E-Book, Deutsch, 190 Seiten
Machfus Echnaton
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-293-30581-6
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der in der Wahrheit lebt. Roman
E-Book, Deutsch, 190 Seiten
ISBN: 978-3-293-30581-6
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenige Jahrzehnte nach Echnatons Tod geht der junge Historiker Merimun auf die Suche nach der Wahrheit um Echnaton und Nofretete, das rätselhafte Pharaonenpaar. Als Erster entdeckte Echnaton das menschliche Gewissen, wollte die Gleichheit der Menschen vor dem einen Gott durchsetzen und ein Reich von Harmonie, Frieden und Zärtlichkeit schaffen. Der Historiker befragt Zeitzeugen nach ihren Erlebnissen: Generäle, Priester, Künstler, enge Vertraute, Familienmitglieder erzählen ihm ihre Geschichte. Nach Echnatons Sturz und der Niederlage der Utopie stehen in ihren Berichten Hass und stille Bewunderung dicht nebeneinander. Zuletzt dringt Merimun auch zu Nofretete vor. Von den neuen Machthabern in einem zerfallenden Palast eingesperrt, wird sie sich des Verrats an ihrer großen Liebe bewusst.
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Der Hohe Priester Amons
Nach der bitteren Ödnis während der Zeit des »Ketzers« war Theben endlich wieder erblüht. Erneut zur Hauptstadt geworden, zierte der junge Pharao Tutenchamon den Thron. Die Männer des Kriegs und des Friedens gingen wieder ihren Pflichten nach, und die Priesterschaft versah ihren Dienst in den Tempeln. Die Paläste strahlten in neuem Glanz, die Gärten grünten und blühten, und stolz ragte der Tempel Amons mit seinen riesigen Säulen gen Himmel empor, gesäumt von einem prächtigen Garten. Auf den Märkten riss der Strom von Händlern, Käufern und Waren nicht ab, es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Der Glanz, der über dieser Stadt lag, sprach von ihrer Größe und Stetigkeit. Es war mein erster Besuch in Theben. Die Pracht der Gebäude und die Masse der Menschen überwältigten mich. Um mich herum rief es und schrie es, es dröhnten Räder und trappelten Füße. Meine Heimatstadt Sais kam mir auf einmal wie ein träges, stummes Dorf vor. Meine erste Verabredung sollte im Amon-Tempel stattfinden. Ein Diener erwartete mich. Wir schritten durch die riesige Säulenhalle, dann bog er in einen Seitengang ein und brachte mich in einen Raum, wo der Hohe Priester mich empfing. Er thronte auf einem Sessel, dessen Ebenholz das Gold der Armlehnen besonders strahlen ließ. Der Priester war ein Greis mit kahlem Schädel. Er trug ein langes, weites Gewand, Nacken und Schultern bedeckte eine weiße Schärpe. Trotz des hohen Alters machte er einen äußerst lebendigen Eindruck auf mich. Ich fasste Vertrauen. Zuerst fand er lobende Worte für meinen Vater. »Im Unglück lernt man die Getreuen kennen«, sagte er. Mit leiser Stimme, fast murmelnd, kam er auf den Grund meines Aufenthalts in Theben zu sprechen. »Was sich an Lügen an den Wänden fand, haben wir entfernt, aber die Wahrheit muss erhalten bleiben und aufgezeichnet werden.« Als müsste er Dank sagen, neigte er den Kopf. »Heute nimmt Amon wieder seinen Thron ein und lenkt als Herr der Götter das Schiff des Allerheiligsten. Er ist es, der Ägypten beschützt und die Feinde fernhält. Seine Priester sind wieder zu Amt und Würden gekommen. Amon ist der Gott, der durch die Hand Ahmoses unser Tal befreit hat. Er ist es, der durch Thutmosis den Dritten unsere Grenzen nach Norden, Süden, Osten, Westen erweitert hat. Amon ist der Gott, der den Sieg verleiht und den Verräter erniedrigt.