E-Book, Deutsch, 232 Seiten
Mosser-Schuöcker Zwang: Österreich Thriller
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-902784-98-8
Verlag: Federfrei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 232 Seiten
ISBN: 978-3-902784-98-8
Verlag: Federfrei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die regimefeindliche Untergrundorganisation E‘04 begeht Bombenanschläge um die Wiederherstellung demokratischer Nationalstaaten zu ermöglichen. Eine Spirale der Gewalt beginnt sich zu drehen. In diesem Szenario begegnen sich zwei Männer: Cameron, der Revolutionär, und Brugger, der Regierungsangestellte. Ein menschenverachtender Plan der Regierung zwingt sie zu einem verzweifelten Kampf gegen die Zeit. Während zwei Männer alles riskieren, um den Tod tausender Menschen zu verhindern, ist ihnen der Feind näher als sie denken.
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1. Kapitel
München, 1. September 2029, 5 Uhr 45 Es regnete in Strömen, als ich das Haus verließ, aber das war ja in diesem Sommer nichts Besonderes. Auch im Urlaub, im wenig sommerlichen Tirol, war es hauptsächlich nass und kalt gewesen. Jetzt hatte mich der Berufsalltag wieder, und er begann wenig erfreulich. Ein langer, anstrengender Tag lag vor mir. Zuerst die übliche Hetzerei zum Flughafen durch das morgendliche Verkehrsgewühl in der Stadt und über die verstopfte Autobahn. Kurzes Aufatmen, wenn man den spöttisch »Beamten-Bomber« genannten Flieger um 7 Uhr 10 erreichte. Nach der Ankunft in Neu Brüssel Sitzungen, Sitzungen und nochmals Sitzungen. Ich würde gegen Mitternacht nach Hause kommen. Ich seufzte. Fast alles hatte sich geändert seit der Staatsgründung vor neun Jahren, nur die Abflugzeit des »Beamten-Bombers« nicht. Aber der Flieger landete nicht mehr in Brüssel. Die 6-Uhr-Nachrichten rissen mich aus meinen Gedanken. Überschwemmungen in der Region Mitte, im ehemaligen Bayern und Österreich. Waldbrände wegen monatelanger Trockenheit in der Region West, dem ehemaligen Spanien und Portugal. Aber diese Bezeichnungen durften in den Nachrichten nicht vorkommen. Nach der Abschaffung der Nationalstaaten musste man sich mit genauen Ortsangaben behelfen. »Das Wetter könnt’s nicht vereinheitlichen, da könnt’s noch so viele Sitzungen abhalten«, grantelte der Taxi-Fahrer. Die Stimme des Volkes. »Wie kommen Sie drauf, dass ich für die Regierung arbeite?« »Na, wenn man um die Uhrzeit mit einer riesigen Aktentasche zum Flughafen fahrt und so grantig dreinschaut.« Ich schmunzelte. »Bei Ihrer Kombinationsgabe könnten Sie ja sogar bei der Polizei arbeiten.« »Mit dem Staat will ich …«, plötzlich schwieg der Taxi-Fahrer betroffen. Das »nichts zu tun haben« verschluckte er. Verständlich. Schließlich wusste er nicht, mit wem er es zu tun hatte. Ein Wort gegen den Staat und die Konzession könnte weg sein. Oder man selbst verschwand, wegen europafeindlicher Hetze. »Schon gut, ich bin auch kein Europa-Fanatiker.« »Warum arbeiten Sie dann für die?« Diesmal war ich es, der betroffen schwieg. Neu Brüssel, 1.Sepember 2029, 8 Uhr 56 »Mr. Andrew Brugger?« Ich zuckte zusammen. Ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen, dass es seit der großen Anglisierungswelle vor fünf Jahren nur noch englische Vornamen gab. Keine regionalen Unterschiede mehr, nicht einmal bei Vornamen. Damit zusammenwächst, was zusammengehört, hieß es immer. So war aus dem guten Tiroler »Andreas« ein »Andrew« geworden. »Sir, Ihren rechten Zeigefinger bitte.« Der junge Mann, der offensichtlich stolz die Uniform der »European Guard« trug, sah mich ungeduldig an. Die neue Polizei war technisch bestens ausgerüstet. Wer das Regierungsviertel von Neu Brüssel betreten wollte, musste per Fingerabdruck seine Identität nachweisen. Einfache Bürger, deren Fingerabdrücke nicht gescannt waren, hatten nur in Ausnahmefällen Zutritt. Wenigstens blieb man hier von entwürdigenden Speichelprobenentnahmen verschont. Bei Routinekontrollen der Bevölkerung war das längst Standard. Der Uniformierte musterte mich eingehend. »Geboren am 12.3.1990 in Schlinig, Region Mitte; wohnhaft in München; 1 Meter 81 groß; Augen blau; Haare dunkelblond. Besondere Erkennungsmerkmale: Narbe unter dem Kinn. Beruf: Leiter der Regionalstelle Mitteleuropa des Justizkommissariats in München. Verheiratet mit Francis Brugger, Sohn Nicolas, geboren 2026.« Ich kannte die Eintragungen auf meiner elektronischen Identitätskarte auswendig, schließlich bekam ich sie mehrmals pro Woche – bei Personenkontrollen – vorgelesen. Natürlich nur den offiziellen Teil. Was die wohl sonst noch alles von mir wussten? »Sie müssen sich beeilen, Sir. Ihre Sitzung beginnt in vier Minuten.« Big Brother is watching you. »Spät dran, wie immer. Der geschätzte Herr Kommissar sollte längst da sein.