E-Book, Deutsch, 368 Seiten
Leibowitz Wintern
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-608-12495-8
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie wir mit der richtigen Einstellung durch die dunkle Jahreszeit kommen
E-Book, Deutsch, 368 Seiten
ISBN: 978-3-608-12495-8
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kari Leibowitz ist Psychologin, Speakerin und Autorin und gilt weltweit als erste Winterzeit-Mindset-Expertin. Sie promovierte in Psychologie an der Stanford University und widmet ihre Forschung der Frage, wie wie wir unsere persönliche Einstellung nutzen können, um unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden zu verbessern. Sie hält international Vorträge und gibt Workshops auf der ganzen Welt. Ihre Artikel sind im Atlantic, in der Washington Post und der New York Times erschienen.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Kognitionspsychologie Emotion, Motivation, Handlung
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Soziologie Allgemein
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaften: Forschung und Information Forschungsmethodik, Wissenschaftliche Ausstattung
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Psychopathologie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Medizin, Gesundheit: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Sport | Tourismus | Freizeit Sport Fitness, Freizeitsport, Gesundheitssport
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaften: Allgemeines Populärwissenschaftliche Werke
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Biologische Psychologie, Neuropsychologie
- Sozialwissenschaften Sport | Tourismus | Freizeit Hobbies & Spiele
- Sozialwissenschaften Pädagogik Pädagogik Pädagogik: Sachbuch, Ratgeber
Weitere Infos & Material
Vorwort
Lange Zeit kam es mir so vor, als würde ich einen urkomischen Witz erzählen, wenn ich davon sprach, »wie man überwintert«. Mit meinem Umzug in die arktische Stadt Tromsø trotzte ich all meinen Vorbehalten, die ich mein ganzes bisheriges Leben lang gegen den Winter hatte. Ich bin an der Küste von Jersey aufgewachsen, eine Stunde südlich von New York. Den Winter konnte ich nicht ausstehen. Als älterer Jahrgang an der Highschool weigerte ich mich, meinen kleinen Bruder – der gerade in die erste Klasse gekommen war – zur Schule mitzunehmen, ehe er nicht jeden Morgen mein Auto auf eine angenehme Temperatur vorgeheizt hatte. Von 2014 bis 2015 ging ich dann jedoch als Forscherin und Fulbright-Stipendiatin an die Universität von Tromsø – die nördlichste Universität der Welt. Dort erlebte ich die Polarnacht, einen zweimonatigen Zeitraum, in dem die Sonne niemals aufgeht. Es zog mich in die Arktis, weil ich versuchen wollte zu verstehen, wie Menschen, die einen der dunkelsten Winter weltweit durchleben, mit dieser Jahreszeit zurechtkommen. Ich bin in eine Kultur eingetaucht, die die Möglichkeiten des Winters auskostet, und begann, all das, was ich um mich herum beobachten konnte, wissenschaftlich zu untersuchen. Aus meiner Studie ging hervor, wie die Menschen in Norwegen über den Winter denken: das, was ich die innere Einstellung zum Winter nenne. Dabei kam ich in Kontakt mit einer anderen Art und Weise, dieser Jahreszeit gegenüberzutreten, und fing selbst an, mich für den Winter zu begeistern.
Nach einem Jahr im Norden Norwegens machte ich mich auf den Weg zurück ins sonnige Kalifornien, um an der Stanford-Universität meinen Doktor in Psychologie abzuschließen – nicht unbedingt der beste Ort, um an meiner Winter-Kompetenz zu feilen. Um mit meiner Zeit in Skandinavien abzuschließen, schrieb ich einen Artikel über meine Erfahrungen und Forschungsergebnisse. Ich betrachtete dies als eine Vorarbeit zu dem, was mich im Stanford Mind & Body Lab erwartete, wo ich untersuchen würde, wie unsere Denkweise unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beeinflusst. »The Norwegian Town Where the Sun Doesn’t Rise« (zu Dt.: »Die norwegische Stadt, in der die Sonne nicht aufgeht«) erschien im Juli 2015 in The Atlantic. Obwohl es sich um einen Aufsatz über unsere Einstellung zum Winter handelte, der im Sommer in den USA veröffentlicht wurde, war er der populärste Artikel des Tages und übertraf damit deutlich den beliebten Beitrag »I Made the Pea Guac« (zu Dt.: »Ich habe Erbsen-Guacamole gemacht«). Zufrieden mit meiner Leistung und dem Gefühl, meine Geschichte erzählt zu haben, war ich bereit, mich in meine neue Arbeit und mein neues Leben in Palo Alto zu stürzen.
