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Titelfarbe
Kraus / Krieger | Macht in der Sozialen Arbeit | Buch | 978-3-89918-218-7 | sack.de

Buch, Deutsch, 480 Seiten, Format (B × H): 1480 mm x 210 mm, Gewicht: 750 g

Kraus / Krieger

Macht in der Sozialen Arbeit

Interaktionsverhältnisse zwischen Kontrolle, Partizipation und Freisetzung
3., überarb. u. erw. Auflage 2013
ISBN: 978-3-89918-218-7
Verlag: Jacobs

Interaktionsverhältnisse zwischen Kontrolle, Partizipation und Freisetzung

Buch, Deutsch, 480 Seiten, Format (B × H): 1480 mm x 210 mm, Gewicht: 750 g

ISBN: 978-3-89918-218-7
Verlag: Jacobs


Die Herausgeber legen abermals eine überarbeitete und erweiterte Fassung Ihres Standardwerkes zur Macht in der Sozialen Arbeit vor.

Die Auseinandersetzung mit „Macht“ ist in der Sozialen Arbeit ein unumgängliches Thema. Denn Soziale Arbeit übt in ihren Interaktionen Macht aus, ihrer Klientel gegenüber und der Gesellschaft gegenüber, sie reflektiert sich als Praxis kritisch in Fragen der Macht und sie sieht sich selbst politisch von Machtverhältnissen umgeben.

Die Ungleichverteilung von Macht zwischen Professionellen und ihrer Klientel, die für jede helfende Beziehung kennzeichnend ist, stellt damit als ein Phänomen der Interaktionsmacht nur einen der zentralen Gegenstände der Machtanalyse in der Sozialen Arbeit dar. Ein weiterer Gegenstand findet sich in ihrer Abhängigkeit von anderen sozialen Kräften und ihrer Eingebundenheit in politische Machtstrukturen. Sich selbst dabei als gesellschaftliche Kraft zu erkennen und diese Rolle im eigenen Selbstverständnis offensiv zu interpretieren, ist eine dritte zentrale Reflektionsaufgabe Sozialer Arbeit heute.

Das Buch versucht, in diesen drei Kernfragen verschiedene grundlegende theoretische Positionen zur Machtfrage (u. a. kritisch-theoretische, konstruktivistische, agency-theoretische und neostrukturalistische) für die Analyse Sozialer Arbeit als Praxis und als akademischer Diskurs fruchtbar zu machen.

Das Buch platziert das Thema Macht an der Schnittstelle zwischen sozialkritischer Theoriebildung und der Analyse von Praxissituationen. Damit wird ein Beitrag zum aktuellen akademischen Diskurs zu Machtfragen in der Sozialen Arbeit geleistet und gleichzeitig den Professionellen ein theoretisches Rüstzeug für eine reflektierte Praxis gegeben. Die Herausgeber legen eine überarbeitete und erweiterte Fassung Ihres Werkes zur Macht in der Sozialen Arbeit vor.

Kraus / Krieger Macht in der Sozialen Arbeit jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Teil I

Interaktionsmacht in der Praxis der Sozialen Arbeit

„Macht jenseits der konstruierten Selbstunterwerfung?„
Begriffe, Formen, Quellen der Interaktionsmacht. Konstruktivistische Ansätze zur Mikrophysiologie der Macht in der Sozialen Arbeit
Wolfgang Krieger

Soziale Arbeit – Macht – Hilfe und Kontrolle
Die Entwicklung und Anwendung eines systemisch-konstruktivistischen Machtmodells
Björn Kraus

Zur Notwendigkeit des Machtüberhangs in der Erziehung
Klaus Wolf

Macht und Soziale Arbeit – eine systemtheoretische Perspektive
Hans-Ulrich Dallmann

Supervision oder die Entdeckung der Macht der eigenen Wirksamkeit
Heike Hör/Klaus Schneider

Teil II

Soziale Arbeit und politische Machtstrukturen

Wohlfahrtsstaatlichkeit und Soziale Arbeit in machtressourcentheoretischer Perspektive
Benjamin Benz

Hilfe und Gewalt. Über eine Kritische Theorie der Sozialen Arbeit mit besonderer Rücksicht auf Walter Benjamins Traktat zur „Kritik der Gewalt„
Alex Aßmann

Zur Macht objektiv Kälte verursachender Strukturen in sozialen Berufen
Karin Kersting

Freiheiten im Feld sozialer Sicherheitstechnologien Michel Foucaults Bedeutung für eine kritische Sozialarbeit
Hans-Uwe Rösner

Soziale Arbeit zwischen Macht und Ohnmacht
System- und ambivalenztheoretische Betrachtungen
Heiko Kleve

Teil III

Soziale Arbeit als eine Macht gesellschaftlicher Veränderung

Soziale Arbeit – eine Macht für soziale Gerechtigkeit?
Wilfried Hosemann

Macht und (kritische) Soziale Arbeit
Silvia Staub-Bernasconi

Entwicklungen im machtbestimmten Feld
Die Zukunft der Sozialen Arbeit im Licht der Machttheorie von Pierre Bourdieu
Ulrich Pfeifer-Schaupp

Agency: Handlungs- und Gestaltungsmacht
Heiko Hoffmann

Über Macht und Gewalt im Kontext der Gemeinwesenarbeit: „Keine Macht für niemand?"
Günter Rausch

Machtlos mächtig – Soziale Arbeit in Grenzsituationen des Lebens (am Beispiel Hospiz und Palliative Care)
Albert Mühlum


Das Thema „Macht“ ist nicht gerade en vogue. Es ist eher still geworden um diesen Begriff, der in den Blütezeiten der Kritischen Theorie noch fast in jeder sozialwissenschaftlichen Veröffentlichung zu finden war und dort zu einem Kernbegriff des gesellschaftlichen Legitimationsschwundes avancierte. Um so mehr freuen wir uns, dass wir mit diesem Band nun die dritte Auflage präsentieren können, die durch die Überarbeitung einiger Beiträge und die Aufnahme eines neuen Beitrags zur agency-theoretischen Perspektive aktuellen Entwicklungen Rechnung trägt.

