Kufsteiner Der Bergdoktor - Folge 1748
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-0763-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Sie kam nicht von ihm los
E-Book, Deutsch, Band 1748, 64 Seiten
Reihe: Der Bergdoktor
ISBN: 978-3-7325-0763-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Viele haben Lea davor gewarnt, sich mit Jörg Poldner einzulassen. Der Bursch sei krankhaft eifersüchtig und unberechenbar! Doch Lea hat alle Warnungen ignoriert und ist zu ihrem Jörg auf den einsam gelegenen Berghof gezogen. Wie sehr sie diesen Schritt inzwischen bereut! Längst hat sie begriffen, dass Jörg unter gefährlichen Wahnvorstellungen leidet. Er kontrolliert jeden ihrer Schritte, und wehe, sie kehrt fünf Minuten zu spät vom Einkauf im Dorf zurück. Lea sieht keinen anderen Weg mehr, als die Konsequenzen zu ziehen und den Berghof zu verlassen. Doch sie weiß, dass sie ihre Flucht sehr gründlich planen muss. Sonst passiert eine Katastrophe ...
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Es war ein klarer und kalter Wintermorgen. Die Sonne ging eben auf und vertrieb den frostigen Dunst, der noch zwischen den hohen, schlanken Föhren und den mächtigen Kiefern im Krähenwald hing. Eine dünne Schneeschicht hatte über Nacht alles zugedeckt, konnte aber den kraftvollen Strahlen der Sonne nicht lange standhalten.
Mitten im Krähenwald, verborgen zwischen Felsen und oberirdisch wachsenden Baumwurzeln, entsprang der Krähenbach, an dessen leise murmelndem Bett Bergfelden lag. Der kleine Weiler befand sich, etwa drei Kilometer von St. Christoph entfernt, im schönen Zillertal.
An diesem Morgen bedeckte eine Eisschicht den Bach, unter der aber noch ein schwaches Fließen zu erkennen war. Der Winter hatte gerade begonnen im Zillertal, die ersten Frostnächte waren da. Die strenge Kälte und die großen Schneemassen, die stets die kalte Jahreszeit in Tirol kennzeichneten, würden allerdings noch kommen.
Lea Lechner war an diesem Morgen etwas zeitiger aufgestanden. Die bildhübsche Hoftochter war Anfang zwanzig und ausgebildete Hauswirtschafterin. Die Arbeit machte ihr Spaß, und sie nahm ihrer Mutter vieles im Haushalt ab, wofür diese dankbar war.
Trude Lechner litt nämlich seit einer Weile an Hypertonie, die behandlungsbedürftig war. Sie musste Medikamente nehmen und kürzertreten. Das war ihr zunächst, nachdem Dr. Burger, ihr Hausarzt, die Diagnose gestellt hatte, nicht leichtgefallen. Die Bäuerin war eine fleißige, tüchtige Person, die Wert darauf legte, immer alles im Griff zu haben.
Inzwischen wusste sie den Haushalt bei Lea in guten Händen, und sie hatte gelernt, es ruhiger anzugehen.
Trude musste regelmäßig zur Untersuchung, so auch an diesem Morgen. Wegen der Medikamente durfte sie nicht selbst Auto fahren, weshalb Lea die Mutter nach St. Christoph in die Praxis des Bergdoktors brachte, wie er liebevoll und anerkennend von den Menschen im Tal genannt wurde.
Lea machte das gern, denn bei dieser Gelegenheit konnte sie stets ein kurzes Schwätzchen mit Bärbel Tannauer, der Sprechstundenhilfe im Doktorhaus, halten. Die beiden Madeln waren zusammen zur Schule gegangen und auch jetzt noch befreundet. Lea mochte auch Bärbels Verlobten Felix, es kam öfter vor, dass die drei zusammen etwas unternahmen.
Als die Mutter nun in die Küche kam, hatte Lea bereits das Frühstück gerichtet und erste Vorbereitungen fürs Mittagsmahl getroffen. So kam sie zeitlich nicht in Verzug, wenn sie aus St. Christoph zurück waren.
