Kohnen / Michelsen / Mueller | Kant und Konsorten | Buch | 978-3-943624-26-7 | sack.de

Buch, Deutsch, 336 Seiten, Format (B × H): 147 mm x 210 mm, Gewicht: 437 g

Kohnen / Michelsen / Mueller

Kant und Konsorten


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-943624-26-7
Verlag: Angelika Lenz Verlag

Buch, Deutsch, 336 Seiten, Format (B × H): 147 mm x 210 mm, Gewicht: 437 g

ISBN: 978-3-943624-26-7
Verlag: Angelika Lenz Verlag


Die vorliegenden Aufsätze wollen der Intention Kants, Aufklärung in die Öffentlichkeit zu tragen und zu vermehren, genügen. „Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? So ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung.“ Diese Unterscheidung trifft Kant in dem Aufsatz, den er mit seinen berühmten Bestimmungen der Aufklärung als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ und der Mündigkeit als des Vermögens „sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ einleitet. Was 1784 galt, gilt auch jetzt: Die Aufklärung ist nicht abgeschlossen, das Projekt ist unvollendet.

Kant und Konsorten: Nicht alle Beiträge behandeln Auffassungen Kants im Bezug auf andere Positionen, sondern rekonstruieren seine Argumentationsgänge ohne „Konsorten“. Die Autoren aber, die zu Wort kommen, sind insofern Konsorten, als sie Kant in der Aufklärungsintention folgen. Gleichwohl kommen die meisten Beiträge nicht ohne Konsorten aus, als da wären Kopernikus, Leibniz, Voltaire, Wieland, Hamann, Erhard, Lavater, Schopenhauer oder Haeckel, um nur die wichtigsten zu nennen. Wenn einige der genannten Autoren Kant in wesentlichen Punkten argumentativ widersprechen, sind sie gerade darin Konsorten der Aufklärung.

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Weitere Infos & Material


Vorwort – von Christian Michelsen 5

Volker Mueller
Der „Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet …

meine Wichtigkeit …“
Immanuel Kant zwischen Kosmogonie und Ethik 11

Stephan Kohnen
Ein Erdbeben in der besten aller möglichen Welten?

Leibniz, Voltaire, Kant zum Theodizee-Problem 24

Stephan Kohnen
Über Kants „Versuch über die Krankheiten des Kopfes“

oder: Was ist Subjektivität? 73

Stephan Kohnen
Geistergeschichten – oder: Was ist Erfahrung?

(Über Kants Auseinandersetzung mit Swedenborg

in seiner Schrift „Träume eines Geistersehers

erläutert durch Träume der Metaphysik“) 98

Christian Michelsen
Kants Geschichtsphilosophie

Erläuterungen zu der Schrift „Idee zu einer

allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ 145

Stephan Kohnen
Über Kants „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ 184

Stephan Kohnen
Kants Kategorischer Imperativ 206

Stephan Kohnen
Die Aufklärung und der Zirkel des Lichts 230

Volker Mueller
Recht und Ethik zum Verhältnis von Krieg und Frieden

Philosophische Impulse aus Immanuel Kants Schrift

„Zum ewigen Frieden“ 242

Stephan Kohnen
Revolution und Menschenrecht

Kant und sein Schüler J. B. Erhard 253

Robert Barz
Immanuel Kant über Pädagogik 321


Vorwort

Die vorliegenden Aufsätze wollen der Intention Kants, Aufklärung in die Öffentlichkeit zu tragen und zu vermehren, genügen. „Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? So ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung.“1 Diese Unterscheidung trifft Kant in dem Aufsatz, den er mit seinen berühmten Bestimmungen der Aufklärung als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ und der Mündigkeit als des Vermögens „sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“2 einleitet. Was 1784 galt, gilt auch jetzt: Die Aufklärung ist nicht abgeschlossen, das Projekt ist, wie Jürgen Habermas es nannte, unvollendet.

