Meuser | Freie Liebe | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 432 Seiten, Format (B × H): 1450 mm x 205 mm

Meuser Freie Liebe

Über neue Sexualmoral
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-03848-670-1
Verlag: Fontis
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Über neue Sexualmoral

E-Book, Deutsch, 432 Seiten, Format (B × H): 1450 mm x 205 mm

ISBN: 978-3-03848-670-1
Verlag: Fontis
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Mit der weltweiten Corona-Krise scheint ein Zeitalter an sein Ende gekommen zu sein, dessen Signatur der Individualismus war. In der kollektiven Bedrohung entdecken wir wieder, wie kostbar Menschen sind, die Verantwortung übernehmen, verlässlich in der Nähe sind und selbstlose Zuwendung schenken. Anders gesagt: Wir haben 'Liebe' neu entdeckt, und nicht nur die Liebe, sondern auch all die kleinen Bausteine, die gutes Leben ausmachen. Früher hatte man für die flankierenden Maßnahmen guten Lebens das Wort 'Moral'. Plötzlich sehen wir, dass es uns an ethischen Tools für ein gutes Miteinander fehlt. Auf der Suche nach dem größtmöglichen persönlichen Glück des Einzelnen geriet die Welt der Liebe aus den Fugen. Sie funktioniert nicht, wenn jeder sein eigenes Ding macht. Mitten in der weltweiten anthropologischen Krise leisten es sich die beiden großen Kirchen, zur menschenwürdigen Gestaltung von Leben, Liebe und Sexualität zu schweigen, als hätten sie dazu nichts zu sagen. Aber was sind die Koordinaten für gutes Leben, gute Liebe und guten Sex? Es ist Zeit, auf eine neue, tiefe und gründliche Weise über diesen vitalen Dreiklang nachzudenken - und es dennoch anhand eines Sonderfalls zu tun: des tiefen Absturzes der Katholischen Kirche. Der Missbrauch und seine Bewältigung ist ein Lehrstück für alle, denen an einer menschenwürdigen Gestaltung unserer geschlechtlichen Beziehungen gelegen ist. Bernhard Meuser, Publizist und Verleger, war früher Leiter des Pattloch Verlags, danach Initiant und Mitautor des 'YOUCAT'. Meuser hat in seiner Jugend selbst den Missbrauch durch einen homosexuellen Priester erlebt. Schockiert über die halbherzigen Aufarbeitungsstrategien seiner Kirche, entschloss er sich zu einer deutlichen Entgegnung. Dabei blieb er nicht bei Kirchenkritik stehen, sondern musste radikal nachdenken, um zu den Wurzeln von Liebe und gutem Leben durchzudringen. Leserstimme: 'Ein messerscharfes, furchtloses Buch, an dem sich die Geister scheiden werden. Glänzend geschrieben, nie langweilig, oft genug schonungslos provokant, wird man hineingesogen in einen großen Dialog über das, was gutes Leben ausmacht. Lange hat niemand mehr so klar und bestimmt von der Liebe, der Lust und der Freiheit gesprochen. Wenn das christliche Moral ist, dann wünsche ich 'Freie Liebe' in die Hand jedes evangelischen und katholischen Christen.'

Bernhard Meuser ist Verleger und Autor. Er hat zahlreiche Bücher zu den Themen 'Spiritualität' und 'gelebtes Christentum' veröffentlicht, die auch eine jüngere Leserschaft ansprechen, da er auf theologische Fachsprache verzichtet. Mit dem Jugendkatechismus 'YOUCAT' hat er einen Weltbestseller gelandet.
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Einführung


Alle wollen nur das Eine. Nämlich Sex. Ich will das. Sie, liebe Leser, wollen das. Ich nehme es zumindest an. Es ist vollkommen natürlich, sich nach Liebe und gutem Sex zu sehnen. Auch Christen sind keine asexuellen Wesen. Nicht einmal Pfarrerinnen sind das – wie man bei Ellen und Stefanie Radtke, zwei jungen Pastorinnen im niedersächsischen Dörfchen Eime, sieht. Das lesbische Paar betreibt den YouTube-Channel «Anders Amen», der vom Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen produziert wird. Ihr Anders-Amen-Trailer1 hat «richtig Wums», wie die beiden wohl sagen würden: Die Kamera-Drohne fährt auf ein Doppelfenster in der Kirchturmspitze zu, aus dem sich die beiden in Talar und Bäffchen gehüllten Pastorinnen herauslehnen, um sich in einem satten Zungenkuss zu vereinen. Im Zoom entfernt sich die Kamera aus der Naheinstellung von der Liebe. Das Dörfchen mit dem Kirchturm lacht in der Sonne. «Noch Fragen?»