»Guten Morgen, Mama. Gut geschlafen?«, fragte das Madel. »Setz dich nur, wir können gleich frühstücken. Ich hab mir gedacht, heut Mittag mach ich Blutwurst mit Stampfkartoffeln und Birnenkompott. Das ist net so viel Arbeit und recht herzhaft. Wo die Mannsbilder jetzt noch im Forst arbeiten, passt sich das schon, gelt?«
Trude Lechner maß ihre Tochter mit einem liebevoll anerkennenden Blick. Betrachtete man die Bäuerin, wusste man gleich, woher Lea ihre Anmut hatte. Auch die Mutter war blond und blauäugig, schlank und außergewöhnlich hübsch.
»Mei, Madel, du machst es schon recht. Ich überlass das ganz dir«, erklärte sie zufrieden und setzte sich an die Eckbank. »Als der Dr. Burger mir seinerzeit eröffnet hat, dass ich mich in Zukunft schonen muss, mit net einmal fünfzig Jahren, da war ich schon recht verzweifelt. Nutzlos hab ich mich gefühlt, auch wenn dein Vater und du euch große Mühe gegeben habt, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Mittlerweile hab ich mich damit abgefunden. Und ich bin dem Schicksal dankbar, dass ich eine so tüchtige Tochter hab.« Sie lächelte verschmitzt. »Du machst einem das Faulenzen so richtig leicht, Lea.«
»Schmarrn, du bist doch net faul, Mama. Du schaffst immer noch dein Quantum. Stell nur dein Lichterl net unter den Scheffel.« Lea goss der Mutter Kaffee ein, dann stemmte sie ein großes Tablett und versprach: »Ich bin gleich wieder da. Wenn ich drüben fürs Frühstück gedeckt hab, leiste ich dir Gesellschaft.«
»Lass dir nur Zeit. Ich leid es gar net, dass du meinetwegen noch mehr und schneller schaffen musst.«
»Das macht nix. Außerdem fahr ich gern nach St. Christoph und red ein bisserl mit der Bärbel. Am Wochenende wollen wir nämlich zusammen ausgehen. Im Gästehaus am Krähenbach ist Tanz.«
Lea ging hinüber ins Esszimmer, um den großen Tisch für den Vater und das Gesinde zu decken. Als alles fertig war, kehrte sie in die Küche zurück. Trude trank gerade Kaffee und wollte wissen: »Kommt der Bernhard auch mit zum Tanz?«
»Freilich, zusammen mit der Evi. Die arbeitet doch dort. Aber an dem Abend hat sie frei.«
Das Madel setzte sich zur Mutter und schnitt eine Semmel auf. Trude betrachtete ihre Tochter nachdenklich, bis diese wissen wollte, was ihr denn durch den Sinn ging.
»Lea, du darfst mir net bös sein, wenn ich das sag, aber dass der Bernhard eine andere heiraten will, das gefällt mir net.«
»Mei, Mama, darüber haben wir doch schon so oft geredet«, hielt das Madel ihr leicht entnervt entgegen. »Der Berni und ich, wir sind nur Freunde. Das war schon immer so. Wenn man sich von klein auf kennt, ändert sich das nimmer.«
»Ach, Unsinn, ihr zwei passt wunderbar zusammen. Und diese Bedienung vom Nusslinger, das ist doch keine Bäuerin. Die Eltern vom Bernhard sich auch net unbedingt begeistert. Die Evi mag ja ein liebes Madel sein, aber die rechte Frau für ihren Sohn sehen sie auch eher in dir.«
»Da wird der Berni ihnen was anderes erzählen.« Lea blickte auf, als draußen Schritte laut wurden.
Der Bauer und das Gesinde kamen zum Frühstück. Sepp Lechner hatte in der Nacht bei einer Kuh gewacht, die zum ersten Mal kalben sollte, und gähnte herzhaft, als er einen Blick in die Küche warf.
»Geh nur ins Esszimmer, Vater, das Frühstück steht schon auf dem Tisch«, ließ Lea ihn wissen.
