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E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Knodt Undinen

Unmögliche Liebesgeschichten
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-941524-51-4
Verlag: PalmArtPress
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Unmögliche Liebesgeschichten

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-941524-51-4
Verlag: PalmArtPress
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



UNDINEN müssen nicht unbedingt einen Fischleib haben, wie die Undine im Märchen, und sie finden sich auch nicht nur im Wasser, sondern zum Beispiel auch im Supermarkt oder im Klavierkonzert. Wie sich Beziehungen trotz ihrer Unmöglichkeiten entfalten und wie sie trotz höchster Gefühle enden, führt Reinhard Knodt in einem Reigen von 15 Erzählungen vor. Die Begegnungsvarianten sind reichhaltig. Selbst mit einem Engel versucht es der Autor. Aber auch die Verhinderungsgründe sind von zwingender Logik und gelegentlich so absurd schön, dass man am Ende zugibt, nur das dauernd verhinderte Ende ist die eigentliche Konvention der Liebe, und die Haltbarkeit einer Ehe erfordert gar höhere Philosophie.

Wie fangen die Liebesgeschichten an, wie hören sie auf? Was ist eine Begegnung und ihr sensibler Punkt, was geschieht bei einer Trennung? Warum geht es so oft los und selten gut? Was ist wahrer Liebesbetrug? Warum versäumen wir beste Gelegenheiten? Warum geht es trotz Liebe auseinander und warum halten die kuriostesten Liaisonen? Weil es für all diese Fragen keine endgültigen Antworten gibt, daher gibt es die Undinen, also unmögliche Liebesgeschichten von der flüchtigsten bis zur tiefsten Berührung, die alle zusammen immer nur das Eine sagen: Die Liebe ist wie das Gras.

