Mennigen Cotton Reloaded - 45
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7325-1819-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nirgendwo in New Mexico
E-Book, Deutsch, Band 45, 131 Seiten
Reihe: Cotton Reloaded
ISBN: 978-3-7325-1819-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der mysteriöse Anruf eines FBI-Kollegen führt die Special Agents Jeremiah Cotton und Philippa Decker nach New Mexico. In einer gottverlassenen Geisterstadt stoßen sie auf ein riesiges Drogenlabor, in dem tonnenweise Crystal Meth hergestellt wird. Doch bevor Cotton und Decker Hilfe herbeirufen können, werden sie überwältigt. Sie können zwar fliehen, kommen aber nicht weit, denn Decker wird dabei schwer verletzt.
Währenddessen versuchen ihre Gegner, sämtliche Spuren zu beseitigen. Für Cotton und Decker beginnt ein teuflisches Katz- und Mausspiel, das nur eine Partei gewinnen kann ...
COTTON RELOADED ist das Remake der erfolgreichen Kultserie JERRY COTTON und erscheint monatlich in abgeschlossenen Folgen als E-Book und Audio-Download.
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1
»So ein Abschied vom Leben fällt schwer, nicht wahr?«
»Ach wissen Sie, man gewöhnt sich mit der Zeit daran. In meinem Job verabschiede ich mich beinahe täglich davon. Gehört quasi zum Berufsbild.«
»Gut, du hast Humor. Den wirst du auch brauchen bei dem, was dir bevorsteht. Entweder du redest und überlebst, andernfalls könnte es für dich sehr hässlich werden. Du siehst, du kannst das selbst regeln und immer noch aus der Sache rauskommen.«
»Alles klar, schon verstanden. Was möchten Sie wissen?«
»Was du über uns weißt.«
»Abgesehen davon, dass ihr mich umlegen wollt? Nicht das Geringste.«
»Was ist mit New Hope?«
»Ist ’ne ausgestorbene Geisterstadt irgendwo im Nirgendwo von New Mexico.«
»Sonst nichts?«
»Nein, sonst nichts. Bis vor wenigen Stunden wusste ich nicht mal, dass das Kaff überhaupt existiert.«
»Und was führt dich hierher? In diese ausgestorbene Geisterstadt, von deren Existenz du keine Ahnung gehabt hast?«
»Der Zufall.«
»Nehme ich dir nicht ab.«
»Glaub ich gern, ist aber trotzdem so. Tut mir leid, dass ich Ihnen keine andere Antwort bieten kann.«
»Du bist Special Agent beim FBI, richtig?«
»Steht jedenfalls in meinem Dienstausweis, den Sie mir inklusive Dienstwaffe, Smartphone und Autoschlüssel abgenommen haben.«
»Jeremiah Cotton …, ist das dein Deckname oder heißt du wirklich so?«
»Macht das einen Unterschied?« Der G-Man blinzelte und versuchte etwas in dem blendenden Lichtkegel der Taschenlampe zu erkennen, die auf ihn gerichtet war.
Hinter dem grellen Weiß wurden Einzelheiten sichtbar. Umrisse von sechs Gestalten. Fünf Männer und die Frau, mit der er sich gerade unterhielt. Die Frau erkannte er an der Stimme, der Silhouette und ihren Absätzen, die über die vom Alter abgeschabten Dielen klackerten. Seine Augen führten allerdings einen aussichtslosen Kampf, um der Dunkelheit Einzelheiten ihrer Gesichtszüge zu entreißen.
Weswegen er die schweigsamen Kerle einer Bestandsaufnahme unterzog. Allesamt nicht gerade ein Hauptgewinn für die menschliche Zivilisation. Abgesehen von ihrer Vorliebe für kahl rasierte Schädel, einte sie stramme Muskeln und schwere Handfeuerwaffen. Benutzten zudem jeden Quadratzentimeter ihrer Haut als Leinwand für künstlerische Exponate. Breitbeinig und bemüht angsteinflößend standen die Burschen in dem Zimmer verstreut. Einem ungefähr acht Quadratmeter großen Raum mit abgewetzten Tapeten, die aussahen, als hätten sie schon einiges gesehen. Zwischen den vier Wänden hatte sich eine drückende Bullenhitze breitgemacht, in der die Luft als dampfendes Gemisch aus Schweiß und Zigarettenqualm stand. Linker Hand von Cotton hing eine Tür schief in den Angeln. Rechts gab es ein mit Brettern vernageltes Fenster, gegen das von außen die Sonne knallte. Zwischen den Lattenritzen kämpfte sich ein milchiger Streifen Tageslicht hindurch und verfing sich in winzigen Staubpartikeln, die durch die Luft schwebten.
