Opielka | Von mir aus | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Opielka Von mir aus

Versuch mit den Augen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7528-5591-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Versuch mit den Augen

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-7528-5591-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Seine Augen lösen sich auf, und der Erzähler macht sich auf den Weg, sie zu retten. Er reist mit ihnen nach Venedig, nach Rom, nach Spanien und Polen und durch Deutschland, er sucht mit ihnen die Gesellschaft, die Liebe und Gott. Von mir aus ist ein Roman unserer Zeit, eine Geschichte, die anfängt und nicht endet, eine Forschungsreise in ein Ich, das nie ein anderes sein kann.

Michael Opielka ist Hochschullehrer in Jena, Institutsleiter und Gruppenanalytiker in Siegburg, wo er auch lebt. Er veröffentlichte bisher vier Gedichtbände und nun den zweiten Roman.

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Gott
Können wir Gott sehen. Tizian malt es, Gott fliegt flach, die Beine im Strom der Ätherwinde unsichtbar, auf uns zu. Sein Gesicht ein älterer Herr, milde, energisch, ein Vater, ein großer Vater. Es sei ganz unmöglich, er ist eine Idee und Ideen sind Konstrukte. Es ginge schon, doch es sei nicht erlaubt, er blende, er wolle verborgen, okkult bleiben. Ohne einen Gott ist Religion nicht möglich, die protestantischen Theologen des neunzehnten Jahrhunderts und manche Religionskompendialisten des folgenden, letzten sprachen Hinduismus, Buddhismus, Taoismus den Status ab, reduzierten sie auf Kulte, Volksglauben, Heidentum. Oder müssen wir uns mit der Erinnerung anderer begnügen, den Offenbarungsreligionen ist dies gemein, noch im selben neunzehnten Jahrhundert hatten die Heiligen der Letzten Tage, die Mormonen, einen Propheten an ihrem Anfang, der im Acker die Botschaft entdeckte. Zarte Erneuerungen der Heiligen Schriften verdanken wir dann Engeln, Erleuchteten, Erscheinungen, deren Authentizität von den jeweiligen Kirchenverwaltungen mühsam geprüft werden muss. Die Grenze zwischen Erleuchtung und Wahn war stets fraglich. In Gesprächen um diese Frage stellt sich das Von mir aus, das Ich, immer. Wie, heißt es dann bisweilen, kannst du glauben und gleichzeitig Wissenschaftler sein, also denken. Regelmäßig erinnere ich dann an Hegels Epochenschrift zu Glauben und Wissen, achtzehnhunderteins in Jena verfasst. Bisweilen daran, dass sich auch Jürgen Habermas daran erinnerte und zweihundert Jahre später, nur Tage nach Ground Zero, eine Paulskirchenrede zum selben Thema schrieb und hielt. Ihm gelang der Bogen schwerer, ihm fehlte, er gestand es zu, die religiöse Musikalität. Für ihr Fehlen hatte sich schon Max Weber entschuldigt, die Soziologie ist voll davon. Wen sehe ich, wenn ich das Göttliche sehen will. Die psychiatrische Diagnose eines Max Weber braucht es nicht, um zu wissen wie schwer das Glauben ist. Glauben ist Vertrauen, Fürwahrhalten dessen, was andere berichten. In der Wissenschaft ist das üblich, deshalb zitieren wir und bekämpfen die Quellenverleugnung unserer Studierenden und eines Freiherrn zu Guttenberg. Hielten wir die Quellen nicht zumindest für relevant, warum würden wir unsere Arbeit aus ihnen zu nähren versuchen. Noch etwas eint Wissenschaft und Religion. Das Ritual. Wir feiern den Sinn und wiederholen die Feier in Gesten, die sich einprägen, wir zitieren, wir