Konitzer / Foljanty | Moralisierung des Rechts | Buch | 978-3-593-50168-0 | sack.de

Buch, Deutsch, 246 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 213 mm, Gewicht: 328 g

Reihe: Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust

Konitzer / Foljanty

Moralisierung des Rechts

Kontinuitäten und Diskontinuitäten nationalsozialistischer Normativität

Buch, Deutsch, 246 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 213 mm, Gewicht: 328 g

Reihe: Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust

ISBN: 978-3-593-50168-0
Verlag: Campus Verlag GmbH


Nationalsozialistische Rechtstheorien hoben den Unterschied zwischen Moral und Sittlichkeit auf der einen Seite und Recht auf der anderen Seite so weit wie möglich auf. In den 'Nationalsozialistischen Leitsätzen für ein neues Strafrecht' von 1938 formulierte Hans Frank, Hitlers Rechtsanwalt und einer der führenden Vertreter einer 'nationalsozialistischen Rechtswissenschaft', kurz und bündig: 'Deutsches Rechtsgefühl und deutsches Sittlichkeitsempfinden sind eins.'
Was bedeutete dieses 'Ideal' der Einschmelzung des Unterschieds von Sittlichkeit, Moral und Recht für die nationalsozialistische Rechtstheorie und Rechtspraxis? Was besagte sie für eine Analyse nationalsozialistischer Vorstellungen von 'Ethik' und 'Moral'? Und wie weit bestimmte das Fortwirken nationalsozialistischer Moral noch die Rechtsauffassungen der frühen Bundesrepublik?
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Weitere Infos & Material


Inhalt

Vorwort 7

Herlinde Pauer-Studer
»Jenseits vom Chaos und von Interessenkonflikten«
Aspekte der Rechtsentwicklung im NS-System der 1930er Jahre 11

Martin Becker
»Arbeit« und »Gemeinschaft« im NS-Recht und im Recht
der frühen Bundesrepublik 35

Thomas Henne
Ehe und Homosexualität im bundesdeutschen Rechtssystem
der 1950er Jahre: Normen, Werte, Grundgesetz - und ein Film 63

Joachim Vogel
Fortwirkende Einflüsse aus nationalsozialistischer Zeit auf das Strafrecht als Ausdruck übergreifender Entwicklungslinien im Strafrecht des 20. Jahrhunderts 87

David Johst
Die Entdeckung des Unrechtsstaates 127

Tino Plümecke
Ordnen, werten, hierarchisieren
Der sozial dichte Begriff »Rasse« und seine Gebrauchsweisenim Nationalsozialismus 147

Werner Konitzer
Kontinuitäten und Brüche nationalsozialistischer Moralvorstellungen
am Beispiel von Otto Friedrich Bollnows »Einfacher Sittlichkeit« 167

Michael Schefczyk
»Als Deutscher unter Deutschen«: Karl Jaspers' Die Schuldfrage 189

Nicolas Berg
Selbstentnazifizierung einer Komplizenschaft
Die Vorgeschichte des SS-Bekenntnisses von Hans Egon Holthusen und seiner Kontroverse mit Jean Améry 215

