E-Book, Deutsch, Band 4, 640 Seiten
Reihe: Der neue Dr. Laurin
Maybach E-Book 31-40
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7409-9467-9
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der neue Dr. Laurin Staffel 4 - Arztroman
E-Book, Deutsch, Band 4, 640 Seiten
Reihe: Der neue Dr. Laurin
ISBN: 978-3-7409-9467-9
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Viola Maybach hat sich mit der reizvollen Serie 'Der kleine Fürst' in die Herzen der Leserinnen und Leser geschrieben. Der zur Waise gewordene angehende Fürst Christian von Sternberg ist ein liebenswerter Junge, dessen mustergültige Entwicklung zu einer großen Persönlichkeit niemanden kalt lässt. Viola Maybach blickt auf eine stattliche Anzahl erfolgreicher Serien zurück, exemplarisch seien genannt 'Das Tagebuch der Christina von Rothenfels', 'Rosenweg Nr. 5', 'Das Ärztehaus' und eine feuilletonistische Biografie. 'Der kleine Fürst' ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
Autoren/Hrsg.
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Später fragte sich Jonas Leipold oft, ob er Cordelia jemals begegnet wäre, wenn ihn an diesem schönen Spätsommertag nicht plötzlich ein unwiderstehliches Verlangen nach etwas Süßem überkommen hätte. Wäre er dann einfach mit seinem Rad weitergefahren und hätte so die Begegnung verpasst, die sein Leben verändern sollte? Die Frage war natürlich müßig, denn er war ja nun einmal nicht weitergefahren …
Das Verlangen nach Süßem überkam ihn, als er an der verführerischen Auslage einer Konditorei vorüberkam, die erst kürzlich eröffnet worden war. Er bremste, und beim Anblick der appetitlichen kleinen Törtchen und Kuchen, der Pralinen und anderen Leckereien lief ihm buchstäblich das Wasser im Mund zusammen. Er war schlank und durchtrainiert, was ›überflüssige Pfunde‹ waren, ahnte er nicht einmal, und so überlegte er nicht lange, sondern stellte sein Rad ab und betrat den Laden.
Drinnen duftete es herrlich, und beim Anblick des überwältigenden Angebots ahnte er bereits, dass es ihm schwerfallen würde, sich zu entscheiden. Als er aufblickte, stellte er fest, dass er nicht länger allein war, obwohl er die junge Frau, die ihm nun gegenüberstand, nicht hatte kommen hören. Sie war sehr hübsch und schien ihm perfekt in dieses Geschäft zu passen. Um ihren Kopf tanzten braune Locken, ihre ebenfalls braunen Augen waren mit einem fragenden Lächeln auf ihn gerichtet.
»Ich will mich besinnungslos mit Zucker zuballern«, sagte er.
»Ich denke«, erwiderte sie ganz ernst, »für diesen Zweck haben Sie sich den richtigen Laden ausgesucht.«
Jetzt erst bemerkte er die winzigen Lachfältchen um ihre Augen, und ihm entging auch nicht, dass es um ihre Mundwinkel zuckte. Sie amüsierte sich also über ihn, was ihm nicht recht war. Gerne hätte er mit ihr gelacht, aber dass sie über ihn lachte, behagte ihm nicht. Andererseits: Er an ihrer Stelle hätte sich auch amüsiert, wenn ein Typ zur Tür hereingekommen wäre und den blödsinnigen Satz gesagt hätte, der ihm eben herausgerutscht war. So drückte er sich sonst niemals aus! Wieso hatte er ›zuballern‹ gesagt? Das Wort benutzte er normalerweise nie.
Wahrscheinlich hatte er lässig wirken wollen, schoss es ihm durch den Kopf – angesichts der unerwartet attraktiven jungen Frau hinter der Verkaufstheke. Sie musste ihn für ziemlich dämlich halten, er war schließlich ein erwachsener Mann und kein Teenager, dem man es durchgehen ließ, wenn er versuchte, ›cool‹ zu wirken.
