Lange | Herz zu Asche | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 384 Seiten

Reihe: Herz aus Glas-Trilogie

Lange Herz zu Asche


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-401-80477-4
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, Band 3, 384 Seiten

Reihe: Herz aus Glas-Trilogie

ISBN: 978-3-401-80477-4
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Juli kann es kaum fassen: Charlie ist am Leben! Endlich braucht David sich nicht länger zu quälen. Endlich kann Juli mit ihm glücklich werden. Doch Charlie setzt alles daran, David zurückzuerobern. Und auch der Geist von Madeleine Bower treibt Juli mehr und mehr in die Verzweiflung. David sieht nur eine Möglichkeit, seine Freundin zu schützen: Er muss sie verlassen. Aber Julis Visionen werden immer düsterer und so beschließt sie, dem Fluch für immer ein Ende zu setzen - auch wenn sie dafür opfern muss, was sie am meisten liebt …
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1

W as ist es für ein Gefühl, wenn alles, was du zu wissen glaubst, von einem Moment auf den anderen zu Staub zerfällt?

Wenn Dinge, die dir Angst gemacht haben, plötzlich nicht mehr gelten. Weil plötzlich alles noch viel schlimmer ist, als du es dir selbst in deinen unheimlichsten Albträumen jemals hättest ausmalen können.

Heute frage ich mich manchmal, warum ich in diesem Augenblick, als wir alle zusammen dort oben auf der Klippe standen, nicht meinen Mut zusammengenommen habe. Ich hätte schon an diesem Tag einfach in die Tiefe springen sollen. Der Impuls war da, das muss ich zugeben.

Aber ich war zu feige dazu.

Dumm?

Auf jeden Fall hätte es mir eine Menge Leid erspart, wenn ich tatsächlich gesprungen wäre. Und einigen Menschen, die ich liebte, auch …

»Hallo, David«, sagte Charlie.

Einfach nur diese zwei Worte, als sei es das Normalste der Welt. Als hätten wir alle sie nicht seit Monaten für tot gehalten.

Und nun stand sie da, auf den Klippen von Gay Head, während sich weit draußen auf dem Meer dicke Wolkenberge vor der Sonne türmten. Sie hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen, wie um sich vor einem kommenden Sturm zu schützen. Sie trug nicht das rote Kleid, in dem ich sie in meinen Träumen immer gesehen hatte, sondern ausgebleichte, zweimal umgekrempelte Jeans und ein knappes T-Shirt. Mein Blick blieb an ihren eleganten, hochhackigen Pumps hängen und sonderbarerweise waren die es, die mir klarmachten, dass sie kein Geist war.

David fand als Erster von uns seine Stimme wieder. »Nein!«, wisperte er. Durch Walts Konfrontationstherapie war er sowieso schon blass gewesen, aber jetzt schien auch noch der allerletzte Tropfen Blut aus seinem Gesicht zu weichen. Fahl sah er aus. Wie tödlich verwundet, dachte ich und schämte mich nicht, weil es so melodramatisch klang. Die Situation war melodramatisch.

Und sie fühlte sich völlig irreal an.

David starrte Charlie ins Gesicht – er schwankte dabei. Wie wir alle sah er minutenlang einfach nur zu, wie der Wind mit ihren langen schwarzen Haaren spielte. Er wiegte den Oberkörper vor und zurück, vor und zurück und der Anblick sandte ein schmerzhaftes Brennen durch mein Herz. »Nein!«, wiederholte er.

Charlies Augen waren weit aufgerissen. Sie streckte die Hand nach David aus, aber sie war zu weit entfernt, sie konnte ihn nicht erreichen. Sie stand noch immer bei dem Findling neben dem Pfad.

»Nein!«, flüsterte David ein drittes Mal und jetzt wich er zurück.

»Charlie.« Auch Jason konnte nur flüstern. »Du … du lebst? Wie ist das …« Er stöhnte auf. Tief und qualvoll, sodass ich fürchtete, er würde einen neuen Herzinfarkt erleiden.

