O'Droma | 2084 | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 156 Seiten

O'Droma 2084

Lehmanns Welt
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7487-0369-3
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Lehmanns Welt

E-Book, Deutsch, 156 Seiten

ISBN: 978-3-7487-0369-3
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Lehmann ist der letzte analoge Mensch. Er kocht selbst mit echten Lebensmitteln und bezahlt mit Bargeld. Das wird ihm zum Verhängnis, denn es ist nicht im Sinne von BlackRock, dem die bis in den letzten Winkel globalisierte Welt beherrschenden Konzern.    Die Abschaffung des Bargeldes, die 2019 begann, führte zur totalen Transparenz des Konsumenten, doch schien sich niemand der Konsequenzen bewusst zu sein. 2084 ist die orwellsche Vision Wirklichkeit geworden. O'Dromas dystopischer Berlin-Roman zeigt uns in beklemmender Weise auf, was geschieht, wenn wir unsere Daten aus Bequemlichkeit, Ignoranz oder für irgendeine Payback-Punkte-Prämie aus der Hand geben. Dennoch darf gelacht werden. Vorsicht, Satire!

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Lehmann
Was? Sie kennen Lehmann nicht?! Lehmann ist weltberühmt! Selbstverständlich nur im Kreise enger Freunde, das muss man zugeben, doch sollte dies seinem Weltruhm keinen Abbruch tun.   Lehmann war der letzte Mensch, der noch mit Bargeld bezahlte.   Möglich war dies nur aufgrund einer albernen Gesetzeslücke. Anfang der Zwanziger Jahre hatte man weltweit begonnen, sämtliches Bargeld abzuschaffen. Bereits 2019 wurden in der EU die Fünfhunderter mit der Begründung eingestampft, sie dienten nur dem Transport von Schwarzgeld und dem organisierten Verbrechen. Da die meisten Geschäfte zu diesem Zeitpunkt längst keine Fünfhunderter mehr annahmen, hatte das Volk gemeinhin mit den Schultern gezuckt und es akzeptiert. Nur in den Tempeln der Steuerhinterzieher, der Gebrauchtwagenhändler und des Rotlichtgewerbes, jenen drei tragenden Säulen des Kultes der Spießer, waren lautstarke Proteste zu hören gewesen. Als die EZB nach Abschaffung des Zweihunderters und des Hunderters 2032 auch die kleinen Scheine digitalisieren wollte, regten sich in Frankreich, Deutschland und Skandinavien Bürgerproteste, die jedoch fast allerorts im Sande verliefen. Nur der oberspießige Deutsche, der ein auf Haptik basierendes erotisches Verhältnis zu seinem Geld pflegte, schaffte es mithilfe einer rot-rot-grün-brauen Zweidrittelmehrheit im Bundestag, eine Grundgesetzänderung zu bewirken und sich das Recht auf Bargeld in die Verfassung zu meißeln. Kam direkt hinter Tempo 300 auf deutschen Autobahnen als garantiertes menschliches Grundrecht. Schon 2036 war Deutschland der einzige kleine Punkt auf dem Globus, an dem man Bargeld als Zahlungsmittel akzeptieren musste. Banken waren gesetzlich verpflichtet, dem Kunden sein Guthaben auf dessen Wunsch sogar in bar auszuzahlen.   