Nandi | 50 Ways to Leave Your Ehemann | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

Reihe: Nautilus Flugschrift

Nandi 50 Ways to Leave Your Ehemann


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96054-304-6
Verlag: Edition Nautilus GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

Reihe: Nautilus Flugschrift

ISBN: 978-3-96054-304-6
Verlag: Edition Nautilus GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sie hat es getan: Die schlechteste Hausfrau der Welt hat ihren Mann verlassen und ist mit ihren beiden Kindern in eine eigene Wohnung gezogen – oder wie sie sagt: Sie wurde weggentrifiziert nach Lichtenrade. Obwohl sie wusste, auch als Alleinerziehende ist die Welt alles andere als in Ordnung. Das beginnt schon damit, dass es für ganz normale Mütter mit ganz normal wenig Geld verdammt schwer ist, ihren Mann zu verlassen. Und das ist kein Zufall, denn Frauen, Mütter, sollen nicht frei sein. Und wenn sie sich doch ihre Freiheit erkämpfen, sollen sie einen hohen Preis dafür bezahlen.
Jacinta Nandi schreibt über Slutshaming und Mitleid, Rechtfertigungsdruck und Doppelstandards gegenüber Alleinerziehenden. Sie fragt, warum verheiratete Frauen so unsolidarisch tolle Kuchen backen und ob Single Moms by Choice die besseren Alleinerziehenden sind. Während Männer irgendwie immer gut genug sind, müssen Frauen nicht nur perfekte Partnerinnen und perfekte Mütter sein, sondern auch perfekte Opfer – wie der Fall Amber Heard deutlich gezeigt hat.
Was muss sich verändern, damit keine Frau mehr gezwungen ist, in einer Beziehung zu bleiben, die sie nicht will? »Leave your Ehemann« – das muss viel einfacher werden!

»Wie kann eine Autorin so viel Gegenwärtigkeit in ihren Büchern haben und dabei so trügerisch einfach schreiben? Lachen und Weinen und vor Lachen weinen sind eins bei Jacinta Nandi.« Mithu Sanyal

