E-Book, Deutsch, Band 2, 830 Seiten
Reihe: Scottish Lovebirds
Malone You make me dream
23001. Auflage 2023
ISBN: 978-3-95818-671-2
Verlag: Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Scottish Lovebirds | Queere New Adult in Schottland
E-Book, Deutsch, Band 2, 830 Seiten
Reihe: Scottish Lovebirds
ISBN: 978-3-95818-671-2
Verlag: Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Murphy Malone (26) lebt dafür, die Welt zu erkunden und ihre Lebenserfahrungen in Geschichten festzuhalten. Ihr Debüt »You make me fly« basiert auf ihren Erlebnissen in Glasgow, wo sie vier Jahre an der Glasgow University Psychologie studiert hat und selbst Mitglied von zoologischen Forschungsexpeditionen nach Trinidad und Island war. Nun macht sie ihren PhD am King's College London, wo sie Intergruppenkonflikte mit Hilfe von Virtual Reality erforscht. Außerdem ist Murphy als Sensitvity Readerin tätig. In ihrer Freizeit macht sie Fotos und ist als Aktivistin laut. Dabei setzt sie sich vor allem für Mental Health Themen und queere Repräsentation ein.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1: Willkommen im Paradies
Zephire
Wie konnte etwas gleichzeitig so schön und furchteinflößend sein?
Der Fahrtwind, der durch die geöffneten Fenster ins Innere des Wohnmobils strömte, roch nach Freiheit und Abenteuern. Aus den kleinen Bluetooth-Lautsprechern, die neben dem Wackelbison auf dem Armaturenbrett standen, dröhnte . Sorina und Medea, mit denen ich die letzten Monate für unsere Forschungsexpedition Spenden gesammelt hatte, sangen lauthals mit.
Und ich? Ich klammerte mich auf der Rückbank an Angelou, als wäre die dösende Hündin mein rettender Anker. Es tat mir gut, meine Hände zu beschäftigen und etwas zu haben, auf das ich meine Sinne fokussieren konnte. Angelou schien sich nicht darum zu kümmern, sie zuckte nur freudig mit der linken Hinterpfote, während ich ihr den Bauch kraulte.
»Laut Navi sind wir in zehn Minuten da!«, rief Sorina mir zu, die den Song zum dritten Mal wiederholte. »Zephire, willst du nicht nach vorne kommen? Die Landschaft ist so schön!«
Ich knabberte nervös an meiner Unterlippe, nickte aber und rutschte von Angelou weg, die traurig aufsah.
mein Nach vier Jahren in Glasgow wollte ich endlich Freundinnen und Freunde fürs Leben finden. Menschen, die mich mochten, wie ich war, und die nicht sofort wieder verschwanden. Wenn mir aber der erste Tag schon so schwerfiel, wie sollte ich diese Expedition dann überstehen?
Unsere Reise zur Isle of Harris war lang, von Glasgow nach Uig hatten wir über sechs Stunden gebraucht und auf der Fahrt mit der Fähre war ich seekrank geworden. Während die anderen Expeditionsmitglieder freudig an der Reling gestanden und die Wellen beobachtet hatten, war mir schon nach zehn Minuten auf See kotzübel geworden. Mit einem Hörbuch auf den Ohren hatte ich versucht, auf dem Schiff einen Ort zu finden, an dem mich das Schaukeln nicht ganz so belastete. Selbst jetzt im Wohnmobil war mir immer noch schwindelig.
Ich wollte mir nicht anmerken lassen, wie überfordert und reizüberflutet ich war. Ich wollte mir und den anderen beweisen, dass ich mich genau wie sie freute, hier zu sein.
»Bin schon unterwegs!«, rief ich also und tapste nach vorne, wo ich mich auf dem drehbaren Mittelsitz niederließ. Angelou folgte mir und ließ sich vor meinen Füßen nieder.
»Yay!«, machte Sorina und grinste mich an. Sie und Medea standen ganz oben auf meiner Liste von .
»Geht es dir ein bisschen besser?«, erkundigte sich Medea, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
»Ja. Alles wieder gut«, log ich und konzentrierte mich auf die Landschaft vor uns, denn Sorina hatte definitiv recht: Die Isle of Harris war atemberaubend.
Die nachmittägliche Sonne schien auf endlose, bunte Wiesen, die von Stein und Felsen durchzogen waren. Dunkelgrünes Gras schmiegte sich an helleres Moos, aus dem violettes Heidekraut hervorstach. Hügel verdeckten den Horizont und ein glitzernder Bach schlängelte sich zu einem kleinen See. Weit und breit war kein einziges Haus zu sehen, dafür aber …
»Ziegenkitze!«, quietschte Sorina, zupfte an meinem T-Shirt und deutete an Medea vorbei aus dem offenen Fenster.
Medea bremste das Wohnmobil auf Schritttempo herunter, damit sie ebenfalls raussehen konnte. Die Ziegenmutter stand gemeinsam mit ihren beiden Kitzen am Bach und sah ein bisschen verwirrt zu uns hinüber, während ihre flauschigen Babys frisches Wasser tranken.
Der Anblick half mir, mich freier zu fühlen. Deswegen waren wir hier. Um uns gemeinsam an der Schönheit Schottlands und den vielen Tieren zu erfreuen – und diese zu untersuchen.
»Sie sind zum Sterben süß«, sagte ich und beugte mich über Medea, um die Kleinen besser sehen zu können. Eines der Kitze versuchte weiter in den Bach hineinzugehen, verlor auf seinem Stein den Halt und landete Kopfüber im Wasser.
Sorina und ich schlugen uns fast zeitgleich die Hand auf den Mund, und scheiterten beim Versuch, nicht über das Ungeschick zu lachen. Medea hatte das Wohnmobil inzwischen zum Stehen gebracht und lehnte sich ebenfalls aus dem Fenster.
