Kramp | Abendlied | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 7, 256 Seiten

Reihe: Herbie Feldmann

Kramp Abendlied

Eifelkrimi
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95441-369-0
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eifelkrimi

E-Book, Deutsch, Band 7, 256 Seiten

Reihe: Herbie Feldmann

ISBN: 978-3-95441-369-0
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Herbie Feldmann ist wieder da - und wie immer ist er nicht allein! Der in die Jahre gekommene Schlagerstar Teddy Marco muss sich für eine Weile von seiner Fahrerlaubnis verabschieden und engagiert ausgerechnet den »Spinner' Herbie Feldmann als Chauffeur. Dummerweise steht ihnen nur ein schrottreifes altes Wohnmobil zur Verfügung, mit dem sie nun von Auftritt zu Auftritt durch die Eifel kurven. Dass die Frohnatur Teddy Marco ein dunkles Geheimnis hütet, dämmert Herbie, als eines Morgens im Laden von dessen Freundin eine Leiche zwischen den Schaufensterpuppen liegt. Und das ausgerechnet im Outlet-Center von Bad Münstereifel.

Ralf Kramp, geb. 1963 in Euskirchen, lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Für sein Debüt »Tief unterm Laub« erhielt er 1996 den Förderpreis des Eifel--Literatur-Festivals. Seither erschienen zahlreiche Kriminalromane und Kurzgeschichten. In Hillesheim in der Eifel unterhält er zusammen mit seiner Frau Monika das »Kriminalhaus« mit dem »Deutschen Krimi-Archiv« (30.000 Bände), dem »Café Sherlock«, einem Krimi-Antiquariat und der »Buchhandlung Lesezeichen«. Im Jahr 2023 wurde er mit dem Ehren--Glauser für »herausragendes Engagement für die deutschsprachige Krimiszene« ausgezeichnet.
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2. Kapitel


Schwarz mit einem bläulichen Glanz, Schwarz mit einem Hauch von Braun, Schwarz mit einem feinen, grauen Schimmer … alle trugen Schwarz, natürlich. Etwas anderes hätte man zu diesem Anlass auch nicht erwartet. Eine Beerdigung wie diese konnte nun einmal nur innerhalb der strengen, katholischen Rituale vonstattengehen. Mit den flehentlichsten Orgelklängen, mit der finstersten Predigt und den bittersten Mienen der Trauergäste.

Selbst das schwache Nachmittagslicht, das durch die Fenster von St. Chrysantus und Daria hereinfiel, schien zu trauern. Herbie roch durch den Weihrauch hindurch Altmännerherrenwasser und Tosca. Um ihn herum war allenthalben rasselndes Atmen zu hören.

Weinte da etwa einer der im Seitenschiff bereitstehenden Sargträger? Der Mann kramte umständlich ein Taschentuch aus der schwarzen Hose und schnäuzte sich geräuschvoll. Nein, eindeutig Schnupfen.

Auch das Gesicht auf der schwarz gerahmten, großformatigen Fotografie, die von Blumen umkränzt direkt neben dem Altar aufgebaut worden war, ließ jegliche Heiterkeit vermissen. Herbie hatte das Foto von Tante Hettie selbst ausgewählt.

»… aber wir wissen es doch alle, wie wir hier sind. Sie war eine Frau, die immer zuerst an andere dachte. Erst ganz zuletzt, nämlich dann, wenn niemand anderes mehr da war, dem sie ihre selbstlose Hilfe und ihre warmherzige Fürsorge angedeihen lassen konnte, erst ganz am Schluss kam sie selbst!« Der Trauerredner war einer von Tante Hetties sogenannten Freunden. Ein steinalter Oberregierungsrat aus dem Bergischen, den Herbie ein paarmal auf runden Geburtstagen gesehen hatte und der ihn trotz seiner schon mehr als vierzig Jahre immer noch mit einem »Du bist aber groß geworden« begrüßte. So auch vorhin vor der Kirche, als die riesige Menge von Trauernden auf den Straßen und durch die Gassen der Stadt auf das Portal zugewabert war.

