Maresca | Die Chroniken von Maradaine - Die Fehde der Magier | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 2, 479 Seiten

Reihe: Geschichten aus Maradaine

Maresca Die Chroniken von Maradaine - Die Fehde der Magier

E-Book, Deutsch, Band 2, 479 Seiten

Reihe: Geschichten aus Maradaine

ISBN: 978-3-7325-5615-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Satrine Rainey - ehemaliges Straßenkind und Ex-Spionin - muss die Familie allein über Wasser halten, seit ihr Mann verunglückt ist. Mithilfe von gefälschten Dokumenten erschleicht sie sich einen Job als Konstabler. Als Partner wird ihr der Magier Minox Welling, genannt Jinx, zugeteilt. Ihr erster Fall - der rituelle Mord an einem Zirkelmagier - zwingt Satrine dazu, in die Straßen ihrer Kindheit zurückzukehren. Schafft sie es, den Mörder zu entlarven, bevor ihre eigenen Geheimnisse ans Tageslicht kommen?
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2. Kapitel
Satrine hatte die Ecke von Jent und Tannen seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Es war eine andere Zeit gewesen; die Stadt war ausgelaugt von einem fernen Krieg und taumelte am Rande der Hungersnot. Scharen herrenloser Kinder schlugen und schnorrten sich durchs Leben, einsam und elend oder in wilden Banden. Einen Großteil ihrer Kindheit hatte Satrine dieses Schicksal geteilt. Diese Straßenecke war ihr Zuhause gewesen, ihre Familie, ihr Albtraum. Die Ecke von Jent und Tannen weckte Erinnerungen. Im Kern war es derselbe Ort geblieben – die Gebäude, der Verlauf der Gassen, die Art, wie die Morgensonne in die Straße einfiel. Doch was Satrine als grau und trostlos gekannt hatte, zeigte sich nun als lebendiges und blühendes Geschäftsviertel. Frische Farbe glänzte auf dem Schild der Bäckerei an der Südwestecke. Die Fenster des Mietshauses, in dem sie Unterschlupf gefunden hatte, waren mittlerweile intakt, das Straßenpflaster nicht mehr zerborsten. Die Straßen waren natürlich immer noch viel zu schmal, jetzt, wo sich Dutzende von Kutschen und Tretwagen dort drängten. Satrine wurde von einem wohligen Gefühl überrascht, als sie etwas Vertrautes erblickte: In Ushmans heißer Kessel hatte sie Kartoffeln, Butter und gesalzenes Schweinefleisch bekommen, was sie in jenen Jahren mehr schlecht als recht ernährt hatte. Das schmiedeeiserne Gatter, in das Heckie Moss mit einem gestohlenen Milchwagen gekracht war, war immer noch verbogen. Satrine unterdrückte diese Welle Nostalgie. Eine Menschenmenge umlagerte die Einmündung der Gasse zwischen einer Metzgerei – war das einmal die Schenke zum Leeren Krug gewesen? – und einem Barbier. Drei Konstabler auf Streife – junge Anwärter in schäbigen grün-roten Mänteln – schirmten den Zugang ab und ließen niemanden durch. »Ist das der Ort, an dem unsere Leiche liegt?«, wandte Satrine sich an Welling, der während ihres raschen Marsches zum Tatort nachdrücklich geschwiegen hatte. »Ich würde es für einen erstaunlichen Zufall halten, wenn dem nicht so wäre«, antwortete er. »Ich hätte einfach ›wahrscheinlich‹ gesagt.« »Das hätten die meisten Leute.« Welling zog eine Pfeife aus der Manteltasche. Er ließ ein schrilles Signal ertönen. Die Menge sprang zur Seite, und eine Lücke entstand, durch die sie hindurchgehen konnten. Gehorsam gegenüber der Pfeife eines Knüttels, das war eine neue Erscheinung in diesem Viertel! Die drei Konstabler am Eingang zur Gasse wichen nicht von der Stelle. Sie erinnerten Satrine an das riesige bronzene Standbild vor dem Wachgebäude in Nord-Maradaine: Aufmerksam auf ihrem Posten, einer mit Armbrust, einer mit Laterne, einer mit Schlagstock. Das Einzige, was fehlte, war der Hund. »Männer«, sagte Welling mit einem Nicken, als er und Satrine auf sie zukamen. »Was haben Sie für uns?