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Der Vogel Hand in Hand, Hand im Haar, das rote Band im Haar. Es konnte nur ein Märchen sein. Angst vor dem Schock am anderen Morgen oder vielleicht schon vor dem Haus, wenn sie sagen würde, sie wolle im Taxi bleiben. Genauso ihre Angst. Angst im Hinaufgehen, Angst im Übermut, in der Eile, im Küssen, im Wegsehen, im Ansehen. Die Suche nach dem Einwand, die Suche schon jetzt nach dem möglichen Zeitpunkt, an dem sie sich beide einen kleinen Berg Wirklichkeit vor die Füße werfen würden. Wieder der Sieg der Wirklichkeit. Ende des Tanzes. Es konnte nur ein Märchen sein. Das Band hielt das Haar nicht mehr, lag vielmehr auf dem Boden, auf dem Nachtisch, auf dem Kissen, auf dem liebefeuchten Kissen, und der Prinz rauchte eine Zigarette und sah auf die grünen Zeiger, lächelte sein Märchenlächeln, lächelte noch einmal sein Märchenlächeln, fuhr wie geistesabwesend mit der Hand über ihren Bauch, über ihre Brüste, stützte den Kopf auf und sah auf die sich beruhigende Bewegung in ihrem Blick, der schwarz durch ihn durchging. Spaziergänge durch Heidegras und Sommerwälder gab es noch nicht, gab es erst später, und bevor er sie an die Rinde der Birke lehnte oder an das trockene Holz des Baumes, in den oben der Specht sein Loch grub und grub und bohrte, stand sie auf und sah ihn an, in dieser Nacht. Sie stand bewegungslos und sie hörten die erste Bahn vorbeirollen. Sie hörten sie beide vorbeischliddern auf kalten Geleisen, während sie sich anzog. Woher sollte er auch wissen, dass sie verheiratet war. „Ich weiß nicht, wie das in einer Wohngemeinschaft ist.“ In ihm stieg Hohn auf, als er antwortete „Ich weiß auch nicht, wie das bei Euch ist, Euch Ehefrauen.“ Aus der neuen Prinzessin war im Handumdrehen eine verlotterte Königin geworden. Die roten Nägel ihrer Finger, das Blinken des Brillenrandes. Die wiederaufgesetzte Brille, Brille, Blondhaar; kein Funken Erinnerung an vor einer Stunde. Ihr Haar abstehend nach allen Seiten. Kleine Würmchen zwischen den Haarwurzeln. Lauter winzige Würmchen zwischen den Haarwurzeln, zwischen den Haaren sich windend, schlängelnd. Die Augen, die Lider streiften sie von den Augäpfeln — haarfeine sich windende Fäden. Er fuhr sich mit der Hand unwillkürlich übers Gesicht, wollte ihr übers Gesicht fahren, zärtlich wie ein Automatismus der Zärtlichkeit. Sie wehrte ab, er tat es dennoch. Sie ließ es zu und umarmte ihn plötzlich wieder. Weiches, haarumkränztes Gesicht im Nachtlicht, im beginnenden Morgen, im Tau im Gurren der Tauben auf den Fenstersimsen! Die wieder abgestreiften Kleider, Sonnenlicht im Anflug auf die Stadt und das Ziffernblatt. Ihre winzige viereckige Uhr, auf die sie immer wieder blickte um den Zeitpunkt des Aufbruchs nicht zu versäumen. Ein viereckiges Ziffernblatt. Ihr Abschied! Ohne Name, ohne Adresse, ohne, ohne, ohne. Er sah sich telefonieren, aus einem Vornamen und spärlichen Erzählungen kombinieren. Der Blick an die Decke auf dem Rücken liegend. Liegen, liegen und nach oben sehen, ruhig werden. „Warum, es ist ihr gutes Recht“ sagen. Muster an die Decke malen. Ihr Haarband wiederfinden. So einfach wiederfinden, wie man spielt. Mit irgend einem Gegenstand spielen und allmählich darauf kommen, was man in der Hand hält. Waschen, duschen, den Tag zelebrieren. Die Fenster aufreißen. Sonne, Luft hereinlassen, Ströme von Luft. Den Raum atmen lassen. Lassen, lassen gehen lassen. Die Tauben gegenüber in der Sonne auf dem heißen Blechdach sitzen einfach da und rühren sich nicht. Immer stärker wird der Tag. Staubriechend, flirrend, traumlos, geheimnisvoll. Das Gefühl, nicht ausgeschlafen zu sein, die gesteigerte Wachheit. Die nutzlose Trauer in ihren ersten Spuren. Keine Möglichkeit, später auf der Decke mit Ihr die Sonne untergeben zu sehen, auf den Mond zu warten. Keine Chance, ihren nackten Rücken an die Baumrinde zu drücken, zaghaft, schmerzhaft, wie im Spaß. Nicht das plötzliche Erkennen, dass man sich gegenseitig eine Spur lustvollen Sadismus zugestehen würde, denn was ist schon die Reinheit des Gefühls gegen einen weit nach hinten gebogenen, einen zurückgebogenen Hals, einen Frauenhals, weit nach hinten gebogen, etwas Helles, ein durchsichtig ins Kinn aufstrebendes Wachsweich. Die eigenen Fingerspitzen in den Gruben hinter den Ohren fühlen. Falten über schmerzhaft geschlossenen Augen, und Zähne, weiße Zähne unter geschürzten Lippen, in deren Zwischenräumen Reste von Lippenstift schimmern. Sich bewegende Lippen, sich öffnende Lippen, während ihr Körperzittern an mir reißt. Keine Chance also, stundenlang durch ihr Haar den Himmel anzusehen, den blauen Sud, in dem schwarze Mücken schwimmen. Keine Möglichkeit, ihr Gesicht über mir zu sehen, stundenlang, Abende lang, rhythmisch schwankend, die Zunge zwischen den Zähnen und die Augen plötzlich geöffnet, wie im Schreck, wenn das Tier über sie hereinbrach, das Biegen des Bauches, so als würde ich ihr Biss um Biss aus der Schulter reißen. Keine Chance, sie aufrecht und nackt durch den Waldfarn davongehen zu sehen auf Nimmerwiedersehen, wie schon so oft; ihre Kleider als Bündel in der Hand und ich selbst sitzend auf Fichtennadeln in ihrem Geruch. Ich wusste mit ihrer Aufforderung, sie endlich hinauszuwerfen, nichts anzufangen. Der Nachmittag prallte auf ihre Lippen und Schenkel. Ihre Fesseln wateten im Sonnenlicht, das auf den Boden fiel. Momente, in denen ich unsachlich, verlegen, überlegen nur den Moment abwartete, um zugreifen zu können. Ich verstand nichts, sah nur, daß sie wieder gekommen war. Ihre Brille war etwas verdrückt. Sie nimmt sie ab, zeigt sie kurz, „schau“, sagt sie, „was Du mit mir gemacht hast!