E-Book, Deutsch, 222 Seiten
Nikolay Ein bezaubernder Dschinn oder ein unerwartetes Erbe
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-96089-691-3
Verlag: dead soft verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 222 Seiten
ISBN: 978-3-96089-691-3
Verlag: dead soft verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als Patrick das Haus seiner Oma erbt, ist er sich nicht bewusst, was sie im Testament mit 'dem gesamten Inventar' meinte. Beim Ausräumen findet er etwas, das seine Welt total durcheinander wirbelt. Einen Flaschengeist - unerhört frech und überaus sexy. Doch so anziehend der auch ist, ein Dschinn ist und bleibt ein Geist - oder?
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Die Musik aus seinen Kopfhörern übertönte den Verkehrslärm, als Patrick den Gehweg entlanglief. Allerdings verfehlte Robbie Williams Stimme an diesem Tag die sonst übliche entspannende Wirkung. Die Unruhe kribbelte in Patricks Bauch und hatte sich seit dem Erhalt des Schreibens eine Woche zuvor stetig vergrößert. Seine Schritte führten ihn an gepflegten Altbauten vorbei, bis er die Haustür erreichte, neben der ein Messingschild angebracht war. Sein Ziel. Notariat Joachim Amberger.
Er nahm einen tiefen Atemzug, schaltete die Musik aus und verstaute die Kopfhörer in der Jackentasche. Anschließend strich er sich mit einer fahrigen Geste das Haar zurück, schob die Tür auf und folgte dem Wegweiser in den ersten Stock.
Im Haus roch es nach Bohnerwachs und Politur. Die wuchtige Eichentür, an der ein weiteres Schild Notariat Amberger, Termine nach Vereinbarung verkündete, war geschlossen. Patrick drückte den Klingelknopf daneben, worauf der Summer ertönte und er die Tür öffnen konnte. Er trat ein und straffte die Schultern. Im Vorraum saß eine ansprechend gekleidete Frau mittleren Alters, die ihm zulächelte.
„Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?“, erkundigte sie sich.
„Hallo. Mein Name ist Patrick Koster, ich habe einen Termin.“ Er wollte gerade den Brief aus der Tasche ziehen, da stand sie auf.
„Ja. Sehr schön. Damit sind Sie vollzählig. Wenn ich Sie bitten dürfte“, meinte sie und wies auf eine Flügeltür, die in den Nebenraum führte. Patrick nickte nur und folgte ihr.
„Ihre Eltern sind schon eingetroffen. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee, Wasser?“
„Nein, danke.“ Er würde jetzt nichts herunter bekommen. Patrick schluckte gegen den Kloß in seinem Hals an und trat nach ihr in den Raum. Ein Tisch nahm fast die gesamte Fläche ein. Bis zur Decke reichende Regale reihten sich an die hintere Wand, gefüllt mit unzähligen Büchern. Vor den hohen Fenstern stand eine Sitzecke. Dort saßen sich seine Eltern und ein älterer Mann im schwarzen Anzug gegenüber.
„Guten Tag Herr Koster.“ Der Mann erhob sich und hielt ihm die Hand entgegen, welche Patrick pflichtbewusst schüttelte. Der Händedruck war angenehm, nicht zu fest und trotzdem ernsthaft. „Kommen Sie, setzen Sie sich“, forderte der Notar ihn auf. Seine freundliche und fast großväterliche Ausstrahlung half ein wenig, dass Patricks Magen sich nicht mehr ganz so bleischwer anfühlte.
„Hi“, richtete er knapp an seine Eltern, wobei der Gruß eigentlich nur seiner Mutter galt. Sein Vater betrachtete seine Fingernägel, als gäbe es auf ihnen Weltbewegendes zu entdecken. Patrick kommentierte das mit einem dezenten Grunzen und setzte sich mit größtmöglichem Abstand zu den beiden hin.
