Kneifel | Mythor 59: Irrfahrt durch die Düsterzone | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 59, 64 Seiten

Reihe: Mythor

Kneifel Mythor 59: Irrfahrt durch die Düsterzone


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8453-9811-2
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, Band 59, 64 Seiten

Reihe: Mythor

ISBN: 978-3-8453-9811-2
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Logghard, siebter Fixpunkt des Lichtboten und Ewige Stadt, hat auch am 250. Jahrestag der Belagerung allem standgehalten, was die Kräfte der Finsternis in einem wahren Massenangriff gegen die Bastion der Lichtwelt ins Feld führten. Somit haben die Streiter des Lichtes auf Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt, trotz des Debakels von Dhuannin und anderer Niederlagen gegen die vordringenden Heere der Caer eine gute Chance, sich auch weiterhin zu behaupten. Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held nach seinem Vorstoß in die Schattenzone die nördliche Hälfte der Welt durch das Tor zum Anderswo verlassen. Während Mythor inzwischen seine Abenteuer in Vanga, der vom weiblichen Geschlecht beherrschten Südhälfte der Welt, besteht, ist Luxon in Logghard geblieben, um seine Ansprüche als rechtmäßiger Shallad gegen Hadamur, den Usurpator, durchzusetzen. Doch die Dinge laufen für Luxon nicht allzu gut. Auch wenn er dem Henker entronnen ist, der in Hadam auf ihn wartete, so lauern weiterhin tödliche Gefahren auf ihn bei der IRRFAHRT DURCH DIE DÜSTERZONE ...

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1.


»Herrscht die Finsternis – dann erwarte das Licht.

Blendet Schönheit deine Augen – dann erschrickst du bald über das Grässliche.

Will ein Freund dir den Weg weisen – glaube ihm nicht; der Weg führt dich ins Verderben.

Alles ist Lüge. Nichts ist richtig. Glaube nichts, vertraue niemandem.

Sonst ist dein Leben kurz. Hier, in der Düsterzone, lügen selbst die Sprichworte.«

Lebensregeln der Düsterleute

*

Necron, der Alleshändler, fuhr mit seinem Schrein durch eine Landschaft aus tausend gefährlichen Zufälligkeiten. Er wollte sich mit Miesel, dem Fledderer, weit vor dem Treibenden Land treffen.

»Schneller, meine Grauen!«, rief er vom Kutschbock. »Und scheut nicht vor den Flammenbäumen!«

Dumpfes Wiehern antwortete ihm. Obwohl die Pferde viele Schrecknisse der Düsterzone kannten und längst nicht mehr fürchteten, brauchten sie nicht nur die Zügel, die Peitsche und das Futter, sondern auch den Klang seiner Stimme. Gerade jetzt, als aus dem grauen, mit Gelb gestreiften Nebel die fadenartigen Stämme, Äste und Ästchenverzweigungen der Bäume auftauchten, sprach er mit den sechs Tieren. Sie zogen zuverlässig und in einem langsamen Trab den Wagen durch das Gelände. Jetzt rollte der Schrein auf den Rädern mit den breiten, geriffelten Felgen, aber später würde Necron die Kufen brauchen.

Der Alleshändler war in Eile. Aber wenn er in halsbrecherischem Galopp durch das Gebiet raste, würde er noch langsamer zum Ziel kommen. Also war Eile sinnlos. Bedächtigkeit zeichnete jeden Bewohner und Besucher aus, der in der Düsterzone der Nordwelt Gorgan überleben konnte.

Necron verachtete die Welt jenseits der Düsterzone.

In der Normalen Welt – diese Bezeichnung galt bei den Düsterleuten fast als Beschimpfung – fühlte er sich wohl. Hier wurde er nicht nur stündlich herausgefordert. Hier brauchte er seine Augen und seinen Verstand, die Waffen nicht seltener als seine Fähigkeit, Blendwerk und Trug zu durchschauen und mit seinem Wagen voller kostbarer Handelsware sein Ziel heil zu erreichen.

Als Berater eines Herrschers in der Normalen Welt würde er es zu gewaltigen Ehren gebracht haben. Aber er wollte die Düsterzone nicht verlassen.

