O'Brien | Irisches Roulette | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 432 Seiten

Reihe: Grace-O'Malley-Reihe

O'Brien Irisches Roulette

Kriminalroman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-423-42915-3
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 2, 432 Seiten

Reihe: Grace-O'Malley-Reihe

ISBN: 978-3-423-42915-3
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der zweite Fall für die irische Ermittlerin Tom Nolan, Mitarbeiter in einem Wettbüro, wird erschossen. Besitzer des Büros ist der Zwillingsbruder von Graces Kollege Rory. Dieser gilt ab sofort als befangen, ermittelt aber dennoch weiter. Grace und ihr Team dringen bei ihren Recherchen vor bis in die innersten Kreise des irischen Wettgeschäfts. Schnell wird klar, dass eine mächtige internationale Wett-Mafia die Finger im Spiel hat. Doch auch im heimischen Galway sind erstaunlich viele bekannte Gesichter in den Fall verwickelt und es zeigt sich: Nichts ist, wie es scheint. 

Hannah O´Brien ist Autorin und Journalistin. Sie lebte lange in ihrer Wahlheimat Connemara und fühlt sich an der irischen Westküste bis heute zu Hause. Neben zahllosen journalistischen Veröffentlichungen über die Grüne Insel und ihre Bewohner, hat sie eine erfolgreiche irische Krimireihe um die eigenwillige Ermittlerin Grace O'Malley aus Galway geschrieben. Wenn Hannah O'Brien nicht gerade in Irland weilt, findet man sie meist in Köln und an der Mosel.
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2


Am Tag zuvor hatte Grace O’Malley knapp hundert Kilometer an die Küste fahren müssen. Die Scheibenwischer verschmierten die Windschutzscheibe, statt sie vom Wasser zu befreien, das ohne Unterlass von allen Seiten niederprasselte. Grace blinzelte angestrengt und versuchte mit einem Taschentuch die Scheibe von innen abzureiben, um so eine bessere Sicht auf die Straße zu bekommen.

»Scheiß Möwenkacke!«, fluchte sie.

Wenn Rory neben ihr gesessen hätte, wäre er wohl in schallendes Gelächter ausgebrochen und hätte vielleicht noch ein »Sag ich doch« hinterhergeschickt. Doch sie war allein im Wagen. Man hatte sie nach Letterfrack gerufen, wo sie sich mit einem Mann hatte treffen sollen, der angab, ein wichtiger Zeuge in dem Fall zu sein, in dem Grace gerade ermittelte.

Grace bremste und schaltete herunter. Sie musste die kurvenreiche N59 in Richtung Westport langsamer fahren. Bald würde die Abzweigung nach Recess kommen, die sie nehmen wollte, um nicht in entgegengesetzter Richtung den Umweg über Clifden nehmen zu müssen.

Zunächst war Grace irritiert gewesen, als sie merkte, dass sie den langen Weg umsonst gemacht hatte. Der angebliche Zeuge war nicht zum Treffpunkt erschienen. Doch dann beschloss sie, den ungeplant freien Nachmittag zu genießen. Schließlich war sie in Connemara unterwegs, dem spektakulärsten Teil der Grünen Insel, die auch sonst mit beeindruckenden Landschaften gesegnet war. Aber jetzt goss es wie aus Kübeln und man konnte gar nichts mehr vom spektakulären Connemara erkennen. Das Meer musste zu ihrer Linken liegen und die imposanten Berge irgendwo rechts vorne.

Es war kühl für Mitte Juli und so begann die Scheibe bald wieder von innen zu beschlagen. Auf der Straße nach Recess kamen ihr lange Zeit nur zwei Wohnmobile mit französischen Kennzeichen entgegen. Niemand überholte sie. Hier gab es nur ganz wenige Häuser. Ein Hotel und eine Handvoll Bed-and-Breakfast-Pensionen hatten sich als steinerne Wegmarken vor die hohe kahle Bergkette der Twelve Bens positioniert. Grace wischte und blinzelte. Diese Landschaft war archaisch. Unberührt, beeindruckend, dramatisch, bei jedem Wetter.

Ihr Handy trommelte. Sie hatte ein irisches Musikstück als Klingelton geladen, das mit dem keltischen Percussion-Instrument Bodhran begann. Sie liebte Bodhrans, mit Haut bespannte Holzreifen, die ursprünglich mit einem Tierknochen geschlagen wurden.

Es war Rory. Sie schaltete die Freisprechanlage an.

