Kruse / Puschner | Der Erste Weltkrieg | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 138 Seiten

Kruse / Puschner Der Erste Weltkrieg


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-534-73872-4
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 138 Seiten

ISBN: 978-3-534-73872-4
Verlag: wbg Academic in Herder
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Der Erste Weltkrieg, die ?Urkatastrophe Deutschlands?, beendete das lange 19. Jahrhundert und veränderte das europäische Staatensystem nachhaltig. Der unerklärliche Gewaltexzess zwischen hoch zivilisierten europäischen Nationen beunruhigt und beschäftigt bis heute. Er bringt ungeheure technische und organisatorische Leistungen hervor und treibt die beteiligten und leidenden Völker an den Rand des Erträglichen. Er lässt neue Staaten entstehen und neue Regierungsformen; das Kaiserreich Österreich hört auf zu existieren, in Deutschland endet das Kaisertum und beginnt eine fragile Demokratie. Konzentriert und systematisch lässt Wolfgang Kruse die ganze Komplexität dieses ersten globalen Krieges verständlich werden und erklärt seine Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft, ebschreibt Strategie und Kriegführung, widmet sich Front und Heimat. Deutlich wird dadurch auch, wie nachhaltig dieser Krieg das neue 20. Jahrhundert prägte, dem er zum Auftakt wurde.

Wolfgang Kruse, geb. 1957, ist Apl. Professor an der Fern-Universität Hagen. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt, einschlägig v.a. zur Französischen Revolution, zum modernen Militarismus und zum Ersten Weltkrieg.
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II. Der Beginn des Krieges


1. Ursachen und Auslösung


Das Attentat von Sarajewo, bei dem der serbische Nationalist Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand (*1863) und seine Frau auf offener Straße erschoss, gilt gemeinhin als Auslöser der unmittelbar in den Ersten Weltkrieg führenden Entwicklungen. Erklären kann es die Kriegsauslösung jedoch nicht. Wieso sollten ganz Europa und große Teile der Welt wegen diesem zwar schrecklichen, in seiner politischen Bedeutung aber doch regional begrenzten Terrorakt Krieg miteinander führen? Die Beantwortung dieser Frage weist in zwei Richtungen: Zum einen gilt es, die politischen Entscheidungen der Akteure im Verlauf der sogenannten Julikrise zu analysieren, an deren Ende die Kriegsauslösung stand. Zum anderen aber ist auch nach den längerfristigen Ursachen zu fragen, vor deren Hintergrund erst verständlich wird, warum gerade der Balkan zum europäischen Pulverfass werden konnte und wieso dieser regionale Krisenherd dann das ganze europäische Staatensystem erfasste.

Machtvakuum auf dem Balkan

Durch die Schwäche der osmanischen Herrschaft war auf dem Balkan seit langem ein Machtvakuum entstanden, das verschiedene Kräfte auszufüllen versuchten. Zum einen waren dies die Nationalbewegungen der hier lebenden Völker, insbesondere der Serben, Rumänen, Bulgaren, Griechen, Montenegriner und Albaner, die mehr oder weniger erfolgreich je eigene Nationalstaaten errichten und ihre Macht zu vergrößern suchten. Zum anderen ging es um die gegensätzlichen Interessen von zwei europäischen Großmächten: Österreich-Ungarn sah auf dem Balkan ein zentrales Feld imperialistischer Expansion und hatte 1908 Bosnien und die Herzegowina annektiert, was nicht zuletzt zur Folge hatte, dass die südslawische Nationalbewegung ihre Feindschaft von den Osmanen auf die Habsburger übertrug. Russland dagegen sah sich im Zeichen des Panslawismus als Schutzmacht der kleineren slawischen Völker und versuchte auf diesem Wege, seinen Einfluss auszudehnen. Als 1911 die Niederlage gegen Italien in Nordafrika erneut die Schwäche des Osmanischen Reiches deutlich machte, sahen die Balkanstaaten ihre Stunde gekommen. Sie verbanden sich unter russischer Patronage zum Krieg gegen die Türkei, auf den nach ihrem gemeinsamen Sieg schließlich 1913, im zweiten Balkankrieg, ein Streit um die Beute folgte, aus dem vor allem Serbien als Sieger hervorging. Das Ergebnis war ein schwelender Krisenherd auf dem Balkan, insbesondere weil Österreich-Ungarn und Russland politisch weiterhin erbittert um die Vorherrschaft rangen.