Der kaum erkennbare Weg wand sich zwischen den ersten Stämmen der Flammenbäume hindurch. Der Wegweiser des Irrsinns hatte in eine andere Richtung gedeutet, aber Necron fiel nicht darauf herein. Er kannte die Route durch den Nebel. Aus den Wurzeln der dünnen Bäume züngelten dünne Blitze und zielten nach den Hufen der Pferde. Sie zuckten und schlugen winzige Löcher in die dahinwirbelnden Speichen der Räder. Feuerschein lief in ringförmigen Wellen die Stämme aufwärts und erlosch an den Gabelungen der Äste. Zwischen den lodernden Bäumen verdichtete sich der Nebel.

Necron lachte kurz und ließ übermütig die Peitsche mit den beiden Schnüren knallen. Ein Knall ertönte über den Köpfen der zwei Laufpferde, der andere weit hinter dem Schrein. Schon seit einer Stunde hatte sich nichts verändert, war keine Illusion über ihn gekommen und hatte versucht, seine Sinne zu verwirren.

»Gorgan ist ein Albtraum«, sang Necron vor sich hin und spitzte seine Lippen. Sein fröhliches Pfeifen schien die Pferde zu beruhigen. Sie stellten ihre Ohren auf und hoben die Köpfe, als ob ein Stall in der Nähe wäre.

Im Land der Bizarren und Abstrusen war alles möglich.

Das Unerwartete stellte die Regel dar. Am Tag herrschte diffuses Licht. Aber auch plötzliche Dunkelheiten traten auf. Ebenso oft oder ebenso selten erschienen grelle Helligkeiten, aber niemals sah man die Sonne. Ununterbrochen änderten sich Licht und Formen, veränderten sich Aussehen und Bedeutung aller Dinge. Nur wenige Menschen vermochten sich in diesem Wirbel zurechtzufinden. Einer von ihnen war Necron. Er war einer der besten Männer der Düsterzone. Ein hervorragender Händler, der wegen seiner Ware niemals Schwierigkeiten hatte. Tatsächlich handelte er mit allem, was man sich denken konnte. Seine Kenntnis der Magie war beträchtlich, auch wenn es bessere Magier im Land östlich von Prinz Odams Reich gab. Aber nicht einmal die Feuerbäume konnten ihn schrecken.

Feuerbäume spürten nämlich mit den winzigen Knoten in den Endstücken der feinen Ästchen, ob sich ein Lebewesen vor ihnen fürchtete. Dann erst, wenn sie sicher waren, töteten sie ihn mit den knisternden Blitzen. Bodenmaden, weiß und von Schleim bedeckt, fraßen den Körper langsam auf, und ihre Ausscheidungen düngten die flachen Wurzeln der Feuerbäume. Jetzt aber, als das Sechsergespann mit dem magisch verzierten Schrein durch den Wald und den wogenden Nebel rollte und rasselte, schickten sie ihre Blitze nur durch die Dunkelheit, die sich wieder einmal herabsenkte. Noch immer pfiff Necron fröhlich vor sich hin.

Miesel, der Fledderer, würde nicht lange warten.

Eine Nachricht, auf ein Stück Fledermausflügel geschrieben, hatte Necron unterwegs erreicht. Darauf war zu lesen gewesen, in Miesels merkwürdiger Silben- und Symbolschrift:

Habe bestes Ware. Tauschen möglich und großes Wert für dich Necron. Musst bringen viel gut Waren, ja?

Wenn Miesel so etwas schrieb, dann wusste er, warum.

Die Blitze der Feuerbäume beleuchteten schwach den nebelbedeckten Pfad. Zwischen den Stämmen krochen schwefliggelbe Streifen heran. Der Nebel in mehreren Schichten wurde so dick, dass nur noch die Köpfe der beiden Leitpferde herausragten. Necron hatte die neuen grauen Pferde ganz hinten eingespannt, als drittes Paar. So spürten sie seine Nähe besser und waren nicht störrisch oder furchtsam.

»Traue nie dem Dunkel, vergiss die Sonne, und das Leben wird wild und voller Abenteuer ...«, sang Necron. Er hatte eine weit tragende, wohlklingende Stimme. Er war überhaupt ein gutaussehender Bursche, dessen Gesicht zwei Ausdrücke hatte, mit denen er ebenso erfolgreich hausierte wie mit seiner Ware.

