E-Book, Deutsch, 387 Seiten
Mitchell LIBERATOR - Dritter Roman der GERMANICUS-Trilogie
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7487-5962-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 387 Seiten
ISBN: 978-3-7487-5962-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
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Die Revolution beginnt! Zweitausend Jahre, nachdem Pilatus einen gewissen Jesus von Nazareth begnadigte, beherrschen die Römer noch immer die Welt. Mit den modernen Waffen des 20. Jahrhunderts hat Imperator Germanicus alle Feinde Roms besiegt, und doch steht seine Herrschaft auf tönernen Füßen. Denn der Kaiser selbst plant den Umsturz: Er will das Römische Reich in eine Republik verwandeln. Seine Feinde sind grausam und gefährlich. Und als sie von seinen Plänen erfahren, holen sie zum Gegenschlag aus - der Herrscher von Rom muss fliehen... Die Revolution frisst ihren Vater! Mit diesem Roman schließt Kirk Mitchell seine Germanicus-Trilogie ab, die mit Procurator und Imperator begann.
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I.
Weit unter der dünnen Schicht der Morgenwolken, tief im grünen Konus des Mons Vesuvius, fachte der Vulkan die Kohlen seiner Schmiede an. Schon seit Wochen hatte der Gott der Schmiede Campania und Latium mit Beben erschüttert, die bis zur kleinen Stadt Forum Appii gereicht hatten; allerdings hatten auch einige sensible Zeitgenossen, die sich weit vom Ort des Geschehens – etwa in Rom – aufhielten, behauptet, dass sie wegen seiner Umtriebe Unbehagen empfunden hätten. Während einer mondbeschienenen Nacht, in der Schwefelgestank in der Luft hing, war das Wasser im Hafen von Puteoli ins Kochen geraten, und als schließlich der Morgen dämmerte, entdeckte man, dass die alte Mole sich volle sechs Zoll über die Höhe des Tyrrhenischen Meeres erhoben hatte. Ein Senator, der ein Haus in Baiae besaß, hatte in einem Brief an Caesar Germanicus geschrieben, dass seine Quelle, für gewöhnlich die kälteste und süßeste in der Gegend, durch Hitze und den Geschmack von verfaulten Eiern verdorben worden war. Der Imperator solle sich in allen Dingen achtsam zeigen, da Böses und abscheuliche Dinge in der Luft lägen, hatte der Patrizier nahegelegt. War nicht in Moguntiacum, dem Geburtsort von Germanicus Julius Agricola, ein Schwein mit Klauen geboren worden? Und hatte es nicht die Nachricht über eine Frau in Pannonien gegeben, die zwei Bestien das Leben geschenkt hatte? War es nicht schon immer so gewesen, wenn der Vesuvius seinen Schlummer überwand? Unsinn. Dennoch war es eben die Nachricht über eine plötzlich heiß gewordene Quelle, die Tora aus seinen Gemächern in Caesars Palast auf dem Palatin nach Campania zu eilen veranlasst hatte. Aus Erfahrungen seinem eigenen vulkanreichen Land wusste er, dass dies jene Veränderung anzeigte, die Italia mit Votiv- und Tieropfern abzuwenden versucht hatte. Er wendete seine Wolkengaleere, um ein weiteres Mal um den Gipfel zu schweben. Schimmernd erstreckte sich der Golf von Neapolis unter ihm. Sonnenlicht funkelte über der See. Heftig wehte ihm der Wind ins Gesicht. Seine Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen, und sein glattes Haar flatterte um seinen Kopf. »Unsinn«, murmelte er zu sich selbst, als er wieder an Gott Vulcan dachte. Tora war kein Römer, daher zog er ungleich dem italischen Menschen keinen Trost und Glauben aus Opferungen an die jovianischen Götter. Doch in seiner Heimat war es dasselbe, in Nihonia, einem weit im Osten