgebleichten Stämme uralter Gewächse.
Weit hinter ihm stieß ein Maultier eine Reihe blökender, grässlicher Schreie aus. Abudirg zog die Schultern hoch und fluchte wieder.
*
Die Geräusche wiederholten sich immer und immer wieder.
Das dumpfe Trommeln von zwölf Pferdehufen. Das Knarren und Knirschen der ledernen Sättel und das feine Klirren der Sporen und der Waffen. Das keuchende Fauchen, mit dem die Pferde die Luft einsogen und ausstießen. Das fahle Rascheln des Sandes, den ihre Hufe aufwirbelten.
Luxon, Kalathee und Samed saßen nicht mehr in den Sätteln. Sie stemmten ihre Stiefel in die Steigbügel und federten die Stöße der Pferderücken in den Knien ab. Ihr Vorsprung, den sie vor Mythor gewonnen hatten, war mehr und mehr geschrumpft.
Schräg vor Kalathee und Samed ritt Luxon.
Es war absolut sicher, dass der König von Leone mit ausgesuchten Kriegern die Verfolgung längst aufgenommen hatten. Sternenbogen und Mondköcher waren wichtige Waffen, und es mochte lange dauern, bis auf dieser Welt wieder Waffen dieser Art gefunden wurden.
Luxon lächelte kühl; er besaß den Köcher und den Bogen. Sie schlugen bei jedem Heben und Senken des Pferderückens gegen seine Schultern. Luxon drehte seinen Kopf und blickte durch die vielfarbigen Federn der Pfeilschäfte nach hinten.
»Sie fallen zurück«, sagte er leise zu sich. »Sie werden mir lästig!«
Gedanken, Überlegungen, Wünsche und Vorstellungen wirbelten in seinem Kopf umher. Besonders der Junge war ihm ein Klotz am Bein. Aber es gab keine Möglichkeit, sich ihrer auf gute Weise zu entledigen – und Luxon hasste es, Menschen einfach im Stich zu lassen, die ihm genützt und geholfen hatten, und die er benutzt hatte. Es war besser, ihnen noch einige Zeit lang die Treue zu halten.
In der Wärme des Tages wehten seine fast weißgebleichten Haare. Er wusste, dass ihn der Junge und diese hellhäutige Frau vergötterten; noch nie in seinem Leben, so meinte er, hatte er solch treue Gefolgsleute gehabt.
»Aber«, Luxon stieß jedes Wort im Rhythmus des dahingaloppierenden Reittiers aus, »welche Wahl habe ich wirklich?«
Sie waren schlecht ausgerüstet. Ihre Vorräte an Wasser und Nahrungsmitteln reichten in dieser Wüstenei außerhalb der Stadt Leone bestenfalls zwei oder drei Tage. Er kannte diesen Teil der südlichen Welt nicht sonderlich gut, und schon gar nicht kannte er die Lage von Wasserstellen oder Oasen. Er wusste nur, dass die Vulkanwüste voller Unwesen war, voller Drachen, seltsamer Pflanzen und fliegender Bestien. Sie ritten jetzt etwa die Grenzlinie entlang, die den Norden vom Süden Salamos trennte.
Luxon zwang sich, das hinter ihm Liegende zu vergessen. Er richtete seine Gedanken auf die unmittelbare Zukunft.
So viel lag noch vor ihm!
Er musste den Verfolgern entkommen.
»Mein Plan war gewesen«, keuchte er vor sich hin, »diesem verfluchten Gürtel des Todes auszuweichen. Wir sind nicht genügend ausgerüstet. Wir wissen nicht, was sich dort an Gefahren verbirgt.«
Er fühlte keine Angst. Panik war ihm fremd. Er hatte Hunderte von Gefahren und Abenteuern überlebt. Jeden anderen Mann (außer Mythor, vielleicht?) hätten sie umgebracht. Aber er war unerschütterlich, und er hatte ein Ziel. Bisher jedenfalls war er mit Schrammen und Verstauchungen davongekommen, und...




