E-Book, Deutsch, 890 Seiten
Kummer Der Weltenbefreier
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-945230-41-1
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tybay 4
E-Book, Deutsch, 890 Seiten
ISBN: 978-3-945230-41-1
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tanja Kummer, Jahrgang 1976, wohnt im Umfeld der Murr-Metropole Backnang. Bereits als Kind liebte sie es, ihren zwei Schwestern Geschichten zu erzählen. Später begann sie dann, längere Erzählungen aufzuschreiben. Im Jahr 2006 erschien ihr erster Roman und damit nahm die Tybay Saga ihren Anfang. In dieser geht es um Mut, Hoffnung, Liebe und Krieg. Der vierte Teil Der Weltenbefreier spielt in einem erfundenen Universum. Darüber hinaus erschien 2017 Sturm der Verbannten, ein Fantasy-Roman mit einer eher klassischen Abenteuermission, aber mit ganz außergewöhnlichen Charakteren und schicksalhaften Prüfungen. Außerdem hat Tanja Kummer in verschiedenen Anthologien zahlreiche weitere Veröffentlichungen. Zudem schreibt sie intensiv für die Mystery-eBook-Serie Hexenmeister Jakob Wolff.
Autoren/Hrsg.
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König Ernak
Cortella lag östlich von den Windinseln und profitierte wirtschaftlich am meisten von der Nähe. Doch König Ernak hatte nur einen zweitklassigen Berater und einen mittelständischen Händler zu den Verhandlungen geschickt, zu denen er von Kertchek eingeladen worden war. Beide Männer hatten keinerlei Befugnisse, irgendwelchen Abkommen zuzustimmen oder Verträge zu unterzeichnen, was ihre Anwesenheit sinnlos machte und fast schon einer Beleidigung gleichkam. Solch einen offenen Affront hätten Jamies Eltern jedenfalls niemals geduldet. Doch Kertchek war ihnen gegenüber ein freundlicher und zuvorkommender Gastgeber.
Aber vielleicht überbewertete Jamie das aufgrund seiner Erlebnisse und der daraufhin gebildeten Meinung. Er zumindest hielt König Ernak für einen ich-bezogenen, gewalttätigen Pfau.
Sechs Jahre zuvor.
Jamie verspürte wenig Lust, seine Eltern nach Cobenera, der Regierungsstadt von Cortella, zu begleiten. Immerhin hatte man als dreizehnjähriger Junge einfach andere Dinge im Kopf. Doch König Ernak hatte Jamies Eltern zu einem festlichen Bankett geladen: 300 Jahre Cortella. Darum bestanden sie darauf, dass er, als königlicher Erbe des Hauses War, sie begleitete. Zum Glück gab es solche Termine eher nicht so oft, weshalb er zähneknirschend mitkam. Außerdem entfiel die wochenlange Anreise mit Pferd und Kutsche, da sich seine Eltern entschlossen hatten, den Weltenring zu nutzen – was selten vorkam. So kam es, dass Jamie und seine Eltern mit nur einem Schritt durch das magische Tor von Lywell, direkt nach Cobenera kamen. Ein Diener, der sich als Fharharr vorstellte, begrüßte sie im Hof und brachte sie zu ihrem Quartier.
Jamie sah sich staunend um. Der Regierungspalast, der aus mehreren Gebäuden bestand, war eindeutig freizügiger bemessen als das heimische Schloss. Die Bauweise war nicht so hoch, nur dreistöckig mit flachem Dach. Die Gebäude hatten große, bodentiefe Fenster, die Rahmen goldfarben. Weiße, hauchzarte Gardinen hingen davor und flatterten sanft in der Brise. Die Fenster im obersten Stock waren vergittert. , so dachte der junge Jamie, .
Im Innern gab es wenig zu staunen. Die Mauerwände waren gekalkt, kaum geschmückt. Wenn doch, dann nur mit schlichten, hellen Wandteppichen ohne Bildnisse. Gemälde sah Jamie keine. Dafür gab es reichlich ziemlich große Pflanzen. Seine Mutter stöhnte – ein Laut zwischen Missbilligung und Bewunderung.
»Da hat wohl jemand einen grünen Daumen«, flüsterte sie.