»Auf mich wirkst du ein bisschen zu jung, um heute sterben zu müssen.« Die Stimme der Frau klang kalt, herablassend und besaß unüberhörbar einen spanischen Akzent.
»Das habe ich auch nicht vor, Ma’am.« Der G-Man versuchte unauffällig die Handgelenke aus den Fesseln zu winden, mit denen man seine Arme an die Rückenlehne eines Stuhls gebunden hatte, was jedoch vergeblich war. »Sonst noch was?«
»Verrate mir, für welche Abteilung des FBI du arbeitest.« Die Latina strich sich lässig eine Locke aus der Stirn.
»Ich arbeite für eine Abteilung, deren Namen Ihnen sowieso nichts sagen würde.«
»Was weiß die ominöse Abteilung über unsere Aktivitäten?«
»Nichts«, beteuerte er, was nicht mal gelogen war. »Überhaupt nichts.«
»Wo ist die Frau, mit der du angekommen bist?«
»Ich glaube, sie wollte ein bisschen die Ortschaft besichtigen und shoppen, so was in der Art.«
»Du denkst wohl, du bist witzig?«
»Keine Ahnung, sagen Sie es mir.«
»Wer ist deine Begleiterin? Freundin oder FBI-Agentin?«
»Sie werden die Lady noch früh genug kennenlernen. Unter Umständen wird ihr Gesicht das Letzte sein, was Sie in Ihrem Leben sehen. Danach könnten Sie für sehr lange Zeit sehr tot sein.«
»So was Ähnliches hat dein Kollege vorgestern auch gesagt. Wollte mich einbuchten und wurde abserviert. Genau wie du in ein paar Minuten.«
Cotton grinste. »Ich mach mir von Angst gleich in die Hose.«
»Stellt sich mir immer noch die Frage: Wenn das FBI nichts über uns weiß, warum schickt man dann drei Agents innerhalb von zwei Tagen zu diesem gottverlassenen Ort?«
»Niemand wurde hergeschickt. Wie ich schon sagte, war reiner Zufall.«
»Ist das so?« Die Frau beugte sich dicht zu ihm hinunter, dass der G-Man ihren warmen Atem an seiner Wange spürte. »Ihr fahrt stundenlang durch die sengende Wüstenhitze, und du willst mir weismachen, das hätte keinen besonderen Grund?«
Scheinbar entspannt lehnte sich der Agent zurück. »Was wollen Sie von mir hören? Natürlich gab es dafür einen Grund. Ich hab gehört, hier wär ’n Paradies für Snowboarder, und wollte das mal selbst checken.«
»Snowboarder, hm? Mitten in der Wüste? Ich fürchte, du bist einem Witzbold auf den Leim gegangen. Und ich glaube, das war jetzt gerade das Stichwort für deinen Auftritt, José. Ich denke, wir müssen unseren Freund hier ein wenig härter anpacken.«
Die Silhouette eines Todschlägers wie aus dem Bilderbuch löste sich aus der Dunkelheit. Fett, glatzköpfig, mit einem zylindrischen Gegenstand in der Hand. Metallische Oberfläche, blau lackiert, etwa dreißig Zentimeter hoch, acht Zentimeter im Durchmesser und mit einer Düse aus Titanlegierung an der Spitze. Mit der freien Hand öffnete der Mann ein Schraubventil an der Kartusche. Aus der Düse drang ein leises Zischen, untermalt vom Geruch nach Butan- und Propangas. Per Knopfdruck entzündete sich eine bläuliche Flamme und loderte zehn Zentimeter weit aus der Düse.
Cotton kannte solche Lötlampen. Ausgestattet mit einem Hochleistungsbrenner, brachte um die achthundert Grad Celsius Arbeitstemperatur.