„Macht“ stand in der Literatur der Siebzigerjahre fast durchweg im Verdacht, als Mittel vernunftwidriger Manipulation zu fungieren, Herrschaftsinteressen zu verschleiern und Bevormundung und Unmündigkeit zu begründen. Sie formierte sich ökonomisch, politisch, kulturbildend, kommunikativ, ja rhetorisch als das Instrument sozialer Ungleichheit und ihr Symbol zugleich und stand damit dem zu befreienden Subjekt als der Widersacher schlechthin gegenüber.
„Macht“ in diesem Verständnis ist ein höchst unsympathischer Begriff. Wir assoziieren ihn mit der Behinderung der freien Persönlichkeit, der Unterdrückung von gesellschaftlichen Gruppen, der rücksichtslosen Durchsetzung partikularer Interessen und sogar mit der politischen Hintertriebenheit, dem zu verantwortenden Unrecht auch noch Legitimation zu verschaffen. Wir assoziieren ihn mit Boshaftigkeit, Arglistigkeit und Eigennützigkeit.
Ein solcher Begriff der Macht suggerierte allzu leicht eine Personifizierung jener Kräfte, denen das Subjekt – wider Willen – unterworfen ist. Die Alltagssprache fasst noch wie selbstverständlich den Begriff der Macht so, als ob sie sich im Besitz von Wenigen befinde, als ob sie ein Gut sei, eine Disposition, ein Kapital, welches durch vorteilhafte Umstände Privilegierten zufalle. Dabei wird übersehen, dass Macht von Menschen gemacht wird, dass sie in sozialen Prozessen unvermeidlich entsteht, wo immer Regeln geschaffen, Kompetenzen verteilt, Abhängigkeiten arrangiert und ausgewählten Rollenträgern ein Anspruch auf bestimmte Rechte und Ressourcen zugesprochen wird. Macht stellt sich überall dort ein, wo Menschen ihr Verhalten aufeinander abstimmen und soziale Ordnungen hervorbringen. Denn soziale Ordnungen schränken die Freiheiten aller ein, indem sie die Nutzung von Freiheit bestimmten Rollen zuteilen und anderen absprechen. Es gibt, so sagte es POPITZ, daher keine „machtsterilen Verhältnisse“.1
Nicht weniger wird im Alltagsbegriff der Macht übersehen, dass Macht nicht nur auf eine Person oder Institution bezogen ist, sondern eine Relation zwischen mehreren Personen oder Institutionen bezeichnet, eine reziproke soziale Beziehung eigener Art. Macht gibt es auf beiden Seiten, bei den Herrschenden und den Beherrschten; denn sie hätte keinen Grund, wären nicht beide aufeinander angewiesen. Es ist daher sinnvoller, von Machtbalancen zu sprechen, von Mächtigeren und Mindermächtigeren, und im Auge zu behalten, dass faktisch die Relationen zwischen den Betroffenen durch eine Vielzahl von Mitteln aus verschiedenen Machtquellen geprägt sind. Die Verfügbarkeit der Mittel und der Zugang zu Machtquellen ist zudem vielschichtigen Veränderungen unterworfen; Macht flottiert gewissermaßen frei in der Konstituierung von Beziehungen. Sie ist mit LUHMANN gesprochen, ein symbolisches Kommunikationsmedium. Als solches ist sie auch nachgerade falsch beschrieben, wenn ihr Bedingungsfeld nur auf dyadische Beziehungen begrenzt wird.

„Machtsterile Verhältnisse“ – so zeigt diese Kritik des Alltagsbegriffes von Macht – sind auch für die Praxis der Sozialen Arbeit nicht zu vermuten. Zunächst ist es wichtig zur Kenntnis zu nehmen, dass Macht in der Praxis der Sozialen Arbeit ein unvermeidliches Faktum ist, mehr noch, dass balancierte Machtverhältnisse in diesem Feld nur selten anzutreffen sein werden – schon allein deshalb, weil KlientInnen von Professionellen ein Mehr an Kompetenz erwarten. HERRIGER sieht diese Tatsache als notwendige Voraussetzung helfender Beziehungen überhaupt:

„Die Ungleichverteilung von Macht zwischen beruflichem Helfer und Klient, das systematische Gefälle von Kompetenz und Nicht-Kompetenz, ist ein konstitutives Element einer jeden helfenden Beziehung.“2
Es ist daher zunächst einmal für eine gewinnbringende Befassung mit dem Thema Macht in der Sozialen Arbeit notwendig, dass der Begriff „Macht“ nicht von vornherein „dämonisiert“ und sodann die Existenz von Macht gar aus den Norm(alitäts)vorstellungen von Sozialer Arbeit verbannt wird. Die Betrachtung von Machtphänomenen als „Störungen der Reziprozitätsnorm zwischen Helfer und Klient“3 ist ein Beispiel für die ideologische Ausgrenzung der Machtkategorie aus dem Diskurs der akademischen und praktischen Sozialen Arbeit. In der Regel liegt solchen Sichtweisen ein Verständnis von Macht zugrunde, welches Macht zuallererst als Behinderungsmacht interpretiert, Fragen der Legitimität von Macht von vornherein ausklammert und Macht immer schon ins Unrecht setzt.
Leider ist bezüglich der Begriffe Macht und Herrschaft der Sprachgebrauch in der Sozialen Arbeit zuweilen nicht nur sehr ungenau, sondern auch von Harmonisierungsideologien verbrämt. Wenn sich Soziale Arbeit unter dieser Kategorie nicht reflektieren kann, weil etwa das Partizipationsprinzip mit einem missverstandenen Machtverzicht des Helfers in eins gesetzt wird oder der Respekt vor der Kompetenz des Klienten nicht nur die Kompetenzerwartung gegenüber dem Professionellen übersehen, sondern auch die Anforderungen des gesellschaftlichen Auftrags vergessen lässt, dann schwebt sie in der Gefahr, eine zentrale Ausgangsbedingung ihrer institutionellen Realität zu missachten und den Umgang mit dieser zu tabuisieren. Gerade die Dämonisierung der Macht führt dazu, dass sie im konzeptionellen und praktischen Diskurs verschleiert werden muss. Machtkritisch engagierte Positionen müssten es daher eigentlich gerade als ihr Ziel erkennen, die Tauschverhältnisse4 in der Praxis der Sozialen Arbeit unter Machtbedingungen zu untersuchen, um detailliert die Legitimität von Macht überprüfen zu können und den Umgang mit Macht Tauschlogiken zu unterwerfen, die im Verlauf eines Hilfeprozesses zunehmend besser balancierte Machtverhältnisse zu erreichen gestatten.
Welche Theorien zur Macht lassen sich für die Soziale Arbeit nutzbar machen?
Theorien zur Macht finden sich zahlreich und sie unterscheiden sich erheblich, nicht nur in der Beschreibung von Abhängigkeitsverhältnissen und ihren emergenten Phänomenen, sondern auch fundamental hinsichtlich des Explanans „Macht“. In einigen Ansätzen erscheint Macht als ein menschliches, insbesondere soziales Produkt („Macht wird gemacht.“5), in anderen als ein anthropologisches Faktum, das der „Funktionslust“ entspringt (BÜHLER6) oder dessen Konterfei die Angst vor dem Fremden ist (PLESSNER7), in wieder anderen als die Fähigkeit von Menschen zum gemeinschaftlichen Handeln (ARENDT) oder als eine hintergründige Kraft, die durch die Körper der Einzelnen hindurch unbemerkt deren Subjektivität konstituiert (FOUCAULTs „Bio-Macht“). BOURDIEU fasst in seinem Begriff der „symbolischen Macht“8 die Tatsache, dass Kultur durch Sprache und Habitus (die sozial geformten Körper) die vorhandenen Herrschaftsverhältnisse reproduziert. Die Analyse von „Macht“ hat offensichtlich nicht nur sehr Unterschiedliches zu erklären, sie hat auch ein sehr verschiedenes Gesicht.
Gehen wir zunächst von einem Ansatz aus, der Macht soziologisch als eine „soziale Tatsache“ konstruiert, als ein Erklärungsprinzip für eine bestimmte Wirkdynamik in sozialen Handlungen. „Macht“ dient beispielsweise – so hat es Max WEBER9 gesehen – der Erklärung bestimmter miteinander korrespondierender Verhaltensweisen in sozialen Interaktionen, von denen vermutet wird, dass sie einem Gefälle von Chancen der Interessensdurchsetzung entspringen.
„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“10
Mit seinem Hinweis auf mögliches Widerstreben postuliert WEBER zwischen den Interaktionspartnern einen Interessenskonflikt. Die Macht des Mächtigen ist also zumindest der Möglichkeit nach dem Willen des von Macht Betroffenen entgegengesetzt.11 WEBERs Begriff der Macht fokusiert auf die Beziehung zwischen dem Mächtigen und dem Unterworfenen. In ähnlicher Weise beschreibt Norbert ELIAS Macht als die Differenz der Abhängigkeit zweier Subjekte voneinander („Machtdifferentiale“).
Diese Differenz der Interessen oder der Abhängigkeiten ist in den Theorien der Macht allerdings nicht immer vorausgesetzt worden. Theorien, die Macht als die Summe der Kräfte und Mittel verstehen, die einer Person oder Gruppe zur Verfügung stehen, und den Begriff damit eng an den lateinischen Begriff der „potentia“ anlehnen, oder solche, die die Macht des Menschen über den Menschen aus einer anthropologischen Mächtigkeit gegenüber der Welt ableiten (NIETZSCHE, PLESSNER), betonen vor allem die Bewältigungsfunktion der Macht und damit die soziale Wirksamkeit von Machtverhältnissen. Sie fokussieren nicht auf die Beziehung zwischen den Mächtigen und den Unterworfenen, sondern auf den Zweck dieser Beziehung nach außen. Diese Funktion kann durch Solidarisierung von Subjekten oder Gruppen gesteigert werden. Daher erscheint Einvernehmen zwischen Subjekten hier als Konstitutivum „sozialer Macht“, nicht Interessenskonflikte zwischen ihnen. Der Macht des Mächtigen geht eine Ermächtigung durch die Gruppe voraus. Seine Interessen müssen daher im Einvernehmen mit jenen der Gruppe stehen.12 Ein Beispiel hierfür ist der Ansatz zur „konsensuellen Macht“ von Hannah ARENDT, die Macht als die menschliche Fähigkeit bezeichnet, „nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln“13. Wenn es um die Durchsetzung des eigenen Willens gegen Widerstand anderer geht, spricht ARENDT hingegen von Gewalt. Sie stellt damit einen Gegensatz zwischen den Begriffen „Macht“ und „Gewalt“ her, der sich nicht in der Wahl der Mittel begründet, sondern in der Funktion: Macht ist ein Konstitutivum sozialen Zusammenhalts, insofern eine universelle Grundlage politischen Gemeinwesens, Gewalt hingegen ist als Mittel der Interessensdurchsetzung instrumental und untergräbt den Zusammenhalt bzw. ist eine Folge des verlorenen Zusammenhalts.14 ARENDT sieht damit ein Kriterium des WEBERschen Machtbegriffes, nämlich das der Interessensdurchsetzung, erst im Begriff der Gewalt beansprucht. Der Machtbegriff ARENDTs ist insofern also mit jenem von WEBER unvereinbar; eher schon scheint der Gewaltbegriff diesen zu ersetzen. Solch unterschiedlicher Begriffsgebrauch macht es nicht eben leicht, Positionen aufeinander zu beziehen und zu vergleichen.
Ein ähnliches Problem stellt sich ein, wenn man den Machtbegriff WEBERs versucht in neostrukturalistische Machttheorien zu integrieren. WEBERs Postulat des Interessenskonfliktes und der Durchsetzung des eigenen Interesses gegen den Willen der Mindermächtigen erscheint in diesen Machttheorien regelrecht als oberflächliche Interpretation, als „Personifizierung“ von Mechanismen, die hintergründiger sind. Weder FOUCAULTs Theorie der Gouvernementalität noch BOURDIEUs Machtanalyse in den „feinen Unterschieden“ noch Judith BUTLERs „Psyche der Macht“ sehen Machtprozesse durchweg in Konfrontation mit dem mindermächtigen Subjekt. Sie gehen vielmehr davon aus, dass Subjektivität selbst erst durch diese Prozesse hergestellt wird: „Subjektivation“ ist der Prozess der „produktiven Macht“ (FOUCAULT):