»Wer hat einen grünen Daumen? Und tut das weh?«
»Und wie ist der grün geworden?«, fügte Jamie den Fragen seines Vaters hinzu.
Das Lachen seiner Mutter hallte durch den leeren Gang.
»Aber das sagt man doch nur so«, erklärte sie; oder auch nicht. Nachdem sie dem also nichts weiter hinzufügte, sah Jamie, wie sein Vater mit den Schultern zuckte und sie dem Diener schweigend folgten. Kurz darauf erreichten sie ein großzügiges Quartier mit zwei Schlafzimmern. In der Mitte des Logements befand sich ein kleiner, runder Teich mit weißen und rosafarbenen Seerosen.
»Ich werd’ verrückt!«, rief seine Mutter entzückt. »Sieh nur!« Bewundernd umrundete sie den kleinen Teich.
»Ich denke nicht, dass wir sowas in unserem Schlafzimmer brauchen.«
»Stimmt. Sowas braucht kein Mensch. Aber es sieht einfach wunderschön aus.«
»Grace«, sagte sein Vater sanft.
»Nur weil es mir gefällt, heißt das nicht, dass ich es haben muss«, antwortete sie ungehalten.
Jamie rollte mit den Augen. Seine Eltern stritten eigentlich so gut wie nie. Jedenfalls nicht, wenn er dabei war. Und ihm war auch gleich, ob es ein Streit war, oder eine Diskussion, wie es seine Mutter nannte.
»Falls ihr etwas wünscht, dann könnt ihr nach mir läuten«, sagte Fharharr neben Jamie und zog sich unauffällig zurück. Seine Eltern, vertieft in einem Gespräch über Sinn oder Unsinn, und über grüne Daumen, bekamen davon nichts mit.
Jamie erkundete unterdessen ihre Unterkunft. Außer dem Teich gab es einen Tisch mit sechs Stühlen. Und einige Liegen mit Kissen zum Ausruhen. Die beiden Schlafzimmer hatten jeweils Doppelbetten und Truhen.
Eweligo hatte bereits dafür gesorgt, dass benötige Kleidungsstücke vorweg hierher gebracht worden waren. Eweligo. Das Elementarwesen war einzigartig in seiner Welt. Jedenfalls hatte Jamie nie zuvor einen anderen gesehen. Eweligo, gerade Mal eine Elle groß, sah wie ein sehr, sehr kleiner Mensch aus. Zudem wuchsen zwei libellenartige Flügel aus seinem Rücken. Seine Finger sahen etwas aus wie bei einem Frosch und es war ihm möglich, auch sehr schwere Dinge – für seine Statur – zu transportieren. Erschaffen durch und mit Magie, konnte er begrenzt Magie nutzen. Damit gelang es ihm, sich in eine beliebige Tierform zu verwandeln. Vorausgesetzt, dieses Tier war nicht größer als seine Ausgangsgestalt. Eweligo war schon mehr als zwei Jahrhunderte ein zuverlässiger Verbündeter und Freund der Königsfamilie.
Jamie setzte sich auf das Bett, welches in der kommenden Nacht seins sein würde. Gelangweilt sah er sich um. Trommelte mit den Schuhen auf dem Boden. Hörte seinen Eltern eine Zeit lang beim Streiten zu. . Stand auf und sah aus dem Fenster zur Stadt raus. Dann ging er zur Truhe, um seine Kleider für den Abend herauszuholen.
Oben auf lag ein Bild. Jamie musste sofort grinsen. Rana hatte viele Talente – malen war keins davon. Dennoch war die Botschaft des Bildes klar und deutlich: Da stand ein Mädchen auf einer Wiese und streckte dem Betrachter die Zunge heraus.
»Warte nur, bis ich wieder Zuhause bin.«
Am frühen Abend begann die Festlichkeit. Es waren ziemlich viele Gäste geladen. Und jeder wurde persönlich aufgerufen und von König Ernak begrüßt.
Cortellas König war ein kleiner Mann. Er war nicht mal so groß wie seine Mutter. Zudem hatte er O-Beine und eine Knollennase. Er war dunkelhaarig, gut gekleidet und trug pompösen Schmuck. Außerdem begann bei ihm fast jeder zweite Satz mit »Ich«.
