Lentz | Oder | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Lentz Oder

Prosa
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-10-490175-6
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Prosa

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-10-490175-6
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hier erfahren Sie etwas über Bierliebhaber oder die Schöpfung oder das Dasein der Tiere oder die Natur, auch zum Beispiel über den Himmel oder über Mutterliebe oder oder oder. Aber was heißt das überhaupt? Dass das ein für alle Male gesagt werden muss, so hinlänglich und so überflüssig. Oder?

Michael Lentz, 1964 in Düren geboren, lebt in Berlin. Autor, Musiker, Herausgeber. Zuletzt erschienen: der Roman »Schattenfroh. Ein Requiem« (2018), der Kommentar »Innehaben. Schattenfroh und die Bilder« (2020), der Gedichtband »Chora« (2023), der Roman »Heimwärts« (2024) sowie »Grönemeyer« (2024), alle bei S. FISCHER. Michael Lentz wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und dem Walter-Hasenclever-Literaturpreis. Für »Chora« und sein Gesamtwerk erhielt Michael Lentz den Bettina-Brentano-Preis für Gegenwartslyrik 2024.   Literaturpreise: Literaturförderpreis des Freistaates Bayern 1999 Aufenthaltstipendium Villa Aurora in Santa Monica, Kalifornien/USA 2001 Ingeborg-Bachmann-Preis 2001 Preis der Literaturhäuser 2005 Walter-Hasenclever-Literaturpreis 2012 Bettina-Brentano-Preis für Gegenwartslyrik 2024
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


scheidplatz, richtung am hart. eine wahrheit.


oder zwei rheinländer in münchen. auch eine wahrheit.

(für jochen rülle, dem diese wahre begebenheit mündlich immer viel spass gemacht hat.)

ein abend wie winter. täglich ein weg zur straßenbahn. oder ein täglicher weg. eine menschenleerheit, ein halteplatz. für menschen zu früh viel zu früh noch. zigarettenpause. dann straßenbahn von rechts, endstation. alle leute raus, keine leute rein. schaffner steht auf, klappt die verdeckung der stationenrolle herunter, wechselt kurbelgelassen die endstation. fuhrmann fährmann! dann steigt er aus, holt luft, steigt ein, liest nochmal oder nochmals die zeitung, raucht. dann von links, ruhig, ganz ruhig ein mitmensch. geht auf geht ab, geht auf macht kehrt und hockt sich neben mich. auch ich bin anwesend, so nebenbei in der gegend sitzend.

mann, mitte fünfzig, lodenmantel, unrasiert. lodenmantel vor die hunde gekommen. hockt dann da, kramt in der manteltasche, findet nichts, kramt in der anderen manteltasche, holt tabaksbeutel hervor, kramt im tabaksbeutel, holt zigarettenpapier und fingerlänge tabak raus, wälzt den tabak aufs papier, rollt den hin und zurück, holt die zunge raus, zieht die frischfabrizierte fluppe an der zungenspitze vorbei, verschließt die fluppe, reißt die überschüssigen büschel tabak ab, fingert diese in den dazugehörigen tabaksbeutel, steckt diesen in die manteltasche, kramt in dieser dann in jener manteltasche, holt ein feuerzeug ans licht der öffentlichkeit, steckt die frischtapezierte zigarette zwischen die lippen, entfacht eine stichhaltige flamme, zieht kräftig durch – und hustet. zieht nochmal, hustet nochmal, wirft die fluppe auf den straßenbahnsteig, wälzt den schuh drüber, bringt das rauchende ding endlich zum stillstand, speichelt ihm nach, bleibt stehen

und wendet ein interessiertes wort an mich:

ein instrument.

ein saxophon.

ein alt-saxophon.

GRATULIERE, sagt der mann,

und rotzt auf den boden.

wohl fachmann, bedanke ich mich.

, grübelt der fachmann,

wie alles auf der welt, philosophiere ich.

, weiß mein nebenanmann.

zunächst ja, mit der zeit aber wie alles, sage ich auch.

das frage ich mich auch, frage ich mich.

dann von links die vormals von rechts eingefahrene straßenbahn, kurvende kehrtwende, da steht sie, da steige ich ein: servus zum nebenmann, särvuss zurück, eingestiegen, fahrkarte in den entwerter, platz nehmen, das schwierige instrumännt rechts neben mich auf den straßenbahnboden, kurzes nervenfieber des kommenden geblases betreff …

und siehe da, kaum denkst du dran, sitzt neben dir der komplimentekavalier. daß der hier eingestiegen ist, ist selbstbetrügung wie man linksrheinisch munkelt, der muß hier nie und nimmer lang, der ist einfach nur so eingestiegen nachgefolgt, denkste noch, da wühlt der schon inne manteltaschen hosentaschen taschentaschen – und hält dir prompt einen fetten bund schlüssel unter die nase, stolz und fragendermaßen:

ein schlüsselbund mit vielen schlüsseln, bewundere ich.

fachmann fingert an der schlüsseltraube – metzgerhände, wurstige finger, schwarz-umkränzte nagelbetten – dann hat er ruh; spitzt ihn zwischen daumen und zeiger in die höh als wolle er mir sekt zuprosten mit abgespreiztem hanswurst – und verendet vorerst mal nichtssagend.

der bedeutendste schlüssel!, gebe ich klein bei.