„Subjektivation ist also weder einfach Beherrschung, noch einfach Erzeugung eines Subjekts, sondern bezeichnet eine gewisse Restriktion, ohne die das Subjekt gar nicht hervorgebracht werden kann, eine Restriktion, durch welche diese Hervorbringung sich erst vollzieht.“15
Die Wirkungen der Macht setzen hier also früher an als in der Konfrontation von Interessen, nämlich bereits in der Entstehung derselben. Auch die Mächtigen selbst sind so gewissermaßen das Opfer der Macht, in deren Namen sie Norm und Abweichung und somit soziale Ungleichheit schaffen.
So unterschiedlich diese drei Ansätze auch argumentieren, so leisten sie doch jeder für sich einen wesentlichen Beitrag zu theoretischen Erfassung einzelner Aspekte der Macht, die sich in einer späteren Ausdifferenzierung von Machtphänomenen wiederfinden. Was bleibt, ist allerdings auch eine grundlegende Differenz über das Wesen der Macht in diesen Ansätzen.

Die in diesem Band vereinten Ansätze sind in ihren erkenntnistheoretischen, wissenschaftstheoretischen und fachdisziplinären Voraussetzungen sehr unterschiedlich orientiert. Der Band stellt u. a. Beiträge aus systemisch konstruktivistischen Perspektiven, Beiträge aus kritisch-theoretischen Perspektiven, aus einer agency-theoretischen und solche aus neostrukturalistischen Perspektiven einander gegenüber. Es war die Absicht der Herausgeber, durch die Pluralität der vorgestellten Erörterungen einen Beitrag zu „guter wissenschaftlicher Praxis“ zu leisten, die es gestattet, unterschiedliche Positionen zunächst zur Kenntnis zu nehmen, bevor diese zu Kontroversen in den Diskurs geworfen werden. Gerade in den Theorien zur Macht gibt es keine Positionen, die nicht höchst voraussetzungsvoll orientiert wären.
Auch unterscheiden sich die Ansätze weniger dadurch, dass sie verschiedene Antworten auf die selben Fragen geben würden, als vielmehr dadurch, dass sie recht unterschiedliche Fragen zur Machtproblematik formulieren. Die Theorieansätze konkurrieren also nicht notwendigerweise miteinander, sie tragen vielmehr facettenhaft zu einer vielschichtigen Sichtweise des Machtphänomens und seiner Voraussetzungen bei.
Wir haben bei der Konzeption des Bandes eine Dreigliederung zugrunde gelegt, die die unterschiedlichen Themenschwerpunkte und Akzente der Beiträge in systematischer Weise ordnen möchte und zugleich Gelegenheit bieten möchte, von verschiedenen paradigmatischen Standpunkten aus ein Licht auf eine gemeinsame Frage zu werfen. Wir schreiten dabei vom Konkreteren zum Abstrakteren, vom überschaubaren dyadischen Machtverhältnis über die gesellschaftlichen Bedingungen der Macht zur Frage nach der Rolle der Sozialen Arbeit als (Gegen-)Macht in der Gesellschaft.
Der erste Teil des Bandes richtet sich auf die Frage der Macht in Interaktionsverhältnissen des Klient-Helfer-Systems; es geht in diesen Beiträgen um Sichtweisen der „Interaktionsmacht“16. Der zweite Teil beleuchtet die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Sozialer Arbeit, d. h. ihre Arbeitsbedingungen, ihre Professionsrolle und ihr Selbstverständnis unter den gegebenen gesellschaftlichen und politischen Machtstrukturen. Der dritte Teil schließlich gilt der (Selbst-)bestimmung Sozialer Arbeit als Gegenkraft oder als kritisches Innovationspotential gegenüber der gesellschaftlichen Realität; es stellt sich hier die Frage, inwieweit Soziale Arbeit eine gesellschaftliche Macht darstellt.