»Letzte Chance«, gurrte die Frau zuckersüß. »Was weiß das FBI über uns?«
»Nichts.« Die grauen Zellen des Agents arbeiteten auf Hochtouren, sein Herz schaltete einen Gang höher. Allmählich geriet die Situation außer Kontrolle. Er musste kein Hellseher sein, um zu wissen, was gleich über die Bühne gehen würde. Könnte ziemlich hässlich für ihn werden. Im Vergleich dazu war eine Kugel eine geradezu humane Todesart. »Wenn ich Ihnen etwas anderes sage, wäre es eine Lüge. Wollen Sie angelogen werden?«
Die Frau packte den G-Man an den Haaren, als wolle sie sie ihm ausreißen, zerrte ihm den Kopf in den Nacken und gab einem der Knochenbrecher durch ein Nicken zu verstehen, was sie von ihm wollte.
Der Kerl baute sich vor dem Gefangenen auf, ergriff dessen Kragen, riss das Hemd mit einem Ruck bis zum Gürtel auf und legte den blanken Oberkörper frei.
»Versüßen wir unserem Gast seinen Besuch mit einer bleibenden Tätowierung, José«, schlug die Unbekannte vor.
Der Glatzkopf mit dem Brenner trat vor. Ein Lächeln huschte über sein von der bläulichen Gasflamme illuminiertes Gesicht, wenngleich kein freundliches. Vielmehr eines, das bei dem Agent ein unangenehmes Kribbeln auslöste. Ohne ein Wort zu verlieren, platzierte der Kerl die Lötlampe zwischen Cottons sechster und siebter Rippe. Für einen Sekundenbruchteil kratzte der Schmerz an seiner Hautoberfläche, bevor er sich auf Entdeckungstour durch den Körper machte und den Zeiger von Cottons Empfindungsskala in ungeahnte Höhen katapultierte. Er war sich nicht bewusst zu schreien, dennoch konnte er seine Stimme hören, rau, heiser und laut.
Seinem glatzköpfigen Peiniger bereitete es ein teuflisches Vergnügen, einen Bundesagenten die Hölle durchleiden zu lassen. Mit Sicherheit folterte der Kerl nicht zum ersten Mal. Er wusste genau, wie nahe er die Flamme an die Haut bringen musste, damit die Hitze sie nicht zum Aufplatzen brachte. Und wie lange er sein Opfer malträtieren konnte, ohne dass es an den Folgen starb.
Die reale Welt zerbarst in Fragmente und hörte für den G-Man auf zu existieren. Bewusstlos sackte er auf dem Stuhl zusammen.
Da er ziemlich durchtrainiert war, erholte er sich schneller von dem Blackout, als ihm lieb sein konnte. Cotton hatte keine Ahnung, wie lange er weg gewesen war. Zunächst hörte er nur seinen rasselnden Atem. Dann schwebten zu Wortfetzen zersplitterte Stimmen an seinen Ohren vorbei, ohne bis in sein Gehirn vorzudringen. Desorientiert hob er die Lider, versuchte sich zu bewegen. Er benötigte ein paar Sekunden, um sich zu erinnern, dass er gefangen und gefesselt war.
»Ich bin beeindruckt«, hörte er die Frau mit dem spanischen Akzent sagen. »Du hältst dich erstaunlich gut. Ist trotzdem der falsche Zeitpunkt, den Helden markieren zu wollen. Das Spielchen treiben wir nämlich so lange weiter, bis du entweder etwas gesprächiger oder bis auf die Knochen verkohlt sein wirst.«
Für den G-Man war es anstrengend, ihren Worten zu folgen; sein Kopf war vollkommen benebelt.
»Wenn Sie Antworten auf Ihre Fragen wollen, müssen Sie bei jemand anderem Ihr Glück versuchen«, stieß er zähneknirschend hervor.
»Glaub mir, in ein paar Minuten wirst du mich auf Knien anflehen, mir alles sagen zu dürfen«, fuhr sie den Agent an und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht; Blut spritzte aus seinem Mund. »Letzte Chance: Wo ist deine Kollegin?«
Er schwieg. Sie beschimpfte ihn. Brüllte ihn an. Warf ihm wüste Drohungen an den Kopf. Cotton konzentrierte sich ganz auf seine...