Obwohl derlei für die meisten Evangelischen Landeskirchen nun schon Alltag ist, provoziert der Hingucker. Während die einen die beiden Pfarrerinnen couragiert finden, sich allenfalls sagen: «Nun gib dir schon einen Ruck. Das ist normal. Die Kirche muss ein bisschen mit der Zeit gehen», empfinden andere die Aktion als abgeschmackt oder nehmen den eklatanten Widerspruch zur biblischen Botschaft wahr. Hatte nicht auch Luther gelehrt, das gleichgeschlechtliche Begehren sei «gegen die Natur», eine ohne Zweifel «ex Satana» herrührende «perversitas»2?

Mit gemischten Gefühlen schauen katholische Christen auf Ellen und Steffi. Werden sich demnächst auch Ordensbrüder aus dem Kirchturmfenster beugen?

Beide großen christlichen Konfessionen kämpfen in Westeuropa gerade um ihr nacktes Überleben. Es ist nur zu verständlich, dass die letzten Christen zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen, um wenigstens den Kern ihrer Botschaft plausibel zu machen und damit über die Zeit zu retten. Eine beliebte Strategie ist jeweils die Verbilligung des Angebots, namentlich die Ent-Ethisierung des Evangeliums. In der Ethik geht es um gutes Handeln. Hier stoßen die Dinge hart an hart aufeinander; in der Ethik muss man sich entscheiden. Wie, wenn es ein Christentum gäbe, in dem mehr oder weniger alles erlaubt ist?

In Teilen der Evangelischen Kirche scheint man nicht weit von dieser Vision entfernt zu sein. Wenn man den Müll trennt, für den Frieden ist und sich klimaneutral verhält, kann man nicht mehr viel falsch machen. Manche evangelischen Christen, denen das zu schlicht gedacht ist, schielen mit Wehmut auf die Katholische Kirche, weil sie meinen, wenigstens in Sachen Liebe sei dort die Welt theoretisch noch in Ordnung. Nimmt die Katholische Kirche nicht tatsächlich zu Lebensschutz, Scheidung, außerehelichem Sex, Homosexualität usw. eine klare Haltung ein?

Sie täuschen sich. Auch in der Katholischen Kirche geht es gerade wild zur Sache. Seit Jahren schon steht der sogenannte Zölibat3 unter kritischer Beobachtung. Gegen viel Widerstand hat Papst Franziskus diese Lebensweise, die sich an der Lebensform Jesu orientiert, für seine Priester weiterverordnet.

Ja, geht denn das? Ohne Sex leben?

Genau genommen müssen viele Menschen «zölibatär» leben. Einige, weil sie keinen Partner finden, der zu ihnen passt; andere, weil sie sexuelle Neigungen haben, die Sex nur zum Preis eines Verbrechens4 oder zum Preis der Selbstzerstörung5 möglich machen würden. Natürlich brauchen auch katholische Priester, Mönche, Nonnen, der Papst und alle Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Sex haben können, das sichere Gefühl, dass sie nicht zu kurz kommen. In Teilen der Christenheit mindestens hat sich der Glaube gehalten, dass die eigentliche Erfüllung erst noch kommt – in der Liebe aller Lieben: in der Vereinigung mit Gott. Man kann deshalb, wenn man dazu berufen ist, ein bisschen warten – «um des Himmelreiches willen» (Mt 19,12), oder weil sich hier auf der Erde keine Gelegenheit dazu bietet. Nichtchristen werden das möglicherweise für eine ziemlich spinnerte Idee halten. Aber sie ist immerhin von Jesus.

Während weite Teile der Evangelischen Kirche also ihren Frieden mit dem Thema Sexualmoral gemacht haben – einfach, indem es sie faktisch nicht mehr gibt –, scheint das mit Liebe und Sexualität in der Katholischen Kirche gerade nicht besonders gut zu funktionieren. Spektakulärer, als es im Missbrauchsskandal geschehen ist, kann man nicht auf die Nase fallen. Die Superheroes haben sich bis auf die Knochen blamiert. Hat die Katholische Kirche nicht so getan, als habe sie von Gott persönlich das Mandat, die Unmoral der Welt aufzustöbern und zu geißeln? Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche sind geschockt, dass ausgerechnet Priester in nicht unerheblicher Zahl als Vergewaltiger entlarvt wurden. Waren das nicht die gleichen Leute, die der bösen Welt vor kurzem noch «Moral» gepredigt haben? Es wäre zynisch zu sagen: Na, endlich sind sie Menschen!

Durch ein Verbrechen wird man aber nicht menschlich; im Gegenteil: Man verabschiedet sich teilweise oder endgültig aus dem humanen Miteinander. Liegt es am Zölibat? War die Moral dieser Leute in Wahrheit Doppelmoral – nichts als schlecht verkappter Moralismus? «Die Moralisten», sagt Gottfried Hutter von solchen innerhalb und außerhalb der Christenheit, «sind ja bekannt für ihre moralischen Verurteilungen, die sie – wie könnte es anders sein – gewissermaßen aus Rache für die Unannehmlichkeiten der Selbstbeschränkung, die ihnen die Moral auferlegt, denen überbraten, die sich den Zwang der Moral nicht antun.»6

Schon Jesus warnte vor Moralpredigern – und es gibt keinen Grund, die Kritik an einer gewissen Sorte von Schriftgelehrten auf heute zu übertragen: «Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht» (Mt 23,3).