In der Vorrede zur ersten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft“ hatte Kant 1781 sein Zeitalter folgendermaßen beschrieben: „Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muß. Religion, durch ihre Heiligkeit, und Gesetzgebung, durch ihre Majestät, wollen sich gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdenn regen sie gerechten Verdacht gegen sich, und können auf unverstellte Achtung nicht Anspruch machen, die die Vernunft nur demjenigen bewilligt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat aushalten können.“3 Aufklärung vollzieht sich, wenn Kritik geübt wird. Kritik vollzieht sich als „freie und öffentliche Prüfung“, der sich weder Religionen noch Regierungen „entziehen“ können. Wahrheitsansprüche, die allein auf Autorität oder Macht gegründet sind, gelten nicht.
An Versuchen, solche Wahrheitsansprüche wieder zu etablieren, fehlt es bekanntlich zur Zeit nicht. Von einem „Zeitalter der Kritik“ zu sprechen, fällt angesichts der Angriffe sogenannter Rechtspopulisten gegen eine „freie und öffentliche Prüfung“ schwer. Einschüchterungen bis hin zu Inhaftierungen von Journalisten verbieten es, die Ausbildung des Vermögens „sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ nur als pädagogisches Programm unter dem Titel „Erziehung zur Mündigkeit“ anzusehen. Das Projekt der Aufklärung ist nicht in dem harmlosen Sinn unvollendet, dass Kritikfähigkeit und Kritik sich im Vollzug bewähren müssen, solange kritikwürdige Zustände herrschen. Das Projekt ist in dem harten Sinn unvollendet, als die Gegenaufklärung buchstäblich marschiert: Sie will den immerhin erreichten Stand kritischer Öffentlichkeit nicht nur auf ein vorargumentatives Parolenwesen zurückzwingen, sie will Kritik verbieten. Das Projekt ist nicht unvollendet, es ist gefährdet. Deshalb einige Argumentationen Kants erneut zu diskutieren, ist von den Autoren auch als Beitrag – mag er noch so geringfügig sein – gegen die antihumanistischen Anliegen der Gegenaufklärung gemeint.
Kants Hauptwerke, die drei Kritiken, werden in diesem Band nicht behandelt. Mit Ausnahme der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ sind sogenannte „kleine“ Abhandlungen Kants Gegenstand der Aufsätze. Die Konzentration auf „kleine“ Abhandlungen Kants bedeutet also, seiner Aufklärungsintention ohne die philosophischen Hauptwerke des Gesamtwerks gerecht werden zu wollen. Dafür spricht nicht nur, dass die „kleinen“ Abhandlungen von Kant selber für ein breiteres Publikum bestimmt sind, sondern auch, dass sie übersichtlicher sind und zumindest manchmal auch leichter verständlich erscheinen. Der Nachteil ist den Autoren bewußt: Es mußten Begründungsverkürzungen in Kauf genommen werden.
Kant von den „kleinen“ Abhandlungen her gerecht werden zu wollen, bedeutet nicht, dass die Themen marginal wären. Fast alle hier behandelten „kleinen“ Abhandlungen verweisen auf die in den Hauptwerken durchgeführten zentralen Lehrstücke des Kantischen Philosophierens. Daher kommen diese Lehrstücke durchaus zur Sprache, aber es wird eher auf sie verwiesen, als dass sie in ihren oft komplexen Begründungszusammenhängen dargestellt werden können. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf den jeweiligen Themen der „kleinen“ Abhandlungen. Kants Auffasungen zu Themen wie Kosmologie, Geistersehen und Wahnsinn, Legitimität von Revolutionen, Planmäßigkeit der Weltgeschichte oder Weltfrieden sollen zugleich die umfassende Bandbreite des Kantischen Philosophierens sichtbar machen.
Im Kapitel über die „Architektonik der reinen Vernunft“ am Schluss der „Kritik der reinen Vernunft“ unterscheidet Kant zwischen einem „Schulbegriff“ und einem „Weltbegriff“ der Philosophie. Dem Schulbegriff nach ist Philosophie „ein System der Erkenntnis, die nur als Wissenschaft gesucht wird, ohne etwas mehr als die systematische Einheit dieses Wissens, mithin die logische Vollkommenheit der Erkenntnis zu haben.“ Dagegen ist sie dem Weltbegriff nach „die Wissenschaft von der Beziehung aller Erkenntnis auf die wesentlichen Zwecke der menschlichen Vernunft …“4, darunter auf den „Endzweck“, „die ganze Bestimmung des Menschen“5. Der Weltbegriff der Philosophie steht immer schon hinter dem Schulbegriff. Er enthält das, was „jedermann interessieren muß“.

Dieser „Weltbegriff“ speist sich aus „der Natur der Vernunft“ selber, denn die Vernunft ist nicht frei darin, wonach sie fragen soll: „Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“6 Dieser Satz eröffnet bekanntlich die Vorrede zu Kants Hauptwerk und hält zunächst fest, dass Fragen nach „der ganzen Bestimmung des Menschen“, besonders metaphysische Fragen, sich prinzipiell nicht abweisen lassen. Im „Weltbegriff“ der Philosophie herrscht ein Bedürfnis nach Antworten. Diese können aber, so nimmt Kant das Resultat seiner Untersuchungen vorweg, ebenso prinzipiell nicht gegeben werden. Die theoretische Vernunft kann metaphysische Fragen nicht beantworten, sie erweisen sich im „Schulbegriff“ als unbeantwortbar.

Diesem Resultat der Kantischen Vernunftkritik hat sich der „Weltbegriff“ der Philosophie bis heute nicht gebeugt. Die Belästigung der Vernunft durch Fragen bildet die Grundlage für das fortgesetzte Interesse an Philosophie. Die Beiträge wollen – unabhängig von der Gültigkeit der Kantischen Unbeantwortbarkeitsthese – an den „Weltbegriff“ der Philosophie, den jeder immer schon mitbringt, anknüpfen.