Walt hingegen wirkte ruhig, sehr ruhig. Wenn ich nicht so von der Rolle gewesen wäre, hätte ich ihn für seine Selbstbeherrschung vermutlich bewundert. »David«, mahnte er. »Nicht weitergehen!«

Seine Worte machten mir klar, dass David viel zu dicht am Abgrund stand. Die Felsen unter seinen Füßen knisterten bedrohlich, doch er schien es nicht wahrzunehmen. Noch immer starrte er Charlie an wie eine Erscheinung.

Walt packte ihn am Ellenbogen und zog ihn auf sicheren Boden.

Ich versuchte, Luft zu holen. Es ging nur mühsam. Mir war schwindelig. So schrecklich schwindelig.

»Charlie.« Davids Stimme kam wie aus einem tiefen Grab.

Charlie nickte. Sie atmete schnell und schwer und ich erinnere mich daran, dass ich mich wunderte, warum nicht auch sie blass war. Ihre Wangen hatten eine lebendige rosige Färbung, ihre Lippen ebenfalls.

Schließlich war es Miley, die mit ihrem trockenen und wütend klingenden Tonfall den Bann brach: »Ich fasse es einfach nicht!«

Plötzlich kam Leben in uns alle. David verschränkte die Hände im Nacken. Ich vermutete, dass er die Augen schloss, aber sehen konnte ich es nicht, weil er den Kopf senkte und seine Haare sein Gesicht verschatteten. Miley warf mir einen Blick zu. Ich schlug eine Hand vor den Mund.

Und Jason presste die geballte Faust auf sein Brustbein. »Warum lebst du?«

Mein Herz raste und ich konnte mir vorstellen, wie seines das ebenfalls tun musste.

Er und Charlie …

… ein Liebespaar …

Dieser Gedanke zuckte und wand sich in meinem Kopf, bis er meinen Verstand schließlich vollständig ausfüllte.

Charlie ignorierte Jason völlig. Ihre Augen schimmerten jetzt hell von unterdrückten Tränen.

»Es tut mir so leid«, murmelte sie.

Und genau in dem Moment, in dem David die Arme sinken ließ und zu ihr aufsah, brach sie filmreif zusammen.

»Charlie!«, schrie David und stürzte vorwärts. Mit wenigen langen Schritten war er bei ihr, warf sich neben ihr nieder, packte sie, zog sie an seine Brust. »Charlie!«

Ich stand stocksteif da und musste miterleben, wie er sie an sich drückte, wie er einen langen Schrei ausstieß, den ich nicht deuten konnte.

Vor meinem Blick verschwamm alles. Undeutlich nur sah ich, dass Walt sich neben David hinhockte und Charlie untersuchte. »Sie ist nur ohnmächtig, Junge.« Seine Stimme klang, als hätte ich Watte im Ohr. Er machte Anstalten, Charlie hochzuheben, aber David riss sie an sich und drehte den Oberkörper weg, um es zu verhindern.

»Nicht!«

Dann besann er sich.

»Ich trage sie selbst«, sagte er, hob sie auf den Arm und kam mühsam auf die Füße.

Jason wollte David zu Hilfe kommen. »Lass mich dir …«

»Fass sie nicht an!« Das erste Wort kam mit einem Zischen aus Davids Mund. Zornig und schmerzerfüllt zugleich funkelte er seinen Vater an.

Der wich betroffen zurück. »Ist ja schon gut! Schon gut!« Beschwichtigend hob er die Hände und ich sah, dass sie zitterten.

»Gehen wir.« Walt streckte die Hand aus, um David den Arm um die Schultern zu legen, aber auch das wehrte David ab. Schweigend wies Walt in Richtung Herrenhaus und dann machten er, Jason und David sich auf den Weg.