Ich finde, es ist jetzt eine gute Zeit, sich generell über Liebe, Sexualität und Moral zu unterhalten – und es in der Folge auch anhand eines Sonderfalls zu tun: des tiefen Absturzes der Katholischen Kirche7. Wo wird denn Sex und Liebe sonst noch reflektiert als dort, wo es Skandal macht? Seit einer Reihe von Jahren leben wir als Gesamtgesellschaft beziehungstechnisch in explizitem Kontrast zu allen unseren Vorgängergenerationen, ohne uns des tiefen Einschnittes wirklich bewusst zu werden. Dank der Erfindung chemischer und technischer Methoden der Empfängnisverhütung haben wir die Sexualität von der Weitergabe des Lebens entkoppelt und bewegen uns unter der geheimen Prämisse, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Die Idee von Sex als Selbstzweck hat dafür gesorgt, dass homosexuelle Lust neu in Betracht kam, dass außerehelicher Sex der Normalfall wurde, und man lernte, geschlechtliche Begegnungen als einen Wohlfühlmodus und eine Art körperlicher Form von Nähe und Freundschaft zu verstehen.

Nur die Katholische Kirche zog offiziell nicht mit. Doch nun ist ihre wie eine Klippe ins Meer ragende Sturheit, Sexualität ausschließlich in der Ehe zu beheimaten und sonst nirgends, nachhaltig erschüttert worden. Ausgerechnet die Prediger der reinen Lehre wurden enttarnt. Ja, Priester haben Sex, zudem noch homosexuellen Sex, zudem noch Sex mit Schutzbefohlenen. Eine bessere Widerlegung frommer Rede könnte sich selbst der Teufel nicht ausdenken.

Nun muss man die Dinge fein säuberlich auseinanderhalten. Die Notwendigkeit einer an die Wurzeln gehenden Auflösung der Doppelmoral ist das eine. Die Besinnung auf den Sinn von Sex und Liebe das andere. Denn es ist ja nicht so, als gäbe es nur innerhalb der Katholischen Kirche Missbrauch, Gewaltverbrechen und Beziehungschaos. Man darf an #Me Too erinnern; man kann sich auch die Zahlen zu innerfamiliären Sexkatastrophen oder zu den immer häufigeren Fällen von Missbrauch in Bildungseinrichtungen, Sportvereinen etc. anschauen, die hier nicht zum x-ten Mal wiedergegeben werden müssen.

Zunächst aber hat die Öffentlichkeit ein Recht zu erfahren, wie und wohin die moralische Instanz Katholische Kirche umzukehren gedenkt. Ihre Reinigung vom Verbrechen des Missbrauchs und seiner anhaltenden Beförderung kann nicht vorrangig darin bestehen, dass man die noch immer gefüllte Schatulle aufmacht und Opfer «abfindet» (sic!). Sie kann nur geschehen, indem man alle Beteiligten – die Täter, ihre Komplizen, Vertuscher, Verteidiger und Verharmloser, genau anschaut. Wenn man nicht weiß, wer da aus welchen Gründen wie handelt, wird man die Strukturen des Bösen nicht ausmerzen.

Das vorliegende Buch zieht seine für alle Christen relevanten Lehren im Wesentlichen aus einem katholischen Lehrstück: dem seltsamen Umgang mit Missbrauch in den Reihen eigener Amtsträger.

Missbrauch in der Evangelischen Kirche steht noch im Windschatten der katholischen Pleite; die Verantwortlichen aber wissen, dass sie keineswegs aus dem Schneider sind. Das Missbrauchsszenario, das die Evangelische Kirche belastet, unterscheidet sich in mancher Hinsicht von der Katholischen Kirche. In der Katholischen Kirche sind es vor allem von Männern ausgehende gleichgeschlechtliche Übergriffe, die kaum einmal einen ideologischen Hintergrund haben, während Missbrauch in der Evangelischen Kirche ebenfalls meist von Männern ausgeht, sich freilich auf beide Geschlechter bezieht und in einem liberalen Umfeld angesiedelt ist, in dem man sich einiges auf «Respekt und Augenhöhe zugutehält» und lange der Auffassung war, dass hier «so etwas angeblich nicht möglich»8 ist.

Jens Brachmann hat in Hinsicht auf die Skandale den klugen Satz gesagt: «Es bedarf eines ganzen Dorfes, um ein Kind zu missbrauchen.»9

Um etwas...


Meuser, Bernhard
Bernhard Meuser ist Verleger und Autor. Er hat zahlreiche Bücher zu den Themen "Spiritualität" und "gelebtes Christentum" veröffentlicht, die auch eine jüngere Leserschaft ansprechen, da er auf theologische Fachsprache verzichtet. Mit dem Jugendkatechismus "YOUCAT" hat er einen Weltbestseller gelandet.



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