Buch, Deutsch, 248 Seiten, Format (B × H): 123 mm x 195 mm, Gewicht: 348 g
Roman
Buch, Deutsch, 248 Seiten, Format (B × H): 123 mm x 195 mm, Gewicht: 348 g
ISBN: 978-3-03867-024-7
Verlag: brotsuppe
Wer war Louis Soutter? Vielen Menschen, die heute eine seiner Fingerzeichnungen zu Gesicht bekommen, ist diese archaisch anmutende Handschrift, die etwas Tiefes in uns berührt, nicht ganz unbekannt. Sie ist einzigartig, unverkennbar. Tatsächlich gehört Louis Soutter, der einen grossen Teil seines Lebens als Insasse in einem Altersheim verbrachte, heute zu den Künstlern, die weit über die Grenzen der Schweiz hinaus Anerkennung gefunden haben.
Zu seinen Lebzeiten jedoch eckte der hochbegabte Louis Soutter überall an. Er hätte eine Karriere als Geiger machen können, er war eine Weile Vorsteher der Kunstabteilung des Colorado Spring Colleges in den USA, er hatte einen berühmten Cousin, Le Corbusier, der früh sein zeichnerisches Talent erkannte – doch hochempfindlich und zugleich hochintelligent wie er war, vermochte sich Louis Soutter den starren Normen der bürgerlichen Gesellschaft, in die er 1871 hineingeboren wurde, nie anzupassen.
Und die Gesellschaft war hilflos und hart: Solche Leute wurden eingesperrt, in Heimen, nicht in Gefängnissen, was aber beinahe aufs selbe hinauslief. Adolf Wölfli und Robert Walser teilten dieses Schicksal.
Mit grosser Behutsamkeit zeichnet Michel Layaz das Lebensdrama dieses ungewöhnlichen Menschen nach. Er bringt ihn uns nahe, ohne ihm zu nahe zu treten, er hat zwischen poetischer Freiheit und biografischer Faktentreue eine Sprache gefunden, in der Louis Soutter etwas von dem zuteil wird, was ihm sein Leben lang schmerzlich gefehlt hat: einfühlsame Anerkennung.
Der Roman wurde 2017 mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet.
Übersetzt aus dem Französischen hat Yla M. von Dach aus Biel/Bienne und Paris.
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Leseprobe. In weniger als fünfzehn Jahren hatte Louis ein graphisches Oeuvre geschaffen, das zu den eindrücklichsten des zwanzigsten Jahrhunderts gehört. Er hatte das Beste gezeichnet, was er zeichnen konnte, aber dieses Beste war nicht ausgeschöpft, es wollte erneuert, über das Leiden und die Bezauberung hinausgetrieben werden. Andere Konstellationen, an deren Jungfräulichkeit es zu rühren galt, andere Territorien, in denen man sich verirren konnte, Zeichnen und Leben in inniger Verbindung, nicht mehr zu trennen, von ein und derselben Substanz, ein und demselben Atem, und bis zum Tod. Louis richtete sich auf, trat wieder ans Fenster. Die Nacht kühlte sich nur wenig ab und sein Bewusstsein wurde kaum klarer. Er griff nach dem Buch, das auf dem Tisch lag, strich über den Umschlag, wiederholte für sich den Titel, skandierte ihn, jede Silbe von der anderen trennend: Si le soleil ne revenait pas. Henry-Louis Mermod, Ramuz’ Schweizer Verleger, hatte Louis dazu angeregt es zu illustrieren. Wenn Sie mir eine goldene Feder schenken, hatte Louis, den Kopf leicht rückwärts geneigt, mit einem Blick von unten herauf geantwortet. Das war im April dieses Jahres gewesen, ein paar Wochen nach der Ausstellung, die während zehn Tagen in der Galerie Vallotton gezeigt worden war. Mermod, wohlhabender Dandy, liebevoller Ästhet, hatte, weil er sich von der Kunst gern verunsichern liess, mehrere Zeichnungen gekauft, sein Auge hatte wohl bemerkt, welche Leuchtkraft aus Glut und Leidenschaft die ausgestellten Werke beseelte.