Doch abgeschlossen war meine Zeit in Norwegen mit diesem Artikel keineswegs; in meiner Erfahrung taten sich weitverzweigte Risse auf. Sie zeugten von einer tiefen Sehnsucht, fast schon einer Verzweiflung, einen besseren Umgang mit dem Winter zu finden. Seitdem habe ich Hunderte von Anfragen von Journalisten erhalten, die gegen Ende der Sommerzeit und zum Wintereinbruch einen Rat von mir einholen wollten, wie die Menschen aus der dunklen Jahreszeit etwas anderes als Schwermut und Niedergeschlagenheit ziehen können. Meine Forschungsarbeit wurde in Ausgaben von National Geographic über The Guardian bis hin zum Forbes Magazine veröffentlicht. Ich bin in die norwegisch-schwedische Fernsehtalkshow Skavlan eingeladen worden, eine Woche, nachdem Adele dort zu Gast war. (Ich konnte allerdings nicht hingehen, da ich auf einer Tagung in San Diego war. Außerdem war mir nicht bewusst, was für eine große Sache das war.) Ein Artikel in Fast Company, »The Norwegian Secret to Enjoying a Long Winter« (zu Dt.: »Das norwegische Geheimnis eines langen Winters voller Vergnügen«), landete auf Platz eins der populärsten Leadership-Geschichten des Jahres und führte sogar dazu, dass die Autorin noch einen weiteren Artikel schrieb: »The Norwegian Secret to Getting an Article Shared 300 000 Times« (zu Dt.: »Das norwegische Geheimnis, wie ein Beitrag 300 000-mal geteilt wird«).
Menschen aus der ganzen Welt haben mir geschrieben und erzählt, was sie am Winter mögen und was sie an ihm nicht ausstehen können, welche glücklichen Kindheitserinnerungen sie an verschneite Tage haben und wie der Winter sie runterzieht. Anstatt das Thema Winter hinter mir zu lassen, verbrachte ich die nächsten zehn Jahre damit, an meine anfänglichen Nachforschungen durch weitere Studien darüber anzuknüpfen, wie unser Denken funktioniert und warum es so wichtig ist, sich die Strategien anderer Kulturen anzuschauen, um gut durch die dunkle Jahreszeit zu kommen. Ich wollte die Geschichten aus meiner Zeit in Tromsø und die Ergebnisse meiner Forschung mit einem internationalen Publikum teilen. Es kam mir so vor, als hätten die Menschen von Seattle bis New York, von Dublin bis Bukarest, von Sydney bis Tokio mit dem Winter zu kämpfen.
Gleichzeitig gibt es weltweit Orte – darunter auch Tromsø –, an denen der Winter freudig erwartet wird. Mein Aufenthalt in den arktischen Breiten hat mich gelehrt, dass der Winter nichts ist, was einem einfach passiert: Wir haben es selbst in der Hand, wie wir diese Jahreszeit erleben. Doch während es viele Forscher gab, die man dazu befragen konnte, wie man einen Umgang mit saisonal-affektiven Störungen (SAD) finden kann, oder mit denen man diskutieren konnte, wie die Sommerzeit unseren zirkadianen Rhythmus verändert, gab es erschreckend wenige Experten, die der Frage nachgingen, wie man dem Winter stattdessen etwas Positives abgewinnen konnte. Ich begann, mir zu überlegen: Wie kann man diese Jahreszeit annehmen und sich für sie begeistern? Wie können wir bei all der Dunkelheit, Kälte und Nässe Gelegenheiten dazu finden? Und was kann uns der Winter darüber lehren, wie unsere Gedanken die Wahrnehmung der Realität beeinflussen?