Einführend geht Fabian KESSL der Frage nach, inwieweit und in welcher Form Macht für die Soziale Arbeit im deutschsprachigen akademischen Diskurs ein Thema ist. Zum einen stellt KESSL einen deutlichen Mangel an expliziter Bearbeitung der Machtthematik in der Sozialen Arbeit in theorie-systematischer Hinsicht und ein umfassendes Forschungsdesiderat fest, zum anderen bemerkt er doch zahlreiche „implizite“ Spuren des Machtdiskurses in Beiträgen, die sich vor allem in diversity-orientierten Analyseansätzen in der Sozialen Arbeit finden. Diese paradoxe Situation zu erklären, heißt, sich der Diskussion um die grundsätzliche Frage zuzuwenden, ob es noch sinnvoll ist, nach Quellen der Macht zu suchen, oder ob man nicht eher mit Sofsky und Paris der Ansicht folgen sollte, dass Macht jener Wirklichkeit schon eingeschrieben ist, die Macht weiterhin hervorbringt, und daher sich beschreibend der Analyse von Machtfigurationen zuwendet. Letztere Position versteht Macht- und Herrschaftsverhältnisse nicht als vorgängige Strukturen, sondern „als Ausdruck historisch-spezifischer Kontexte“. In die gegebenen „Kräfteverhältnisse als historisch-spezifische Macht- und Herrschaftsverhältnisse“ ist Soziale Arbeit nicht nur hineingestellt, sondern sie sind dieser auch „innerlich“, d. h. sie drücken sich auch in den Interaktionen der Beteiligten und in den professionell-fachlichen Interventionen aus. KESSL bedauert, dass die spärlichen Analysen von Machtverhältnissen und -praktiken in der deutschsprachigen Debatte um die Soziale Arbeit nur selten von solcher Innerlichkeit ausgehen; sie folgen in ihrem Blick vielmehr in der Regel ursprungstheoretischen Prämissen oder ignorieren die Frage nach der fundamentalen Immanenz von Macht in modernen Gesellschaften vollständig. Solche Engführungen können hingegen vermieden werden durch „genealogische Vergewisserungen“ und „Studien, die sich den historisch-spezifischen Kräfteverhältnissen in bestimmten Zusammenhängen Sozialer Arbeit analytisch widmen“. Ansetzen könnten solche Studien etwa an Mollenhauers materialistischen Gegenwartsanalysen, wie KESSL aufzeigt. Dem mollenhauerschen Verständnis von Sozialer Arbeit als Bildungsveranstaltung im Sinne einer Instanz der gesellschaftlichen Selbstkritik entsprechend stünden solche Studien im Status einer kritisch forschenden Reflexion von Sozialer Arbeit, durch welche das eingangs bemängelte theorie-systematische Defizit allmählich behoben werden könnte.

Den Anfang innerhalb der konstruktivistisch orientierten Beiträge bildet der Versuch Wolfgang KRIEGERs, der häufig abweisenden Haltung gegenüber dem Gebrauch der Machtmetapher bei konstruktivistischen Philosophen und Therapeuten entgegenzutreten und mit der Unterscheidung von „Physischer Macht“ und „Provokationsmacht“ zwei Machtverständnisse zu entwerfen, die auch unter konstruktivistischen Prämissen haltbar sind.
Nach einer begrifflichen Analyse zu Macht, Herrschaft und Gewalt wird zunächst eine Systematik entwickelt, um verschiedene Formen von Macht im Bereich menschlicher Interaktionen zu unterscheiden. KRIEGER diskutiert die Grenzen des Postulates der „freiwilligen Selbstunterwerfung“, zeigt am Beispiel der Machtdefinition Max WEBERs die Problematik verworrener Beobachterperspektiven in der Verfassung des Machtbegriffes auf und stellt einen Ansatz vor, in welchem die Konsequenzen der „Rede von Macht“ beleuchtet werden. Das Denken im „Als-ob-Modell der Macht“ bildet die Grundlage zum Aufweis einer „Mikrophysiologie“ der Interaktionsmacht in der Sozialen Arbeit, die nun die Beobachterperspektiven auseinander hält und die Verwendung des Konstruktes nach den „Manifestationsstufen“ der Macht differenziert. Die eingangs entwickelte Systematik der Machtformen wird sodann wieder aufgegriffen, um sie nun für einen Überblick über die Machtmittel in der Sozialen Arbeit zu nutzen und ihre Bedeutung im Rahmen der „Normalisierungsmacht“ Sozialer Arbeit als Dilemma von Hilfe und Kontrolle darzustellen. Abschließend präsentiert KRIEGER diverse Machtphänomene in den „Spielkonstrukten der Verhandlungs- und Tauschprozesse“ der Sozialen Arbeit, indem er konstruktivistische und tauschtheoretische Perspektiven zusammenführt und den praktischen Umgang mit Macht unter dem Leitprinzip eines machtbalancierten Interaktionsverhältnisses kritisch diskutiert.

Eine Korrektur zu Gunsten einer differenzierten Befassung mit dem Thema unter konstruktivistischen Prämissen vorzunehmen, ist auch das Anliegen des folgenden Beitrags von Björn KRAUS. Seine Intention ist es, die dem Konstruktivismus häufig angelastete „Befangenheit in der Subjektperspektive“ zu überwinden und einen „intersystemisch perspektivierten“ Konstruktivismus darzustellen, der es gestattet, die Möglichkeit von Macht als Beeinflussungsvermögen in menschlichen Interaktionsverhältnissen zu begründen. Die Kernfrage, ob Macht als Faktum oder nur als Metapher zu gelten hat, beantwortet KRAUS mit einen „Sowohl-Als-auch“: Als „instruktive Interaktion“ ist Macht ein haltloser Mythos, als Chance zur Reduktion von Handlungsmöglichkeiten wirkt sie aber als Faktum. Letztere Form bezeichnet KRAUS als „destruktive Macht“, denn sie zerstört Wahlfreiheiten. Doch auch der Mythos der „instruktiven Interaktion“ muss insofern ernst genommen werden, als durch die Zuschreibung von Macht Subjekte bereit sind, sich dem Willen eines Anderen zu unterwerfen. Wenn dies zutrifft, spricht KRAUS von „instruktiver Macht“. Die „Instruktion“ gelingt nicht, weil das Denken und Wollen des Mindermächtigen versklavt werden kann, sondern weil der Glaube an die Macht des Anderen sich selbst erfüllt. Diesem Doppelaspekt trägt KRAUS nachfolgend in seiner Analyse der „Kernfunktionen“ Sozialer Arbeit Hilfe und Kontrolle Rechnung, indem er letztere in „instruktive“ und „destruktive Kontrolle“ scheidet und die Anwendung ihrer Machtmittel an einem Beispiel illustriert. KRAUS zeigt abschließend auf, wie die Modellierung „gelingenden Lebens“ selbst zu einem Gegenstand „instruktiver Kontrolle“ geraten kann. Nichtsdestoweniger kommt der Sozialarbeiter nicht umhin, sich hier an Normen zu orientieren und sein Wissen um mehr Optionen in die Waagschale zu werfen.