Nach der Begrüßung standen die Gäste zumeist in Gruppen beieinander und unterhielten sich. Auch seine Eltern begrüßten Freunde und Geschäftspartner. Für Jamie bedeutete das, dass er sehr lange still stehen und sich benehmen musste. Oder belanglose Gespräche über das Wetter und das Befinden führen. Das würde zu einer echten Herausforderung werden, da ihm fast augenblicklich langweilig war. Stattdessen überlegte er sich, wie er es Rana am besten heimzahlen konnte.
»Spinnen!«, rief er daher, als ihn seine Mutter anstupste.
Sie lachte. »Wo bist du mit deinem Kopf?«
»Mein Kopf sitzt auf meinen Schultern«, erklärte er würdevoll. »Meine Gedanken jedoch sinnen nach Rache.«
»Rache! Hört, hört!«, sagte der Gesprächspartner seiner Mutter belustigt. »Und an wem?«
»An meiner Freundin Rana. Sie hat mir dieses Bild gemalt, weil ich heute hier sein muss.« Jamie zog das zusammengefaltete Bild aus seiner Hosentasche.
»Junger Mann!«, mahnte sein Vater. »Achte besser auf deine Worte.«
Jamie rollte mit den Augen. »Tut mir leid. Ich wollte sagen: Weil ich heute Abend hier sein darf.«
»Wer will schon wirklich hier sein?«, lachte der Mann. »Ihr Junge ist ja ganz entzückend.«
»Ich gebe mir Mühe«, sagte seine Mutter anerkennend.
Endlich hatte Jamie das Bild auseinander, um es dem Herrn zu reichen. Doch dieser unterhielt sich nun bereits mit seinem Vater über Wassermühlen und, dass er eine der größten bauen wollte. Jamie seufzte.
»Ja, ich weiß«, sagte seine Mutter. »Solche Empfänge können ziemlich langweilig sein. Es tut mir leid. Aber das gehört nun mal auch dazu. Sie sind sogar besonders wichtig.«
»Ich weiß«, antwortete Jamie, der sich ja gar nicht beschwert hatte. Er faltete das Bild wieder sorgfältig zusammen und steckte es zurück in seine Hosentasche.
Nachdem König Ernak alle Gäste begrüßt hatte, ging man gemeinsam in den angrenzenden Raum. Dort war eine große Tafel aufgestellt worden, an der die Gesellschaft Platz fand, ehe man die Speisen auftrug.
Nach dem Essen war Jamie schon versöhnlicher gestimmt. Zudem hatte er Gefallen daran gefunden, eine der Dienerinnen zu beobachten, die nur ein paar Jahre älter als er aussah. Sie lächelte ihm immer wieder zu. Und er lächelte zurück. Sie war recht ansehnlich, wobei Jamie versuchte, nicht auf ihren kugelrunden Schwangerschaftsbauch zu starren. Seine Mutter hätte keiner Dienerin in ihrem fortgeschrittenen Zustand noch erlaubt zu arbeiten. Da war sie unnachgiebig wie eine Mauer.
»Brauchst du was?«, fragte ihn die Dienerin jetzt.
»Nein, vielen Dank.« Er lächelte verlegen. »Wie ist dein Name?«
»Jamie!«, ermahnte ihn sein Vater von rechts.
»Darf ich dich nach deinem Namen fragen?«
Die junge Frau lachte. »Ich bin Empathea. Und du?«, verlangte sie freundlich zu erfahren, obwohl sie ja gehört hatte, wie er hieß.
»Jamie«, antwortete er dennoch. »Du bist … sehr hübsch«, platzte es nun aus ihm heraus, da er keine Ahnung hatte, was er sonst sagen sollte.
»Jamie«, lachte jetzt seine Mutter von rechts.
»Danke!«, sagte Empathea, nickte ihm zu und ging.
»Was war denn das?«, fragte seine Mutter verblüfft.
Jamie zuckte mit den Schultern. »Ich wollte nur höflich sein.«
»Sie ist eine von König Ernaks Frauen«, erklärte nun sein Vater, der als einziger schon öfters hier gewesen war.
Seine Mutter blinzelte bei dieser Offenbarung verwirrt. »Wie bitte? seiner Frauen?...