Klug, besonnen und scharfäugig, das war eine seiner Masken. Die zweite bedeutete: gutmütig, listig, stets zu einem Scherz aufgelegt und bereit, ein großes Glas oder einen Becher ganz auszuleeren. Aber wenn er auf dem Bock saß und sein Gefährt lenkte, trug sein Gesicht einen anderen, dritten Ausdruck.

»Nun denn ...«, sang er, dann brach sein Summen und Trällern ab.

Der funkelnde und blitzende Wald wich zu beiden Seiten des gewundenen Pfades zurück. Die Blitze, von denen der graue Nebel hellgrau und der gelbe Nebel golden gemacht wurde, wurden seltener und zuckten in der Ferne. Der Weg selbst bestand nur noch aus einer harten Spur im weichen Boden. Bis zum Treibenden Land war es nicht mehr sehr weit, aber einmal eine falsche Abzweigung genommen, weil ein Trugbild ihn narrte, und aus einem Tag Fahrt wurde ein halber Mond der Irrfahrten.

Necrons Ziel war zunächst der Treffpunkt, an dem er sich immer wieder mit Miesel traf, seit langen Jahren.

Auch für Miesel, der nicht zu Unrecht »der Fledderer« hieß, stellte Necron ein unlösbares Rätsel dar.

Er war keine schaurige Gestalt, die der Düsterzone entsprungen war. Über seine Herkunft hatte Necron niemals ein Wort verloren, aber jedermann wusste genau, dass er auf keinen Fall aus der Düsterzone stammte.

Er war sechs Fuß groß, von blasser Hautfarbe, mit einem kantigen und schmalen Gesicht, dessen Züge weder hart noch weich zu nennen waren. Fünfunddreißig Sommer etwa zählte er, seine Hände waren schlank und gepflegt, seine Finger konnten die Werkzeuge eines Künstlers sein, und auf unbegreifliche Art war Necron auch ein Künstler. Jedermann, der in dieser Zone lange überlebte, war ein Künstler. So wie er eigensinnig darauf beharrte, stets sechs graue Pferde vor seinem Schrein gespannt zu haben, so trug er auch stets eine langärmelige Jacke aus wertvollem schwarzem Samt und einen breiten Gurt, in dem zwölf ausgewogene Wurfmesser steckten. Er war mit diesen handlichen Waffen so sicher wie kein zweiter in diesem Land.

Eines der vorderen Pferde wieherte grell auf.

Sofort erwachten Argwohn, Gespanntheit und Wachsamkeit. Seine Hand zuckte herunter, schlug den Saum der Jacke zur Seite und lockerte blitzschnell nacheinander drei der Messer. Der Boden, eben noch dunkel und von kriechendem Gestrüpp bedeckt, veränderte sich plötzlich. Der Nebel riss nicht auf, aber vor dem Gespann erstreckte sich ein breiter Streifen sonnenheller Landschaft. Aus den bleichen Pilzen wurden prächtige Blüten. Die Äste der Gewächse, die wie Vogelscheuchen oder knochige Geister aussahen, erhielten weißgelbe Rinde, und an den Ästchen bewegten sich hellgrüne Blätter in einem warmen, wohlriechenden Wind. Der helle Streifen wanderte auf die sechs grauen Pferde zu, zog sich wieder zurück und tastete sich auf den See zu, der seitlich des Weges auftauchte. Und auch der Weg änderte jäh seinen Charakter. Er bestand plötzlich aus kleinen, hellen Kieseln.

Der helle Streifen wanderte hin und her, und seine Grenze hob sich gestochen scharf von der Dunkelheit ab, die vor und hinter ihm herrschte.

Vor sich sah Necron etwas Schönes.

Also rechnete er automatisch damit, dass ein Extrem darauf wartete, den Wanderer hereinzulegen. Er schloss für wenige Momente seine Augen – das Gespann verfiel auf einen Schrei hin in schnellen Trab, aus dem bald ein Galopp wurde – und dachte an den Zauber der klaren Sicht. Er hatte ihn von Quida gekauft, und er hatte einen horrenden Preis dafür gezahlt.

Von irgendwoher kam eine Kraft, die ihn packte, seine Nerven und Adern mit einem berstenden Drang erfüllte. Er öffnete die Augen. Ihm war, als schösse ein gleißender...



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