Die Machttheorie von Norbert ELIAS bildet den Ausgangspunkt von Klaus WOLFs Erörterungen zur „Notwendigkeit des Machtüberhangs in der Erziehung“. Die Herleitung des Machtbegriffes aus der Situation des Aufeinander-Angewiesen-Seins bei ELIAS bietet nicht nur gerade für die Analyse der Erziehungswirklichkeit einen überzeugenden Ansatz, sondern sie impliziert auch von vornherein, dass Machtverhältnisse neben anthropologischen auch soziale Voraussetzungen haben, die sich ändern können und die damit sinnvoll nur in einer Dynamik von „Machtdifferentialen“ (ELIAS) zu beschreiben sind. Das Mehr an Abhängigkeit, über das der Mächtige verfügt, ist in Relation zu den Machtpotentialen des Mindermächtigen zu sehen. WOLF zeigt auf, dass etwa der „Vorsprung an Orientierungsmitteln“, den Erwachsene/Eltern gegenüber Kindern haben und der s.E. eine notwendige Bedingung von Erziehung darstellt, mit der zunehmenden Kompetenz der Kinder dahinschmilzt. Machtverhältnisse (WOLF nennt sie „Machtbalancen“) sind nicht nur dynamisch zu betrachten, sondern sie sind auch hinsichtlich der Machtquellen zu differenzieren, die ein komplexes Zusammenspiel aufweisen. WOLF hat sieben Machtquellen unterschieden, die er in seiner Untersuchung zur Heimerziehung (1999) der Analyse zugrunde gelegt hat und deren interdependente Wirkungsweisen er in seinem Artikel beschreibt. Dieses Modell bildet den Rahmen für die Beantwortung seiner zentralen Fragen nach den Machtmitteln und Machtquellen, die den Machtüberhang in der Erziehung hervorbringen, nach der Entwicklung des Machtüberhangs im Erziehungsprozess und nach seiner pädagogischen Legitimation.

Hans-Ulrich DALLMANN geht die Frage der Macht in helfenden Beziehungen aus der Sicht der luhmannschen Systemtheorie an. Macht stellt für LUHMANN ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium dar, welches – funktional äquivalent zur Moral – Konditionierung und Motivation mit einander verknüpft. Für die Soziale Arbeit ist zum ersten höchst bedeutsam, dass sie an Recht gebunden ist, und insofern Recht als „Zweitcodierung“ der Macht fungiert, sind der Sozialen Arbeit Regeln vorgegeben, die zugleich Technisierung der Macht bedeuten. Zum Zweiten ist Soziale Arbeit dem Kommunikationsmedium Politik unterworfen, welches durch strukturelle Koppelung an das Recht der Macht Legitimität und damit Kontinuität verschafft. Machtförmige Kommunikation wird daher in der Sozialen Arbeit dadurch wahrscheinlicher, dass sie auf den Grundlagen des Rechts zu operieren hat, dass sie an das Subsystem der Politik strukturell gekoppelt ist und schließlich dass ihre Leistungen durch Ressourcen finanziert werden müssen, die andernorts erwirtschaftet und damit auch freigegeben werden. In dem Maße, wie sich Soziale Arbeit in Machtverhältnissen vorfindet, schleicht sich machtförmige Kommunikation in ihre Praxis ein.
DALLMANN stellt in Fortführung seiner systemtheoretischen Erörterung vier typische Formen der Macht vor, die Monika BOBBERT in ihrer Interaktionsanalyse mit PatientInnen in der Pflege entwickelt hat und die unschwer auf Interaktionsverhältnisse in der Sozialen Arbeit zu übertragen sind. Da Macht aber zu begrenzt beschrieben wäre, würde man sie nur in den Machtformen in Interaktionsverhältnissen erkennen wollen, erweitert DALLMANN seine Perspektive um die Sichtweise der FOUCAULTschen Machttheorie, die ja gerade Macht jenseits konkreter Interaktionen thematisiert. Er greift aus den anschaulichen Beschreibungen in „Überwachen und Strafen“ einige Beispiele heraus, die in den Formen der Kontrolle und Disziplinierung auch in der Sozialen Arbeit ihren Platz haben.

Radikalkonstruktivistische Positionen zur Problematisierung von Macht in Supervisionsprozessen sind der Gegenstand des Artikels von Heike HÖR und Klaus SCHNEIDER. Nach einem Überblick über die – eher spärliche – Quellenlage zum Thema Macht und Supervision versuchen HÖR und SCHNEIDER selbst, den Blick auf die Macht auch im Supervisionssetting als hilfreiche Unterscheidung nutzbar zu machen. Die Machtfrage stellt sich dabei in doppelter Weise: zum ersten hinsichtlich des Selbstverständnisses von Supervision und zum zweiten hinsichtlich der Kommunikations- und Organisationsstrukturen der zu supervidierenden Einrichtungen und Teams. In beiden Fällen ist der Blick auf Machtverhältnisse nützlich, um Spielräume und Grenzen des beruflichen Handelns auszuloten. HÖR und SCHNEIDER sehen im kritischen Blick auf die Machtverhältnisse in Supervisionsprozessen eine Chance, die „Spielräume und Grenzen des beruflichen Handelns auszuloten“. Aus dieser Reflexion erwächst zum einen eine neue Sicht der eigenen Verantwortung von SupervisorInnen, zum andern aber auch die Pflicht, die Folgen der Zuschreibung von Macht seitens der SupervisandInnen zu bedenken. Werden Machtverhältnisse und Machtzuschreibungen im Supervisionsprozess transparent gemacht und Durchsetzungsstrategien thematisiert, lässt sich auch auf beiden Seiten für die Frage der Verantwortung mehr Klarheit gewinnen.

Einführend in den zweiten Teil expliziert Benjamin BENZ in seinem Beitrag die Machtressourcentheorie in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung und fokussiert die Relevanz des Wohlfahrtsstaates für Adressaten, Fachkräfte und Organisationen der Sozialen Arbeit. Dabei fragt er, wie und mit welchem Ertrag für Machtfragen in der Sozialen Arbeit sich die Genese und Varianz wohlfahrtsstaatlicher Arrangements im internationalen Vergleich verstehen lassen. Der Rückbezug auf die Industrialisierung, die Demokratie als Herrschaftsform sowie Klassenstrukturen und soziale Bewegungen alleine reichten s.E. hierfür nicht aus. Vielmehr müssten konkretes politisches Handeln und Koalitionen sowie die Entwicklung von Machtressourcen in den Blick genommen werden, die sich mittels des Wohlfahrtsstaates realisieren lassen. In einem zweiten Schritt wendet er sich demgemäß unterschiedlichen Machtressourcen und deren Verteilung zwischen Individuen und sozialen Gruppen zu und arbeitet heraus, dass diese nicht um ihrer selbst willen eingesetzt, entwickelt und transformiert werden, sondern intentional, um ökonomische, politische und soziale Interessen und Wertvorstellungen durchzusetzen. Idealtypisch unterscheidet er mit Gøsta ESPING-ANDERSON drei Wohlfahrtsregime, in deren Strukturmerkmalen Konkretisierungen der großen politischen Ideenfamilien und sozialen Bewegungen des Konservatismus, Liberalismus und Sozialismus deutlich werden. „Machtressourcen von KlientInnen(-Gruppen), Fachkräften und Organisationen der Sozialen Arbeit scheinen in verschiedenen Wohlfahrtsregimen und konkreten Wohlfahrtsstaaten unterschiedlich stark geschützt und entwickelt zu sein“, so BENZ. Im Ergebnis plädiert er für eine professionelle Selbstverortung der Sozialen Arbeit dezidiert jenseits des Marktes, die die unterschiedliche Bedeutung von Markt, Staat und drittem Sektor für den Schutz, die Entwicklung und die Verteilung von Machtressourcen wahrnimmt und die Entwicklung eigener Machtressourcen zum Thema macht.

