Powell | Ein Tanz zur Musik der Zeit / Bücher schmücken ein Zimmer | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 10, 280 Seiten

Reihe: Ein Tanz zur Musik der Zeit

Powell Ein Tanz zur Musik der Zeit / Bücher schmücken ein Zimmer

Roman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-941184-85-5
Verlag: Elfenbein
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 10, 280 Seiten

Reihe: Ein Tanz zur Musik der Zeit

ISBN: 978-3-941184-85-5
Verlag: Elfenbein
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der zwölfbändige Zyklus 'Ein Tanz zur Musik der Zeit' - aufgrund seiner inhaltlichen wie formalen Gestaltung immer wieder mit Marcel Prousts 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit' verglichen - gilt als das Hauptwerk des britischen Schriftstellers Anthony Powell und gehört zu den bedeutendsten Romanwerken des 20. Jahrhunderts. Inspiriert von dem gleichnamigen Bild des französischen Barockmalers Nicolas Poussin, zeichnet der Zyklus ein facettenreiches Bild der englischen Upperclass vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die späten sechziger Jahre. Aus der Perspektive des mit typisch britischem Humor und Understatement ausgestatteten Ich-Erzählers Jenkins - der durch so manche biografische Parallele wie Powells Alter Ego anmutet - bietet der 'Tanz' eine Fülle von Figuren, Ereignissen, Beobachtungen und Erinnerungen, die einen einzigartigen und aufschlussreichen Einblick geben in die Gedankenwelt der in England nach wie vor tonangebenden Gesellschaftsschicht mit ihren durchaus merkwürdigen Lebensgewohnheiten.

Anthony Powell (1905-2000) besuchte das Eton College, studierte in Oxford und heiratete eine Adlige. Er arbeitete als Lektor in einem Londoner Verlag, schrieb Drehbücher und Beiträge für britische Tageszeitungen, war Herausgeber des Magazins 'Punch' und Autor zahlreicher Romane. Jene gesellschaftliche Oberschicht Großbritanniens, der er selbst angehörte, porträtierte er in seinem zwölfbändigen Romanzyklus 'A Dance to the Music of Time'. Während seine Altersgenossen und Freunde Evelyn Waugh, Graham Greene und George Orwell sich auch im deutschsprachigen Raum bis heute großer Popularität erfreuen, ist Anthony Powell hierzulande noch nahezu unbekannt. Über den Übersetzer Heinz Feldmann vermerkte Anthony Powell in seinem Tagebuch: 'I am lucky to have him as a translator.'
Powell Ein Tanz zur Musik der Zeit / Bücher schmücken ein Zimmer jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


2


Es stellte sich ganz unerwartet heraus, dass Erridge
sich noch kurz zuvor um sein Testament gekümmert hatte. Er hatte George Tolland (zunächst zusammen mit Frederica sein Testamentsvollstrecker) durch ihren jüngsten, jetzt einzig überlebenden Bruder Hugo ersetzt. Dementsprechend hatten sich Hugo und Frederica, als ich in London ankam, bereits nach Thrubworth begeben. Die Unterbringungsmöglichkeiten in Erridges Flügel des Hauses waren begrenzt. Der Rest der Familie musste sich also, wie bei Georges Beerdigung, entscheiden, ob man am selben Tag wieder zurückreisen oder in »The Tolland Arms« übernachten wollte, einem Wirtshaus, das sich seit der Einrichtung einer Royal-Air-Force-Station in der Nachbarschaft erheblich verbessert hatte. Norah, Susan und ihr Ehemann Roddy Cutts sowie Isobel und ich wählten »The Tolland Arms«. Zufälligerweise war Dicky Umfraville gerade auf Urlaub aus Deutschland angekommen, wo er als Oberstleutnant im Stab der Militärregierung Dienst tat (ein Job, der ihm sehr zusagte); er weigerte sich allerdings strikt, Frederica zu begleiten.

»Ich hab deinen Bruder nie kennengelernt«, sagte er. »Deshalb wäre es eine Impertinenz meinerseits, seiner Beerdigung beizuwohnen. Außerdem ist – in mehr als einer Hinsicht die Umkehrung einer anderen Situation – zwar Platz in der Herberge, aber keiner im Stall. Niemand hätte weniger etwas gegen eine Pferdebox auf Thrubworth als ich, aber wir wären voneinander getrennt, mein Liebling, so nah und doch so fern – etwas, das ich nicht ertragen könnte. Zudem, und weit wichtiger, ich mag keine Beerdigungen. Sie erinnern mich an den Tod, ein Thema, dem ich stets aus dem Weg zu gehen versuche. Du wirst also alleine gehen müssen, Frederica, mein Engel, und so schnell wie möglich nach London zurückkehren, um meinen Urlaub zu einem Himmel auf Erden zu machen.«

Veronica, George Tollands Witwe, war ebenfalls nicht anwesend. Sie konnte jetzt jeden Tag niederkommen.