« Fast gleichzeitig warfen alle drei Konstabler Satrine einen unbehaglichen Blick zu, bevor der Beamte in der Mitte seine Aufmerksamkeit ganz auf Welling richtete. »Ja, wir haben einen, äh … Inspektor, wer ist das?« »Das ist Inspektorin Rainey, Konstabler«, gab Welling kurz angebunden zurück. »Sie ist …« Der Streifenbeamte wirkte verwirrt, und seine Verwirrung nahm sogar noch zu, als Satrine den Mantel aufschlug und ihre Weste sehen ließ. »Hier gab es einen Mord, haben wir gehört«, sagte Satrine. »Nun, ja, den gab es. Allerdings …« Er warf einen Blick über die Schulter zurück in die Gasse und wandte sich dann wieder Welling zu. »Dieser Mord, Inspektor. Er ist, wenn mir die Feststellung gestattet ist, außergewöhnlich grausig anzusehen.« Satrine war nicht in der Stimmung für so was, also nahm sie dem Konstabler die Laterne ab. »Glauben Sie, dass Sie einen grausigen Anblick verkraften können, Inspektor Welling?« »Ich habe noch nicht zu Mittag gegessen.« Er schob den Streifenbeamten mit dem Handrücken zur Seite, und der Mann gab den Weg frei. Welling übernahm die Führung; Satrine hob die Laterne und folgte ihm. Der Konstabler hatte recht gehabt. Der Anblick war tatsächlich außergewöhnlich grausig. Dem Körper – es war der eines Mannes – fehlte das Herz. Das war das auffälligste Merkmal der bizarren Szenerie, was durchaus bemerkenswert war, denn immerhin gab es einiges, das ins Auge sprang. Aber unwillkürlich heftete Satrines Blick sich auf diese entsetzlichste Einzelheit: die Öffnung im Brustkorb des Toten, hinter der ein Herz hätte liegen sollen. Der Mann war vollständig entblößt, alle vier Gliedmaßen ausgestreckt. Seine Hände waren am Boden festgenagelt. Zwei erloschene Kerzenstummel standen auf jeder Seite des Kopfes. Eine Blutlache breitete sich unter dem Körper aus und füllte die Ritzen zwischen den Pflastersteinen, aber der Leichnam selbst wirkte vergleichsweise ordentlich. »Erzählen Sie mir, was Ihnen auffällt«, sagte Welling. »Er wurde offensichtlich hier getötet«, antwortete Satrine und betrachtete das Blut. Sie ging in die Hocke und musterte die Hände genauer. »Die Nägel wurden hindurchgetrieben, während er noch am Leben war.« Sie wies auf das Blut unter den Wunden. Welling nickte. »Was sonst?« »Ein Ritual«, sagte sie. »Die Kerzen. Die Präzision, mit der das Herz entfernt wurde.« Sie zeigte auf die Schnitte im Brustkorb: glatte Kanten, eine scharfe Klinge. »Mit akribischer Sorgfalt«, bestätigte Welling. »Kein Verbrechen aus Leidenschaft, keine spontane Tat.« Er schaute sich in der Gasse um. »Also, Inspektorin Rainey, was für Fragen wirft das auf?« »Soll das eine Prüfung sein, Welling?« »Ja«, antwortete er geradeheraus. »So wie ich jeden meiner Partner vorher auf die Probe gestellt habe.« »Na gut.« Das war nur angemessen – immerhin kannte er sie weniger als eine Stunde. »Warum wurde er in dieser Gasse getötet? Das scheint ein unnötiges Risiko zu sein.« Welling betrachtete die Gasse, die kaum mehr als acht Fuß breit war. »Nicht unmittelbar einsehbar, aber auch nicht abgeschieden. Man kann jederzeit gestört werden. Er muss einen speziellen Grund gehabt haben. Eine ausgezeichnete Frage. Was für einen Vorteil bringt es, genau hier einen Ritualmord zu begehen?