tragen Talare oder taten dies, wie einst Perücken und Amtsinsignien, wir verleihen Preise und ehren. Leise kommt Gott. Wir atmen ihn und sind Er. Die Worte sind zu klein für Ihn. Wir brauchen die sinnlichen Bilder, die am Übersinnlichen lächerlich arbeiten. Vom Gottesgeist zu sprechen atmet die Wahrheit des Unaussprechlichen. Kein Vater und doch ein Sohn. Wieder Rom. Hier geht es nur um Gott, den Vater, Männergöttlichkeit, und überall Maria, in Spanien soll es fünfzigtausend Virgines geben, schrieb der anthropologische Freund, jedem Dorf seine Göttin, die Maria heißt und doch eine Besondere ist. Das reicht nicht, mahne ich den Augenträger, den ganzen Tag hast du gestern im Vatikan verbracht, Gärten, Sammlungen, Kapelle, Basilika, war da Gott nicht zu spüren. Er ist immer da, antwortet er, antworte ich, mein Gotteskonzept ist keine Theologie, nur einfache Annahmen, nur die Sicherheit, dass unsere Welt eine Hinterwelt besitzt, die jetzt da ist, um uns, in diesen Buchstaben, in den Fingern, die über die Tasten schwirren und irgendwann nur noch Knochen sind, dann Staub, dann Erinnerung, Information, die verschwindet, wenn sie niemand will. Also bist du doch Materialist, ganz Diesseitiger, das wäre nicht unmoralisch, nicht unethisch, du kannst dennoch ein liebevoller Mensch sein, hilfsbereit, die Gesetze achten und, sollte es deine Aufgabe werden, auch gute machen, anwenden, verteidigen. Da ging es um die Finger, mein Lieber, bilde dir nicht ein, sie wären unsterblich, aber die Seele ist es wohl, zwischen Ost und West der einzige große Graben, kommt sie aus einem ewigen Kreislauf oder wird sie immer neu geschöpft, mit jeder Geburt. Da merkt man doch deine dünne Theorie, nehme ich in mir die Rolle von Teufels Advokaten an, welche Seele meinst du nun, die orientalische, auf die sich dein geliebter Rudolf Steiner kaprizierte, oder die vatikanische, die Priesteridee, die Judenidee, die Christenidee, selbst die Mohammedaner sind sich hier mit uns einig, Gott schöpft uns und wir müssen aufpassen, dass wir seinen Schöpfungsauftrag nicht verpassen. Wann sprechen wir wirklich über Gott, über Glauben und Zweifeln, so viele Jahre gingst du schon ins Land und so wenige Gespräche hast du geführt. Du liest am Heiligen Abend die Weihnachtsgeschichte vor und, wenn du allein bist, was so oft war, dann für dich und laut, Lukas, der Kaiser Augustus, Rom, Jerusalem, unser Abendland, nehmen wir noch Athen dazu. Was ist der Kern dieses Glaubens, was ist dein Gott, warum gelingen dir nicht wenige Sätze, die alles aussagen, die Gott beweisen, auch die Zweifelnden überzeugen. Ich glaube nur, was ich sehe, so ähnlich hat es Petrus gesagt, aber dann hat er ihn verleugnet, dreimal, so konnten sie ihn kreuzigen, die Römer, so bekam er seine Kirche, die größte der Welt. Wie könnte ich da besser sein, kürzer, klüger, ich glaube nur, weil ich weiß und ich weiß nur, weil ich glaube, so viele Texte sind in meinem Kopf zermalmt, fließen aus den Augen, als Tränen, als Lächeln, als Liebe, endlich, als Liebe, das wäre die Lösung, so gut Glauben und Hoffen auch sind, die Liebe ist stärker, der kluge Paulus, die Wahrheit. Epiphanie, Dreikönigstag, Santa Maria dell’Anima, die deutsche Nationalkirche in Rom, am Eingang ein schäbiger Tisch, auf ihm der L‘Osservatore Romano, ein Euro neunzig das Exemplar, auf Deutsch, dann liegt noch ein Buch dort, auf Italienisch, das einzige in