gelegenen Halbmond aus bewaldeten Inseln, der ein Vasallenstaat der Seidenmacher war – oder der Serizaner, wie die Römer die Xing immer noch nannten. Allerdings wurden in seinem Heimatland die Kami durch Gaben bestochen, die heiligen Geister, die auf solch gewalttätigen Bergen wie dem Vesuvius lebten. Aber Tora hatte nicht mehr Vertrauen in die Tüchtigkeit der Kami als in das Haus Jupiters. Dass weltweit Hunderte von Millionen Menschen sich derartigen Mächten beugten und ihnen opferten, machte diese Mächte nicht weniger imaginär. Er war ein Machinator, ein Mann, der sich Maschinen widmete und den Prinzipien, nach denen sie erbaut wurden und arbeiteten. Aber was noch wichtiger war – er war ein Anhänger Yinshayas, einer Philosophie und Lebensweise, die er den starrsinnigen Römern nur als vollständige Hingabe an die Vernunft zu verdeutlichen vermocht hatte. Und weil seine Verpflichtung gegenüber Yinshaya alle anderen Verpflichtungen in seinem Leben übertraf, hatte er seinen zunehmend beunruhigten Kaiser zurückgelassen und sein Fahrzeug gen Süden gelenkt, um den Römern zu beweisen, dass die Unruhe des Vesuvius nicht dem Wüten eines Gottes, sondern dem Zusammenspiel aus überhitzten Gasen, Silikaten und Wasser zu verdanken war. Nur Caesar Germanicus, ein Römer mit einer bemerkenswerten Neigung zur Vernunft, schien der Erklärung, dass dies die Ursache für Vulcans zunehmenden Wahnsinn war, aufgeschlossen gegenüberzustehen. Er war sogar so weit gegangen, sich laut zu fragen, wie Gott Vulcan, dessen ursprüngliche Behausung innerhalb des Berges Aetna auf der Insel Sizilien gelegen hatte, seine riesige Schmiede gen Norden zum Vesuvius verlagert hatte, ganz besonders angesichts der vom Pontifex Maximus, dem Obersten Priester festgestellten Tatsache, dass die Zyklopen, gigantische einäugige Diener des Schmiedegottes, tot waren – was einem Streit mit ihrer Mutter Terra zuzuschreiben war. Tora war davon überzeugt, dass es sich bei Rom um die abergläubischste Großmacht der Weltgeschichte handelte. Das einzige echte Wunder bestand für Tora darin, dass Roms Legionen seit mehr als zwei Jahrtausenden den halben Globus in ihrem Griff hatten. Und auch dieser Griff lockerte sich immer mehr. Tora stemmte sich gegen seinen Steuerknüppel und strebte Vesuvius’ schimmernder Krone zu. Eine kleine Dampffeder war gerade aus einer Fumarole aufgestiegen. Zuvor hatte er im Dämmerlicht des Morgengrauens einen unirdischen blauen Schimmer in einem dieser natürlichen Ventile gesehen, und jetzt wollte er etwas von dem entweichenden Gas in einer Glasphiole einfangen. In diesen flüchtigen Entladungen hoffte er Spuren von Schwefeldioxid zu finden – einem weiteren Zeichen dafür, dass Vulcan sich alsbald zu räuspern gedachte. Die Luft, die über die Flanken des Berges strich, war ruhig, und Toras Wolkengaleere glitt auf den bereits abnehmenden Ausstoß zu. »Wolkengaleere«, sagte er kopfschüttelnd. Lästig – diese römische Beharrlichkeit, alles, was sich bewegte, mit der Bezeichnung ihrer alten Seefahrzeuge zu versehen, aber wie stets hatte er sich ihren Vorlieben gebeugt. Er hatte einen Xing gegen einen Römer eingetauscht, wusste jedoch, dass ihn alles andere als Treue entehren würde. »Dann also Wolkengaleere...« Er warf einen liebevollen Blick auf sein Fluggerät: Möwenschwingen und ein Kasten aus Aluminiumröhren und Kupferdrähten, der ein kleines Eisenherz umschloss, das mit einem Elixier aus Petroleum und Öl gespeist wurde. Eine Bewegung lenkte seinen Blick erneut zum Vesuvius. »Was gibt es dort?