Buch, Deutsch, 170 Seiten, PB, Format (B × H): 148 mm x 218 mm, Gewicht: 225 g
Erzählungen
Buch, Deutsch, 170 Seiten, PB, Format (B × H): 148 mm x 218 mm, Gewicht: 225 g
ISBN: 978-3-937601-70-0
Verlag: Bertuch Verlag
Sie schlagen sich so durch - die Jungs in Meyers Geschichten. Dabei lassen sie sich von weiblichen Hosenanzügen beirren, stellen ihre grenzenlose Coolness beim Mopedtrinken unter Beweis und sorgen dafür, dass der Großvater die Sportschau verpasst.
Mit einer sonderbaren Mischung aus Naivität und Bauernschläue stellen sich die Helden der Provinz dem Ungemach des Lebens. Überraschende Kehrtwendungen geben diesen ERzählungen das gewisse Etwas - wie der Speck im Dibbelabbes, würden die Jungs selbst sagen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Osterfeuer 3
Hosenanzug 26
Lichtspiele 39
Körperformen 55
Sportschau 70
Moped 88
Strohfeuer 101
Strohfeuer
Ich hätte stutzig werden müssen, als die Studenten nur fünfzig Mark für die Fahrt haben wollten. Für die ganze Fahrt! Inklusive der Fähren! Das war ja wohl eher ein symbolischer Preis. Selbst für die Spritkosten pro Person reichte das nicht.
Die beiden Studenten, das waren Christian und Matti. Genauer gesagt waren sie gerade mit dem Studium fertig geworden, aber wir nannten sie immer noch ‚die Studenten’, weil sie die beiden einzigen von uns waren, die studiert hatten. Christian irgendwas mit Wirtschaft, BWL, glaube ich. Ein Jahr davon in Irland, als Austauschstudent. Darum beneidete ich ihn am meisten, noch mehr als wegen des Studiums selbst. Er wollte in Kürze in Köln in irgendeine Reklamefirma einsteigen. Marketingagentur nannte er das. Matti war zwar ebenfalls fertig mit dem Studium, blieb aber an der Uni. Hatte da irgendeinen Job und wollte später mal Fremdsprachenprofessor werden, so was in der Art jedenfalls. Ich wunderte mich darüber, dass beide immer noch Kontakt zueinander hielten, obwohl sie doch in unterschiedlichen Städten studiert hatten. Und obwohl sie sehr unterschiedliche Typen waren. Als Kind hatte Christian Matti mal beinahe ein Auge ausgeworfen. Natürlich nicht absichtlich, sondern bei einem Spiel. Das hatte mir Andi erzählt. Mit Andi hatte ich gar nicht so viel zu tun, bevor ich ausgerechnet mit ihm nach Irland fuhr. Ich hatte schon oft davon geträumt, einmal auf die Grüne Insel zu reisen. Aber Andi als Reisebegleiter war in diesen Träumen nicht vorgekommen.
Warum die beiden Studenten ausgerechnet Andi und mich mit nach Dublin nahmen, war mir zuerst nicht ganz klar.
„Wir haben im Auto noch Platz für zwei Leute, für dich und Andi, soll ich dir von Christian sagen.“ Matti hatte mich auf dem Waldfest zum Bier eingeladen und mir Christians Angebot unterbreitet.
„Wieso wir?“, fragte ich, meinte aber: wieso ich?.
. Christian war ziemlich wortkarg bis Calais. Dort standen wir in einer riesigen Autoschlange inmitten von weiteren Autoschlangen rechts und links von uns und warteten darauf, dass wir endlich durch die Eincheck-Schleusen und auf die Fähre konnten. „Ihr bleibt im Auto, und ruft uns, wenn es weitergeht, wir gehen mal da vorne ins Terminal einen Kaffee trinken“, meinte Christian beiläufig. Sie waren keine zwei Minuten weg, da kam Bewegung in die Autoschlangen. „Und jetzt?“, fragte ich, ein wenig panisch.
„Na, was wohl?“ Andi klang entschlossen. Er wechselte vom Rücksitz, wo wir die ganze Zeit gesessen hatten, auf den Fahrersitz. „Der Schlüssel steckt, die Papiere liegen hier vorne und auch ein Ticket für die Fähre, wie’s aussieht. Wenn die Arschlöcher denken, sie müssten Kaffee trinken gehen, sollen sie eben zu Fuß nachkommen.“ Als bei dem Auto mit dem französischen Kennzeichen vor uns die Rücklichter angingen, startete Andi den Motor. Ich wollte einwenden: Ja aber wie kommen denn die beiden auf die Fähre, ohne Tickets? Steht auf unserem Ticket nicht, dass vier Leute im Auto sein müssten? Wird in Dover nicht die Polizei auf uns warten, um uns wegen Autodiebstahls zu verhaften? Aber ich sagte nichts. Hatte ich Andi nicht einen Abenteuerurlaub versprochen?
Gerade als Andi auf der Fähre das erste Bier geholt hatte, fanden Matti und Christian uns wieder. Sie lachten erfreut. Beschwerten sich überhaupt nicht. „Wie kommt ihr denn aufs Schiff“, platzte ich heraus. Christian erklärte seelenruhig, dass das Ticket fürs Auto ja nur zwei Passagiere auswies. Deshalb habe er, schon von Köln aus, noch mal zwei Fußgängerkarten extra besorgt. Das seien eigentlich die Karten für uns, aber glücklicherweise habe er die beiden Karten dabei gehabt, so dass er und Matti einfach durch den Footpassenger-Eingang reingekommen seien. „Hat bei der Grenzkontrolle keiner im Auto rumwühlen wollen?“, fragte er noch.
„Nö, die haben uns einfach durchgewunken, als sie Andis treuherziges Gesicht gesehen haben.“ Wir lachten alle. Christian spendierte noch eine Runde Bier.
„Seht ihr, ich wusste, dass auf euch Verlass ist. Gut gemacht, Andi. Und wisst ihr was? Jetzt, da Matti und ich nun sowieso schon mal namentlich als Fußpassagiere registriert sind, machen wir’s in Dover wieder genau so: Du hast die Karre auf die Fähre raufgefahren, Andi, du fährst sie auch wieder runter. Wir treffen uns im Hafenterminal, und dann essen wir erstmal ordentlich was. Ich geb’ eine Runde Fish & Chips aus.“ Spätestens da war mir klar, dass Christian ein dickes Minusgeschäft mit den fünfzig Mark machte, die wir ihm bezahlten. Andi freute sich. Denn Christian versprach ihm, dass er das letzte Stück in Wales auch wieder fahren dürfe und dass wir jetzt, wo Matti und er sowieso die Fußgängertickets hatten, es von Holyhead nach Dublin wieder genau so machen würden wie bei der Überfahrt nach Dover.