« Mein alter Freund Pete O’Neil grinste über sein ganzes sommersprossiges Gesicht, als er mich in den Sitzungssaal hetzen sah. Der kleine Ire leitete – sehr zum Ärger mancher Engländer – die Regionalstelle Nordwesteuropa. Wir hatten uns vor neunzehn Jahren als Praktikanten im guten, alten Brüssel kennen gelernt. »Du kannst dir deinen Platz aussuchen. Keine Drängelei wie früher.« Pete musste meine Gedanken erraten haben. Obwohl der Sitzungssaal klein war, waren nur wenige Plätze besetzt. Kein Wunder – an der Sitzung nahmen nur die Leiter der Regionalstellen des Justizkommissariats teil, und davon gab es nun mal nicht viele. »Erinnerst du dich? Früher ging es bei den Sitzungen zu wie im Taubenschlag«, stimmte ich in Petes Reminiszenzen ein. »Ja, und es herrschte ein babylonisches Sprachgewirr«, ergänzte er. Nun, mit dieser Unsitte hatte die Regierung aufgeräumt. Nicht nur, dass keine Übersetzungen mehr stattfanden, es war auch streng verpönt, sich mit seinen Kollegen in einer anderen als der Europasprache zu unterhalten. Ein guter Europäer spricht Englisch und sonst nichts. Am besten wäre es, er würde auch Englisch denken. »Meine Damen und Herren, der Kommissar wird in wenigen Augenblicken eintreffen. Bitte erheben Sie sich.« Der Sekretär des Justizkommissars war sichtlich nervös. Er war für den reibungslosen Ablauf der Sitzung verantwortlich, und der Kommissar, Viktor Bamarshenko, war für seine Unduldsamkeit bekannt. Wie Schulkinder zu Beginn einer Unterrichtsstunde nahmen wir Aufstellung, um unserem Chef Referenz zu erweisen. Ich versuchte, meine Abneigung hinter einer gleichmütigen Miene zu verstecken. »Schau nicht so angewidert. Das ist ja europafeindliches Verhalten«, witzelte O’Neil. Offenbar hatte ich immer noch nicht gelernt, meinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren. Franziska, meine Frau, hatte mir das schon oft vorgehalten. Wenig später betrat ein kleiner, unauffälliger Mann den Sitzungssaal. Auf den ersten Blick wirkte der Justizkommissar völlig harmlos. Wortlos musterte er unser kleines Spalier. Da war es wieder, dieses beklemmende Gefühl, das mich immer beschlich, wenn Bamarshenko mich ansah. Es waren seine Augen. Grau und gefühllos starrten sie mich durchdringend an. Es war, als wollte er in meine Gedanken eindringen. Mich fröstelte. »Meine Damen und Herren ich möchte gleich in medias res gehen.« Bamarshenko hatte das Rednerpult betreten und setzte zu seinem Vortrag an. »Wie Ihnen als treue Staatsdiener kaum entgangen sein dürfte, feiert unsere Republik nächstes Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Das wird landauf, landab Anlass zu Feierlichkeiten sein. Wir im Justizressort haben aber, zumindest bislang, schwerlich Grund zum Feiern. Lassen Sie es mich klar und deutlich aussprechen: Es ist eine Schande! Unser Fachbereich sollte eine Vorreiterrolle in der Europäisierung einnehmen, weil die Vereinheitlichung des Rechtes die Grundlage für die Anpassungen in allen anderen Lebensbereichen ist. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Durchsetzung des Europäischen Rechtes hinkt anderen Ressorts hinterher. Immer wieder muss ich mich mit Ihren Berichten herumschlagen, warum diese oder jene Norm in diesem oder jenem Gebiet nicht durchsetzbar ist. Ihre Ausführungen über das sogenannte Rechtsempfinden der örtlichen Bevölkerung interessieren mich nicht. Darauf kommt es überhaupt nicht an. Die Bevölkerung, ob an der Algarve oder am Ural, muss ein europäisches Rechtsbewusstsein entwickeln. Und wenn das nicht gelingt, nun gut: Dem Gesetz muss trotzdem Genüge geleistet werden. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Wie Sie alle wissen, wurde vor sieben Jahren das Rechtsinstitut der Anscheinsehe eingeführt. Dies hat sich als notwendig erwiesen, weil große Teile der Bevölkerung versuchten, die verpflichtende Adoption von mindestens zwei Kindern bei durch drei Jahre hindurch kinderlos gebliebenen Ehen dadurch zu umgehen, dass sie ohne Trauschein zusammenlebten. Für diese Fälle wurde auf ein altes schottisches Rechtsinstitut zurückgegriffen: Wenn Mann und Frau für eine bestimmte Zeit wie ein Ehepaar zusammenleben, so gelten sie als verheiratet. So weit, so gut. Es hat sich aber herausgestellt, dass vor allem in den mehrheitlich katholischen Gebieten wie dem ehemaligen Italien und Spanien, aber auch im ehemaligen Polen diese neue Rechtsform von der Bevölkerung sabotiert wird. Die jungen Leute weigern sich, ohne kirchliche Trauung zusammenzuleben. Und das, obwohl ihnen daraus zum Teil erhebliche Nachteile erwachsen. Wie der Europäische Sicherheitsdienst berichtet, ist die Katholische Kirche daran wesentlich beteiligt: Sie indoktriniert die Bevölkerung in den Messen mit antiquierten Moralvorstellungen. Ich sage Ihnen heute ein für alle Mal, mit diesen – aus welchen Quellen auch immer stammenden – Traditionen muss aufgeräumt werden. Das Europäische Recht muss unter allen Umständen befolgt werden, ob es die Bürger nun akzeptieren...