»Bist du noch in Letterfrack, Grace?«

»Nein. Der Typ war nicht im Pub. Ich hab noch mal ein bisschen nach ihm gesucht, aber ohne Erfolg. Dumm gelaufen. Ich bin schon auf dem Rückweg. Was ist?«

Der Kollege schien zu zögern. »Fährst du über Clifden?«

»Wer fährt von Letterfrack über Clifden, wenn er nach Galway will? Das dauert viel länger. Ich habe die Straße über Recess genommen. Warum?«

»Schon gut.«

»Warum, Rory?«, insistierte sie.

»Äh, da gibt es so eine herrliche Krebspastete. Wie man sie früher gemacht hat. Die gibt es im …« Er brach ab und Grace musste lächeln.

»Tut mir leid, Rory. Wenn ich gewusst hätte, dass du auf diese Krustentierpaste stehst, hätte ich gern den Weg über Clifden in Kauf genommen, nur um dir …« In diesem Moment sah sie jemanden mitten auf der Straße stehen, der etwas Undefinierbares im Arm hielt. Sie fluchte wieder.

»Da ist was, Rory. – Bis später!« Sie drückte ihn weg.

Grace stand fast auf der Bremse und konnte den Wagen gerade noch zum Stehen bringen. Die Person auf der Straße – es war, wie sich bei genauerem Hinsehen herausstellte, eine Frau – stand wie angewurzelt da und schaute ihr erwartungsvoll entgegen. Im Arm hielt sie einen zotteligen Border Collie, wie es sie hier auf fast jedem Hof gab. Grace hatte schon ihre Tür geöffnet und sich in den strömenden Regen hinausgelehnt. Da schaute die Frau ganz kurz auf ihre Armbanduhr.

»Brauchen Sie Hilfe?«

Die Frau nickte und kam langsam näher. Sie war klein, trug eine dunkelgrüne Wachsjacke mit violetten Streifen, wie Grace sie noch nie zuvor gesehen hatte, und einen schwarzen Südwester wie ein Hochseefischer, mit tiefgezogenem Kragen, der den Hals hinten vollständig bedeckte. Der Hund in ihren Armen bewegte sich nicht.

»Er muss angefahren worden sein«, murmelte die Frau fast abwesend. Sie streichelte den leblosen Körper. »Können Sie mich bitte ein Stück mitnehmen?«

Grace nickte, stieg aus und hielt ihr die Beifahrertür auf.

Der Frau gelang es nicht, mit dem Hund im Arm einzusteigen. »Könnten Sie ihn bitte einen Moment halten?«

Grace streckte ihr die Arme entgegen, um den Hund in Empfang zu nehmen. Er hatte wie alle Hütehunde ein schwarz-weißes Fell, und nur das linke hintere Bein war, wie Grace bemerkte, komplett tiefschwarz, als hätte er eine schwarze Socke übergestreift.

»Lebt er noch?« Nun streichelte auch Grace den schlaffen Körper des Tieres, tastete nach seiner Halsschlagader und hielt ihr Ohr an seine Schnauze.

Die Frau nickte. Grace bettete den Hund auf den Schoß der anderen und schlug die Wagentür zu.

»In Oughterard gibt es eine Tierklinik. Wenn Sie mich da rauslassen könnten?«

Grace nickte mit einem neugierigen Seitenblick auf ihre unerwarteten Passagiere.

»Woher wissen Sie, dass ich bis Oughterard fahre? Das sind fast noch vierzig Kilometer.« Grace klang amüsiert. Iren wissen immer alles ganz genau, schoss es ihr durch den Kopf. Auch wenn sie keinen Schimmer haben.

Fragt man einen Iren nach dem Weg, wird er ihn immer und unter allen Umständen kennen und ihn genauestens beschreiben können, inklusive einer Zeitangabe, wie lang man brauchte, um dorthin zu gelangen. Das hatte sie in ihren Jahren in Dänemark fast vergessen. Als sie am Anfang ihrer Zeit bei der Polizei in Kopenhagen nach dem Weg gefragt hatte, war sie sehr überrascht gewesen, als Antwort manchmal ein »Tut mir leid, aber das kenne ich nicht« zu hören. Diese Antwort war in Irland nicht vorgesehen. Man war immer hilfsbereit. Den anderen ins Nichts, ins Nirwana, in die irische Wüste zu schicken, weil man nicht zugeben wollte, das gewünschte Ziel nicht zu kennen, war bestenfalls ein zweitrangiger, bedauerlicher Nebeneffekt. Allein die Hilfsbereitschaft zählte.

»Das weiß ich gar nicht. Ich habe es nur angenommen. Zwischen hier und Galway gibt es ja kaum etwas, von dem kleinen Dorf Recess mal abgesehen. Es sei denn, man biegt in Maam Cross nach Rossaveel ab. – Ich heiße übrigens Dixi.« Die Frau, die Ende dreißig sein mochte, lächelte verschmitzt, hob ihre Hand aus dem nassen Fell des Tieres und reichte sie ihr. Die Kommissarin nahm ihre linke Hand vom Steuer und drückte die der anderen fest. Sie musste zugeben, dass sie ihr auf Anhieb sympathisch war.

