E-Book, Deutsch, 432 Seiten
Porter / Gernt / MacLean Raue Nächte & (be-)sinnliche Zeit
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-96089-730-9
Verlag: dead soft verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jubiläumsanthologie
E-Book, Deutsch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-96089-730-9
Verlag: dead soft verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sucht Euch einen gemütlichen Ort, holt Euch ein feines Getränk und lehnt Euch mit diesem Buch zurück, um alte Freunde und Bekannte wiederzutreffen. Diese Anthologie ist eine Art Geschenk - ein Jubiläumsgeschenk an Euch, liebe Lesende, die Ihr uns schon so lange begleitet. Ein Geschenk an alle neuen Leser und Leserinnen, die uns vielleicht durch diese Geschichtensammlung entdecken. Eine Anthologie mit Geschichten zum Wohlfühlen. Mysteriöse, spannende, lustige, romantische und (be-)sinnliche Winter- und Weihnachts-Geschichten erwarten Euch - von Leann Porter, Beth MacLean, Orlando Stein, Simon Rhys Beck, J.L. Carlton, Sandra Busch, Barbara Corsten, Justin C. Skylark, L. Mattis, Sandra Gernt, Lili B. Wilms, Bianca Nias und Andy D. Thomas.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Beth MacLean
Ein kleines Weihnachtswunder für Tom und Jake
Trefft Jake und Tom aus der spannend-romantischen »Homestory«-Trilogie wieder.
»Nun komm endlich!«, rief Jake über die Schulter und steuerte das Haus der Cunninghams an, während er seinen Rollkoffer ruckartig über den gefrorenen Kies zog.
»Du kannst es ja gar nicht erwarten, von der Rasselbande in Beschlag genommen zu werden.« Tom hatte ihn an der Tür eingeholt, stellte seine Reisetasche ab und hauchte ihm lächelnd einen Kuss auf die Lippen. Normalerweise hielt er sich mit Zärtlichkeiten zurück, solang sie irgendwo unterwegs waren, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie in dem abgelegenen Küstenörtchen von einem Paparazzo abgelichtet wurden, war gleich null. Jakes Assistentin Janine hatte wie immer einen unauffälligen Wagen gemietet und Tom war sicher, dass niemand den langen Weg von London durch die winterliche Landschaft Schottlands auf sich genommen hatte, nur um sie zu verfolgen und dann doch kein Foto schießen zu können. Inzwischen hatte es sich herumgesprochen, dass sie die Zeit bei Toms Schwester Lynette sehr zurückgezogen verbrachten. Auch keine der Nachbarn, Bewohner des Ortes oder Tagestouristen, die sich möglicherweise als übereifrige Fans entpuppt hätten, schienen ihre Ankunft bemerkt zu haben. Es herrschte friedliche Stille.
Jake griff nach dem Metallring, um an die Tür zu klopfen. Er rieb seine Hände, während sein Atem in der eisigen Luft Wölkchen bildete.
Tom trat von einem Bein auf das andere und fröstelte trotz der Daunenjacke. Bis vor kurzem hatte er noch im warmen Auto gesessen, den Regler für die Heizung in den oberen Bereich gedreht, und nun stand er hier in der Kälte neben einem hüfthohen Schneemann aus Kunststoff, während ihm eine Böe die Tränen in die Augen trieb. Tom betrachtete die kitschige Figur und sah Jake an, ohne einen Kommentar abzugeben. Der schien die gleichen Gedanken zu haben. Auch seine Mundwinkel umspielte ein Lächeln. Der lustige Geselle mit den Kulleraugen, der Rübe im Gesicht und dem Zylinder auf dem Kopf begrüßte alle Besucher, war ein Vorbote der Weihnachtszeit und wurde von den Mädchen, allen voran der kleinen Anny, innig geliebt.
Tom sah sich um. Anfang Dezember war es bereits am frühen Abend dunkel. Lediglich die wenigen weißen Flecken, die vom letzten Schneefall übrig waren, warfen das warme Licht zurück, das aus ein paar Fenstern in die Nacht drang.
»Meinst du, sie haben das Klopfen gehört?« Jake streifte Tom mit einem Blick und wollte sich erneut bemerkbar machen, als drinnen Stimmen zu hören waren.
