Buch, Deutsch, 124 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 216 g
Buch, Deutsch, 124 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 216 g
ISBN: 978-3-96146-232-2
Verlag: Diplomica Verlag
Spiele führen zu Lernerfahrungen und die Eigenschaften des Spiels sind für das Lernen besonders hilfreich. In der Grundschule hat spielendes Lernen mancherorts schon einen festen Platz. Ausgehend von verschiedenen wissenschaftlichen Begründungszusammenhängen sollte aber die spielerische Tätigkeit der Kinder, vor allem auch im mathematischen Anfangsunterricht, noch weiter gesteigert werden. Die mit dem Spielen verknüpften positiven Wirkungen stehen in enger Wechselbeziehung zur Vermittlung kognitiver, sozialer, motorischer und emotional-affektiver Lernziele. Dieses Potential der spielerischen Auseinandersetzung mit (mathematischen) Spielmitteln – und hier insbesondere den Dominosteinen – ist Gegenstand dieses Buches. Neben theoretischen Aspekten werden die Ergebnisse einer empirisch-qualitativen Untersuchung zur Bedeutung der Spieltätigkeit für das Lernen im mathematischen Anfangsunterricht sowie zum kindlichen Mathematisieren in Spielsituationen dargestellt. Die Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass didaktische Spiele zwingend im Unterricht eingesetzt werden müssen.
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Textprobe:
Kapitel 2.3 Prozesshaftigkeit der Entwicklung des mathematischen Verständnisses im Anfangsunterricht:
2.3.1 Entwicklung des mathematischen Verständnisses im Vorschulalter und Anfangsunterricht:
Im Hinblick auf die Zielgruppe der empirischen Untersuchung zu diesem Buch wird in diesem Kapitel lediglich die Phase des Schulanfangs einer genaueren theoretischen Betrachtung unterzogen.
Es ist klar, dass es im mathematischen Anfangsunterricht noch nicht um Mathematik „im engeren Sinne“ gehen wird, sondern um die ganz elementare Zahlen- und Formensprache.
Elsbeth Stern hat darauf hingewiesen, dass Zählen eine grundlegende mathematische Kompetenz ist und dass bereits Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter Einsichten in die Zählprinzipien sowie Fähigkeiten zur Mengenschätzung von bis zu vier Gegenständen (Subitizing) erwerben. Das ist insofern bedeutsam, weil mathematisch-numerische Prinzipien zuerst an Mengen mit bis zu vier Gegenständen entdeckt und dann auf größere Mengen generalisiert werden, wodurch bald darauf Additions- und Subtraktionsoperationen im kleinen Zahlenbereich durchgeführt werden können. Damit kann die Mengenerfassung als eine wesentliche Grundlage für mathematisches Verständnis gelten.
Der Anfangsunterricht in der Grundschule baut bei den meisten Kindern auf den im sozialen Umfeld und/oder im Kindergarten gewonnenen Erfahrungen auf. Dabei ist es gewöhnlich so, dass Kinder mit heterogenen Wissensbeständen über mathematische Prinzipien, Relationen, Operationen oder Modellierungsvorstellungen eingeschult werden. Während im Kindergarten naturwissenschaftliche und technische Phänomene, die dem Wissenschaftsbereich der Mathematik zugeordnet werden können, durchaus gezielt untersucht werden, ergeben sich aufgrund der Vorgaben für den Mathematikunterricht ganz neue Herausforderungen bezüglich der Strukturierung und Systematisierung des vorhandenen und neu zu erwerbenden mathematischen Wissens.
Ein wesentliches Ziel der Systematisierungsanstrengungen der pädagogisch verantwortlichen Personen muss darauf gerichtet sein, das Verständnis der Zählprinzipien sowie Einsichten in die „Struktur der Zahlwortreihe“ zu fördern. Insbesondere kommt Lehrpersonen die Aufgabe zu, die Qualität des Zählens auf ein einheitliches Niveau zu bringen und mental nachhaltig zu verankern. „Zählen“ als Fähigkeit meint dabei zweierlei: Einerseits geht es um Zählaktivitäten zur Beherrschung der Zahlwortreihe (verbales Zählen). Andererseits sollen Kinder Sicherheit beim Abzählen realer oder vorgestellter Objekte (Mengenerfassung) aufgrund der Verinnerlichung der o.a. Zählprinzipien gewinnen. Die Fähigkeit zur Mengenerfassung soll den Kindern darauf aufbauend auch ermöglichen, die Mächtigkeit von Mengen (Anzahl) ohne Zählen allein durch Hinsehen und mentaler Strukturierung dieser Menge zu bestimmen (Subitizing/simultane Zahlerfassung und quasi-simultane/gliedernde Zahlerfassung).