»Kuchen?«, fragte sie hilfsbereit. »Pralinen? Schokolade? Marzipan? Nougat? Was mit Nüssen oder ohne? Sehr süß oder weniger süß? Na ja, blöde Frage, ›zuballern‹ ist ja eindeutig. Also sehr süß.«
»Zuballern ist ein blödes Wort«, sagte Jonas reumütig. »Ich hätte mich anders ausdrücken sollen: Ihre Auslage hat mir einen plötzlichen Heißhunger auf etwas Süßes beschert, und diesen Heißhunger würde ich jetzt gerne stillen.«
Jetzt lachte sie ganz offen, und es war um ihn geschehen. Nie zuvor hatte er ein so hinreißendes Lachen gesehen – und gehört. Sie lachte frei heraus und zeigte dabei, dass sie neben ihren anderen Vorzügen auch noch schöne Zähne hatte. Wie sie das wohl machte, bei all dem süßen Zeug um sie herum?
»Das haben Sie jetzt aber sehr schön ausgedrückt«, stellte sie fest. »Also?«
»Kein Nougat. Gerne Marzipan, gerne Nüsse. Kuchen und unbedingt ein paar von den Pralinen. Und Schokolade.«
»Zum Mitnehmen?«, fragte sie. »Oder würden Sie sich den Zuckerschock gerne hier verabreichen?«
»Geht das denn?«
Sie machte eine Handbewegung, und er drehte sich um.
Den kleinen Raum neben der Konditorei hatte er noch gar nicht wahrgenommen.
»Es sind nur fünf Tische«, sagte sie, »eine Art Mini-Café. Im Augenblick sind alle fünf Tische frei.«
»Wieso das denn?«, fragte er verwundert. »Wo das doch alles so verführerisch aussieht …«
»Ich habe eigentlich schon zu, deshalb. Als Sie hereingekommen sind, war ich gerade auf dem Weg, um die Tür abzuschließen.«
»Tut mir leid, das wusste ich nicht. Wenn Sie schon zu haben, nehme ich alles mit und esse es zu Hause, sonst müssen Sie meinetwegen Überstunden machen, dafür will ich nicht verantwortlich sein.«
Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Wissen Sie was? Ich schließe ab, koche uns beiden einen schönen milden Cappuccino, und dann sehe ich Ihnen zu, wie Sie sich den Zuckerschock geben. Wie klingt das?«
»Dieses Angebot kann ich unmöglich ablehnen. Ich heiße übrigens Jonas. Jonas Leipold.«
»Cordelia Cramer. Wenn du willst, duzen wir uns.«
Er grinste sie an. »Und ob ich will.«
Sie schloss die Tür ab, ließ ihn aussuchen, was er essen wollte und bereitete währenddessen den Cappuccino zu. Als Jonas seine Wahl getroffen hatte, standen bereits zwei Tassen auf einem der Tische im Café. Cordelia nahm einen großen Teller und ließ sich von Jonas zeigen, was er sich ausgesucht hatte. Dann schaltete sie das große Licht aus und eine kleine, gemütliche Stehlampe im Café ein und sagte: »Lass es dir schmecken! Danke übrigens, dass du nicht gefragt hast: ›Cordelia? Nicht Cornelia?‹ Das ist sonst nämlich die Standardfrage.«
Er grinste sie an. »Ich kann sie ja nachholen. Also: Wieso Cordelia?«
»Kleiner Spleen meiner Eltern. Zunächst habe ich den Namen gehasst, weil ihn alle immer falsch verstanden haben, aber mittlerweile ist er etwas Besonderes, deshalb gefällt er mir.«
Sie sprachen fünf Stunden lang miteinander, ohne zu merken, wie die Zeit verging. Er erzählte ihr Dinge aus seinem Leben, die er noch niemandem anvertraut hatte, und sie tat das Gleiche. Sie hatten sich gerade erst kennengelernt, aber da war kein Gefühl von Fremdheit. Sie waren sich in vielem einig, in manchem nicht, aber das fanden sie erst recht interessant. Als sie sich endlich voneinander verabschiedeten, taten sie es mit einem ersten Kuss, der das Versprechen enthielt, dass viele weitere folgen würden, und sie verabredeten sich gleich für den nächsten Tag. Jonas hätte – natürlich! – gern die Nacht mit Cordelia verbracht, aber er wusste instinktiv, dass er ihr noch Zeit lassen musste, und drängen wollte er sie auf keinen Fall. Also schwang er sich glücklich und ziemlich durcheinander auf sein Fahrrad, um nach Hause zu fahren. Ein bisschen schlecht war ihm auch, wegen des vielen Zuckers – und weil sie nach dem ersten Cappuccino noch drei weitere getrunken hatten.