der fremden, hiesigen Sprache, Robert Sarah Dio o niente. Gott oder Nichts. Warum liegt das Buch denn da, was will die Nationalgemeinde der Welt sagen damit. Ist das nicht der Franziskus-Widersacher, der Erzundrechtskatholik. Gibt es das nicht auch auf Deutsch. Ja, das gibt es, stelle ich später fest, das Vorwort der deutschen Ausgabe verfasste Erzbischof Georg Gänswein, einst der George Clooney des Vatikans, Adlatus des emeritierten Papstes, zwei Päpste auf dem kleinen Land, der eine unten, der andere oben, bei den Nonnen, der Gänswein auch irgendwo, was mag er den Tag über treiben, katholischen Erzmüll produzieren, Erzählungen aus Erz, hartes Zeug, Männerzeug. Der Gottesdienst beginnt, zehn Männer ziehen ein, der Oberzelebrant wirkt alterslos jung, ich erkenne den Vizerektor der Anima, der Bruderschaft, ich las über ihn auf der Homepage, frisch promoviert in Moraltheologie, in Polen geboren, er sucht sein Deutsch, er wankt unbeholfen über den Altarraum, ein Verklemmter, seine Seele unfrei, sein Unterleib nicht weniger, man sieht es ihm an, er tritt zur Predigt vor, ich sehe durch vier dunkel gekleidete Nonnen in der Reihe vor mir hindurch, am Altar die golden und weiß strahlenden Männer, das ist die alte Zeit, die Verleugnung der Frau als Frau. Sie darf nur Jungfrau sein oder alt. Den Männern geht es nicht besser. Sie dürfen anbeten, adorieren sagt der frische Doktor immer wieder, wann hört man das sonst, das kann der polnisch Erzogene, das Deutsche mit dem Latein fusionieren, es ist einfach, was er sagt, aber es ist auch wahr, klug, man hört ihm nicht gern zu, wie er es sagt, aber das, was er sagt, über das Göttliche, über die Magier aus dem Morgenland, die huldigen, einfach adorieren, das sitzt. Doch da bleibt etwas eigentümlich Bitteres zurück. Das werden wir alle tun, dann, nach dem Tode, erlöst, anbeten, die ganze Zeit, adorieren, darauf dürfen wir uns freuen. Halleluja sog i! Mir fallen Karl Valentin und Ludwig Thoma und der Engel Aloisius ein, der Münchner im Himmel, immer nur jubilieren, immer nur adorieren, das klingt nach Stillstand, nach langweiliger Erlösung. Aber was wissen wir von Gott. Die Bruderschaft von S. Maria dell’Anima ist nun über sechshundert Jahre alt, ein deutscher Fels in der römischen Bucht, wie das Campo Santo Teutonico, dorthin geht es morgen, das ist noch älter, mehr als zwölfhundert Jahre, die Mächtigen haben sich in die Bruderschaft eingetragen, was für eine Welt. Beim Reichsdeputations-Hauptschluss von 1803 war die Anima das einzige reichsunmittelbare kirchliche Institut, das nicht säkularisiert wurde und seit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches 1806 und der Neugruppierung seiner Teile bleibt die Anima zusammen mit dem Fürstentum Liechtenstein der letzte existierende Rest des Heiligen Römischen Reiches. Wie befremdlich, da sitzen Brüder und mittlerweile auch Frauen in Rom und halten den Reichsrest fest, im Namen Gottes, was weiß Gott davon, aber vielleicht ist auch das Gott, das Festhalten, das irgendwie vertrauen, dass das, was ist, einen Sinn hat. Rom ist voll Gott, man kann nicht nur Buch schreiben, man muss auch Welt sehen, den Park der Villa Borghese, eine Bernini-Ausstellung, da würde ich gerne hinein, ich bin kein großer Freund des Barock, aber der Petersplatz, den Gian Lorenzo Bernini vor bald vierhundert Jahren vor dem...



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