Aus dem Blickwinkel der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule untersucht Alex AßMANN sozialarbeiterisches Handeln hinsichtlich seiner reproduktiven Eingebundenheit in den Prozess der Vermittlung gesellschaftlicher mit privaten Interessen auf die Grundlagen seiner Legitimität hin. Aus Walter Benjamins rechtsphilosophischem Traktakt „Zur Kritik der Gewalt“ übernimmt er hierfür erstens die These, dass allen gesellschaftlichen Praktiken der öffentlich-staatlichen und privaten Interessensvermittlung nicht nur ein Moment der Gewalt inne sei, sondern sie auch zu dahingehenden Entfremdungsprozessen führten. Denn die Schlichtung privater Konflikte könne zum einen nur den Weg ihrer Versachlichung in Rechtskategorien gehen. Zum anderen stellt AßMANN den Bezug zur Kritischen Theorie der Frankfurter Schule in zivilisationsanthropologischer, moral- und sozialphilosophischer Hinsicht dort her, wo die Frage nach rechtmäßiger und unrechtmäßiger Gewalt gegenüber dem Postulat von Emanzipation, an dem sich die moderne bürgerliche Gesellschaft ihren Bürgern gegenüber legitimiert, nur im Sinne einer Negation der bestehenden Zusammenhänge zu stellen sei. So rückt das sogenannte „doppelte Mandat“ Sozialer Arbeit in das Interesse der kritischen Sozialphilosophie.

Karin KERSTING stellt die Frage nach der Macht der Verhältnisse, welche Professionelle in sozialen Berufen dazu zwingen, gegen ihren Willen in ihrer Arbeit hinter dem normativ Gebotenen und hinter eigenen moralischen Ansprüchen zurückzubleiben. Es ist ihre Kernthese, dass die Gründe hierfür in „objektiv Kälte verursachenden Strukturen“ zu finden sind, welche nicht nur den professionellen Anspruch untergraben, sondern zugleich auch Deutungsmuster des Arbeitsalltags hervorbringen, welche das subjektive Differenzerlebnis mental zu neutralisieren vermögen. Die von GRUSCHKA ausgelegte Metapher der „bürgerlichen Kälte“ (Theoremen der Kritischen Theorie ADORNOs und HORKHEIMERs entnommen) bezeichnet das moralische Prinzip, den unauflösbaren Widerspruch von normativen Ansprüchen und strukturellen Bedingungen meist integrativ zu bearbeiten und so mehr oder minder entlastet und handlungsfähig zu bleiben. An Beispielen der Pflegepraxis zeigt KERSTING die Strukturmomente auf, die zur Kälte führen, und beschreibt die unterschiedlichen Reaktionen der Professionellen auf den Widerspruch. Die in sozialen Berufen Tätigen lernen, in unterschiedlichen Ausprägungen sich „kalt“ zu machen. KERSTING entwickelt hier eine Typologie der Reaktionsmuster, der mentalen Wege, sich mit der Macht der Verhältnisse zu arrangieren, was sie auch als einen Prozess der moralischen Desensibilisierung beschreibt. Was hier anschaulich für die Pflegepraxis beschrieben wird, lässt sich gewiss weitgehend auf die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit transferieren. Dies illustriert KERSTING exemplarisch am Beispiel der Schuldnerberatung.

In welcher Weise Soziale Arbeit an Foucaults Machtkritik ansetzen kann, ist die Leitfrage des Beitrages von Hans-Uwe RÖSNER. Ausgehend von Foucaults historiographischem Verfahren der „Genealogie“ gibt RÖSNER zunächst eine detaillierte Einführung in das machtanalytische Denkgebäude Foucaults und führt in die verschiedenen Machttypen und Disziplinarmechanismen ein. Dabei wird der allmähliche Wandel des Machtbegriffes in Foucaults Schriften – bis hin zum Begriff der „Gouvernementalität“ – deutlich. An den unterschiedlichen Sicherheitsdispositiven – Pastorat, Staatsräson, Polizei und Liberalismus – zeigt der Autor kritisch die Logiken auf, denen sich Soziale Arbeit andienen kann und angedient hat. Alternativ zu ihnen steht Foucaults Vorschlag einer „Ästhetik der Existenz“, die eine Praxis der Selbstsorge in relativer Autonomie gegenüber äußeren Standardisierungskräften verspricht und damit einer Kritischen Sozialen Arbeit wohlgefällig scheint. Dennoch kritisiert RÖSNER, dass „Foucaults Begriff der Selbstsorge nicht ausreicht, die Freiheit verbürgenden Handlungsspielräume in der Sozialen Arbeit angemessen wahrzunehmen“. Vielmehr – und darin folgt der Autor den Ansätzen Ulrich Bröcklings und Judith Butlers – braucht eine Theorie des fürsorgeabhängigen Subjekts neben dem Begriff der Selbstsorge auch einen Begriff der Fürsorge, die den Anderen in seiner Verschiedenheit anerkennt und dennoch Verantwortung für ihn ermöglicht.

Heiko KLEVE unternimmt den Versuch, die sozialarbeiterische Ambivalenz von Macht und Ohnmacht im Schnittpunkt zwischen der LUHMANNschen Systemtheorie und der postmodernen Theorie der Ambivalenzreflexion zu verorten. Grundlegend für KLEVEs Überlegungen ist die Frage nach der Unterscheidung von Macht und Ohnmacht in der Sozialen Arbeit.
KLEVE geht es um den Nachweis, dass ein Verständnis von Macht als intentionalem Handeln zu kurz greift und sie vielmehr – mit LUHMANN – durch ihre Anbindung an die Politik als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium zu verstehen ist. Macht schreibt sich jenseits von psychischen Systemen in Kommunikationsstrukturen ein und sie schleicht sich auf politischem Wege in die Soziale Arbeit ein, so „dass auch dort Politik, also Macht prozessieren kann, wo die Beteiligten meinen, es gehe um Soziale Arbeit“. Dabei ist postmodern nach seiner Auffassung relevant, dass Macht und Ohnmacht nicht einfach einzelnen Phänomenen zugeordnet werden kann, sondern grundsätzlich – als die zwei Seiten einer Unterscheidung – im selben Phänomen oszillieren. Eine der politischen Ermächtigungen von Sozialer Arbeit besteht darin, dass Soziale Arbeit in der Unterscheidung von Norm und Abweichung Definitionsmacht auszuüben hat; sie hat zu kategorisieren und zu objektivieren. Allerdings ist Soziale Arbeit postmodern in eine Situation hineingestellt, in der sich nicht mehr sagen lässt, was normal und was abweichend sei. Dies zwingt Soziale Arbeit zuweilen in ein dialogisches Verhältnis zu ihrem Klientel, will sie nicht willkürlich verfahren. Und dort steht ihrer Definitionsmacht nun die Macht der Klientel entgegen, ihre Ziele durchzusetzen oder sich dem Kontrakt zu entziehen und die Hilfebeziehung aufzulösen. Unter postmodernen Bedingungen lässt sich Macht und Ohnmacht daher nicht einfach einer der beiden Seiten zuordnen, sondern ihr Verhältnis ist den Prozessen der Aushandlung ausgesetzt.