»Ja, bestimmt. Lynnie braucht wahrscheinlich einen Moment, bis sie sich zur Tür bewegt hat. Bin gespannt, wie es ihr geht. Immerhin ist der errechnete Geburtstermin schon einige Tage überschritten.«
Jake kaute auf seiner Unterlippe. »Hoffentlich ist alles in Ordnung.« In seiner Stimme schwang Sorge mit. »Wir hätten eher anreisen sollen.«
»Es ging nicht früher. Das weißt du genau. Wie hättest du sonst deine Termine schaffen sollen?« Tom sah Jake an und atmete tief ein. »Hey, ich mache mir auch Gedanken … aber das ist nicht Lynnies erste Geburt. Ich bin sicher, dass sie ihren Körper gut genug kennt, um rechtzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen.« Sanft stupste er ihn mit dem Ellenbogen. »Und außerdem ist Marc da. Er hat Urlaub und ist rund um die Uhr zu Hause.«
Wie zum Beweis wurden die Stimmen lauter und nur wenig später öffnete Toms Schwager die Tür. Ein breiter Lichtstrahl fiel auf den Hof, der Geruch von Plätzchen hüllte sie ein und Anny verkündete drinnen im Wohnzimmer mit weinerlicher Stimme, dass sie bei ihrer Mama bleiben wolle.
»Tom! Jake!« Marcs Miene hellte sich schlagartig auf. »Ihr seid da … genau im richtigen Moment.«
Ungeduldig trat er beiseite und winkte die beiden in den Flur.
»Hey, schön, dich zu sehen«, begann Tom und duckte sich unter dem überdimensionalen Mistelzweig, der an einer roten Schleife aus Samt von der Decke hing. Er war jedoch nicht sicher, ob Marc die Begrüßung registrierte. Anscheinend ganz in Gedanken drehte der sich um und lief den Gang entlang, um kurz darauf in der Garage zu verschwinden. Jake und Tom warfen sich einen kurzen Blick zu, ehe sie den Rollkoffer und die Reisetasche an die Garderobe schoben. Irgendetwas lag in der Luft. Aber er kam nicht dazu, den Gedanken zu verfolgen, denn in diesem Moment hörte er die Stimme seiner Schwester aus dem angrenzenden Raum.
»Tom, Jake, wir sind hier!«
Einen Moment später hatten sich die beiden ihrer Jacken und Schuhe entledigt und betraten das Esszimmer. Tom blieb abrupt stehen. Mit »wir« hatte Lynette offenbar nicht nur sich und die kleine Anny, sondern auch ihre Nachbarin gemeint, die mit am Tisch saß, in ihrem Kaffee rührte und sich ein Plätzchen aus einer der Gebäckdosen nahm.
»Guten Abend, Bridget. Hallo, Lynnie, na?« Jake hatte die Überraschung offensichtlich schneller verdaut als Tom. Er schloss Lynette in die Arme, strich Anny liebevoll über ihr Haar und rückte zwei Stühle für sich und Tom zurecht.
Ein heißes Gefühl durchzuckte Tom, als er sich daran erinnerte, wie Jake sich bei seiner ersten Begegnung mit Bridget einen Spaß erlaubt und sich provokant bis auf die Unterwäsche vor ihr ausgezogen hatte. Erfolgreich kämpfte er das Lachen nieder, das in seiner Kehle kitzelte, und beschränkte sich darauf, ihr freundlich zuzunicken. Diesmal hielt sie sich mit ihren Flirtversuchen zurück, da sie (ja)wusste, dass Jake vergeben war. Wobei diese Tatsache sie vielleicht auch nicht ewig abhalten würde, schoss es ihm durch den Kopf.
»Lynnie, geht es dir gut?« Tom beugte sich zu seiner Schwester hinab und küsste sie auf die Stirn. Sie saß auf einem Stuhl und versuchte trotz ihrer Körperfülle Anny Halt zu geben, die auf ihrem Schoß hockte und sich mit tränennassem Gesicht an ihre Mutter schmiegte.
»Eigentlich schon«, antwortete sie erschöpft und prustete ihren Atem aus.
»Wir haben uns ein wenig Sorgen gemacht, weil du dich seit gestern nicht mehr bei Tom gemeldet hast«, warf Jake ein.