«, fragte er sich. Es schien, als ob der äußerlich verformte und mit tiefen Rissen durchzogene Hang, der die Fumarole umgab, plötzlich zu zittern begann. Und dann wurde dieser flüchtige Eindruck von einem anderen abgelöst – dass eine Schwellung hervorwuchs und dabei Staubvorhänge ausspie. Aber auch dies war nicht von Dauer, denn weniger als eine Sekunde später begann die gesamte Aufwerfung in sich zusammenzufallen und in einer Schlucht zu verschwinden, die Augenblicke zuvor noch nicht existiert hatte. »Nein!«, schrie er und brachte genügend Geistesgegenwart auf, um die beiden Drehkontrollen gleichzeitig voranzuschieben. »Das ist zu früh!« Seine Furcht gebot ihm aufzusteigen, dennoch tauchte er hinab und richtete entschlossen seinen Blick auf die Insel Aenaria im Westen, während er darauf wartete, dass Vulcans heiße Faust seine Wolkengaleere von hinten zermalmte. Ein seitlicher Ausbruch – er wusste, dass dies wahrscheinlicher war als eine weniger gefährliche vertikale Explosion. Die Kraft der Eruption würde unmittelbar in seine Richtung gehen. Es würde nur noch Sekunden dauern. Ich hätte nie gedacht, dass es so plötzlich kommen würde. Es hätte sich durch zahllose Beben ankündigen sollen! Und anschließend hätte aller Erfahrung nach Stille eintreten müssen. Und selbst wenn diese Zeichen ausgeblieben wären, hätte während der letzten Stunden der Ausstoß an Schwefeldioxid um das Dreißigfache ansteigen müssen! Dann traf ihn der brüllende Sturm, der ihm beinahe den ägyptischen Musselin von den Flügeln riss. Er presste die Zähne aufeinander und kniff die Augen zusammen. Als der Orkan seine Wolkengaleere erfasste, spürte er, wie das Fahrzeug erbebte, einen trügerischen Augenblick lang ruhig schwebte und. dann in einen Wirbel geriet. Dabei erhaschte Tora immer wieder zwei Ausblicke: das Meer, von der Hoffnung beleuchtet, dass er doch noch überleben würde, und Vesuvius, der hinter einer großen Aschenwolke lag. Er kämpfte das Verlangen nieder, die Drehkontrollen wie Zügel an sich zu ziehen, und tauchte immer tiefer, um die Geschwindigkeit zu erreichen, die er benötigen würde, um sich aus diesem Mahlstrom zu befreien – was umso schwieriger war, als der überhitzte Aufwind einen Gegensog erzeugte, der die zerklüfteten Berghänge hinabheulte und dabei das winzige Fahrzeug mit sich fortriss. Er fühlte, wie sich das Blut in seinem Schädel sammelte, was heftige Schmerzen hervorrief, die er durch einen langgezogenen Schrei zu lindern hoffte. Endlich vermochte er die wilde Drehung zu beenden, stellte jedoch fest, dass es ihm nicht möglich war, den Sturzflug des Fluggerätes abzufangen. Immer noch raste er mit einer Geschwindigkeit dem Boden entgegen, die seine Wolkengaleere auf Dauer auseinanderreißen würde. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich die Asche gen Himmel reckte, ein dunkelgrauer Pilz, der von eigenartig zarten Blitzen durchzuckt wurde. Grausige Gottesgesichter entstanden und verschwanden wieder. Vulcan und sein Gefolge triumphierten. Spukbilder, gewiss – dennoch mit der Macht, ihn in Furcht zu versetzen. Er brüllte ein weiteres Mal auf, um den Druck in seinem Kopf zu mildem, dann unternahm er einen anderen Versuch und zog die Drehkontrollen mit beiden Händen zurück. Die Weingärten am Fuß des Berges kamen rasch, viel zu rasch auf ihn zu. Kurz vor dem erwarteten Aufprall ordnete er seine Gedanken, was der Mentalität jener Kriegerklasse entsprach, in die er geboren worden war: die Gleichgültigkeit dem...