»Du liebe Güte!«, ächzte jemand. Ich wandte mich um. Es war Sheriff O’Donnell. Ich hatte völlig vergessen, dass er ja auch noch da war. Ratlos kratzte er sich am Kinn. »Ich sagte ja: Das tote Mädchen in Maine ist nicht Charlie.« Er starrte den dreien hinterher und sah zu, wie sie zwischen den Wacholderbüschen verschwanden. Dann erst erinnerte er sich an die beiden Waffen, die er noch immer in der Hand hielt: seine eigene und die, die Walt ihm gegeben hatte. Nachdem er seine Waffe mit einer geübten Bewegung ins Holster gesteckt hatte, klemmte er sich die von Walt in den Hosenbund. Schließlich warf er mir einen langen Blick zu und stiefelte hinter den anderen her.

Miley und ich waren die Letzten, die auf den Klippen zurückblieben.

»Tja«, meinte Miley. »Was sagt man dazu?«

Draußen auf dem Meer zuckte der erste Blitz nieder.

Seite an Seite stolperten wir hinter den anderen her, während der Wind weiter auffrischte und die ersten Donnerschläge über das Meer hallten. Der Himmel hatte mittlerweile die Farbe von Schwefel angenommen und Elektrizität lag in der Luft, die auf meinen Armen kribbelte.

»Warum ist sie ohnmächtig geworden?«, fragte Miley mich, kurz bevor wir die Männer eingeholt hatten. »Sie sah doch eigentlich ganz fit aus.«

Ich biss mir auf die Lippe, während ich Davids Rücken anstarrte. Charlies Kopf ruhte an seiner Schulter. Sie hielt die Augen geschlossen, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie wirklich ohnmächtig war. Sie wirkte eher wie eine dieser Ladys aus dem neunzehnten Jahrhundert, die eine Ohnmacht vortäuschten, um einen dramatischen Effekt zu erzielen. Wenn das wirklich der Fall war, dachte ich, dann war sie allerdings eine ziemlich gute Schauspielerin. Immerhin hatte sie Walt getäuscht.

»Tja«, murmelte ich nur, und als habe Charlie meinen Blick gespürt, schlug sie die Augen auf.

Über Davids Schulter hinweg sah sie mich direkt an.

Ich weiß, es klingt bescheuert, aber in diesem kurzen Augenblick, in dem unsere Blicke sich kreuzten, spürte ich bereits die Gefahr, die von ihr ausging. Da war etwas unterschwellig Bedrohliches an der Art, wie sie lächelte, gleichzeitig triumphierend und herausfordernd. Irgendwie kam sie mir vor wie eine schlanke, wunderschöne Katze, die es zuließ, dass man sie streichelte, insgeheim jedoch schon die Muskeln anspannte, um die Krallen auszufahren.

Sei auf der Hut vor mir!

Alles an ihr schien genau das auszustrahlen und dieser Eindruck war so stark, dass ich voller Unbehagen den Blick abwandte.

Als ich Charlie erneut anschaute, hatte sie die Augen wieder geschlossen und sah zufrieden aus.

David hatte von dem kleinen Intermezzo nichts mitbekommen. Im Gegensatz zu Miley, die vielsagend die Augen verdrehte.

Wir hatten den Parkplatz vor dem Herrenhaus gerade betreten, als Grace die Haustür öffnete. Zunächst spiegelte ihre Miene ihr Unverständnis wider, während die kleine Gruppe mit David und Charlie an der Spitze auf sie zumarschierte, doch gleich darauf begriff sie, wen sie da vor sich hatte.

Ihr Mund rundete sich vor...


Kathrin Lange wurde 1969 in Goslar am Harz geboren. Obwohl sie sich beruflich der Hundestaffel der Polizei anschließen wollte, siegte am Ende ihre Liebe zu Büchern, und sie wurde zuerst Buchhändlerin und dann Schriftstellerin. Heute ist sie Mitglied bei den International Thriller Writers und schreibt sehr erfolgreich Romane für Erwachsene und Jugendliche. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in einem kleinen Dorf bei Hildesheim in Niedersachsen.Foto © www.susanne-krauss.de



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