, antwortet der fachmann gelassen, und würgt die schlüsseltraube (ich bleibe bei schlüssel) wieder in die pralle manteltasche und das kloßige zurück in den schlund.

sozialwohnung, wiederhole ich.

plaudert der spezi.

gratuliere ebenfalls, beste lage, bewundere ich.

(macht mit der flachgestreckten hand eine kreisende bewegung vor der kahlen stirn)

was ist der?

(wiederholt den kreisel)

aha, bescheuert, konkretisiere ich.

, verbessert der spezi, (imitiert mit der hohlen hand eine gierige trinkbewegung)

ein trinker also.

, betont der fachmann,

und den franz haben Sie jetzt alleine da in ihrer wohnung gelassen.

der muß da also bleiben bis Sie wiederkommen.

wovor?

?

dann ein quietschender ruck, das geschoß, die verkümmerung oder verkrümmung hebt ab fährt an rückt weg.

strahlende augen, suchender blick des wackeren vaters.

scheuklappen, fragender blick des anvisierten.

der groschen fiel nicht. BRÄNNHOLZ. virtuose. der name taugt was. keine ahnung.

, versetzte der fachmann.

ein renommierter ort, sagte ich auch mal wieder was.

?

RÜMANNSTRASSE

, sagt der marienplatzbewohner, und nimmt mal einen schluck aus seinem blechernen flachmann.

kammerflöhe, bekannte ich. zeitgemäß oder auch nicht.

, qualifizierte der fachmann.

so, woran denn? interessierte es mich.

KEFERLOHERSTRASSE

wohin fahren Sie eigentlich, wehrte ich weitere abgründe ab. der fachmann und sein mundwerk ganz vornehm:

(taschentuch raus, hineingeschneuzt, taschentuch in die linke hand verkrallt: der plauderer rückt näher an mich ran), (taschentuch nochmal vor die nase, brocken unverständliches hineingemurmelt oder -sprudelt: plauderer rückt mir bedrohlich nahe), (taschentuch in die geheimnisvolle manteltasche gefriemelt: der plauderer sitzt mir fast auf dem schoß)

MILBERTSHOFENER STRASSE

INSTRUMÄNNTENKOFFER (betonung des wortes »instrumentenkoffer« himalayagroß), (»stinknormal«, ja, stinkt aus dem mund),

der instrumentenkofferfinder anno ungefähr neunzehnhundertfünfundfünfzig kommt in fahrt: rudernde arme, mundwerk wieder richtung heimat:

(richtig, sein tonfall verrät den landsmann)


Lentz, Michael
Michael Lentz, 1964 in Düren geboren, lebt in Berlin. Autor, Musiker, Herausgeber. Zuletzt erschienen: 'Pazifik Exil' (Roman), 'Warum wir also hier sind' (Theaterstück), 'Offene Unruh' (Gedichte), die Essay- und Aufsatzsammlung 'Textleben', die Frankfurter Poetikvorlesungen 'Atmen Ordnung Abgrund' und 'Schattenfroh. Ein Requiem' (Roman), alle bei S. FISCHER und bei FISCHER Taschenbuch.

Literaturpreise u. a.
Literaturförderpreis des Freistaates Bayern 1999
Aufenthaltstipendium Villa Aurora in Santa Monica, Kalifornien/USA 2001
Ingeborg-Bachmann-Preis 2001
Preis der Literaturhäuser 2005

Michael LentzMichael Lentz, 1964 in Düren geboren, lebt in Berlin. Autor, Musiker, Herausgeber. Zuletzt erschienen: 'Pazifik Exil' (Roman), 'Warum wir also hier sind' (Theaterstück), 'Offene Unruh' (Gedichte), die Essay- und Aufsatzsammlung 'Textleben', die Frankfurter Poetikvorlesungen 'Atmen Ordnung Abgrund' und 'Schattenfroh. Ein Requiem' (Roman), alle bei S. FISCHER und bei FISCHER Taschenbuch.

Literaturpreise u. a.
Literaturförderpreis des Freistaates Bayern 1999
Aufenthaltstipendium Villa Aurora in Santa Monica, Kalifornien/USA 2001
Ingeborg-Bachmann-Preis 2001
Preis der Literaturhäuser 2005



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