Doch das tat bald kaum noch jemand. Die internationalen Großkonzerne setzen unter der Führung von BlackRock global ihre No-Cash-Policy durch. Durch den heiligen Gral der Handelsfreiheit: Niemand, der nicht auf ihre Geschäftsbedingungen - wie die digitale Zahlung - einging, vermochte ihre Produkte zu kaufen. Wer nicht bis an sein Lebensende verbindlich den Haken unter ihre AGBs setzte, der bekam weder ein Produkt, noch eine Dienstleistung. Und so fand jeder Handel, jede Zahlung über die Chipkarte, Onlinebanking und Paypal statt. Alles war vernetzt. Völlig egal, ob man mit Karte oder Wrist-PC latzte, per Implantat oder Bioscan. Schrullige alte Damen in Berlin Wilmersdorf zahlten ihr Gedeck von Kännchen, Amaretto, dem gefülltem Bienenstich und frisch geschlagener Sahne vereinzelt noch mit immer bröseliger werdenden Fünfzig-Euro-Scheinen. Wahrscheinlich gedachten sie dabei früherer Zeiten, als sie selbst noch knuspriger, saftiger und voller Schlagsahne lustwandelten, jetzt, da sie so bröselig geworden waren wie die Scheine, mit denen sie im Café am Ku'Damm ihre Rechnung beglichen. Drogen, Nutten und Gebrauchtwagen bekam man noch mit echten Fuffies. Und geklaute Elektrogeräte. Das wars. Man konnte auf dem Wochenmarkt nicht eine einzige Zwiebel ohne digitale Sofortüberweisung erwerben, davon abgesehen, dass es keine Wochenmärkte mehr gab. Selbstverständlich galt auch für die Zwiebel der Paypal-Käuferschutz, für den Fall, dass der Gemüsehändler - meist ein Extremist mit Migrationshintergrund - einem die Zwiebel selbst nach Bestätigung der digitalen Überweisung nicht aushändigte oder sie gar durch einen Koran ersetzte. Lehmann wurde genau in dem Moment, da diese Geschichte hier sich zu entblättern beginnt wie eine üppig gebaute Milf vor ihrer Webcam, der Zeuge eines derartigen Vorfalls: Im Geschäft eines türkischstämmigen Gemüsehändlers in der Marzahner Chaussee, stocherte er gerade prüfend in einem Korb frischer Steinpilze herum, als sich direkt neben ihm folgender Dialog zwischen dem Händler und einem Kunden entspann.   Gegenstand des Disputs: Der Kauf einer Zwiebel.   "Hastu gesagt BIBEL" "Nee, ick sachte ZWIEBEL!" "Zawibel 99 Cent, Lan, Koran normal 2.99 als E-Book! Brüder in meine Moschee geben billiger, Alder, hassetu zawei Euro geschepart, Lan, aber machst mir Schtaress wegen Zawiebel, aber komm, beim Propheten, gebisch dir Zawibel für nur 50 Cent, weil ich ein friedlicher Mann bin, bei Allah!" "Na jut, komm, ick überweise nochmal 99 Cent und nehm dafür denn zwee Zwiebeln, ok Mehmet?" "Zawei Zawibeln! Kosten 1.98, du Kartoffel, willst meine Gutmenschischkeit ausnützen, Lan?!" "Mensch, Kacke, Mehmet, jetzt habick schon jeklickt ..." "Ich dich nur verarscht, hier, nimm zawei Zawibeln, du ungläubiger Hurensohn. Isch ficke disch!" "Isch ficke disch auch. Hau rein, Mehmet!"     Charme kann nicht lernen. Lehmann liebte es, gebürtiger Berliner zu sein.   "Tach, Mehmet!" "Leeehmann, Alder, was geht?" "Läuft. Ein Pfund Steinpilze, zwei Zwiebeln, genau, die Gemüsezwiebeln da und dann noch ein Glas von den wundervollen getrockneten Tomaten, die deine bezaubernde Ehefrau macht. Worin legt Aische die ein? Verrat es mir, Mehmet!" "Kannischnisch, Alder! Killtsiemisch, Alder!" "Zu schade. Und einen Apfel, das war‘s" "Macht 18.90" "Stimmt so" "Zawanziger, immer kommstu mit Zawanziger, Lehmann. Was soll isch mit Bargeld! Binnisch kein Krimineller?" "Bring sie zur Bank, die lädt dir die 20 auf dein Implantat" "Alder, einzige Bank, die annimmt Schein, ist Zoo. Mussisch jedes Mal zum Zoo, wenn du kaufst verkackte Zwiebel deinetwegen, Lan!" "Musst du gar nicht, Mehmet. Sei nicht so tight! Versteck meine Scheine vor deiner bezaubernden Ehefrau und geh, wie du es ohnehin jeden Donnerstagabend machst, zu Sheherazade, um deinen alten Brennstab zu entsorgen. Bei ihr nehmen alle jungen Damen Cash - Problem gelöst und du bist viel entspannter. Und wenn