Das europäische Bündnissystem

Aus diesen Zusammenhängen kann erklärt werden, warum die Wiener Politik nach dem Attentat von Sarajewo den Versuch unternahm, die Serben in die Schranken zu weisen, und wieso damit das Zarenreich als Verbündeter Serbiens auf den Plan trat. Doch weder ist daraus schlüssig die Entscheidung abzuleiten, dies nun auf kriegerischem Wege zu tun, noch kann aus dem Konflikt auf dem Balkan erklärt werden, wie es schließlich zu einem großen Krieg der europäischen Mächte kommen konnte. Ansatzpunkte dafür bietet zuerst einmal das europäische Bündnissystem, das sich in den vorangegangenen Jahrzehnten herausgebildet und im frühen 20. Jahrhundert immer stärker verfestigt hatte. Seit 1879 waren Österreich-Ungarn und Deutschland nicht nur, wie bisher üblich, zeitweilig und zu bestimmten Zwecken, sondern auf Dauer im sogenannten Zweibund miteinander verbunden, der für den Fall eines russischen Angriffs militärische Unterstützung, bei anderen Angriffen wohlwollende Neutralität vorsah. Dieses Bündnis, das 1881 um das allerdings immer wieder lavierende Italien zum Dreibund erweitert wurde, führte Anfang der 1890er Jahre, nachdem die deutsche Politik auch Bismarcks geheimen Rückversicherungsvertrag mit dem Zarenreich aufgekündigt hatte, zu einem ähnlichen Gegenbündnis zwischen Frankreich und Russland. Im frühen 20. Jahrhundert gab schließlich auch England die Politik der auf und schloss seine Entente-Abkommen zuerst 1904 mit Frankreich, dann 1907 mit Russland, so dass sich in Europa schließlich zwei gegeneinander gerichtete Bündnissysteme der Großmächte gegenüberstanden. Zwar war damit auch eine abschreckende Wirkung verbunden, doch durch die diversen Verbindungen der Mächte mit weiteren Staaten drohte nun bei jedem regionalen Konflikt das Risiko eines großen europäischen Krieges.

Einkreisung Deutschlands?

Diese Entwicklung ist in Deutschland sowohl zeitgenössisch als auch in der historischen Analyse oft als eine von England betriebene, letztlich auf den Krieg hinauslaufende Politik der „Einkreisung“ gedeutet worden, der sich die deutsche Politik habe widersetzten müssen, notfalls durch die Auslösung eines vermeintlichen Präventivkrieges. Doch von dieser Auffassung ist in der neueren Forschung wenig geblieben. Die englische Politik reagierte vielmehr auf vielfältige, ebenso schwer berechenbare wie aggressive Initiativen von deutscher Seite, die im Zeichen der von Wilhelm II. proklamierten, durch einen groß angelegten Schlachtflottenbau unterstützten „Weltpolitik“ das Inselreich unter Druck setzten und damit seine Verständigung mit Frankreich und Russland erst auslösten. Hinzu kam, dass in Berlin mehrere Initiativen Londons, eine Verständigung über Rüstungsbegrenzungen und Einflusssphären herbeizuführen, abgelehnt wurden. Die Reichsleitung verfolgte stattdessen eine „Politik der freien Hand“, die jedoch nicht zu den gewünschten Entfaltungsmöglichkeiten deutscher Interessen führte, sondern stattdessen ihre Handlungsspielräume immer weiter eingrenzte. Anstelle der auf vielfältige Weise wechselseitig verflochtenen, aber auch unüberschaubar werdenden internationalen Politik der Bismarck-Ära standen sich am Vorabend des Ersten Weltkrieges zwei immer fester gefügte Machtblöcke gegenüber, und das Deutsche Reich war vor diesem Hintergrund eng an die schwächelnde Habsburger Doppelmonarchie als einzigen verlässlichen Partner gebunden.

