E-Book, Deutsch, 245 Seiten, Gewicht: 468 g
Mappes-Niediek Let's be Frank
1. Auflage 2004
ISBN: 978-3-593-41901-5
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Die unglaubliche Geschichte des heimlichen Kaisers von Österreich
E-Book, Deutsch, 245 Seiten, Gewicht: 468 g
ISBN: 978-3-593-41901-5
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Norbert Mappes-Niediek ist Journalist und Autor der Bücher Österreich für Deutsche (2001) und Balkan-Mafia (2003). Er schreibt unter anderem für die Zeit, die Financial Times Deutschland und den Wiener Standard.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Inhalt
Ein Mann sieht Gold
Kapitalismus in Österreich7
Von der Hütte in den Palast
Eine Märchenkarriere24
Konzern der Werkzeugmacher
Die Erfolgsgeschichte der Magna41
Kanadier unter Kanadiern
Frank und die Society63
Für das eigene und das allgemeine Beste
Politik und Ideologie73
Steyr, Daimler, Puch und Stronach
Der Sprung nach Europa88
Im Land der Zulieferer
Vom Austro-Porsche zur Magna-Welt111
Shopping im Nationalrat
Der politische Streichelzoo134
Weit, breit und teuer
Das Stronachsche Niederösterreich151
Eine große Familie und ein ganz großer Papi
Fränk und seine Arbeiter164
Eurofighter und VOEST
Die Mission des Karl-Heinz Grasser185
Teure Hobbys
Galoppierende Pferde, trabende Fußballer199
Was nach Frank Stronach kommt217
Literaturverzeichnis236
Register239
Frank Stronachs Erscheinen in der österreichischen Öffentlichkeit um die Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts war von Zeichen und Wundern begleitet. Es wurde zum ersten Mal privatisiert, die mächtigen Sozialpartner schwankten, und den Horizont verdüsterte der apokalyptische Reiter Jörg Haider, der demnächst in Hütten und Palästen fürchterliche Einkehr halten würde, die einen erhöhend, die anderen vernichtend. "Willkommen im freien Markt!" stand damals frech auf den Plakatwänden der Elektronik-Handelskette Media-Markt, eine Parole weit eindringlicher als jeder Wahlkampf-Slogan, und das Land erwartete zitternd die Zeitenwende. Etwas Großes tat sich, und ein kleiner Mann mit weißen Haaren gab dem Geschehen langsam ein Gesicht. Erst hatte man Frank Stronach nicht so richtig wahrgenommen. Die Zeitungen wurden erst aufmerksam, als der Milliardär aus Amerika im Süden Wiens einen riesigen Freizeitpark in Form einer Weltkugel bauen wollte. Wachsame Eingeborene konnten die Verrücktheit gerade noch abwehren. Aber etwas Unerhörtes war geschehen, und auch den Siegern im Kampf um die Kugel war klar, dass eine enorme Veränderung bevorstand. Weltkugeln baut man nicht einfach auf eigene Rechnung irgendwohin, selbst wenn einem das Grundstück gehört, und schon gar nicht in einem Land, in dem in den Touristendörfern selbst die Farbe des Fensterblumenschmucks einem Gemeinderatsbeschluss unterliegt. Schon allein die Idee musste das Land verändern.
Frank Stronach unterwirft sich den geltenden Regeln nicht einfach, schon deswegen halten viele Gegner den "umstrittenen Geschäftsmann" für eine Art Rammbock der freien Marktwirtschaft oder für einen Herold des "Neoliberalismus". Das ist ein
Missverständnis. Die wirklichen Neoliberalen mögen den Staat nicht als Eigentümer oder überhaupt als wirtschaftlichen Akteur. Sie wollen ihn aber als strengen, unbestechlichen Schiedsrichter, der auf Chancengleichheit zwischen den Wirtschaftssubjekten achtet. Ein Staat, nach dessen Pfeife auch die Reichen und Mächtigen tanzen, muss stark sein, zwar nicht wirtschaftlich, aber moralisch. Wirklich liberale Staaten in diesem Sinne sind hart und autoritär, wenn es darum geht, ihre Regeln durchzusetzen. In den USA ist zwar bis hin zum Gefängnis fast alles privat, es gibt keine Pensions- und keine Krankenversicherung und kaum einen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer. Aber ein Manager, der Bilanzen fälscht, kann es mühelos auf eine Haftstrafe von 300 Jahren bringen. Jeder hat im Rahmen der Gesetze die größte Freiheit, sich zu bereichern. Aber wehe dem, der die Grenzen überschreitet! Der Staat ist kein milder Vater wie in Europa, der für die Seinen sorgt und ihnen ihre Sünden vergibt, sondern ein alttestamentarischer Richter, der irgendwann mit eiserner Faust dazwischenfährt.
Frank Stronach dagegen fühlt sich vom Staat und seinen Organen magisch angezogen. Er will sie nicht schwächen, sondern für sich nützen. Er nimmt Förderungen von Bund, Land und Europäischer Union an, freut sich über eine autofreundliche Industriepolitik in der Steiermark, kauft von der öffentlichen Hand Betriebe, geht mit den Spitzen von Staat und Gesellschaft auf den Opernball in Wien,
lässt sich hoch dekorieren, kandidiert für das Parlament und sponsert Parteien, er steigt im halbstaatlichen Fußballsport zur nationalen Größe auf und greift in öffentliche Debatten ein. Das alles tut er nicht verschämt und als Privatperson, sondern als Gründer und oberster Chef der Magna. Nur Steuern zahlt er nicht gern. Stronach steht nicht, wie die Neoliberalen, für die klare Trennung der Sphären, hier der schlanke Staat, da der fette Bourgeois. Er agiert am besten im Milieu der größtmöglichen Vermischung von privaten und öffentlichen Interessen. Wem gehört das alles? Was ist öffentlich, was privat? Was ist Geschäft und was ist Politik? Diese Fragen drängen sich über Jahrzehnte und über Kontinente jedem auf, der das Wirken des Frank Stronach begleitet. Dem Besucher seiner Magna-Zentrale im niederösterreichischen Oberwaltersdorf stellen sie sich ebenso wie dem Beamten, der private und öffentliche Belange sorgsam getrennt sehen will, oder dem Aktionär, der auf eine gute Dividende aus ist und nicht irgendwelche Wahlen gewinnen möchte. Die Verhältnisse, die der gebürtige Österreicher überall in seinem weltweiten Imperium hervorgebracht hat, sind dazu angetan, überall dieselbe Art von Verwirrung zu stiften. Der Magna-Konzern gehört ihm nicht, aber er beherrscht ihn. Die Manager seiner Betriebe genießen die größte Freiheit, unterliegen aber strengen Regeln. Arbeitnehmer erhalten eine geregelte Gewinnbeteiligung, dürfen aber keine Betriebsräte wählen. Er nimmt Politiker in seinen Dienst und führt sie in eine merkwürdige Zwitterexistenz: Halb noch öffentliche Figur, dienen sie für alle sichtbar doch einem privaten Interesse.