In die Ausgangsfrage des dritten Teiles „Stellt Soziale Arbeit eine Macht gesellschaftlicher Veränderung dar“? führt der Beitrag von Wilfried HOSEMANN ein. HOSEMANN geht die Frage nach der Funktion Sozialer Arbeit hinsichtlich der Herstellung sozialer Gerechtigkeit aus dem Blickwinkel recht unterschiedlicher Ansätze an, zum ersten aus der Perspektive der HABERMASschen Diskurstheorie, zum zweiten aus der Sicht der RAWLSschen Gerechtigkeitstheorie, auf der Basis der Theorie der Wohlfahrtsgesellschaft von MARGALIT und schließlich mittels der Unterscheidung gesellschaftlicher Inklusion und Exklusion im Anschluss an LUHMANN. Die Machtfrage Sozialer Arbeit wird hier einmal von ihrer gesellschaftlichen Position aus beantwortet, zum andern aber auch von ihrer Funktion als einer Instanz sozialer Gerechtigkeit her. HOSEMANN sieht den Auftrag Sozialer Arbeit im Schnittpunkt zweier Funktionen, der gesellschaftlichen Funktion der „Beobachtung der Probleme und Schwierigkeiten im sozialen Geschehen“ und der moralischen Funktion, dem Einzelnen in dieser Gesellschaft „ein Leben, das der Würde des Menschen entspricht“ zu gewährleisten. Zu diesen Funktionen ist Soziale Arbeit durch den Sozialstaat ermächtigt und sie kann sie nur erfüllen, indem sie den Freiraum besitzt, soziale Gerechtigkeit und ihre Lösungen immer neu aus den Lebensverhältnissen heraus zu bestimmen.

Silvia STAUB-BERNASCONI beginnt ihren Beitrag mit dem Hinweis auf eine handlungstheoretische Tradition, die im internationalen Kontext als „Radical Social Work“ und im deutschsprachigen Kontext als „Kritische Soziale Arbeit“ bezeichnet wird. Ihre These ist, dass ein Tripelmandat professioneller Sozialer Arbeit, das sich sowohl auf Wissenschaftsbasierung ihrer Interventionen als auch auf einen Ethikkodex mit den zentralen Werten „soziale Gerechtigkeit“ und „Menschenrechte“ bezieht, sowohl allgemeine Machtkritik als auch professionelle Politik ins Zentrum professioneller Arbeit rückt.
Nach einem kurzen Rückblick auf die 1970er Jahre und deren Hinterlassenschaften für die Soziale Arbeit hinterfragt STAUB-BERNASCONI das i. E. heute wie eine Zauberformel herumgereichte und inzwischen „zahnlose“ Empowermentkonzept. Sie bemängelt, dass Kritische Soziale Arbeit wohl Machtstrukturen analysieren kann, aber relativ hilflos ist, wenn es darum geht – abgesehen von Empfehlungen zur Bewusstseinsbildung und Arbeit in sozialen Bewegungen – für den Praxisalltag handlungstheoretische Folgerungen abzuleiten. Denn Voraussetzung für eine solche praktische Nützlichkeit ist eine differenzierte Machtdiagnose, die von der Analyse von individuellen und kollektiven Unrechtserfahrungen ausgeht, aber zugleich auch die sozialen Regeln der Machtstrukturierung mit einschließt und deren Entstehung erklärt.
Die sozialen (Macht)Strukturregeln können „behindernd“, d. h. menschenfeindlich und damit illegitim (Behinderungsmacht) oder „begrenzend“, d. h. menschenfreundlich und damit legitim (Begrenzungsmacht) sein. Mittels dieser Unterscheidung definiert sie – illustriert an verschiedenen Beispielen – „Empowerment“ handlungstheoretisch neu, zum einen als Erschließung und Umgang mit Machtquellen für den Abbau von Blockierungen seitens der Machtträger im Hinblick auf legitime Forderungen und zum andern als Veränderung von sozialen Behinderungs- in soziale Begrenzungsregeln in sozialen Systemen. Beide methodischen Ansätze werden mittels verschiedener Beispiele veranschaulicht.

Ausgangspunkt der Analyse des machtbestimmten Feldes, in welchem Soziale Arbeit ihre Identität gegenwärtig konstituiert, ist bei Ulrich PFEIFER-SCHAUPP die BOURDIEUsche Frage nach den Diskursen und den Veränderungen der Habitusformen im Feld der akademischen und praktischen Sozialarbeit. PFEIFER-SCHAUPP sieht in den Interessensobjekten wie auch im Habitus der Sozialen Arbeit Veränderungen, die – mit GIDDENS gesprochen – einer „sanft fließenden und gleichsam unerkannten Macht“ folgen. Es sind drei Entwicklungslinien der aktuellen Sozialen Arbeit, die PFEIFER-SCHAUPP kritisch in Augenschein nimmt: die Entwicklung von der Armenfürsorge zur Klinischen Sozialarbeit, die sogenannte „Modernisierung des Sozialstaates“ und die Entwicklung vom Wohlfahrtstaat zum strafenden Staat. PFEIFER-SCHAUPP hat insbesondere die LUHMANNsche Systemtheorie im Verdacht, machtblind den Unterschied zwischen konstruierten Problemen und sozialer Ungerechtigkeit zu verkennen. Systemisches Denken steht in der Gefahr, soziale Probleme als individuelle Anpassungsdefizite zu missdeuten. Das gilt auch für systemische Soziale Arbeit, die hiermit ihren ureigentlichen Auftrag, „Menschen bei der Lösung sozialer Probleme zu unterstützen“, aufgibt und parallel zur Privatisierung der Risiken eine Privatisierung sozialer Probleme betreibt. Soziale Arbeit beteiligt sich an der Therapeutisierung und Entmündigung ihrer Klientel, an ihrer Kolonialisierung und Kontrolle, statt sich den Legenden des Neoliberalismus entgegenzustellen und ihren traditionellen Auftrag zu verteidigen. Gegen diese Tendenzen hält PFEIFER-SCHAUPP ein politisches Plädoyer: Soziale Arbeit solle ihr symbolisches Kapital nutzen, um sich in den ideologischen Kämpfen um die Herrschaft im Feld kritisch zu profilieren.

Heiko HOFFMANN fragt in seinem Beitrag, ob und inwiefern Menschen Macht über ihr eigenes Handeln haben. Er argumentiert, dass eine akteursorientierte Praxis einer theoretisch konsistenten und empirisch angemessenen Konzeptualisierung von Handlungs- und Gestaltungsmacht bedarf. Hierzu geeignet erscheinen ihm aktuelle Agency-Diskurse, von denen er exemplarisch zwei komplementäre Ansätze darstellt: GIDDENS‘ Agency-Begriff, der Handeln im Verhältnis zu Kultur im wesentlichen als Vollzug sozial geteilter und habitualisierter Routinen begreift, und der Ansatz von EMIRBAYER mit MISchE und GOODWIN, welche stattdessen eine relationale Perspektive entfalten, die den Menschen in sozialen Beziehungen betrachtet und die stärker die Frage nach sozialem Wandel akzentuiert. An einem Fallbeispiel werden praktische Phänomene dargestellt, für die Agency-Diskurse sensibilisieren und so eine akteursorientierte Praxis theoretisch fundieren. HOFFMANN betont, dass Soziale Arbeit akteursorientiert sein muss, damit Menschen, die ihre Leistungen in Anspruch nehmen, nicht entmündigt werden; er betont aber auch, dass dabei nicht von einem naiven Verständnis von voraussetzungsloser Willensfreiheit auf der einen oder einem unbegrenzten Eigenverantwortungsimpetus auf der anderen Seite ausgegangen werden kann. Agency, so seine Kernthese, umfasse Möglichkeiten, in sensibler Abstimmung mit zeitlich-relationalen Kontexten sinnvoll zu handeln, Probleme zu lösen und durch stetige Veränderungen in den Beziehungen zu anderen Akteuren zu kreativem Handeln angeregt zu werden