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Meine Mama und ich zusammen im Frauenhaus
Meine Mama ist im Mai 2021 gestorben. Ich hatte sie lange nicht gesehen, wegen der Pandemie. Sie starb zweimal, eigentlich, in der zweiten Nacht, nachdem ich zu Hause in England ankam, starb sie vor unseren Augen, langsam, aber auch schnell. In der ersten Nacht, nachdem ich angekommen war, hatten wir sie zwei Stunden lang versucht zu wecken – und ich glaube, wenn wir sie gelassen hätten, wäre sie im Schlaf gestorben. Meine Mama hatte zehn Jahre lang Multiple Sklerose und im Herbst 2020 Covid. Nach ihrer Coronainfektion wurde sie nie wieder ganz gesund, aber sie war auch vorher nicht besonders gesund. Aber nach Covid konnte sie nicht mehr lächeln, nicht mehr essen und kaum noch sprechen. Die Frau, die meine Mama bis zum Tod pflegte, war früher mein Stiefpapa. Ich weiß, dass ich es so nicht ausdrücken soll, aber ich weiß nicht, wie man das sonst erklären soll. Meine Eltern wurden irgendwann, 2010 glaube ich, geschieden, meine Mama wurde immer kränker und kränker, meine Tante Daphne (so nennen wir sie jetzt) kam sie jeden Tag besuchen, um sie zu pflegen: ihr mit der Toilette zu helfen, Tee zu geben, sie zu füttern, zu duschen, anzuziehen. Meine Mama wurde kränker und kränker, auch vor Corona. An dem Tag, an dem meine Mama gestorben ist, waren wir bei ihr. Meine Tante, mein kleiner Sohn Leo und ich. Meine Mama hatte mir tagsüber gesagt, dass sie Angst vor dem Tod hatte, und ich, die kleine Narzisstin, die ich bin, bezog das alles auf mich. »Du musst keine Angst haben, Mama«, sagte ich. »Ich bin nicht mehr süchtig nach Psychopathen. Ich werde mich ab jetzt nur noch in nette Männer verlieben, und mit dem Schreiben und so wirklich erfolgreich werden.« Sie sagte: »OKAY!«, so laut, wie sie nur konnte. Jeder Satz, jedes Wort, war für sie anstrengend. Meinen großen Sohn Ryan hatte ich, obwohl er erst sechzehn Jahre alt war, ein paar Wochen alleine zuhause gelassen, in Deutschland. Die Waschmaschine war kaputt. Einer der letzten Sätze, die meine Mama sagte, war: »Ryan, Waschmaschine okay?« Ich wusste, sie wollte noch Oma sein, wollte uns noch beschützen. Ich log sie an und sagte, dass mein Kumpel Nils vorbeikommen wollte, um die Waschmaschine zu reparieren. Und dann starb sie, abends. Sie war wach, aber auch nicht wach, Augen aus Glas, klein, ihr Gesicht kleiner denn je. Es war so, als ob sie Schluckauf hatte, sie japste nach Luft, und das Leben hat ihren Körper verlassen. Und dann waren wir da, mit einer Leiche, und wir mussten uns um Sachen kümmern. Meine Tante, die immer da gewesen war, war plötzlich für die Behörden super unwichtig. War niemand. Wegen der Scheidung. »Sind Sie ihre Schwester?«, fragte die Krankenhausdame taktvoll. »Was war Ihr Verhältnis?« »Ich bin ihre Ex«, sagte meine Tante. »Und Sie sind ihre …« Meine Mama ist so weiß gewesen, und ich bin doch ziemlich dunkel, ich musste helfen. »Die Tochter«, sagte ich. »Ich bin ihre Tochter.« »Ach, dann sind Sie zuständig! Sie müssen die Urkunden unterschreiben!« Es kam mir wie Betrug vor – ich fühlte mich wie eine Hochstaplerin, als ich unterschrieb und unterschrieb, wichtiger als meine Tante, näher an meiner Mama, die ich so lange nicht gesehen hatte, seit 2019 nicht, mit der ich so lange nicht zusammengelebt hatte, seit 1998. Meine Tante wusste alles über meine Mama, wie sie ihren Tee trank – »nicht so viel Milch, Cint!« –, welchen Joghurt man am besten nahm, wenn man versuchen wollte, dass sie doch ein paar Tropfen Nahrung zu sich nahm, bei welchen Radiosendungen man die Lautstärke hochdrehen sollte und schweigen musste, und bei welchen man einfach weiterredet. Und plötzlich war meine Tante niemand, und ich die nächste Verwandte. Sie waren nett zu mir, die britischen Beamt*innen. Ich hatte mich, merkte ich, an Deutschland gewöhnt, an Beamt*innen aus Eis, nee, Stein, nee, Stahl. Wie ihre Gesichter dichtmachen, wie ihre Augen leer werden, ihr Mund zugemauert. »Sorry, so wird das nicht gemacht!« »Das geht nicht!« »So wird es aber gemacht, da kann ich leider nichts tun!« Die britischen Beamten waren mir fast suspekt mit ihrer Flexibilität. »WAS!«, riefen sie, voller Mitleid, »Ihr Sohn ist alleine in Deutschland? Wie alt ist er? Erst sechzehn? Ach du meine Güte, dann müssen wir eine Ausnahme machen!« Und sie organisierten alles, so dass wir schneller an die Sterbeurkunde kamen, trotz Regeln, trotz Corona. Eine Beamtin erzählte mir, sie glaubte, dass das, was sie tat, vielleicht illegal wäre, »aber was soll’s, wir müssen das anders klären, sonst kommen Sie nicht zu Ihrem Sohn zurück!