Auf dem Weg kam er an dem Fahrradladen vorbei, den er einige Jahre zuvor mit seinem Freund Clemens Wiemer gegründet hatte. Sie reparierten Fahrräder, einige wenige Modelle verkauften sie auch. Der Laden war, man konnte es nicht anders sagen, eine Goldgrube. Zwei Angestellte hatten sie, und sie waren tatsächlich rund um die Uhr beschäftigt. Clemens kümmerte sich vor allem um die Finanzen, Jonas war für die Organisation zuständig.
Am Anfang hatten sie Tag und Nacht Fahrräder gewartet und repariert, zu zweit – das war eine harte, aber auch schöne Zeit gewesen. Schon nach dem ersten Jahr hatten sie Mehmet Usal eingestellt, ein weiteres halbes Jahr später war Tina Prange dazugekommen.
Zwei Fahrradverrückte, die alles wussten, was man über Fahrräder wissen konnte. Wenn sie ein Rad nicht reparieren konnten, konnte es niemand.
Seit einiger Zeit schon halfen Jonas und Clemens in der Werkstatt nur noch aus, wenn den beiden anderen alles über den Kopf wuchs. Sie hatten auch so genug zu tun, zumal sie seit einiger Zeit auch immer mehr Fahrräder verkauften.
Als Jonas Licht sah, bremste er. Das konnte eigentlich nur Clemens sein. Aber um diese Zeit? Er betrat das Büro, das gleich neben der Werkstatt und dem Laden lag. Tatsächlich, Clemens saß am Schreibtisch.
Er fuhr zusammen, als Jonas fragte: »Was machst du denn hier um diese Zeit?«
»Meine Güte, hast du mich erschreckt!«
»Tut mir leid, das wollte ich nicht. Ich kam vorbei und habe das Licht gesehen …«
Clemens schob die Papiere auf dem Schreibtisch zusammen und stand auf, nachdem er einen Blick auf die Uhr geworfen hatte.
Er war ein langer schlaksiger Blonder mit offenem Gesicht und blauen Augen.
Er sah unschuldig aus, aber Jonas wusste es besser: Clemens konnte knallhart rechnen und verhandeln, er war ein sehr guter Geschäftsmann. Zum Glück, sonst wären sie mit ihrem Laden vermutlich auch nicht so erfolgreich. »Ich habe die Zeit vergessen«, gestand er. »Ich wollte noch einmal durchrechnen, ob es sich für uns lohnt, noch ein weiteres Modell zum Verkauf anzubieten.«
»Wir haben zu wenig Platz«, gab Jonas zu bedenken.
»Ja, das ist ein Problem. Wenn wir dieses Haus kaufen könnten, wären wir unsere Sorgen los.«
»Dieses Haus kaufen? Bist du größenwahnsinnig geworden?«
»Überhaupt nicht«, erklärte Clemens ungerührt. »Immobilienkredite sind so günstig wie lange nicht mehr. Wir hätten Mieteinnahmen, würden gleichzeitig die Miete für den Laden sparen, könnten ihn erweitern – und nebenbei bequem die Tilgungsraten bedienen.«
»Ein Haus hat auch laufende Kosten, und wir müssten uns dann auch noch darum kümmern. Wir haben doch auch so schon genug Arbeit.«
»Das stimmt, aber wir müssen auch an später denken. Jetzt läuft alles wunderbar, aber der Laden soll uns ja noch möglichst lange ernähren, oder?«
»Das Haus steht doch gar nicht zum Verkauf, soviel ich weiß.«
Clemens lächelte. »Das kann sich aber bald ändern«, sagte er. Er wurde wieder ernst. »Es sind nur Überlegungen, Jonas. Wir verdienen hier im Augenblick sehr gut, und wir müssen mit dem Geld, das übrigbleibt, etwas Vernünftiges anfangen, weil es ja vielleicht nicht immer so gut läuft wie heute.«
»Ich hatte...