Günter RAUSCH entwickelt auf der Grundlage von Hannah ARENDTs Machtbegriff eine Theorie der „Ermächtigung“ für die Gemeinwesenarbeit. Das Bemühen, die politisch Ohnmächtigen in Elendsquartieren und Armenvierteln zu gemeinsamem Handeln zusammenzubringen, sie artikulationsfähig zu machen und zur solidarischen Bewältigung ihrer Probleme zu motivieren, war, wie RAUSCH aufzeigt, schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts in der englischen Settlementbewegung zu erkennen. Die Idee der „Ermächtigung“ ging schon damals von einem Verständnis der Hilfe aus, welches das Prinzip der Kooperation an die Stelle der barmherzigen Zuwendung setzt und die Durchsetzung von Gerechtigkeit an die Stelle der Nächstenliebe. Dieses Leitprinzip des Empowerment ist auch den neuen sozialraumorientierten Konzepten von, des Quartiersmanagement, Gemeinwesenökonomie und Milieuarbeit erhalten geblieben, die Gemeinwesenarbeit als Befreiungsarbeit verstehen.
RAUSCH verdeutlicht, ausgehend von Hannah ARENDTs Theorie des Handelns, wie ihr Begriff von Macht als der Fähigkeit, im Einvernehmen mit anderen zu handeln, zum Zielbegriff einer aktivierenden Gemeinwesenarbeit werden kann. Anders als Gewalt, welche eher die Schwäche der Macht markiert, sucht die Macht nicht vorgegebene Zwecke zu erreichen, sondern der Selbstorganisation gemeinschaftlichen Handelns eine Grundlage zu verschaffen.

Den Abschluss bildet ein Artikel von Albert MÜHLUM, der Soziale Arbeit in einer Situation scheinbar ohnmächtiger Ausweglosigkeit thematisiert, nämlich in der Konfrontation mit der Grenzsituation des Sterbens. In der Auseinandersetzung mit dem modernen Tabu des Sterbens und der „ärgerlichen Todestatsache“, die beim Sterbenden wie auch bei den Angehörigen oft Verzweiflung und Verlegenheit hinterlässt, ist Soziale Arbeit einmal mehr gefordert, gegen den Strom zu schwimmen und der gesellschaftlichen Ausgrenzung derer, die – hier durch ihr Sterben – das Tabu verletzen, die Stirn zu bieten. Sie gerät damit zwangsläufig in Konflikt mit der kalten „Sterbekultur“ technisierter westlicher Dienstleistungsgesellschaften. Soziale Arbeit braucht daher Macht, sich als Gegenkraft gegen Mechanismen der sozialen Isolation, der medizinisch-technischen Verwaltung des Sterbens und des entlastenden Rückzugs hilfloser Angehöriger zu formieren.
Die Frage der Macht stellt sich aber auch im Umgang mit den Optionen der Sterbehilfe im doppelten Sinne des Wortes, als Hilfe zum baldigen Tode wie auch als Begleitung der Vorbereitung auf das Sterben. Soziale Arbeit greift – etwa in der Hospizbewegung – die Unterstützungsbedürftigkeit der Sterbenden auf und „ermächtigt“ sie, ihre letzte Lebenszeit mit größtmöglicher Autonomie zu gestalten, wichtige Anliegen noch zu erledigen und würdevoll Abschied zu nehmen.
In der Sterbebegleitung als einer Hilfe zum „gelingenden Sterben“ liegt so für Helfer und Betroffene die Chance, einen Machtgewinn gegenüber dem Sterben zu erreichen. In dem die hospizliche Arbeit sich bei der Alternative „Flüchten oder Standhalten“ klar für das Ausharren entscheidet und versucht, das Sterben als Teil des Lebens und damit als einen gestaltbaren Zeitraum zu qualifizieren, trägt sie dazu bei, die Ohnmacht des Alleinseins im Sterben zu überwinden und die so oft verleugneten sozialen Anforderungen des Sterbens in die Gemeinschaft zurückzuholen.

Wer als Herausgeber eines solchen Bandes das Anliegen verfolgt, möglichst vielfältige Ansatzpunkte zur Diskussion des Machtproblems zusammenzutragen, könnte leicht der Versuchung erliegen, am Ende auch Bilanz zu ziehen und die Vereinbarlichkeit der Standpunkte zu prüfen. Den Versuch zu unternehmen, so heterogene Theoriepositionen zu einander in den Vergleich zu stellen oder gar summarisch eine Theorie der Macht auf Versatzstücken unterschiedlicher Ansätze gründen zu wollen, ist sicherlich höchst problematisch. Nichtsdestoweniger könnte es doch reizvoll sein, von der Perspektive des einen Ansatzes auch einmal auf die Theorieelemente eines anderen Ansatzes zu blicken. Denn durchaus lassen sich Perspektiven gewinnbringend verschränken, gerade weil von den Ansätzen so unterschiedliche Fragen zur Machtproblematik vorausgesetzt worden sind.
Im Blick auf andere Theorien zur Macht, die den Gebrauch des Machtbegriffes als sinnvoll voraussetzen, stellt sich der Konstruktivist etwa die Frage, welcher Nutzen für diese Theorien von der Metapher der „Macht“ ausgeht. Ein Beispiel: Konstruktivistisch lässt sich etwa analysieren, auf welcher Beschreibungsebene in verschiedenen Ansätzen von Macht gesprochen wird: Kommt „Machtverhältnissen“ eine beobachterunabhängige Qualität zu? Wer ist es, der „Macht“ beobachtet – der Mächtige, der von Macht Betroffene oder ein dritter außenstehender Beobachter? Und was wird beobachtet, wenn von Macht die Rede ist?
Allerdings: Eine konstruktivistische Beleuchtung des Interaktionsverhältnisses von Professionellen und Klienten in der Sozialen Arbeit gestattet, die Praxis des Unterscheidens in Interventionen der Sozialen Arbeit als ein Machtphänomen zu erkennen, sie ist aber weitgehend blind gegenüber den Generierungsprozessen, gegenüber der Geschichte der Unterscheidungen. Hier liegt u. E. etwa die Nahtstelle für eine Zusammenführung konstruktivistischer Theorie zur Intervention mit neostrukturalistisch kritischen Analysen zur Entstehung und Praxis symbolischer Macht, wie sie etwa von FOUCAULT und BOURDIEU erarbeitet worden sind.
Weitere Beispiele perspektivischer Verschränkungen von Theoriepositionen und ergänzender Bezugnahmen ließen sich entwickeln. Allein, ein solcher Versuch kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Der Leser mag ihn unternehmen, indem er die Erträge seiner Lektüre zusammenführt.

Die Herausgeber


Prof. Dr. Björn Kraus, Diplom-Sozialpädagoge (FH), Bildungsmanagement (M.A.), Systemischer Therapeut (SG) und Supervisor (SG, DGSv), lehrt im Fachbereich Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Freiburg (Wissenschaft Soziale Arbeit; Schwerpunkte im Bereich erkenntnistheoretischer Fundierung systemischer Methodik und Handlungskompetenz).

Prof. Dr. Wolfgang Krieger, Diplom-Pädagoge, lehrt im Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein (Allg. Erziehungswissenschaft, Ästhetische Bildung, Pädagogische Psychologie und Jugendhilfe).



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