Der Hochimperialismus

Die hier in aller Kürze skizzierten Entwicklungen der internationalen Politik wiesen durchaus ihre Eigenlogik auf, doch trotzdem vollzogen sie sich nicht in einem sterilen Raum internationaler Diplomatie. Vielmehr waren sie zutiefst geprägt und bestimmt von den allgemeinen gesellschaftspolitischen Tendenzen der Zeit, die nicht zuletzt im Zeichen von imperialistischer Interessenvertretung, nationalistischer Machtpolitik und dynamischem Rüstungswettlauf standen. Während die imperialistische, von der Suche nach Rohstoffen und Absatzmärkten für die industriekapitalistische Wirtschaft angetriebene Durchdringung der Welt im 19. Jahrhundert lange freihändlerisch geprägt und mit der Hoffnung auf allgemeinen zivilisatorischen Fortschritt verbunden war, wurden mit der sogenannten Großen Depression im letzten Viertel des Jahrhunderts und der darauf folgenden protektionistischen Wende der nationalen Wirtschaftspolitik die Weichen in eine andere Richtung gestellt. Nun traten die um Schutz und Förderung ihrer Volkswirtschaften bemühten Nationalstaaten zunehmend selbst als imperialistische Akteure auf den Plan und gerieten dadurch auch untereinander in vielfältige Konflikte. Besonders deutlich wurde dies im als die europäischen Großmächte in einem Wettlauf um die Aneignung von Macht- und Einflusssphären auf dem schwarzen Kontinent eintraten und umso heftiger aufeinander trafen, je weniger Expansionsfelder übrig geblieben waren. Dabei trat insbesondere das Deutsche Reich als kolonialistischer Nachzügler mit seinem neuen weltpolitischen Streben nach einem „Platz an der Sonne“ besonders aggressiv in Erscheinung, während es Frankreich, England und Russland zunehmend gelang, ihre Einflusssphären gegeneinander abzugrenzen und zu einem Interessenausgleich zu gelangen.

Nationalismus und Neue Rechte

Die im Zeitalter des Hochimperialismus auftretenden Konflikte entwickelten sich umso schärfer, als zugleich der Nationalismus einen deutlichen Formwandel vollzog. Nicht mehr, wie 1848, im Zeichen eines Nationalitäten übergreifenden „Völkerfrühlings“ standen nun die nationalen Bestrebungen und Ideologien, sondern sie zielten auf die je eigene Nation und sie proklamierten, begleitet von der Ausbildung ideologisierter Selbst- und Feindbilder, ihren Vorrang in Europa und der Welt. In besonders aggressiver Weise wurde dieses Programm von neuen Bewegungen am rechten Rand des politischen Spektrums vertreten, wie sie im Alldeutschen Verband von 1890/94 und in der Action Française von 1899 ihren programmatisch klarsten Ausdruck fanden, aber auch in einer Vielzahl von Agitationsvereinen hervortraten. Sie lösten sich von den Bindungen des traditionellen Konservatismus an legitimistische Werte und setzten die Regierungen mit ihrer nationalistischen Propaganda massiv unter Druck, insbesondere wenn es um Fragen der „nationalen Ehre“ und damit um die Zuspitzung außenpolitischer Konflikte ging. Besonders deutliche Beispiele dafür waren die beiden Marokkokrisen der Jahre 1905 und 1911, in denen das Deutsche Reich den Versuch unternahm, seinen Einfluss in Marokko gegen die...


Kruse, Wolfgang
Wolfgang Kruse, geb. 1957, ist Apl. Professor an der Fern-Universität Hagen. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt, einschlägig v.a. zur Französischen Revolution, zum modernen Militarismus und zum Ersten Weltkrieg.

Wolfgang Kruse, geb. 1957, ist Apl. Professor an der Fern-Universität Hagen. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt, einschlägig v.a. zur Französischen Revolution, zum modernen Militarismus und zum Ersten Weltkrieg.



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