du mir verrätst, wie deine bezaubernde Ehefrau die Tomaten einlegt, verspreche ich dir, wird sie nie erfahren, wohin du jeden Donnerstag gehst, wenn du angeblich mit uns Poker spielst ..." "Krass ey! Bistu voll das Kumpelschawein, Lehmann!" "Ich bin das Kumpelschwein, das dir auch in Zukunft jeden Donnerstag ein Alibi verschaffen wird!" "Du gewinnst, Lan. Also nimm Pfund getrocknete Tomaten, vier Zehen Knofi, ein Bund Basil, ein Bund Petersil, handvoll scharfes Paprikapulver, etwas Oregano dann alles anmachen mit Weißweinessisch und aufgießen mit kalt gepresst Oliv-Öl in Weckglas" "Hmm, das ist nicht alles, das war eine von den fünf Varianten, die ich schon selbst ausprobiert habe. Etwas fehlt!" "Bistu voll der Checker, Lehmann, fehlt Geheimzutat!" "Und die ist ....?" "Drei Sardellen klein gehackt"   In Lehmann kämpfte die Euphorie des Erpresser-Triumphes beim Erhalt des Lösegeldes - Mehmet kam allein und da waren auch nirgendwo Bullen -  mit seiner Abneigung gegen Meeresfrüchte, die ihm sein wundervolles Tomatenrezept zu vermiesen drohte. Sardelle? BÄH! Hätte er bloß nicht gefragt! Doch Lehmanns unstillbare Neugier auf das Universum hatte ihn gelehrt, dass der Preis für jede Erkenntnis ein fetter Sack voll unliebsamer Wahrheiten war, der, obwohl nie bestellt, jedoch stets mitgeliefert wurde. Wie diese verkackte Luftpolsterfolie!   Davon handelt dieses Buch.   "Meine Lippen sind für immer versiegelt", schwor Lehmann, verstaute seinen Einkauf in dem Armeerucksack, den er stets trug, und lächelte den Gemüsehändler an: „Sag mal, Mehmet, ich weiß, du liest Hegel, Popper und ich sah sogar mal einen Hölderlin hier rumliegen. Wieso sprichst du eigentlich dieses furchtbare Türkdeutsch?“ Mehmet sah sich vorsichtig um, doch da kein Kunde in Sicht war, beugte er sich vor und flüsterte mit Verschwörermiene: „Die Menschen bestellen Lebensmittel nur noch, die wenigen, die echtes Gemüse kaufen, lassen es sich per Drohne liefern. Es geht um das Einkaufserlebnis. Wer in einen Gemüseladen geht, will einen authentischen Kanaken, die finden das pittoresk…“ Die Türglocke bimmelte und Mehmet zuckte zusammen: "Isch ficke disch, Lehmann!" "Dir auch noch einen schönen Tag, Mehmet!" Lehmann wollte sich gerade zum Gehen wenden, als Aische, Mehmets bezaubernde Ehefrau, den Laden betrat und sich laut gestikulierend näherte. Irgendeine Naturkatastrophe, ein Erdbeben oder ein Tsunami hatte sich ereignet, oder vielleicht saß ihr auch nur wieder mal irgendeine Flatulenz quer, Lehmann wollte das gar nicht wissen. Zeit, sich zu verabsentieren! Er nutzte den Moment ihrer Ankunft, um in einer eleganten Halbpirouette, erst Mehmet zuzuzwinkern, in der Drehung laut vernehmlich "Wir sehn uns Donnerstag beim Pokern!" zu rufen, freudig überrascht zu tun, als er des in Rage verzerrten Antlitzes der bezaubernden Ehefrau angesichtig wurde und sogar blitzschnell noch ein betrübtes Lächeln abzufeuern, dass er zum eigenen Bedauern in Eile sei. Und schon war er dem Drama, das da dräute, entkommen, verließ Mehmets Gemüseladen und flanierte entschlossenen Schrittes in Richtung Allee der Kosmonauten. Nur in Lehmanns amüsiertem Lächeln hätte man lesen können, dass sich vor seinem geistigen Auge eine archetypische Filmszene abspielte, in der Lehmann zu den rotzigen Klängen schmutziger E-Gitarren-Riffs der Kamera entgegen...



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