»Tut mir leid. Ich musste noch einige Dinge organisieren.«
»Was kann denn wichtiger sein, als euer Kind zu bekommen?« Tom schüttelte mit gespielter Strenge den Kopf.
»Dank der Werbekampagne mit Jake werden unsere Zimmer … die zum Glück alle rechtzeitig renoviert und bezugsfertig waren … sehr gut gebucht. Natürlich habe ich den letzten Schwangerschaftsmonat geblockt … aber Anfragen gehen trotzdem ein. Die leite ich momentan … an andere B&Bs weiter.« Lynette verstummte und konzentrierte sich auf ihre Atmung.
»Also … das sieht verdächtig nach einer Wehe aus«, diagnostizierte Jake.
»Ja, der Kleine macht sich so langsam auf den Weg«, murmelte sie mit verzerrtem Gesicht
»Deswegen habe ich Bridget gebeten, auf Anny aufzupassen, wenn Marc und ich ins Krankenhaus fahren. Wir wussten ja nicht genau, wann ihr kommt. Cate und Susan übernachten bei Freundinnen … die Telefonnummern hängen am Kühlschrank.«
»Lynnie, Jake und ich sind jetzt da … mach dir keine Gedanken, okay?« Sanft aber bestimmt löste Tom den Griff seiner Nichte und nahm sie auf den Arm, während Jake Lynette beim Aufstehen half. Auf seinen Arm gestützt schlurfte sie durch das Esszimmer und hielt sich den Bauch.
Im Flur waren energische Schritte zu hören. »Wir können los … im Wagen ist es warm, weich und bequem.« Marc blieb kurz in der Tür stehen, den Autoschlüssel in der einen und die gepackte Tasche für seine Frau in der anderen Hand. Dann eilte er fürsorglich an ihre Seite.
»Geht schon wieder … die Schmerzen lassen nach«, beruhigte sie ihn und entspannte sich sichtlich. »Es dauert bestimmt noch Stunden, bis es richtig losgeht. Wir können noch warten. Krankenhäuser sind nicht so mein Ding. Zu früh will ich da nicht aufkreuzen.«
»Zu spät aber auch nicht … wir fahren!«, sprach Marc ein Machtwort und sah sie streng an.
Im Hintergrund machte sich Bridget mit einem Räuspern bemerkbar. Ihr schien klar zu sein, dass sie überflüssig war.
»Also … wie es aussieht, ist Anny in den besten Händen. Falls ihr doch Hilfe braucht …« Bridget hielt ihre Hand ans Ohr und spreizte den kleinen Finger und den Daumen ab. »… einfach anrufen.« Sie hatte Tom zwar einbezogen, jedoch nur Jake ihr Lächeln geschenkt.
»Vielen Dank für deine Hilfe«, wandte sich Lynette an Bridget und winkte ihr zum Abschied kurz zu, bevor Jake die Nachbarin zur Tür brachte.
»Hör zu, Süße«, flüsterte Lynette in die rotbraunen Haare ihrer Jüngsten. »Ich muss mich jetzt um deinen kleinen Bruder kümmern, aber Tom und Jake bleiben bei dir. Ihr könnt Geschichten lesen und dabei Plätzchen essen. Soll Tom dir eine heiße Milch machen?« Anny schüttelte den Kopf und schniefte. Sie streckte Lynette ihre Händchen entgegen, doch Tom behielt sie auf dem Arm. Auch wenn es ihm beinahe das Herz brach, machte es keinen Sinn, die Trennung hinauszuzögern. »Ich hab dich lieb.« Mit einem letzten Kuss verabschiedete Lynette sich, zog ihre Pudelmütze über und ließ sich von Marc zum Auto begleiten.
Tom sah der Kleinen an, dass sie kurz davor war, wieder in Tränen auszubrechen, als sie sich an ihn schmiegte.
»Das sind die schönsten Weihnachtsstrümpfe, die ich je gesehen habe!« Jake spielte seine Begeisterung so überzeugend, dass Anny ihn zunächst mit großen Augen ansah und dann seinem Blick folgte. Am Kamin hingen sechs Stück. Sogar für ihr Baby hatte Lynette...