»Braves Madel! Fahrt ihr dann nach St. Christoph?«
Trude nickte. »Gegen Mittag sind wir zurück, vielleicht schon etwas früher, wenn der Dr. Burger mit meinem Zustand zufrieden ist. Ich fühl mich recht gut.«
»Das will nix heißen, denk dran, was der Bergdoktor gesagt hat. Der Bluthochdruck ist ein stiller Mörder. Und weil man nix merkt, ist er gar so gefährlich.«
»Geh, Sepp, übertreib es net. Ich nehme ja meine Medikamente nach Vorschrift. So schnell wirst du mich gewiss net los.«
Der Bauer lachte und drückte seiner Frau und herzhaftes Busserl auf den Mund.
»Das will ich auch net hoffen. Hm, mein Schatzerl, du schmeckst nach Himbeergelee, köstlich!«
Lea musste lachen. »Mei, Vater, du bist ja ein Feinschmecker.«
»Freilich«, scherzte der. »Sonst hätte ich deine Mama ja auch net zu der Meinen gemacht.«
»Nun ist es aber gut mit den lockeren Reden«, tuschte Trude ihre bessere Hälfte nachsichtig nieder. »Komm, Lea, wir müssen uns auf den Weg machen.«
»Ist schon recht, Mama. Ich bin startklar.« Lea gab der Küchenmagd Heidi noch ein paar Anweisungen und folgte der Mutter dann in die Diele, wo diese bereits ihren Mantel überzog.
Das Madel bewunderte die liebevolle Art und Weise, wie die Eltern miteinander umgingen. Sie waren für Lea auch in dieser Beziehung ein echtes Vorbild.
Wenn ich mal verheiratet bin, dachte sie, dann soll es bei uns auch so sein. Wir wollen immer verliebt bleiben, bis zur Goldenen Hochzeit. Aber ob ihr das gelingen konnte, das stand leider in den Sternen, denn den Rechten hatte Lea ja noch nicht gefunden. Ihr Herz war nach wie vor frei.
***
Im Doktorhaus von St. Christoph war an diesem Morgen so allerlei los. Die Familie kam nicht mal dazu, in Ruhe zu frühstücken, und saß nie wirklich vollzählig um den Tisch herum.
Das lag zum einen daran, dass Dr. Martin Burger in der Nacht zu einem Notfall gerufen worden war. Einer seiner Patienten, der alte Wimmerl Gschwand, ein ehemaliger Holzarbeiter des Barons von Brauneck, hatte eine Gallenkolik erlitten. Der alte Wimmerl hatte es schon länger mit der Galle, er war auch in Behandlung, doch der Bergdoktor hegte den finsteren Verdacht, dass er seine Medikamente nicht einnahm, sondern aufhob.
»Die sind viel zu schad’ für einen alten Schranzen wie mich«, hatte er mal gesagt.
Dr. Burger hatte mit Engelszungen auf ihn eingeredet und ihm die wenig angenehmen Folgen seines Verhaltens dramatisch vor Augen geführt. Daraufhin hatte Wimmerl behauptet, die »teuren bunten Pillerln« regelmäßig geschluckt zu haben.
Offenbar war das aber nicht der Fall. Ein saftiges Stück Schweinsbraten mit Speckkruste, Blaukraut und Knödeln hatte ihm dann den Rest gegeben. Die halbe Nacht hatte Wimmerl die Mutter Maria und alle Heiligen angerufen und darum gebeten, ihn von seinem Leid zu erlösen. Dr. Burger hatte ihn erst allein gelassen, als seine Behandlung Wirkung zeigte und der Patient sich entspannte.
Allerdings hatte der Landarzt dafür gesorgt, dass Wimmerl nach Mayrhofen ins Spital gebracht wurde, denn um eine Entfernung der Gallenblase kam er nun nicht mehr herum.
Erst gegen halb sechs war Dr. Burger heimgekommen. Seine Frau Sabine hatte ihn schlafen lassen, als sie leise aufgestanden war, damit die Kinder rechtzeitig in Schule und Kindergarten kamen. Sie wollte die ersten Patienten in der Sprechstunde übernehmen, sobald Tessa und Filli gefrühstückt hatten.
Pankraz Burger, der Senior im Doktorhaus, war nicht daheim. Er besuchte für ein paar Tage einen alten Freund in Wien.
Ausgerechnet am Vortag hatte Poldi, der Rauhaardackel der...