Kant selber hat in einer Kontroverse mit seinem Anhänger Christian Garve eine mögliche Popularisierung seiner Philosophie befürwortet, wenn auch mit einer entscheidenden Einschränkung: „Der weise Mann fordert (in seinem Werk, Vermischte Aufsätze betitelt, S. 352 u. f.) mit Recht, eine jede philosophische Lehre müsse, wenn der Lehrer nicht selbst in den Verdacht der Dunkelheit seiner Begriffe kommen soll – zur Popularität (einer zur allgemeinen Mitteilung hinreichenden Versinnlichung) gebracht werden können. Ich räume das gern ein, nur mit Ausnahme des Systems einer Kritik des Vernunftvermögens selbst und all dessen, was nur durch diese ihre Bestimmung beurkundet werden kann; weil es zur Unterscheidung des Sinnlichen in unserem Erkenntnis vom Übersinnlichen, dennoch aber der Vernunft Zustehenden, gehört. Dieses kann nie populär werden, so wie überhaupt keine formelle Metaphysik; obgleich ihre Resultate für die gesunde Vernunft (eines Metaphysikers, ohne es zu wissen) ganz einleuchtend gemacht werden können. Hier ist an keine Popularität (Volkssprache) zu denken, sondern es muß auf scholastische Pünktlichkeit, wenn sie auch Peinlichkeit gescholten würde, gedrungen werden (denn es ist Schulsprache); weil dadurch allein die voreilige Vernunft dahin gebracht werden kann, vor ihren dogmatischen Behauptungen sich erst selbst zu verstehen.“7
In diesem Sinne wollen die Beiträge auch keine populärphilosophischen Ausführungen sein. Sie wollen in möglichst verständlicher und klarer Form Argumente Kants erläutern, die die „Ausnahme des Systems einer Kritik des Vernunftvermögens“ nicht eigens behandeln, sondern sich mehrheitlich in Bereichen wenigstens prinzipiell popularisierbarer „Lehren“ bewegen. Auch dabei soll dem „Schulbegriff“ und seiner „scholastischen Pünktlichkeit“ wenigstens dem Anspruch nach Genüge getan werden.
„Man kann nur philosophieren lernen, d.i. das Talent der Vernunft in der Befolgung ihrer allgemeinen Prinzipien an gewissen vorhandenen Versuchen üben.“8, behauptet Kant im Architektonik–Kapitel, bevor er die Unterscheidung von „Weltbegriff” und „Schulbegriff” trifft. Wenn die Beiträge es erreichen sollten, das „Talent der Vernunft“ an einigen Argumenten Kants zu „üben“, dann hätten sie ihr Ziel erreicht. Die Belästigung der Leservernunft durch Fragen, „die sie nicht abweisen kann“, soll für die Zeit der Lektüre in die Belästigung durch Auffassungen Kants verwandelt werden.
Kant und Konsorten: Nicht alle Beiträge behandeln Auffassungen Kants im Bezug auf andere Positionen, sondern rekonstruieren seine Argumentationsgänge ohne „Konsorten“. Die Autoren aber, die zu Wort kommen, sind insofern Konsorten, als sie Kant in der Aufklärungsintention folgen. Gleichwohl kommen die meisten Beiträge nicht ohne Konsorten aus, als da wären Kopernikus, Leibniz, Voltaire, Wieland, Hamann, Erhard, Lavater, Schopenhauer oder Haeckel, um nur die wichtigsten zu nennen. Wenn einige der genannten Autoren Kant in wesentlichen Punkten argumentativ widersprechen, sind sie gerade darin Konsorten der Aufklärung. Das Ziel des Buches wäre erreicht, wenn auch die Leser zu Konsorten würden.
Die Mehrzahl der Beiträge geht auf die Jubiläumsschrift „Kant und Konsorten“ der Gesamtschule „Immanuel Kant“ in Falkensee aus dem Jahre 2012 zurück. Grundlage dafür war eine öffentliche Vortragsreihe, veranstaltet für ein aus Schule und Stadt versammeltes Publikum. Alle nicht mit Kant und der Aufklärung befassten Beiträge der Jubiläumsschrift sind in diese Neuauflage nicht aufgenommen worden. Dafür ist der Band um einige Aufsätze zu Kant erweitert worden.

Christian Michelsen

Anmerkungen

1 I. Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung A 491, in: Werke in zehn Bänden, hg. von Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1971, Bd. 9
2 I. Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung A 481, in: Werke a.a.O., Bd. 9
3 I. Kant, KrV A XI, in: Werke a.a.O., Bd. 3
4 I. Kant, KrV B 867/A 839, in: Werke a.a.O., Bd. 4
5 I. Kant, KrV B 868/A 840, in: Werke a.a.O., Bd. 4
6 I. Kant, KrV A VII, in: Werke a.a.O., Bd.3
7 I. Kant, Metaphysik der Sitten AB V, in: Werke a.a.O., Bd. 7
8 I. Kant, KrV B 867/A 839, in: Werke a.a.O., Bd. 4



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