“ Dann nimmt sie mir die Brille plötzlich wieder aus der Hand und geht. Durch die Tür. Kein Blick trifft mich im Gehen. Ihr Rock weht vorüber, steigt über die vier Treppen dem warmen Nachmittag entgegen nach unten. Von oben sehe ich nur ihre Haare. Als ich in mein Zimmer zurückkam, stellte ich fest, dass das Band fehlte. Manchmal habe ich die Idee, meinen Hausrat zu verkaufen oder zu verschenken und wegzuziehen. Nicht all zu weit, vielleicht nur in eine andere Stadt. Die Frage, ob es einem einzigen Bekannten überhaupt auffallen würde. Dem Bäcker schon am ehesten. Ich stelle mir vor, die Verlassenheit zu verlassen, die hier wie ein verstecktes Tier irgendwo in der Umgebung hausen muß. Ich verlasse die Verlassenheit der leeren Blumentöpfe vor den Fenstern mit den Erdresten drin. Ich springe aus leeren Buchseiten, stehe aus einem leeren Bett auf und schaue in einen leeren Himmel. Strahlend blau und leer! Gefühllos lachend wie ein Filmheld. Zephirwolken, die etwas vorspiegeln, wo hoch droben doch nur Kälte ist. „Hinter dem Fenster beginnt die Aussichtslosigkeit“, las ich in einem Buch. Das Buch hatte genau die gleichen leeren Seiten wie alle anderen. Und dann mitten in diese leeren Seiten und die Tage, die nach hinten umkippten, wie Blätter eines Terminkalenders in einem Großraumbüro, mitten in diesem sinnlosen Blättern ihre Hände mit den lackierten Fingernägeln. Hellrot. Nägel, als hätte sie sie eben erst aus einem anderen zurückgezogen. Und diese Nägel legten sich auf die Seiten meines Kalenders, zeigten auf jedes einzelne Datum, hetzten mich auf jeden Tag. Die roten Spitzen ein wenig vom Hautrand entfernt beginnend die Farbe und nach vorn zulaufend wie die Zeiger einer Uhr, jede Sekunde einfordernd. Ihre Nägel pflanzten Angst unter meine Rückenhaut und immer wieder ihr Lippenstift. Immer die Frage, wann die Zeit mich wieder zurückfordern würde. Ich renne, wir rennen ja schon! Dann ihre Geschichten. Dass sie sich scheiden lassen würde, dass sie in Scheidung lebe, dass sie praktisch schon geschieden sei. Was kümmert mich, ob Du geschieden bist? Die Unmöglichkeit der Liebe liegt in ihrer eigenen Unzulänglichkeit. Sie ist jeweilig und anders mit jedem und wandelbar wie das Leben. Daraus ergeben sich Ehen, Scheidungen oder ersatzweise lange Gespräche mit anschließenden Versöhnungen, Berührungen, Gesten. Immer das gleiche Wunder, nur die Farbe der Haare, der Augen, die Körperbeschaffenheit ändert sich. „Ich weiß nicht, wie das in einer Wohngemeinschaft ist.“ Essen machen. Zusammen Essen machen. Fleisch braten. Rohes Fleisch zubereiten. Nebeneinander mit glitschigen Fingern unter Lachen Pfeffer suchen. Den Salat anmachen, die kurze Umarmung vor dem offenen Geschirrschrank, während der Reis kocht. Du, Du, die Zeitung lesend, laut auflachend hinter dem großen Papiersegel, zwei Schalkaugen, die hervorlugen. Mein eigenes Lachen. Geschnittener Rettich und eine kurze Diskussion über Beckett. Nebeneinandersitzen, Fleisch angeln, Wein nachschenken, nachsalzen; einen Bekannten in der Zeitung entdecken und plötzlich Deine Hand unterm Hemd auf der Rückenhaut. Immer mehr rote Nägel zwischen den Seiten meines Notizbuches. Für jeden Tag, an dem Du da warst und für jeden, an dem Du nicht da warst. Deine Nägel, wie Krallen in den Blättern meiner Bücher. Zerfetzte Seiten. In Kinderwut herausgerissene Blätter. Zerschundene Buchrücken, Schnipsel von Zeitungspapier wie Konfetti auf dem Teppich und Dein Lachen wie eine Glocke über allem. Dann und wann die Aufforderung, mich zurückzuziehen, Dich hinauszuwerfen. Deine Warnungen. Nackt sehe Ich Dich auf einem Stuhl sitzen, die Füße auf dem Fensterbrett, rauchend. Beschlagene Fenster. Der Sommer geht in den Herbst über, und den Wein tauschen wir gegen Kaffee und Orangensaft am Morgen. Die Zeiten, in denen ich Dich nicht sehe, überbrücke ich mit Lesen, die Zeit, in der wir nicht im Bett sind, überbrücken wir mit Reden. Bleiben wir uns treu. Abgemacht. Wir schlafen mit keinem anderen mehr. Wir gehen ab jetzt zusammen, wir wohnen zusammen, zumindest bald. Es wird...


1951, Studium in Philosophie (Gadamer) Literatur (Gerh. Neumann) und Politik. 1978 Irlandaufenthalt, erste Kurzgeschichten und Lieder. 1985 Herausgabe einer Literaturzeitschrift (Nürnberger Blätter) Ab 1986 regelmäßig Literatur, Hörspiele und Feature im Bayerischen Rundfunk; 1984 Promotion; Assistentenstelle für Philosophie; 1991 USA-Aufenthalt. Ab1992 freiberuflicher Schriftsteller; Publizistische Tätigkeit, viele Kunstreden und essayistische Beschäftigung mit bildender Kunst und Architektur. Lehrt seit 2001 mit Unterbrechungen Kunstphilosophie an der UDK Berlin.



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