Autorinnen und Autoren 243


Vorwort

Nationalsozialistische Rechtstheoretiker hatten es sich zum Ziel gesetzt, den Unterschied zwischen Recht und Moral so weit wie möglich aufzuheben. Das bedeutete, "ethische Konzepte wie 'sittliche Pflicht', 'Anständigkeit', 'Ehre' und 'Treue' auch als Rechtsbegriffe zu verstehen". Auf die Bedeutung dieser Tatsache für die Veränderung des Rechts im Nationalsozialismus haben Rechtshistoriker und Rechtstheoretiker seit den 1970er Jahren wiederholt hingewiesen. Sie rückt jedoch in ein neues Licht, wenn man sie nicht mehr allein von der Seite des Rechts, sondern auch von der Seite der Moral her betrachtet.
Moralische Einstellungen werden auf vielfältige Weise kommuniziert: in Liedern, Sinnsprüchen, Erzählungen, Filmen, Gedichten, in wechselseitigen Ermahnungen, lobenden und tadelnden Äußerungen. Philosophen und Theologen formulieren sie aus, systematisieren sie und versuchen sie zu begründen. Weil es sich um Überzeugungen handelt, die jeder einzelne Mensch für sich hegt, kann er sie auch in Absetzung von den Überzeugungen der Menschen in seiner sozialen Umgebung entwickeln. Sie sind in diesem Sinne unhintergehbar individuell. Dadurch unterscheiden sie sich vom Recht, für das charakteristisch ist, dass es sich um ein institutionalisiertes Normensystem handelt. Jedoch ist Moral nicht gänzlich subjektiv. Moralische Gefühle und Urteile haben auch eine wesentliche intersubjektive Dimension. Wer sich über etwas, was er für ein Unrecht hält, empört, erwartet gewöhnlich, dass andere seine Empörung teilen oder zumindest billigen. Ob Handlungen Empörung auslösen oder nicht, ist auch ein Symptom dafür, wie weit bestimmte Überzeugungen geteilt werden.
Betrachtet man die Entwicklung von moralischen Einstellungen in den ersten Jahren des nationalsozialistischen Regimes, so stößt man auf eine Reihe von Veranstaltungen, bei denen solche moralischen Gefühle öffentlich inszeniert wurden: Formen moralisch-politischer Vergemeinschaftung wie Totengedenken oder Sonnenwendfeiern. Am markantesten sind aber die verschiedenen Formen öffentlicher Anprangerung, Zurschaustellung und Demütigung, die für die ersten Jahre des Regimes emblematisch geworden sind. Das gilt vor allem für die in der historischen Forschung eingehend untersuchten "Rassenschande"-Pogrome. Diese Pogrome waren keine spontanen Ausbrüche von Massengewalt. Sie hatten quasi-institutionellen Charakter. Insofern wirken sie wie eine zynische Mischung von Recht und Moral. Darin deutet sich an, dass es ein Bestreben gab, die propagierte Volksmoral als eine Art Quasi-Recht zu institutionalisieren. Die Pogrome sind ein Indiz dafür, dass die Öffnung des Rechts zu einer "Volksmoral" ein Vorgang war, der nicht allein von den Folgen, die er für das Rechtssystem hatte, her zu erfassen ist. In der Verzahnung von Recht und Moral vollzog sich eine Entwicklung, die beide Systeme, Recht und Moral, gleichermaßen betraf und die wohl nur in ihrer wechselseitigen Betrachtung angemessen verstanden werden kann.
Die Erforschung von moralischen Einstellungen während des Nationalsozialismus und die Frage nach den Kontinuitäten und Brüchen in der Tradierung dieser Einstellungen ist seit mehreren Jahren ein Schwerpunkt in der Arbeit des Fritz Bauer Instituts. Auf einem von mehreren Workshops zu diesem umfassenden Themengebiet wurde die Frage nach dem Verhältnis von Recht und Moral diskutiert. Dort entstand auch der Plan, in einer Vortragsreihe, an der vor allem Juristen und Philosophen beteiligt sein sollten, einzelne Themenbereiche des gesamten Komplexes jeweils alternierend aus der Sicht der Moralphilosophie und aus der Sicht der Rechtsgeschichte bzw. Rechtstheorie zu beleuchten. Dabei sollte zum einen die Frage nach der Verbindung von Recht und Moral, zum anderen die Frage nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Zeit nach 1945 im Zentrum stehen. Die meisten der hier versammelten Beiträge sind im Rahmen dieser Vortragsreihe entstanden.
Schon bei der Vorbereitung der Reihe


Prof. Dr. Werner Konitzer ist stellvertretender Leiter des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am Main. Lena Foljanty, Dr. iur., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main.


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