„Aus meinem Schreiben haben Sie entnehmen können, warum ich Sie hergebeten habe. Nun, da Sie alle zugegen sind, werde ich Ihnen den letzten Willen Ihrer verstorbenen Mutter, respektive Großmutter, verlesen. Die Erblasserin, Agathe Koster, hat von ihrem Testierrecht Gebrauch gemacht.“ Er räusperte sich, griff nach einer ledergebundenen Mappe und setzte eine Lesebrille auf. Es herrschte Totenstille im Raum und Patrick hörte sein Blut in den Ohren rauschen.
Er schielte zu seinen Eltern hinüber. Seine Mutter saß steif da, die Hände verkrampft ineinander verschränkt, sodass diese um die Knöchel weiß schimmerten. Es tat ihm leid, sie so zu sehen. Es war offensichtlich, dass sie den Blickkontakt mit ihm unfreiwillig mied. Sein Vater wippte mit der Fußspitze und wandte die Augen nicht vom Notar ab. Patrick wusste, er würde ihn nur ansehen, wenn es unbedingt sein musste. Bei der Beerdigung, die sechs Wochen zurücklag, war es genauso gewesen. Sie hatten nicht mal ein Wort miteinander gewechselt.
Papier raschelte und der Notar räusperte sich erneut.
„Ich verlese nun den letzten Willen von Agathe Koster, geborene Schmitt: Mein Sohn, Edgar Koster, und dessen Ehefrau Iris, sollen nach meinem Tod meine Münzsammlung bekommen. Der Wert der Sammlung entspricht dem gesetzlichen Pflichtteil. Mein Enkel, Patrick Koster, soll nach meinem Tod mein Haus inklusive des gesamten Inventars erhalten. Meine Entscheidung begründe ich ausschließlich mit folgenden Worten:
‚Weil du, Edgar, deinen eigenen Sohn wie einen Aussätzigen behandelst, nur weil er homosexuell ist und sein Leben nicht nach deinen Vorstellungen lebt.‘
Mein Barvermögen aus den Sparverträgen soll, nach Begleichung der Bestattungskosten und aller sonstigen Auslagen, dem Kinderhospiz Sterntaler zugutekommen. Damit mein letzter Wille eingehalten wird, beauftrage ich das Notariat Joachim Amberger mit der Testamentsvollstreckung. Die angemessene Vergütung ist bereits entrichtet worden. Gezeichnet, Agathe Koster, 17. Mai 2017.“ Der Notar pausierte kurz. Patrick hörte, dass sein Vater ungehalten schnaubte.
„Bevor Sie sich zu Wort melden, Herr Koster“, bremste Amberger ihn aus, „möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Ihre Frau Mutter hat dieses Testament handschriftlich in meinem Beisein aufgesetzt. Sie war im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Es gab keine Zweifel an ihrer Testierfähigkeit.“
Patrick blickte auf die Mappe in den Händen des Notars. Er konnte es kaum glauben. Seine Oma überließ ihm das Haus? Das Testament war im vergangenen Jahr geschrieben worden, da hatte er schon in Berlin gelebt und weit weniger Zeit mit ihr verbracht, als vor seinem Umzug. Selbst die Telefonate mit ihr waren die letzten Monate seltener geworden und doch bekam er mehr als sein Vater. Der gerade in Rage geriet. „Das kann unmöglich Ihr Ernst sein!“
Er sah zu seinem Vater, der puterrot im Gesicht war und sichtlich um Fassung rang. Seine Mutter hingegen war so blass wie die wollweiße Wand hinter ihr und hatte die Lippen aufeinandergepresst.
„Herr Koster, was Ihre Frau Mutter hier aufgesetzt hat, ist rechtlich gesehen vollkommen in Ordnung. Ein Testament muss weder vernünftige noch von dritten nachvollziehbare Begründungen aufweisen.“
„Ich bin der Sohn und das Haus steht mir zu. Deshalb habe ich nie selbst eins gekauft!“
„Da irren Sie sich. Sobald ein Testament vorhanden ist, greift die gesetzliche Erbfolge nicht mehr. Sie sollten den letzten Willen Ihrer Frau Mutter respektieren.“
„Das ist ein Witz!“, schrie sein Vater.