« Satrine erkannte, dass Welling nur eine naheliegende Frage formulierte. Das war weder eine rhetorische Einleitung noch eine weitere Prüfung. »Ein Vorteil wäre die Lage zwischen Fleischer und Barbier. Falls Blut bis hinaus auf die Hauptstraße rinnt, wird sich niemand viel dabei denken. Zum Henker, hier kann man mit einem blutverschmierten Kittel rauskommen, ohne dass jemand einen zweiten Blick drauf werfen würde.« »Weil man einen plausiblen Grund dafür annehmen würde.« Welling nickte. »Was ist mit dem anderen Ende der Gasse?« »Eine Sackgasse.« Satrine wies mit dem Finger in die Dunkelheit. »Jedenfalls war das früher so.« »Sie kennen diese Gasse?« »Ich kannte sie«, antwortete Satrine abwesend. Sie drang tiefer in die Gasse vor, wo das Sonnenlicht kaum noch hinreichte. Welling sprach weiter: »Selbst wenn der Mörder mit einem blutigen Herz in der Hand hinauskommen konnte, ohne allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen, wie ist er hereingekommen? Oder das Opfer? Kam das Opfer aus freien Stücken, oder wurde es dazu gezwungen?« »Vielleicht bewusstlos?«, fragte Satrine. »Betäubt?« Die Gasse endete immer noch vor einer roten Ziegelmauer, die Rückseite eines Mietshauses auf der anderen Seite des Blocks. Die Fenster an dem Gebäude waren alle mit Eisengittern versehen und lagen hoch über dem Boden. »Diesen Mann in bewusstlosem Zustand zu tragen, hätte eine beachtliche Kraft erfordert.« »Genau wie diese Nägel ins Straßenpflaster zu hämmern.« »Das ist wahr«, räumte Welling ein. »Man sieht keine Beulen oder Verletzungen am Kopf des Opfers. Was verrät Ihnen das?« »Er wurde nicht niedergeschlagen. Also betäubt. Vielleicht vergiftet. Oder …« Das war eine dumme Idee, und sie verwarf sie sofort. »Oder – Aaah!« Entsetzt schrie er auf. »Was ist?« Satrine eilte zu ihrem Partner zurück. Er kniete neben der Leiche, doch seine gesamte Aufmerksamkeit war auf die eigene Hand gerichtet. Langsam öffnete und schloss er die Finger. »Ich habe einen der Nägel berührt, und … Ich bin nicht sicher.« Er blickte zu ihr auf. »Es war, als würde er jedes Gefühl und alle Stärke aus meiner Hand heraussaugen.« »Magie?« Vorsichtig berührte sie einen Nagel mit dem Finger, dann legte sie beherzt die Hand darum. »Ich spüre nichts.« Welling runzelte die Stirn. »Vielleicht war es nur Zufall.« Erneut berührte er den Nagel und riss die Hand zurück. »Nein, eindeutig nicht. Ich glaube nicht, dass es einer weiteren Überprüfung bedarf, um ein Muster auszumachen.« »Also ist es Magie«, sagte Satrine. »Oder es hängt zumindest damit zusammen.« »Wahrscheinlich«, bestätigte Welling. »Mein Wissen auf diesem Gebiet ist sehr beschränkt.« »Aber wie können Sie …« »Wie ich bereits sagte, Inspektorin Rainey«, gab er unwirsch zurück. »Ich bin ohne Zirkel. Nicht ausgebildet. Ich besitze die Begabung, jedoch nicht die Übung oder die Disziplin.« »Trotzdem …« »Was auch immer Sie dazu anmerken wollen, es mag grundsätzlich zutreffen, doch nicht in meinem speziellen Fall. Und die Einzelheiten meines speziellen Falls stehen im Augenblick nicht zur Diskussion.« Welling verlor seine distanzierte Gelassenheit. Er schrie nicht, er wütete nicht, aber jedes Wort war von einer Woge lang gehegtem,...


Marshall Ryan Maresca wuchs im Staat New York auf und studierte Film- und Videoproduktion an der Penn State. Er hat bereits als Stückeschreiber, Bühnenschauspieler, Theaterintendant und Amateurkoch gearbeitet. Heute widmet er sich vor allem dem Schreiben seiner Romane um die Stadt Maradaine. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Austin, Texas.


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