« Ehrfürchtig kniete ich nieder, und erst als der Hohe Priester mir bedeutete, mich zu erheben, setzte ich mich auf den Hocker, der vor ihm stand. Mit allen meinen Sinnen lauschte ich den Worten des Hohen Priesters. »Es ist eine traurige Geschichte, Merimun, auch wenn ihr Beginn eher unschuldigem Flüstern ähnelt. Am Anfang stand die Große Königin Teje, die Gemahlin des Großen Pharao Amenophis des Dritten und die Mutter des Ketzers. Sie, die aus einer nubischen Familie stammte, war eine einfache Frau aus dem Volk, kein Tropfen königlichen Blutes floss in ihren Adern. Aber sie war stark und so klug, dass man glaubte, sie hätte vier Augen und könnte damit gleichzeitig in alle vier Himmelsrichtungen spähen. Wie es schien, war sie auf unser Wohlwollen bedacht. Nie werde ich vergessen, was sie mir am Tag des Fests des Nils sagte: ›Ihr Priester Amons seid Ägyptens Wohl und Segen.‹ Sie hatte die Angewohnheit, mit ihren großen, schwarzen Augen die kräftigen Männer so lange anzustarren, bis sie völlig verwirrt die Köpfe senkten. Wir, die Priester, empfanden keine Furcht vor ihr, wussten wir doch, mit welcher Liebe die ruhmreiche Pharaonenfamilie den Priestern Amons zugetan war. Doch eines Tags mussten wir entdecken, dass sich die Königin plötzlich für religiöse Angelegenheiten interessierte. Sie hielt es für richtig, die Lehre zu erweitern und den Glauben an die anderen Götter, insbesondere an den des Aton, mit einzubeziehen. Zunächst hielten wir diesen Vorschlag nur für eine Bereicherung des Wissens über Götter, die wir alle durchaus verehrten. Also gab es keinen Grund, dagegen anzugehen. Es berührte uns nur unangenehm, dass ausgerechnet hier, in Amons Heimat Theben, die anderen Götter eine solche Auszeichnung erfahren sollten. Da half auch nicht, dass Königin Teje immer wieder versicherte, Amon bliebe der Gott aller Götter und wir, seine Priester, würden den Vorrang vor allen anderen Priestern Ägyptens haben. Eines Tags bat mich Toto, unser Sänger, um ein Gespräch. Er vermute, sagte er, daß der Vorschlag der Großen Königin nicht wirklich mit Religion zu tun habe, sondern auf eine neue Politik hinauslaufe. Ich bat ihn, mir das genauer zu erläutern. ›Die Königin‹, erklärte er, ›buhlt um die Freundschaft der Priester in den Provinzen. Offenbar will sie zwischen uns und ihnen ein Gleichgewicht herstellen und damit die Macht der Priesterschaft abbauen und die des Throns stärken.‹ Nun war ich zwar nicht frei von Argwohn, dennoch entgegnete ich ihm: ›Wir sind die Diener Amons und des Volkes. Wir sind die Lehrer, Ärzte und geistigen Führer in dieser und der anderen Welt. Die Große Königin ist eine kluge Frau, deshalb wird sie uns auch nicht ihre Gunst entziehen.‹ Toto wehrte verärgert ab. ›Es herrscht ein Kampf um die Macht. Die Königin ist ehrgeizig, meiner Meinung nach ist sie stärker als der König.‹ Als müsste ich gegen meine eigenen Ängste ankämpfen, beharrte ich: ›Wir sind die Söhne des mächtigsten Gottes. Hinter uns steht ein Erbe, das stärker als das Schicksal ist.