»Ich bete zu Gott, dass es ein Junge wird«, sagte Hugo. »Ich dachte immer, ich würde das alles gerne übernehmen. Aber jetzt nicht mehr – obwohl ich wohl kaum einen vergammelteren Earl abgeben würde als der arme alte Erry.«

Hugos allgemeines Verhalten war durch den Krieg ruhiger geworden, seine Kommentare neigten mehr und mehr zur Schroffheit. Seine gesamte Kriegsdienstzeit hatte er als Kanonier in einer Flakbatterie verbracht und England nicht verlassen. Er hatte dennoch eine ziemlich lebhafte Zeit durchgemacht. Zum Beispiel war er einmal nachts der einzige Mann an dem Geschütz gewesen, der nicht umgekommen ist. Jetzt verkaufte er wieder Antiquitäten, ein Beruf, in dem er sich als zunehmend erfolgreich erwies. Kürzlich hatte er sein eigenes Geschäft eröffnet; zusammen mit einem früheren Armeefreund namens Sam – er schien keinen Nachnamen zu besitzen –, kein großer Redner, aber gutmütig, mit einer kraftvollen Figur, angeblich von schneller Entschlusskraft, wenn auf einer Auktion ein gutes Stück angeboten wurde.

Wie Hugo – aber natürlich im Rahmen seines eigenen, sehr andersgearteten Temperaments, seiner eigenen Lebenshaltung – war auch Roddy Cutts ruhiger geworden. Dafür gab es genügend Gründe. Seine Kriegszeitromanze am Hauptquartier der Persien/Irak-Streitkräfte mit einer Kodierungsspezialistin, die er zu einem Zeitpunkt zu heiraten beabsichtigte, war in die Brüche gegangen, kurz nachdem er seiner Frau die Situation in einem Brief eröffnet hatte. Als sie in Teheran Urlaub machte, hatte sich die Kodierungsspezialistin plötzlich entschlossen, mit einem reichen Perser durchzubrennen und Roddy sich selbst zu überlassen. Susan, die sich während dieses unglückseligen Zwischenspiels makellos verhalten hatte, übernahm jetzt. Als Roddy wegen der Wahlen 1945 nach England zurückkehrte, arbeitete sie ungewöhnlich hart. Er wurde mit einer Mehrheit von wenigen hundert Stimmen wieder ins Parlament gewählt. Ihre Vormachtstellung war damit komplett, Roddy völlig unter ihrer Kontrolle. Sie brachte ihn dazu, wie ein Sklave zu schuften. Das war zweifellos richtig, und was er selbst auch wollte. Dennoch, diese Faktoren waren darauf angelegt, die Hochstimmung zu beeinträchtigen, selbst bei jemandem, der von seinen eigenen guten Qualitäten so angetan war wie Roddy Cutts. Seine hübschen, ein wenig zu groben Gesichtszüge trugen jetzt Anzeichen von Stress; alles an ihm war eine Spur weniger schneidig, selbst sein aschblondes Haar. Er hatte allerdings sein kraftvolles, halb herumkommandierendes, halb unterwürfiges Auftreten beibehalten, eine Art, die den Repräsentanten aller politischen Parteien zusammen mit dem für Politiker endemischen Kennzeichen, immer alles falsch zu verstehen, gemeinsam ist. Er war fast bemitleidenswert dankbar, wieder zurück im Parlament zu sein.

Als George Tolland einige Monate zuvor zu Grabe getragen worden war, hatte Erridge nicht an der Beerdigung teilgenommen. Er hatte tatsächlich mit einem Anfall von Gastritis – die damals sehr verbreitet war – im Bett gelegen, aber seine Abwesenheit wurde von Anfang an von seinen Schwestern als etwas Selbstverständliches angenommen, und zwar nicht, weil sie alle etwa Erridges eigene Klagen über seine chronischen Leiden allzu ernst genommen hätten, sondern wegen des allgemeinen Prinzips, dass es für den ältesten Sohn, wie progressiv seine Einstellungen auch sein mochten, durchaus angemessen war, einer Zeremonie fernzubleiben, bei der ein jüngerer Bruder unweigerlich den Mittelpunkt des Interesses bilden würde; in diesem Fall kam noch hinzu, dass, wie sehr Erridge selbst solche Ansichten auch bedauern mochte, in den Augen vieler ein Ende wie das Georges traditionell als besonders lobenswert galt – wie Stringham kommentiert hatte: »Es ist schrecklich chic zu fallen.« Dieser letzte Faktor würde wahrscheinlich durch den Gottesdienst, für Erridge etwas an sich schon Abscheuliches, noch besonders betont werden. Es gab also mehr als einen Grund für seine Abwesenheit, zumal es ihm in den letzten Jahren zunehmend fast unmöglich geworden war, etwas zu tun, das ihm widerstrebte. Man stimmte allgemein darin überein, dass er, auch ohne krank zu sein, niemals teilgenommen hätte.