»Ich heiße Grace. Wollen Sie mir sagen, was passiert ist mit dem … ist das Ihr Hund?« Irgendwo hatte sie die Frau schon einmal gesehen, aber sie hätte sie im Moment nicht einordnen können.

Dixi schüttelte ihren kurzen Fransenschnitt, der unter dem Südwester hervorkam, als sie ihn ausgezogen hatte. Sie drehte sich um, zögerte und warf ihn auf den Rücksitz. Die nassen Strähnen klebten ihr zum Teil am Kopf und gaben der apart aussehenden Frau mit den hohen Wangenknochen kurzzeitig eine Frisur, die Grace entfernt an ein Huhn erinnerte. An ein sehr nasses Huhn.

»Nein, ich habe ihn auf der Straße gefunden.«

»Hier auf der Hauptstraße?«

Die Frau antwortete nicht sofort. Schließlich räusperte sie sich.

»Ja. Am Straßenrand. Als habe ihn jemand dort abgelegt.«

»Oh.« Grace liebte Hunde und der Gedanke, dass jemand einen Hund angefahren hatte, ohne sich um ihn zu kümmern, missfiel ihr.

Beide schwiegen ein paar Sekunden. In Graces Wagen müffelte es nach nassem Fell.

»Und was haben Sie hier mitten in der Wildnis gemacht?« Grace war nicht nur mit Herz und Seele Polizistin – sie leitete seit einigen Monaten die Abteilung für Kapitalverbrechen der Gardai Zentrale in Galway, der viertgrößten Irlands, und war außerdem ein überaus neugieriger Mensch.

Dixi lachte. Es war ein ansteckendes Lachen. Der Hund auf ihrem Schoß bewegte sich nun leicht.

»Sie haben vier Antworten zur Auswahl. A: Ich war wandern und habe mal wieder den Schirm vergessen. Als es richtig herunterprasselte, entschloss ich mich, ein Auto anzuhalten. Der Hund war ein Vorwand. B: Ich habe mich blöderweise verlaufen. Der Hund war nicht eingeplant gewesen. C: Ich habe in dieser gottverlassenen Gegend auf ein Auto mit Garda gewartet, um mich todesmutig mit einem Hunde-Fast-Kadaver auf die Straße zu stellen, den ich vorher aufwendig präpariert hatte …«

Graces Augenbrauen rutschten einen halben Zentimeter nach oben.

»Oder D: Ich habe mich so mit meinem Freund gezankt, dass ich trotz des Regens wutschnaubend aus dem Wagen gestiegen und zu Fuß weitermarschiert bin. Kurz bevor Sie kamen, habe ich den Hund am Straßenrand gefunden.« Dixi klang sehr vergnügt. »Also? «

Grace musste wieder lächeln. Sie mochte die Frau.

»Ich nehme mal D.«

Die Hunderetterin mit der Hühnerfrisur schien mit der Wahl zufrieden, sagte aber nichts.

Als sie auf die N59 nach Galway eingebogen waren, fing Dixi an, von sich selbst zu erzählen. Vorsichtig und fast liebevoll glitten ihre Hände über das zottige Fell des Hundes. Sie sei Hutmacherin und betreibe neben einem Atelier in der Innenstadt Galways auch jeden Samstag einen kleinen Stand auf dem beliebten Wochenmarkt.

»Hutmacherin, interessant!« Grace gefiel der Beruf dieser Frau auf Anhieb.

»Ja, wie in Alice im...


O'Brien, Hannah
Hannah O´Brien ist Autorin und Journalistin. Sie lebte lange in ihrer Wahlheimat Connemara und fühlt sich an der irischen Westküste bis heute zu Hause. Neben zahllosen journalistischen Veröffentlichungen über die Grüne Insel und ihre Bewohner, hat sie eine erfolgreiche irische Krimireihe um die eigenwillige Ermittlerin Grace O’Malley aus Galway geschrieben. Wenn Hannah O‘Brien nicht gerade in Irland weilt, findet man sie meist in Köln und an der Mosel.

Hannah O´Brien ist Autorin und Journalistin. Sie lebte lange in ihrer Wahlheimat Connemara und fühlt sich an der irischen Westküste bis heute zu Hause. Neben zahllosen journalistischen Veröffentlichungen über die Grüne Insel und ihre Bewohner, hat sie eine erfolgreiche irische Krimireihe um die eigenwillige Ermittlerin Grace O'Malley aus Galway geschrieben. Wenn Hannah O'Brien nicht gerade in Irland weilt, findet man sie meist in Köln und an der Mosel.



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