„Ach ja?“, Patrick starrte ihn an. „Wie du dich hier verhältst, das ist ein Witz.“
„Du … du! Was weißt du schon? Und überhaupt, was willst du mit dem Haus? Du wohnst ja nicht mal hier! Und Sie …“, er wandte sich an Amberger, „Sie prüfen nach, von welchen Werten wir hier sprechen.“
Der Notar räusperte sich tadelnd. „Das kann ich Ihnen sagen. Wie Ihre Frau Mutter wusste, entspricht der Wert der Münzsammlung Ihrem Pflichtteil, dürfte sogar noch ein wenig mehr einbringen, sofern Sie die Sammlung gut veräußern. Das Barvermögen beläuft sich auf etwa siebzigtausend Euro und der Marktwert der Immobilie mitsamt Inventar und Grundstück wurde auf knapp dreihunderttausend geschätzt. Einsicht in die genauen Zahlen kann Ihnen meine Sekretärin, Frau Lays, geben. Fragen Sie sie nach.“ Er wies mit der Hand zur Tür, die in den Vorraum führte.
Patrick lehnte sich zurück, während sein wutschnaubender Vater an ihm vorbei in Richtung Tür marschierte. Wenn er ehrlich war, überraschte ihn die Aufteilung nicht. Trotzdem hätte er nie für möglich gehalten, dass er das Haus bekäme. So ganz wollte die Erkenntnis nicht sacken. Sie schien zu sperrig, um aufgenommen werden zu können.
„Von Ihnen benötige ich noch ein paar Angaben, um die Grundbucheintragung ändern zu lassen. Sofern Sie das Erbe annehmen wollen.“ Der Notar sah ihn an.
Patrick überlegte nicht lange. Auch wenn er sich mit seinem Chef nicht wegen einer Versetzung einigen könnte, hergeben würde er das Haus keinesfalls. Notfalls würde er es vermieten.
„Ähm, ja. Es ist zwar überraschend aber ja, ich nehme das selbstverständlich an“, sagte er und hoffte, selbst ins Haus einziehen zu können. Es wäre schön, seine Mutter wieder in der Nähe zu haben.
„Das freut mich.“ Amberger schlug die Mappe zu und nahm die Brille von der Nase.
„Kommst du zurück? Ich meine, wirst du im Haus wohnen?“, fragte seine Mutter leise. Der hoffnungsvolle Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ ihn lächeln.
„Ja, das werde ich. Zumindest versuche ich es, auch wenn er“, er wies mit dem Daumen zum Vorzimmer, „dann an die Decke geht.“
Sie strahlte, überbrückte die Distanz zwischen ihnen und umarmte ihn. Er wurde sich in diesem Moment bewusst, wie sehr ihm das gefehlt hatte. Er roch den Duft ihres Shampoos und fühlte sich in seine Jugend zurückversetzt, als die Umarmungen seiner Mutter ihm immer Kraft gegeben hatten.
„Iris! Wir gehen“, dröhnte die gepresst klingende Stimme seines Vaters von der Tür her. „Und lass den Jungen los, das ist ja widerlich! Wer weiß, wo der seine Finger hatte.“
Patrick verdrehte genervt die Augen. Seine Mutter richtete sich auf, bedachte ihn mit einem entschuldigenden Blick und eilte aus dem Raum. Die Tür wurde zugeknallt.
„Es tut mir leid“, wandte Patrick sich an den Notar, der die Szene stirnrunzelnd betrachtet hatte. „Wie unschwer zu erkennen war, ist mein Vater ein herrischer Mann.“
„Nun, junger Mann“, begann Amberger und legte den Kopf leicht schräg. Ein kleines Lächeln umspielte seinen Mund. „Ich bin ihm nie zuvor begegnet, aber Ihre Großmutter war mir eine liebe Freundin. Ich ahnte, dass diese Reaktion kommen würde. Um es mit Agathes Worten zu sagen: Er ist ein homophober Idiot.“
Patrick riss erstaunt die Augen auf, worauf Amberger kicherte. Es passte gar nicht zu seinem...