Ich hatte das Gefühl, besonders dafür geeignet zu sein, eine Antwort auf diese Fragen zu finden. Als jemand, der den Winter zuvor nicht ausstehen konnte und nun bekehrt war, konnte ich ganz gut beurteilen, was es hieß, die Einstellung zum Winter zu ändern. Mein Aufenthalt im Norden Norwegens, mein persönlicher Streifzug durch einen herausfordernden, aber bezaubernden Winter, öffnete mir die Augen und war eine Art Crashkurs, in dem ich gelernt hatte, die Jahreszeit aktiv anzunehmen.
Und meine akademische Ausbildung, die vor allem von den Erkenntnissen des Stanford Mind & Body Lab geprägt war, hat mir das wissenschaftliche Fachwissen vermittelt, um die über Jahrzehnte zusammengetragenen Forschungsergebnisse darüber zu analysieren, wie wir unsere Perspektiven, unser Verhalten und unsere Denkweisen bewusst verändern können. Meine Suche nach den Antworten auf diese Fragen führten zu dem Buch, das Sie nun in den Händen halten.
Im besten Fall zaubert der Winter Bilder von gemütlichen Schneetagen und heißer Schokolade mit Marshmallows herbei. Von Lesestunden vor dem Kamin mit dem Hund auf dem Schoß, Ski-Abfahrten von urigen Hütten, Schlittenfahrten mit Höchstgeschwindigkeit und Schneeballschlachten. Von Geschenken unter dem Weihnachtsbaum, wärmenden Eintöpfen und glitzernden Silvesterpartys.
Aber viele von uns leben während dieser Jahreszeit nur selten in diesem idealisierten Winterwunderland. Winter bedeutet auch, die Windschutzscheibe zu enteisen, bevor man zur Arbeit fährt; durch eisige Windkanäle zu laufen, um zur Schule oder zum Büro zu gelangen. Im Dunkeln zur Arbeit zu gehen und im Dunkeln nach Hause zu kommen. In einen in einer schier endlosen Reihe von grauen Tagen auf die Erde niederdrückenden Himmel zu blicken. Den im Nacken herunterlaufenden Schneeregen zu spüren und stundenlang zu frösteln. An den Autobahnen und Straßenrändern in der Stadt an dem sich auftürmenden Schnee vorbeizufahren, der sich hässlich braun verfärbt. Sich müde und lethargisch zu fühlen, verschnupft und melancholisch zu sein.
Der Winter stellt uns vor viele Herausforderungen. Je nachdem, wo wir leben, kann der Winter bittere Kälte und Berge von Schnee mit sich bringen. Oder die Tage sind voll von peitschendem Regen, Graupel und Hagel. Die Winterzeit kann ein endlos tristes, eintöniges Grau sein; mit kaltem, ständigem Nieselregen; einem Wind, der einem die Worte abschneidet und die Haare in einen unordentlichen Knoten verwirbelt. Wenn Sie nicht gerade in der Nähe des Äquators leben und der Winter weitestgehend an Ihnen vorübergeht, bringt er zweifelsohne Dunkelheit mit sich: mit frühen Sonnenuntergängen und langen Nächten. Diese klimatischen Bedingungen haben Auswirkungen auf uns; die Dunkelheit trägt dazu bei, dass wir uns träge und müde fühlen, und führt dazu, dass wir unkonzentriert sind. Kaltes, nasses Wetter hält uns davon ab, aktiv zu sein und uns im Freien zu bewegen, was unsere Antriebslosigkeit noch verstärkt. Wir sind vielleicht weniger gesellig, sind nicht annähernd die optimale Version von uns selbst. Und mit dem Klimawandel werden die Winter weniger vorhersehbar, bringen mehr Kälte in Gegenden, in denen man nicht an Minusgrade gewöhnt ist, und verwandeln vormals schneereiche Winter in regnerische, sodass wir unsere Einstellung zu dieser Jahreszeit an die neuen Bedingungen anpassen müssen. Oberflächlich betrachtet handelt es sich bei diesen Problemen um Fragen des Wetters und des Klimas. Aber sie spiegeln viel mehr wider: wie weit wir uns von dem alljährlichen Zyklus von Licht und Dunkelheit entfernt haben. Wie verzweifelt wir versuchen, die Natur unserem eigenen Zeitplan zu unterwerfen, anstatt unseren Rhythmus den Jahreszeiten anzupassen. Die Art und Weise, wie wir Erzählungen...