Untersuchungen zur Entwicklung der Zählkompetenz belegen, dass der Zählvorgang äußerst komplex ist und wesentlich mehr beinhaltet als ein rein mechanisches Aufsagen der Zahlwortreihe wie beim verbalen Zählen. „Zählen“ ist mathematisch deshalb so wichtig, weil Kinder dadurch strukturelles Wissen über Zahlen und Zahlbeziehungen aufbauen, was später notwendig wird, um komplexe Rechnungen zu vereinfachen und algebraische Probleme lösen zu können.
Verbunden mit den Zählprinzipien und der Zahlwortreihe müssen Lehrpersonen bei den Kindern den Aufbau eines mentalen „arithmetischen Netzwerks“, in dem Additions- und Subtraktionsaufgaben im kleinen Zahlenbereich (zunächst Zwanzigerraum) und deren Lösungen gespeichert sind, unterstützen. Für diesbezügliche enaktive Darstellungen werden verschiedene Spiel- bzw. Arbeitsmittel vorgeschlagen. Anfängliche konkrete Handlungen am Material werden zunehmend gedanklich vollzogen und schließlich zugunsten mentaler Vorstellungen abgelöst. So werden die Kinder in die Lage versetzt, bei der Lösung von Rechenaufgaben neben dem zählenden Rechnen auch die „Abrufstrategie“ zur Verfügung zu haben. Ein wesentliches Ziel des Mathematikunterrichtes im Anfangsunterricht besteht ja gerade darin, dass das zählende Rechnen, aufgrund des weiterentwickelten mathematischen Verständnisses, vom relationalen Rechnen sowie der Verwendung von Rechenstrategien abgelöst wird, da diese weniger Zeit und Kapazität des Kindergehirns erfordern. Diese Entlastung ermöglicht dann weitere Einsichten in mathematische Prinzipien (z.B. das Kommutativprinzip oder das Prinzip der inversen Beziehungen).
Diese Prinzipien sind wiederum Bestandteil des Teil-Ganzes-Schemas, welches „[…] das wichtigste Ziel der Grundschulmathematik [ist], weil es die Voraussetzungen für das Verständnis der abstrakteren Mathematik darstellt.“
Die Zerlegung einer gegebenen natürlichen Zahl auf möglichst viele verschiedene Arten führt zum Aufbau von flexiblen, mentalen Zahlvorstellungen. Das ist grundlegend für die Fundierung von arithmetischen Grundkenntnissen wie der Addition und Subtraktion (auch ohne Abzählmöglichkeit) sowie des Verständnisses von Größer-Kleiner-Beziehungen (bzw. mehr/weniger/gleichviel), der Kenntnis von Ziffern, des Rückwärtszählens und der quasi-simultanen Mengenerfassung.
Grundsätzlich ist die Entwicklung des mathematischen Verständnisses in erheblichem Maße abhängig von der Förderung der Eigenaktivität und der sozialen Kommunikation der Kinder. Die Prinzipien des aktiv-entdeckenden Lernens und produktiven Übens haben im individualisierten Unterricht mehr denn je ihre Berechtigung und sind von weiteren Prinzipien ergänzt worden: Einsatz substantieller Aufgaben, Vernetzung von Darstellungsformen, Anwendungs- und Strukturorientierung. Alle diese mathematikdidaktischen Prinzipien weisen Parallelen zu den Merkmalen didaktischer Spiele auf.
Mittlerweile ist unbestritten, dass der Umgang mit konkreten Materialien, Erfahrungen im Spiel und sinnvolles Üben als unverzichtbare Elemente zur Entwicklung des mathematischen Verständnisses gelten.