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E-Book, Deutsch, 544 Seiten

Precht Freiheit für alle

Das Ende der Arbeit wie wir sie kannten

E-Book, Deutsch, 544 Seiten

ISBN: 978-3-641-25445-2
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Und warum eigentlich?Nichts, was die Arbeit anbelangt, ist heute mehr selbstverständlich. Das zweite Maschinenzeitalter selbstlernender Computer und Roboter revolutioniert unseren Arbeitsmarkt. Es definiert neu was »Arbeit« ist, und wozu wir eigentlich noch arbeiten. Schon seit einiger Zeit arbeiten wir in den westlichen Industrieländern nicht mehr, um unsere Existenz zu sichern. Wir arbeiten, um zur Erwerbsarbeitsgesellschaft dazuzugehören.Doch wenn »Vollbeschäftigung« nicht mehr der Jackpot ist, den es zu knacken gilt, sondern »Selbstverwirklichung«, dann ändern sich die Lose in der Tombola: Arbeit zu haben wird nun nicht mehr automatisch als Glückszustand bewertet, denn es kommt immer stärker auf die Qualität und die genauen Umstände des Arbeitens an. Aus der Erwerbsarbeitsgesellschaft, wie wir sie bisher kannten, wird eine Sinngesellschaft. Eine gigantische Transformation, und sie ist längst im Gange.Richard David Precht zeigt uns, wie die Veränderung der Arbeitswelt unser Leben, unsere Kultur, unsere Vorstellung von Bildung, und letztlich die ganze Gesellschaft verändert – und welche enormen Gestaltungsaufgaben auf die Politik zukommen, insbesondere der Umbau unseres Sozialsystems hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen.
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Einleitung
Das Versprechen war bombastisch. Aber der Autor, der es sich von einem Ghostwriter zu Papier bringen ließ, war es in gewisser Weise auch. 1957 erschien mit Wohlstand für Alle die wohl gewaltigste Zusicherung, die je ein bundesdeutscher Politiker den Bürgern gemacht hatte.1 Vertraute man dem damaligen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, dann würde die in Deutschland neu eingeführte »soziale Marktwirtschaft« immer weiteren Bevölkerungsschichten zu Wohlstand verhelfen und jegliche Armut für immer ausrotten. Das »Wirtschaftswunder« verwunderte und verzauberte die Deutschen so maßlos, dass Erhard selbst später immer wieder zum »Maßhalten« aufrief. Tatsächlich explodierte in den Fünfziger- und Sechzigerjahren der materielle Wohlstand in Deutschland in ungekannter Geschwindigkeit. Soziale Marktwirtschaft erschien geradezu als eine Zauberformel, etwas, das einen Perpetuum-mobile-Kapitalismus mit menschlichem Gesicht hervorbrachte, der durch Wettbewerb fast wie von Zauberhand zu immer neuen Segnungen führte. Die Weltkriegsgeneration, befangen zwischen schlechtem Gewissen und blütenweiß gestärkten Hemden, transzendental obdachlos zwischen Kriegsgräberfürsorge und Heinz-Erhardt-Witzen, unfähig zu trauern, mitgerissen im diffusen Aufbruch des »Wir sind wieder wer« und der Wiederaufrüstung, dabei weiterhin eingezwängt in die Sechstagewoche mit langen Arbeitszeiten, sah sich völlig überraschend befördert: vom großen Kriegsverlierer zum noch größeren Nachkriegsgewinner. Die Deutschen mochten die Welt nicht mit ihren Wunderwaffen erobert haben, mit ihrer Wirtschaftswunderwaffe, der sozialen Marktwirtschaft, würde es ihnen gelingen. Der Mercedes-Stern mochte das Hakenkreuz ersetzt haben, der schwarze Mief des Katholizismus den braunen der Nazis, an der deutschen Tüchtigkeit jedenfalls bestand kein Zweifel. Und »Wohlstand für Alle« – das war nicht nur der Glaube an die unbegrenzte Arbeitskraft und Arbeitsleistung der Deutschen; es war nicht weniger als die programmatische Erfüllung eines bis dahin für völlig unrealisierbar gehaltenen Menschheitstraums. Es ist genug für alle da! Alles, was es braucht, ist die Tüchtigkeit, sich ein Stück vom großen Kuchen zu verdienen. Tatsächlich endet in den Sechzigerjahren die Ökonomie der Knappheit in sämtlichen Industrieländern der westlichen Welt. Seit Menschen Zivilisationen gebildet hatten, war