‹ Vielleicht ist es ratsam, Merimun, dir etwas über König Amenophis den Dritten zu erzählen. Sein Großvater Thutmosis der Dritte hatte bereits ein nie da gewesenes Reich von gewaltigem Ausmaß und einer großen Vielfalt an Völkerschaften errichtet. Auch Amenophis der Dritte war ein starker König, beim geringsten Anzeichen von Gefahr stürzte er los, um seine Macht zu verteidigen. Er errang so entscheidende Siege, dass das gesamte Reich ihm absolute Gefolgschaft leistete. Während der langen Jahre seiner Herrschaft herrschten Frieden und Wohlstand. Er konnte auf das aufbauen, was seine Vorfahren begründet hatten, und reiche Ernte einbringen. Alles gab es im Überfluss – Getreide, Stoffe, Erze. Er ließ Paläste, Tempel und Statuen errichten. Er schwelgte in gutem Essen und Trinken, ihm standen die schönsten Frauen zur Verfügung. Teje, diese listige Frau, kannte seine Stärken ebenso wie seine Schwächen und wusste dies zu nutzen. War Krieg notwendig, ermutigte sie ihn zu kämpfen. Über seine Weibergeschichten sah sie hinweg und opferte ihr liebendes Gefühl um der Beteiligung an der Macht und ihres grenzenlosen Ehrgeizes willen. Ich streite nicht ab, dass sie über eine ungeheure Kenntnis in allen Dingen verfügte, sie wusste in allem Bescheid, im Großen wie im Kleinen, ob nun in Ägypten oder im Reich. Ich leugne auch nicht, dass sie der Macht treu diente, einen erstaunlichen Weitblick besaß und auf Ruhm und Größe des Imperiums bedacht war. Aber was ich ihr vorwerfe, ist ihr Machthunger. Es war eben ihre Gier, die sie dazu verführte, mit List und Tücke die Religion auszunutzen, um die Macht allein und ohne die Priesterschaft auszuüben. Mit der Zeit wurde mir klar, dass ihr noch anderes durch den Kopf ging. Eines Tages kam sie in den Tempel, um ihre Opfergaben zu bringen. Anschließend eilte sie mir mit festem Schritt in den Ruheraum voraus, und als wir uns gesetzt hatten, fragte sie: ›Was ist es, das Euch betrübt?‹ Ich suchte nach einer passenden Antwort, aber sie ließ mir keine Zeit, sondern erklärte: ›Wie Ihr Priester kann auch ich in den Herzen lesen. Ihr denkt, dass ich auf Kosten von Amons Priestern den anderen Priestern mehr Bedeutung zumesse?‹ Um sie zu besänftigen, entgegnete ich: ›Die Priester Amons sind die getreuen Gefährten Eurer ruhmreichen Familie.‹ Ihre Augen glitzerten. ›Ich werde Euch sagen, was ich denke, Hoher Priester. In Ägypten ist Amon der Gott aller Götter. Für die Untertanen im Reich ist er das Symbol der Macht, vielleicht auch das ihrer Niederlage. Aton hingegen ist der Gott der Sonne, und sie scheint überall. Jedes Geschöpf kann sich, ohne daran auch nur im Geringsten Anstoß zu nehmen, dem Gott der Sonne zugehörig fühlen.‹ Dachte sie das wirklich, oder war es nur ein neues Argument, hinter dem sie ihre wahre Absicht, nämlich uns in unseren Rechten zu beschneiden, versteckte? Wie auch immer, die Erklärung überzeugte mich nicht. Also sagte ich: ›Gebieterin, diese Wilden da draußen im Reich müssen mit Stärke und nicht mit Freundlichkeit regiert werden.‹ Sie lächelte. ›Mit Freundlichkeit auch. Ein gezähmtes Tier muss anders als ein wildes Tier behandelt werden.‹ Ich hielt das für eine ausgesprochen unnütze weibliche Sichtweise, die verhängnisvolle Folgen haben könnte. Und genau das haben die späteren schmerzlichen Ereignisse ja auch bestätigt.« Der Hohe Priester schwieg, als wollte er nachdenken oder sich erinnern. Nach einer Weile fuhr er fort: »Was ich vielleicht erwähnen sollte, ist, dass diese Frau zu Beginn ihrer Ehe erhebliche Schwierigkeiten hatte. Sie blieb für eine ziemlich lange Zeit ohne Kinder. Die Angst, unfruchtbar zu sein, setzte ihr zu, was umso schlimmer war, als sie aus einer einfachen Familie kam. Aber Dank Amons Gnade und der frommen Gebete und magischen Kräfte der Priester wurde die Königin schwanger, doch leider gebar sie ein Mädchen. Wann immer ich ihr im Palast oder im Tempel begegnete, bedachte sie mich fortan mit einem missgünstigen, warnenden Blick, ganz so, als trüge ich die Schuld an ihrem Unglück....