Herbie hätte nie gedacht, dass es so viele waren, die sich aufmachen würden, seiner Tante das letzte Geleit zu geben. Sie war ein beinhartes, altes Reptil gewesen, eine unnachgiebig geizige Schrulle mit einem beispiellos schlechten Charakter. Warum nur trauerten all diese Menschen um sie?

Tante Hettie war tot.

Wenn Glocken zu diesem Anlass läuteten, so sollten sie eine fröhliche Melodie über die Dächer von Bad Münstereifel schicken. Der Organist müsste einen Walzer intonieren, wenn nicht sogar einen Cha-Cha-Cha.

Aber mit einem Mal erkannte Herbie: Sie alle trugen zwar trauernde Masken, aber es weinte niemand. Das Schnäuzen und Röcheln kam von einem Sommerschnupfen oder vom eigenen körperlichen Verfall. Niemand vergoss eine Träne. Im Gegenteil schienen die meisten der Anwesenden ziemlich aufgeräumter Stimmung zu sein. Herbie spähte durch die Reihen und glaubte jetzt sogar das ein oder andere Zucken in den Mundwinkeln erkennen zu können. Sogar der Pastor zeigte den Anflug eines Lächelns, wie Herbie jetzt entdeckte.

Was war das? Warum zitterten seine Schultern unter dem Messgewand? War das etwa … ja, es war … kein Zweifel … es war ein kaum verhohlenes Kichern.

Rechts in der Menge prustete jetzt einer. Weiter hinten schnaubte jemand amüsiert. Das erste laute Lachen ertönte links an der vorderen Säule. Und es ging weiter, pflanzte sich durch die Reihen fort, steckte alle an. Sie lachten laut los, meckernd, dröhnend. Schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, einige applaudierten sogar.

Auch Herbie ließ nun seinen wahren Gefühlen freien Lauf. Er ließ das Glucksen die Kehle hinaufperlen. Er öffnete den Mund, ließ die Mundwinkel nach oben tanzen. Er blickte zu den Menschen, die ihn umstanden, nickte ihnen lachend zu.

Ja, genau! Die Welt war wieder schön!

»Herbert!«

Es war ein Freudentag!

»Herbert Feldmann!«

Die Gewaltherrschaft seiner Tante hatte ein Ende! Er warf das Joch ab und fühlte sich befreit!

»Was grinst du so dämlich? Ich habe dich was gefragt, hörst du!«

Herbie schrak zusammen.

Seine Tante stieß die Spitze ihrer orientalischen Krücke mehrmals ungeduldig auf den Parkettboden. »Ich verlange, dass du mir zuhörst, wenn ich versuche, dir etwas zu erklären! Du Tagedieb vertrödelst kostbare Zeit mit deinen ewigen, unnützen Träumereien! Was habe ich dir gerade gesagt?«

»Ähm … Tagedieb … Träumereien …«

»Vorher! Was habe ich vorher gesagt?«

… Der große, fette Julius stand vor dem großen Spiegel im Barockrahmen. Ein Spiegelbild gab es nicht. Nicht einmal der Spiegel konnte ihn sehen. Nur er, Herbie, konnte das. Was eines seiner größten Probleme war.

Seine Tante warf mit einer dramatischen Geste, die eines Stummfilmstars würdig gewesen wäre, den weiß gelockten Kopf in den Nacken. »Hach!«, seufzte sie laut auf. »Warum hat mich das Schicksal nur mit diesem Unmenschen von einem Neffen geschlagen? Ein Mann im besten Alter und dennoch völlig lebensuntüchtig! Zu nichts hast du es gebracht! Keinen Beruf, kein eigenes Einkommen, keine Frau, keine Kinder …« Sie stutzte und warf ihm einen scharfen Blick zu. »Obwohl man für Letzteres eigentlich dankbar sein sollte. Wenn ich mir vorstelle, jemand wie du würde sich fortpflanzen …« Sie schüttelte sich.