eigentlich nie genug für alle da gewesen. Nun aber ernteten die Industrieländer die Früchte des technischen Fortschritts und der immer weiter gesteigerten Produktivität. Alles Weitere würde von nun an nur noch eine Verteilungsfrage sein. Wie viel steht jedem einzelnen Bürger zu, wenn prinzipiell genug für alle da ist? Dabei bleibt eines im Dunkeln. Die Überflussgesellschaft erzeugt nicht nur genug Güter für jeden, sondern sie stellt zugleich mehr und mehr infrage, worauf ihr historischer Erfolg beruht: dass möglichst alle, die erwerbsfähig sind, auch lange und viel arbeiten. Doch wenn dies immer weniger erforderlich ist – wie sollen die Menschen sich dann dauerhaft als Teil einer Erwerbsarbeitsgesellschaft definieren? Wie sollen sie alle weiterhin jene Rolle ausfüllen, die über Jahrhunderte für die meisten ein Gräuel war, lebenserhaltend durch den Lohn, aber zugleich lebenszerstörend durch das Schuften und Sich-Abrackern bis zum häufig frühen Ende? Erst die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte dem massenhaften Sich-kaputt-Arbeiten in den meisten Industrieländern ein Ende bereitet und dafür ungezählte Routineberufe im Dienstleistungssektor geschaffen. Mit einem Wort: Sie ersetzte viel harte Arbeit durch viel langweilige Arbeit. Doch auch dieser Sprung ist nicht von Dauer. Das zweite Maschinenzeitalter immer leistungsfähigerer Informationsmaschinen pflügt das Terrain heute ein weiteres Mal grundlegend um.2 Und kein Faktor verändert unsere Vorstellung von dem, was Arbeit ist, so sehr, wie technisch-ökonomische Revolutionen. Sie sind die wahren Feldherren, die unbesiegbaren Weltveränderer, die zu neuer Weltgestaltung auffordern, ob sie dies nun ausdrücklich wollen oder nicht. Man kann nicht die Produktionsweise von Gütern und ihre Verteilung, die Arbeitsprozesse, Tätigkeitsfelder und die Kommunikation revolutionieren, ohne die ganze Gesellschaft zu revolutionieren. So war es immer in der Geschichte, und so geht es weiter. Die erste industrielle Revolution war nicht nur der Beginn der Industrieproduktion mithilfe der Dampfmaschine; sie war zugleich der Anfang vom Ende einer fast zweitausend Jahre währenden Herrschaft von Adel und Kirche. Sie erforderte, dass sich die Ökonomie aus der Staatsgewalt löste und verselbstständigte. Dafür erzwang sie Nationalstaaten, weniger als Lenker der Wirtschaft, denn als große und einheitliche Binnenmärkte. Mit der ersten industriellen Revolution entstand, noch bedeutender, der Entwurf eines neuen Modells von Gesellschaft: die bürgerliche Leistungs- und Lohnarbeitsgesellschaft. Sie führte in wildem Schlingerkurs zum Siegeszug der parlamentarischen Demokratien und der Rechtsstaatlichkeit, der bürgerlichen Institutionen und Verwaltungen und später zur staatlichen Daseinsvorsorge und Gesundheitspolitik. Die zweite industrielle Revolution, die elektrifizierte Massenproduktion, beschleunigte diesen Prozess, provozierte zunächst zwei Weltkriege und ermöglichte langfristig eine nie zuvor gekannte Bildung der Bevölkerung, einen modernen Sozialstaat, eine Hyperkonsumgesellschaft und ein stets steigendes Anspruchsdenken. Auch die Umwälzung, die hier und heute vor unser aller Augen geschieht, ist gewaltig, gewaltiger als manch einer denken will. Wir leben nicht in einem gesellschaftlich endgültigen Zustand nach dem Ende der Geschichte, in dem technisch-ökonomische Revolutionen nichts anderes bedeuten als schlichtweg Effizienzsteigerung und neues Wachstum, selbst wenn Politiker und Ökonomen in Deutschland dies allzu oft glauben oder glauben wollen. Ganz im Gegenteil: Dass der Entwurf neuer Ideengebäude stagniert und floskelhafte Beschwörungen den Ewigkeitswert des Status quo verkünden, gehört zum festen Inventar jeder Umbruchzeit! Kaum ein Monarch witterte in der Dampfmaschine das langfristige Ende seiner Herrschaft. Man denke ebenso an die ökonomischen Vordenker der auf die Landwirtschaft gestützten französischen Feudalgesellschaft.3 Behaupteten