«. Ich ging, um die Sterbeurkunde meiner Mutter abzuholen, in ihrer Kleidung. Im Leben war sie immer sauer, wenn ich was von ihr ausleihen wollte, sie hat mir verboten, ihre »guten Sachen« zu nehmen – »ich bin behindert, aber ich werde trotzdem auf Partys eingeladen!«. Nach ihrem Tod bin ich ihre Hosen durchgegangen, ich weiß nicht warum. Und ich ging ihre Sterbeurkunde abholen in einer orangefarbenen Cordhose und rosafarbenen Strickjacke, und ich wusste, dass ich komisch aussah. Auf ihrem Totenschein stand »Fortgeschrittene MS« und »Demenz«, aber ist sie daran wirklich gestorben? Ich stand vor dem Rathaus in Ilford und starrte die Dokumente an, die waren genauso fake, wie wenn sie von einer Hochstaplerin gefälscht worden wären. Ich denke, meine Mama ist an Long Covid gestorben, oder vielleicht ist sie einfach verhungert. Ich weiß es nicht. Ich denke, wir werden das niemals rausfinden, warum genau sie gestorben ist. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich 2004/2005 sechs Monate im Frauenhaus war. Ich gehe in meinem Privatleben ziemlich offen damit um, erwähne es auch ab und zu in Texten. Manchmal sagen mir deutsche Männer, die mich kennen, dass sie es komisch finden, dass sie nicht verstehen können, dass ich im Frauenhaus gewesen bin, und ich tue dann immer so, als ob ich nicht wüsste, was sie damit meinen. Aber ja, von Oktober 2004 bis März 2005 war ich im Frauenhaus, einem Frauenhaus in West-Berlin (damals sagten wir noch West-Berlin), mit meinem kleinen Sohn Ryan, der damals ein Säugling war. Ich rede viel darüber, mit Freund*innen, aber auch mit Bekannten, und ich habe ziemlich viel darüber geschrieben. Aber ich merke jetzt auch, dass ich irgendwie auch viel darüber geschwiegen habe. Eine Sache erwähne ich nämlich kaum: dass meine Mutter mit mir dort war. Nur eine Woche. Aber sie war da. Ich weiß nicht, warum ich das so selten erwähne. Ich denke, dass es mir vielleicht peinlich ist. Meine Mama war sehr beliebt bei den anderen Frauen, bei den Bewohnerinnen, und weniger beliebt bei den Sozialarbeiterinnen: Sie war sehr entsetzt, dass es keine Rampe für Kinderwagen gab, und es wurde ihr in dieser Woche nicht langweilig, das zu sagen. Aber bei den Frauen, besonders denen in ihrem Alter, war sie trotz Sprachbarriere beliebt. Einmal kam ich rein in die große Küche, meine Mama war schon wach und am Tisch, ich hörte, wie sie einer deutschen Frau erzählte: My man is a good man, he doesn’t hit, he doesn’t drink. Die hässliche Wahrheit ist, vielleicht, dass dies ein bisschen Fantasie war, wenn ich jetzt zurückgucke, auf meine Mama und ihre Männer. Meine Mama hatte zwei Männer: meinen Papa, und dann meinen Stiefvater, der jetzt kein Mann mehr ist. Aber für meine Mama war diese Person, die sie liebt, ein Mann. Sie liebte ihn, wie eine Frau einen Mann liebt. Ich glaube, sie liebte Daphne auch – aber mehr wie eine Frau ihre Schwester liebt. (Und manchmal hasste sie Daphne, wie eine Frau ihre Schwägerin hasst.) Ich denke, wegen der Liebe, die meine Mama für meinen Stiefpapa als Mann empfand, ist es schwer, darüber zu sprechen, ohne manchmal diskriminierend Daphne gegenüber zu klingen. Meine Mama war sehr jung, als sie meinen Vater heiratete – erst neunzehn Jahre alt, so alt, wie sie oft sagte, wie Diana, als sie Charles heiratete. Sie war auch sehr jung, als sie meinen Stiefpapa kennenlernte. Mein Stiefpapa war damals der beste Freund meines Vaters, ein Familienfreund, könnte man sagen. Diese Person, dieser Familienfreund, wurde später mein Stiefvater, aber nicht nur das, auch der leibliche Vater meiner Geschwister. Wir waren alle erwachsen, als sie entschieden hat, sie wollte Tante Daphne genannt werden. Sie wollte nicht Mama genannt werden, nie. Sie wollte dieses Wort für meine Mama lassen. Vielleicht hängt meine Schwierigkeit, über meine Kindheit zu reden, ohne diskriminierend zu werden, doch mit der Vaterrolle zusammen. Mit der Wichtigkeit des Vaters. Hier ist dein Stuhl, hier ist dein Platz, hier kommt deine Sendung im Fernsehen. In unserer Kindheit war meine Mama die Mama und mein Stiefpapa der Vater, so wie bei den Bären in dem berühmten Märchen. Der Stiefpapa kriegte von allem das Größte, den...


Jacinta Nandi wurde 1980 in London geboren und lebt seit 2000 in Berlin. Für die taz schrieb sie die Kolumne »Die gute Ausländerin«, außerdem publiziert sie regelmäßig im Missy Magazine und der Jungle World. Sie war Mitglied der Lesebühnen Rakete 2000 und Die Surfpoeten. Zuletzt erschienen von ihr die Bücher »Die schlechteste Hausfrau der Welt« (2020) und »WTF Berlin – Expatsplaining the German Capital« (Satyr 2022).



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