Seit seiner Kindheit war sie sein Vormund. Seinen Vater hatte Herbie nie persönlich kennengelernt. Er war das Ergebnis einer kurzen Liaison seiner Mutter mit einem der reichsten Männer der Nordeifel. Der Kerl hatte sich nie um ihn gekümmert, und gerade, als er den Versuch machte, die kurze Beziehung zu Herbies Mutter wiederzubeleben, fanden die beiden gemeinsam den Tod in seinem Auto, auf spiegelglatter Straße am Nöthener Berg. Herbie hatte niemanden außer seiner Tante Hettie … und Julius, seinen Begleiter, der für den Rest der Welt ausschließlich in Herbies verknoteten Gehirnwindungen existierte. Der aber dennoch für ihn so real war wie beispielsweise der widerliche Köter seiner Tante, Bärbelchen, das Vieh, das zur Abwechslung mal wieder seinen Knochen beiseitegelegt hatte und knurrend an Herbies Hosenbein herumkaute.

»Lass den Hund in Ruhe und hör mir zu!«

Herbie breitete die Hände aus, um zu signalisieren, dass er voll bei der Sache war.

»Du wirst dir einen Job besorgen!«

»Aber ich habe schon mehrfach …«

»Schweig! Ich will nichts mehr von diesen Katastrophen hören!« Sie stieß donnernd mit ihrer Krücke auf den Parkettboden. »An der Tankstelle bist du in hohem Bogen rausgeflogen, im Sägewerk waren es gerade mal drei Tage, bis du …«

»Moment mal, die sind pleitegegangen!«

»Wegen dir! Nach nur drei Tagen!«

Das war blanker Unsinn, aber es hatte überhaupt keinen Zweck, mit seiner Tante zu diskutieren. Er senkte den Kopf wie ein geschlagener Feldherr. »Jaja, schon gut, ich werde mir einen Job suchen.«

»Ansonsten gibt es kein Geld mehr, hörst du!«

»Ich habe verstanden. Kein Geld mehr …«

»Nicht ›weniger Geld‹, sondern überhaupt keins mehr!«

Er hatte ein unanfechtbares Anrecht auf diese Zahlungen. Vor dem Gesetz galt er als geistig beeinträchtigt und erhielt seit seinem Klinikaufenthalt vor vielen Jahren eine durchaus zufriedenstellende Rente. Aber für die Portionierung des Geldes war nun mal Tante Hettie zuständig. Und die hielt es für ihre Pflicht, ihn so knapp zu halten, wie es nur eben ging. Er war der Erbe eines beträchtlichen Vermögens, aber diese Tatsache galt so viel wie der Besitz eines Quadratmeters Mondoberfläche. Dem unerbittlichen Regiment seiner Tante würde er Zeit seines Lebens ausgeliefert sein. Nein, nicht seines, sondern ihres Lebens. Immerhin ein winziger Lichtblick.

»Du darfst jetzt gehen.« Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und machte eine Handbewegung, als verscheuchte sie eine Fliege.

Herbie erhob sich aus dem Sessel, was Bärbelchen offenbar noch mehr anfeuerte. Die kleinen, spitzen Zähne des Pudels hatten sich in den Stoff der Hose verbissen, und Herbie versuchte ungelenk, sich ihm zu entziehen. In seiner Not schüttete er den letzten Schluck Sprudelwasser nach dem Hund, was diesem ein empörtes Jaulen entlockte.

»Du sollst den Hund in Ruhe lassen! Raus!«

.

»So wie wir beide«, knurrte Herbie kaum hörbar.

»Wie bitte?« Seine Tante, die sich zum Fenster gewandt hatte,...


Ralf Kramp, geb. 1963 in Euskirchen, lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Für sein Debüt »Tief unterm Laub« erhielt er 1996 den Förderpreis des Eifel--Literatur-Festivals. Seither erschienen zahlreiche Kriminalromane und Kurzgeschichten.

In Hillesheim in der Eifel unterhält er zusammen mit seiner Frau Monika das »Kriminalhaus« mit dem »Deutschen Krimi-Archiv« (30.000 Bände), dem »Café Sherlock«, einem Krimi-Antiquariat und der »Buchhandlung Lesezeichen«. Im Jahr 2023 wurde er mit dem Ehren--Glauser für »herausragendes Engagement für die deutschsprachige Krimiszene« ausgezeichnet.



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