sie nicht beim Anblick von Dampf- und Spinnmaschine umso trotziger, dass einzig das Agrarwesen dauerhaften Produktionsfortschritt verspreche, die Blase der industriellen Revolution bald verpufft sei und eigentlich alles beim Alten bliebe? Zwanzig Jahre später pflügte die Französische Revolution nicht nur ganz Frankreich um, sondern mit ihr eine überdauerte Welt. Es gibt viel Grund zu vermuten, dass die digitale Revolution eine soziale Revolution enthält, größer als alles, was die Menschen in der Bundesrepublik bislang erlebt haben. Dass alles weitgehend beim Alten bleibt, während Computer und Roboter die globale Arbeitswelt revolutionieren, ist äußerst unwahrscheinlich. Doch man muss wohl erst ein Stück zurücktreten, um den Wandel, die Veränderungen und die Geschwindigkeit, mit der er sich vollzieht, tatsächlich zu begreifen. Auf der einen Seite überschätzen Menschen allzu gerne die kurzfristigen Folgen neuer Technologien. Google Glass, der Minicomputer am Brillengestell, der 2014 die Welt verändern sollte – wo ist er geblieben? Die Nachfrage nach Sprachassistenten in der Wohnung, wie Amazons Alexa, stagniert. Dass in wenigen Jahren in allen Metropolen der Welt nur noch voll automatisierte RoboCars fahren, dürfte keiner mehr glauben. Auch der 3D-Drucker hat die enormen Erwartungen an seine Einsatzmöglichkeiten bislang nicht erfüllt. Und dass Elon Musk in den nächsten Jahren zum Mond oder Mars fliegen wird, nimmt er sich vermutlich selbst nicht mehr ab. Auf der anderen Seite neigen wir dazu, die langfristigen Folgen neuer Technologien dramatisch zu unterschätzen. Es sind die feinen, aber entscheidenden Veränderungen unserer Lebenswelt und unseres Lebensrhythmus, der Austausch der Werte, der Wandel von Autoritäten und Institutionen, die Verschiebungen im Zusammenleben und in den Sozialstrukturen sowie der Wechsel in der politischen Kultur. Sie ereignen sich so schleichend, dass wir sie oft gar nicht als Folge technischer Revolutionen wahrnehmen. Erst im Nachhinein wird uns das Ausmaß klar. Von 1900 bis 1920, der Zeit der rasanten Elektrifizierung und wegweisender Ingenieursleistungen, wurden nicht nur die elektrische Beleuchtung, die Automobile, die Flugzeuge, die Hochhäuser und das Telefon zur Selbstverständlichkeit – das ganze Leben, zumindest in den großen Städten, wurde neu erfunden, das betraf die Mode, die Musik, die Rolle der Frauen, den Umgang mit Sexualität sowie psychische Krankheiten. Das Weltbild der Physik und der Philosophie änderte sich, die Malerei war kaum noch wiederzuerkennen, und der Film kam auf. Schriftsteller schrieben völlig andere Bücher und gingen neu mit Sprache um, der Lärm nahm zu und die Geschwindigkeit. Wie gering dagegen sind die Veränderungen in Zeiten ohne große technische Neuerungen. Was änderte sich schon zwischen 1970 und 2000 in der Tiefenstruktur und im Lebensrhythmus der Menschen in den Industrieländern? Erst das Internet und das Smartphone entfachten eine völlig neue Dynamik. Während zwischen 1970 und 2000 die Dinge vor allem mehr wurden – mehr Geld, mehr Autos, mehr Mode, mehr Konsumgüter –, wurden viele Dinge nun plötzlich ganz anders. Das Internet und das Smartphone haben die Arbeitswelt revolutioniert, gänzlich...


Precht, Richard David
Richard David Precht, geboren 1964, ist Philosoph, Publizist und Autor und einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Er ist Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Seit seinem sensationellen Erfolg mit »Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?« waren alle seine Bücher zu philosophischen oder gesellschaftspolitischen Themen große Bestseller und wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Seit 2012 moderiert er die Philosophiesendung »Precht« im ZDF und diskutiert zusammen mit Markus Lanz im Nr.1-Podcast »LANZ & PRECHT« im wöchentlichen Rhythmus gesellschaftliche, politische und philosophische Entwicklungen.


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