»Ein psychosomatischer Anfall war vorprogrammiert«, sagte Norah. »Na ja, alle Partys verlaufen besser ohne Erry.«

Dennoch, Georges Tod hatte seinen älteren Bruder zweifellos erschüttert. Darauf hatte Blanche in ihrer traurigen, bereitwilligen, nie alles ganz verstehenden Art, die Dinge zu beschreiben, bestanden. Zumindest schien es so, als verstünde Blanche nicht alles so ganz. Möglicherweise begriff sie in Wirklichkeit viel mehr, als ihre eigenen Verwandten vermuteten. Der örtliche Arzt, Erridges einzige Vertrauensperson in der Nachbarschaft, hatte ihn seit einem Monat nicht mehr besucht, eine äußerst uncharakteristische Unterlassung. Blanche wiederholte Dr. Jodrills Worte.

»Die koronare Thrombose, die sich bei der Obduktion zeigte, könnte auf eine emotionale Störung zurückzuführen sein. Ich möchte fast annehmen, dass Lord Warminster von Oberst Tollands Tod erheblich betroffen war.«

Vielleicht hatte Jodrill Recht. Lange unterdrückte Gefühle mochten plötzlich die Oberhand gewonnen haben. Selbst Erridges Indisponiertheit zur Zeit der Beerdigung seines Bruders konnte etwas damit zu tun gehabt haben. Dennoch, es fiel schwer, Norah bei dem Gedanken zu widersprechen, es sei besser, dass Erridge nicht anwesend war. Mehrere Armeefreunde waren in der Kirche erschienen, Tom Goring, immer ein enger Freund – »obwohl Angehöriger eines Schützenregiments«, wie George zu sagen pflegte , der eine Brigade in dem Abschnitt kommandiert hatte, in dem George verwundet worden war. Ted Jeavons war, in pedantischer Beachtung der Form als angeheirateter Onkel, der notorisch kränkelte, ebenfalls da. Aus obskuren Gründen hatte Jeavons die Reise mit einer anderen Eisenbahnlinie als der Rest der Familie unternommen und war auch am selben Abend wieder zurückgefahren. Die Kirche war nicht voll gewesen. Nebel und die Benzinrationierung hatten die Leute zurückgehalten.

Während Georges Beerdigung war, wie so oft bei solchen Gelegenheiten, der scharfe Kontrast zwischen Leben und Tod durch einen jener überhaupt nicht zu dem Geschehen passenden Zwischenfälle, die aber irgendwie eine Verbindung mit dem Charakter oder den Gewohnheiten des Verstorbenen zu haben scheinen, noch besonders betont worden. Weit davon entfernt, die Natur dieser Feierlichkeiten herabzuwürdigen, erhöht ihre unterschwellige Angemessenheit vielmehr noch oft deren Intensität, indem sie die Erhabenheit des Rituals und der Musik sozusagen umgehen und ihre seltsame Gemäßheit die Kluft überbrückt, die das Faktum des Todes der Imagination darbietet. Unsere Sensibilität wird mit einem Ruck geweckt, und wir akzeptieren das, was sich als Tat oder Szene ereignet hat, als zwar äußerlich abstrus, aber innerlich passend.

Georges Sarg war bereits der moosbedeckten Erde anheimgegeben worden, und die Trauernden hatten begonnen, sich zu entfernen, als ein Trupp deutscher Kriegsgefangener aus dem Lager und ihr mit einer mit größter Nonchalance getragenen Maschinenpistole ausgerüsteter Aufseher auf dem Weg zurück von einem Ausflug in die Umgebung über den Friedhof getrottet kamen. Sie schienen sich überhaupt nicht bewusst zu sein, was hier einen Moment früher vor sich gegangen war, mischten sich sozusagen unter die...


Anthony Powell (1905—2000) besuchte das Eton College, studierte in Oxford und heiratete eine Adlige. Er arbeitete als Lektor in einem Londoner Verlag, schrieb Drehbücher und Beiträge für britische Tageszeitungen, war Herausgeber des Magazins „Punch“ und Autor zahlreicher Romane. Jene gesellschaftliche Oberschicht Großbritanniens, der er selbst angehörte, porträtierte er in seinem zwölfbändigen Romanzyklus „A Dance to the Music of Time“. Während seine Altersgenossen und Freunde Evelyn Waugh, Graham Greene und George Orwell sich auch im deutschsprachigen Raum bis heute großer Popularität erfreuen, ist Anthony Powell hierzulande noch nahezu unbekannt.
Im Elfenbein Verlag wird Powells Hauptwerk unter dem Titel „Ein Tanz zur Musik der Zeit“ bis Ende 2018 in zwölf Einzelbänden erscheinen. Jeder Band ist separat erhältlich. Bei Abnahme des gesamten Zyklus wird ein Preisnachlass gewährt.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.