»Auf einer Skala von eins bis zehn, wie sehr würde Cameron ausflippen, wenn wir eines der Kitze klauen und als Expeditions-Maskottchen adoptieren?«, fragte sie und sah verschwörerisch zu Sorina und mir.
»Wahrscheinlich fünfzig?«, erwiderte Sorina kichernd, während mir ein eisiger Schauer den Rücken hinunterlief. Mit Cameron kam ich von allen Expeditionsmitgliedern am wenigsten klar. Nachdem mir ein Fehler mit den Forschungsgeldern unterlaufen war, hatte er mich vor der ganzen Gruppe angeschrien und ich hätte die ganze Reise am liebsten hingeschmissen. Obwohl Sorina, Medea und Roisin mir wieder neuen Mut gegeben hatten, war ich froh, dass Cameron eines unserer beiden Expeditionsautos fuhr und mit Roisin unterwegs war.
»Also ich würde das nur ungern riskieren«, gab ich zu und Sorina nickte zustimmend, während sie das Gesicht verzog, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
Medea seufzte und schaltete den Motor wieder ein. »Ihr habt ja recht. Aber wenn ich ein verlorenes Otterbaby finde, kann ich für nichts garantieren.«
»Dafür wäre dann Thandis und Murdochs Rescue-Center die richtige Adresse. Soweit ich das verstanden habe, haben die beiden dort auch eine Auffangstelle für Tierwaisen. Du kannst sie heute Abend ja fragen, ob seit der Eröffnung vor zwei Monaten schon ein paar Tiere bei ihnen abgegeben wurden«, erklärte Sorina und ich nickte begeistert.
Nach allem, was ich von Thandi und Murdoch gehört hatte, waren die beiden unglaublich inspirierend. Obwohl sie nur ein paar Jahre älter waren als ich, hatten sie bereits ihre Doktortitel. Wir waren die erste Expeditionsgruppe, die mit ihnen und ihrem neuen Rescue-Center zusammenarbeiten würde, und ich hoffte, mich so gut mit ihnen zu verstehen, dass ich nach der Expedition ein Praktikum bei ihnen absolvieren konnte. Das würde mir nicht nur Praxiserfahrung verschaffen, sondern mir auch etwas zu tun geben. Denn die Frage, was ich nach meinem Studium machen sollte, hing über mir wie ein Damoklesschwert.
Allerdings gruselte mich der Gedanke, neue Menschen kennenzulernen. Was, wenn Murdoch genauso kühl war wie Cameron? Oder Thandi mich nicht mal bemerken würde?
sagte ich mir selbst, doch das Gefühl der Panik blieb.
Ich dachte, ich wäre mittlerweile besser darin geworden, Freund*innen zu finden, aber die Tatsache, dass ich außer Hiraya kaum Personen in meinem Leben hatte, die ich zu meinen engen Vertrauten zählte, verunsicherte mich. Und seit der Diagnose war alles noch mal anders …
Vor allem an Tagen wie heute. Warum hatte ich bloß gedacht, mich zwei Monate lang rund um die Uhr mit Menschen zu umgeben, wäre eine gute Idee, wenn ich mich schon nach einem Tag wie ein ausgetrockneter Brunnen fühlte?
»Glaub mir, sobald die beiden Hilfe brauchen, bin ich schneller bei ihnen als sie ›Fischsuppe‹ rufen können! Ich bin immer noch so begeistert, dass sie mit uns kooperieren werden. Ein Tierarzt und eine erfahrene Forscherin sind perfekt für unsere Chaostruppe! Das kann nur gut werden«, sagte Medea.
Ich wollte Medea glauben und nickte, auch um mich selbst zu überzeugen. Das hier war meine letzte Chance gewesen, an einer der Forschungsexpeditionen der Glasgow University teilzunehmen. Seit Beginn meines Studiums hatte ich mich jedes Semester beworben und immer wieder im letzten Moment einen Rückzieher gemacht. Das hier war mein Traum. Aber warum fühlten sich Träume manchmal so beängstigend an?
Einer der Bäche zu unserer Rechten ging in einen kleinen See über. , wie ein Blick auf das Navi mir verriet. Nur ein dünner Streifen Land trennte den Loch von der Meerenge, von der ich so viel im Studium und während der Expeditionsplanung gehört hatte.
Medea fuhr ein paar hundert Meter weiter, passierte Schlaglöcher und brachte uns geradewegs ins Paradies. Vor uns zeigte sich weißer Sand, der stellenweise von türkisem Wasser bedeckt wurde, das an den tieferen Stellen einem satten Azurblau wich.
»Wow! Ist das wirklich Schottland? Nicht mal in Griechenland haben wir so schöne Strände«, staunte Medea, die offensichtlich Schwierigkeiten hatte, sich beim Anblick dieser Landschaft aufs Fahren zu konzentrieren.
»Tja, willkommen in den Äußeren Hebriden!«, rief Sorina stolz und mit leuchtenden Augen.
Mein Herz schlug vor Aufregung und Freude so schnell, dass ich meine Übelkeit vergaß.
Es juckte mich in den Fingern, meine Kamera herauszuholen. Je weiter wir die Meerenge entlangfuhren und je größer sie wurde, desto mehr sehnte ich mich danach, die Umgebung allein zu erkunden. Der Gedanke gab mir Hoffnung. Wenn die Anwesenheit der anderen, so lieb ich sie auch hatte, zu viel wurde, gab es immer noch diese magische Natur, in der ich Zuflucht finden konnte.
»Ist das der Strand?«, fragte ich aufgeregt und deutete auf den langen weißen...